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Full text of "Anglia"

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A  N  G  L  I A. 


ZEITSCHRIFT 

FÜK 


EN&LISCHE  PHILOLO&IE. 


UNTER  MITWIRKUNG   VON  EWALD   FLÜGEL 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

EUG£N   EINENKEL. 


NEBST   EINEM   BEIBLATT   HERAUSGEGEBEN   VON   MAX    FR.  MANN. 


BAND  XXV.  NEUE  FOLGE  BAND  XIIL 


HALLE  A.  S. 

MAX   NIEMEYEB. 

1902. 


BAND-INHALT. 


Seite 

Otto  Ballmann,   Chancen  einflnss  anf  das  englische  drama  im 
Zeitalter  der  königin  Elisabeth  nnd  der  beiden  ersten  Stnart- 

könige 1 

P.  Siegel,  Aphra  Behns  gedichte  und  prosawerke 86 

Willi  Fischer,  Goldsmiths  Vicar  ofWakefield 129 

F.  Holthansen,  Das  Spiel  der  Weber  von  Coventiy.    I.  Text    .    .  209 
Wilbnr  L.  Gross,  Chancer  as  a  Character  in  Fiction 251 

G.  Erneger,  E<ich  —  have;  a  scissors 254 

Fr.  Elaeber,  Zar  altenglischen  Bedaübersetznng 257 

Ernst  A.  Eock,  Interpretations  and  Emendations  of  Early  English 

Texts.    1 316 

P.  Siegel,  Aphra  Behns  gedichte  nnd  prosawerke,    n 829 

F.  Holthausen,  Zu  alt-  nnd  mittelenglischen  denkmälem.   XYI.    .  386 

R.  A.  Williams,  Die  vokale  der  tonsilben  im  Ck>dex  Wintoniensis  .  393 
Alb  recht  Wagner,  Eine  sammlang  von  Shakespeare -Qaartos  in 

Deutschland 518 


/ 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE 

DRAMA 

IM  ZEITALTER  DER  KÖNIGIN  ELISABETH  UND  DER 
.   BEIDEN  ERSTEN  STUART -KÖNIGE. 


Während  sich  die  forschung  in  den  „Shakespeare- Allusion 
Books"  der  New  Shakespeare  Society  schon  eingehend  mit 
Shakespeares  nachwirknng  beschäftigt  hat,  ist  für  Chaucer  — 
the  first  national  poet  of  England,  mit  Courthope ')  zu  reden  — 
in  dieser  hinsieht  fast  noch  alles  zu  leisten.  Es  fehlt  zwar 
nicht  ganz  an  arbeiten  betreffs  Chaucers  einfluss  auf  einzelne 
dichter  —  vgl.  z.  b.  Thomas  Warton:  „Observations  on  the 
Fairy  Queen  of  Spenser".  Sect.  V  — ,  in  zusammenfassender 
weise  aber  ist  noch  keine  litteraturgattung  auf  Chaucers  ein- 
fluss hin  untersucht  worden.  Und  doch  würde  sich  daraus  am 
ehesten  ein  deutliches  bild  von  der  grossen  Vielseitigkeit  seiner 
werke  und  ihrer  breiten  Wirkung  auf  die  folgenden  litteratui-- 
epochen  gewinnen  lassen.  —  Im  folgenden  habe  ich  es  mir  zur 
aufgäbe  gemacht,  den  einfluss  Chaucers  auf  die  blütezeit  des 
englischen  dramas,  d.  h.  auf  das  drama  im  Zeitalter  der  königin 
Elisabeth  und  der  beiden  ersten  Stuart-könige  darzulegen. 

Das  hauptmerkmal ,  welches  Chaucer-)  von  allen  seinen 
Vorgängern  und  Zeitgenossen  unterscheidet,  ist  die  grosse  drama- 
tische lebendigkeit  seiner  darstelluug.  Er  hatte,  zum  dichter 
herangereift,  völlig  mit  den  allegorisch -symbolischen  Personi- 
fikationen des  mittelalters  gebrochen;  statt  wesenloser  gestalten 
führt  er  uns  menschen  von  fleisch  und  blut  vor  äugen,  wie  sie 


0  W.  J.  Coorthope :  A  History  of  English  Poetry.  In  2  vols.  London 
1895 ;  bd.  I  8.  300. 

')  Die  ausgäbe  von  W.  W.  Skeat  in  sieben  bänden,  Oxford  1894,  ist 
hier  zugrunde  gelegt. 

▲nglift.    N.  F.    XIII.  1 


2  OTTO  BALLMANN, 

im  wirklichen  leben  zu  finden  sind.  Man  kann  Courthope  nur 
zustimmen,  wenn  er  sagt:  When  he  had  introduced  a  variety 
of  highly  finished  characters  into  a  Single  action,  and  had 
enyaged  tlieni  in  animated  dialogue,  Chaacer  had  fulfdled  every 
requirement  of  a  dramatist,  short  of  hringing  his  play  upon  Ute 
stage  (1.  c.  I,  298).  Dieses  innerste  wesen  der  werke  Chaucers 
befähigte  sie  ganz  besonders  dazu,  befruchtend  auf  das  aus 
den  moralitäten  herauswachsende  drama  einzuwirken.  Es  kann 
uns  deshalb  nicht  wundernehmen,  dass  wir  so  oft  in  der  dra- 
matischen litteratur  Englands  auf  Chaucers  spur  stossen.  In 
den  ersten  stücken  noch  unscheinbar  und  gering, ')  nimmt  diese 
spur  doch  schon  bei  John  Hey wood  2)  sehr  bestimmte,  deutliche 
formen  an  und  wird  schliesslich  in  der  blütezeit  des  englischen 
dramas  zu  einer  breiten,  für  jedes  äuge  sichtbaren  fährte,  die 
auch  die  besten  dichter  zu  betreten  sich  nicht  scheuen.  — 
Ein  anderer  umstand  kam  aber  noch  hinzu,  welcher  die  dra- 
matiker  gerade  auf  Chaucer  hinwies:  indem  sie  seine  werke 
auf  die  bühne  brachten,  oder  in  die  ihrigen  offenkundige  an- 
spielungen  und  citate  aus  ihnen  einflochten,  huldigten  sie  ihrem 
zeitgeiste,  der  damals  sich  dem  vater  der  englischen  poesie 
besonders  günstig  zeigte.  Für  Chaucers  gi'osse  Popularität  im 
16.  Jahrhundert  sprechen  die  zahlreichen,  rasch  aufeinander 
folgenden  drucke  seiner  werke  deutlich  genug.  3)  Ja,  die  nach- 
ahm ung  von  Chaucers  spräche  ging  sogar  so  weit,  dass  männer, 
wie  Thomas  Wilson,^)  George  Puttenham^)  und  Ben  Jonson 
(s.  unten  s.  15),  es  für  nötig  hielten,  vor  diesem  einfluss  zu 
warnen.  Freilich,  der  nachäff erei  von  Chaucers  veraltetem 
Sprachgebrauch  konnten  sie  nicht  nachdrücklich  genug  ent- 
gegentreten. Aber  diese  historischen  belege  geben  uns  eine 
vollgültige  erklärung  dafür,  dass  auch  die  weniger  deutlichen 


*)  cf.  QueUen  des  englischen  Dramas  vor  Shakespeare  von  Alois  Brandl. 
QF.  Heft  80,  Strassburg  1898;  Einleitung  S.  XVm,  XXXIX,  XXXXVI,  Lf., 
LUX,  CI.  Auch  Kaluza  hat  in  seiner  besprechung  der  Brandl'schen  „Quellen" 
auf  Chaucer-anklänge  aufmerksam  gemacht  (D.  L.  Z.  99  A  4b). 

*)  cf.  John  Heywood  als  Dramiker.  Ein  Beitrag  zur  Entwicklungs- 
geschichte des  englischen  Dramas  von  Wilhelm  Swoboda.   Wien  1888 ;  s.  63  ff. 

*)  cf.  W.  W.  Skeat:  Chaucer's  Minor  Poems.  Clarendon  Press.  Ox- 
ford 1888;  Einleitung  s.  XVff. 

*)  cf.  Thomas  Warton:  History  of  English  Poetry  ed.  by  Carew  Hazlitt. 
In  4  vols.    London  1871 ;  bd.  IV  s.  141  f. 


CIIAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  3 

anspielungen  auf  Chaucer  dem  damaligen  theaterpublikum  ohne 
weiteres  verständlich  waren. 

Die  einteilung  des  Stoffes  ist  von  dem  gesichtspunkte  aus 
geschehen,  dass  in  chronologischer  folge  zuerst  die  stofflichen 
entlehnungen  aus  Chaucer  und  dann  die  anspielungen  auf  seine 
werke  behandelt  werden;  der  vorteil  jedoch,  den  eine  zu- 
sammenhängende besprechung  der  einzelnen  dramatiker  bot, 
ist  deshalb  nicht  aufgegeben  worden. 

A. 

Die  früheste  nachricht  von  der  dramatisierung  einer 
Chaucer-erzählung  giebt  uns  John  Bale ;  nach  ihm  soll  Nicolas 
Grimoald  (1519 — 1562)  eine  komödie  Troilus  ex  Ghaucero 
geschrieben  haben.  Sie  ist  uns  aber  weder  erhalten,  noch  be- 
sitzen wir  sonst  eine  nähere  angäbe  darüber.  Es  ist  selbst 
fraglich,  ob  sie  lateinisch  oder  englisch  geschrieben  war  (cf. 
Dict.  of  Nat.  Biogr.  unter  Grimoald). 

Von  einer  anderen  komödie,  die  uns  ebenfalls  verloren  ist, 
berichtet  Thomas  Warton. ')  Bei  einem  besuche  der  königin 
Elisabeth  in  Oxford  1566  wurde  das  englische  drama  Palamon 
and  Arcite,  dessen  Verfasser  Eichard  Edwards  (der  ältere) 
war,  unter  grossem  beifall  der  königin  aufgeführt.  Die  quelle 
desselben  war  Chaucers  „Knightes  Tale".  2) 

Auch  im  Jahre  1594,  am  17.  Sept.,  kam  im  „Rose  Theatre" 
ein  drama  Palamon  and  Arcite  auf  die  bühne,  von  dem  wir 
aber  weiter  nichts  wissen.  Hazlitt  vermutet  in  ihm  eine  Um- 
arbeitung des  vorigen  Stückes.  3) 

Ob  das  noch  ungedruckte  drama  Fair  Constance  of  Ronie, 

verfasst  1600  von  Munday,Hathway,  Drayton  undDekker, 
mit  Chaucers  fassung  der  geschichte  von  der  keuschen  kaisers- 
tochter  in  „The  Man  of  Lawes  Tale"  zusammenzubringen  ist, 
oder  nicht,  muss  dahin  gestellt  bleiben.^) 


»)  cf.  Warton  1.  c.  bd.  III  b.  305,  IV  b.  214. 

«)  cf.  auch  Hazlitt'B  Play-Collector's  Manual  1892  s.  173. 

*)  cf.  Hazlitt'B  Manual  s.  173;  Frederick  Gard  Fleay:  Biographical 
Chronicle  of  the  Engl.  Drama  from  1559—1642.  In  2  vols.  London  1891 
(weiterhin  citiert  als:  Fleay);  bd.  11  b.  303. 

«)  cf .  Hazlitt's  Manual  s.  79 ;  Fleay  bd.  I  s.  126. 

1* 


4  OTTO  BALLMANN, 

Appius  und  Virginia. 

A  new  Tragicall  Comedie  of  Apius  and  Virginia  (ge- 
druckt 1575)  ist  das  erste  erhaltene  drama  aus  jener  zeit,  als 
dessen  quelle  eine  Chaucer-erzählung  nachgewiesen  ist.  Der 
unbekannte  Verfasser  R.  B.  entnahm  aus  Chaucers  „Phisiciens 
Tale"  den  stoff,  den  er  nach  gutdünken  zurechtschnitt  und 
dui'ch  zuthaten  erweiterte.  Rumbauer,  welcher  ausführlich  das 
Verhältnis  des  dramas  zu  seiner  quelle  besprochen  hat,  *)  fasst 
seine  Untersuchung  in  die  werte  zusammen:  „Es  ist  aus  den 
von  mir  angeführten  gründen  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass 
der  Verfasser  der  tragikomödie  einzig  und  allein  nach  der 
Chaucer'schen  erzählung  gearbeitet  hat.  Die  ab  weichungen 
von  Chaucer  sind  zum  grössten  teile  durch  die  dramatische 
form  und  das  eingreifen  der  allegoiischen  figuren  in  die  hand- 
lung  bedingt  und  kommen  somit  auf  die  eigene  rechnung  des 
dichtei^"  (s.  27). 

Shakespeare. 

Shakespeares  Verhältnis  zu  Chaucer  ist  in  zusammen- 
fassender weise  bis  jetzt  noch  nicht  behandelt  worden.  Wohl 
aber  haben  diejenigen  seiner  dramen,  welche  Chaucer-einfluss 
aufzuweisen  schienen,  schon  mehrfach  eine  eingehende  Unter- 
suchung erfahren.  Ich  musste  mich  daher  im  folgenden  haupt- 
sächlich darauf  beschränken,  das  vorhandene  material  zu 
bearbeiten. 

Gomedy  of  Error»,  Nach  Joh.  Groene^)  sollte  Shake- 
speare in  diesem  lustspiele  eine  anleihe  bei  Chaucer  gemacht 
haben.  In  dem  bezüglichen  artikel  behauptet  der  Verfasser: 
„Eine  stelle  aus  Chaucers  erzählung  des  ritters,  wo  Arcitas 
trotz  des  über  ihn  verhängten  todesurteils  durch  die  liebe  zu 
Emilia  gedrängt  nach  Athen  zurückkehrt,  kann  als  Vorbild 
gelten  zu  der  eröffnuugsscene  der  Irrungen,  wo  der  alte  Aegeon 
in  seiner  eigenschaft  als  Syrakusaner  in  Ephesus  dem  tode 
verfallen  ist,  und  zwar  wird  er  ebenfalls  durch  die  Sehnsucht 
nach  einer  geliebten  person  (seinem  söhne)  dorthin  getrieben" 
(s.  287).    Diese  hypothese,  für  welche  kein  weiterer  Stützpunkt 


^)  cf.  Die  Geschichte  von  Appius  und  Virginia  in  der  englischen  Litte- 
ratur.    Diss.  von  Otto  Rambauer,  Breslau  1890  (s.  18—27). 
>)  Shakespeare-Jahrbuch  XXIX/XXX  s.  281. 


CHAUCERS  EINFLÜSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  5 

angegeben  ist,  noch  gefunden  werden  kann,  möchte  ich  gänz- 
lich abweisen.  Der  Sachverhalt  ist  folgender:  In  Chaucers 
„Knightes  Tale"  kommt  der  junge  Arcite,  welcher  die  von 
ihm  geliebte  Emelye  in  Athen  weiss,  nach  langer  abwesenheit 
und  von  liebeskummer  ganz  entstellt  und  abgehärmt,  auf 
Mercurs  befehl,  der  ihm  im  träume  erschienen  war,  unter 
falschem  namen  und  verkleidet  nach  Athen,  um  von  seinem 
liebesleid  zu  genesen,  trotzdem  ihm  Theseus  todesstrafe  ange- 
droht hatte,  wenn  er  auf  athenischem  gebiet  ertappt  würde. 
Arcite  tritt  unerkannt  in  den  dienst  des  Theseus,  dessen  wohl- 
wollen er  gewinnt.  Bei  Shakespeare  sucht  ein  vater,  der  alte 
Aegeon,  seit  fünf  jähren  in  allen  ländern  sein  verschollenes 
weib  und  kind;  die  ungewissheit  über  ihr  Schicksal  verleitet 
ihn,  auch  in  Ephesus  nachzufoi-schen,  das  er  doch  als  Syraku- 
saner  unter  todesstrafe  nicht  betreten  dürft«.  Er  wird  ge- 
fangen und  zum  tode  verurteilt.  —  Hierin  vermag  ich  keine 
Übereinstimmung  zu  entdecken.  Als  parallele  könnte  man 
höchstens  den  dann  freilich  in  allgemeinster  allgemeinheit  auf- 
zufassenden satz  aufstellen:  Eine  person  betritt  aus  liebe  zu 
einer  andern  eine  Stadt,  wo  ihr  der  tod  droht.  Und  dies  dürfte 
wohl  nicht  genügen,  um  Chaucer  als  Shakespeares  vorbild  in 
der  betreffenden  scene  hinzustellen. 

Hidsummer  Nighl's  Drenm,  In  dem  bunten  gewebe  der 
handlung  des  „Sommernachtstraumes"  finden  sich  hauptsächlich 
zwei  punkte,  welche  zu  einem  vergleich  mit  Chaucer  heraus- 
fordern: 1.  der  rahmen  der  komödie,  d.h.  die  bevorstehende 
hochzeit  des  Theseus  mit  Hippolj^ta,  an  Chaucers  „Knightes 
Tale"  erinnernd,  2.  die  von  den  handwerkern  aufgeführte 
Schauertragödie  „Pyramus  and  Thisbe",  ein  stoff,  welchen 
Chaucer  uns  in  der  zweiten  erzählung  der  „Legend  of  Good 
Women"  bietet.  Furness »)  fasst  das  Verhältnis  der  „Knightes 
Tale"  zu  Shakespeares  komödie  in  dem  satze  zusammen :  Thcre 
is  no  resemblance  between  the  tale  and  the  drama  beyond  an 
allusion  to  the  celehation  of  May-Day,  and  the  names  Theseus 
and  Philostrate  (s.  XXVI).  Und  Ward  2)  sagt,  dass  der 
^Theseus-rahmen"  im  Sommemachtstraum  einer  bekanntschaft 


')  Shakespeare  Variornm  Edition,  vol.  X  im  vorwort  zum  M.  N's  D. 
*)  Adolphus  William  Ward:   Eist,  of  Engl.  Dramat.  Lit.    In  3  vols. 
New  Edit.    London  1899  (weiterhin  citiert  als:  Ward);  bd.  11  s.  86. 


6  OTTO  BALLMANN, 

Shakespeares  mit  Norths  Plutarch-übersetzung  zu  verdanken 
sein  muss:  Here  occur  a  numher  of  proper  names  which  reappear 
in  the  comedy,  und  weiterhin,  dass  Theseus  und  Hippolyta  dem 
Shakespeare  als  personages  in  epic  poetry  and  romance  schon 
vorher  bekannt  gewesen  seien.  Ein  Zugeständnis  aber  macht 
er  Chaucer  mit  den  worten:  Philosiratus  who  in  the  play  is 
Theseus  nmster  of  the  revels,  in  Chaucer's  "Knighfs  Tale"  is 
his  €  Chief  squire^.  Beide  forscher  wollen  also  die  Theseus- 
episode  nicht  auf  Chaucer  zurückführen ;  als  hauptgrund  dafür 
erscheint,  dass  Shakespeares  Schreibung  Hippolyta  nicht  aus 
Chaucer  stammen  kann  (dieser  schreibt  Ipolita)  und  die  eng- 
lische Plutarch-übersetzung  der  zeit  ihrer  Veröffentlichung 
nach  (1579)  Shakespeare  als  quelle  am  nächsten  lag.  Aber 
bezüglich  des  Philostratus  wissen  sich  beide  nur  durch  zurück- 
greifen auf  Chaucer  zu  helfen,  da  dieser  name  bei  North  nicht 
vorkommt  und  auch  sonst  nicht  in  ähnlicher  Verbindung  mit 
Theseus  zu  finden  ist.  Und  ebenso  deutlich  weist  die  von 
Fumess  erwähnte  alltision  to  the  celebration  of  May-day  auf 
Chaucer  hin: 

M.  N'8  Dr.  Act  I,  sc.  1  v.  167 : 

To  do  observance  to  May.*) 

Knightes  Tale  A  1500: 

To  doon  his  observannce  to  May. 

Ohne  Chaucer  kommen  wir  also  gar  nicht  aus  bei  der  er- 
klärung  des  Theseus  -  rahmens  im  Sommernachtstraum.  Wes- 
halb sollten  wir  uns  dann  sträuben,  anzunehmen,  dass  gerade 
von  der  Knightes  Tale  die  hauptanregung  zu  demselben  aus- 
ging ?  Denn  nicht  nur  die  ganze  Situation  und  Stimmung  der 
Theseus-episode,  sondern  auch  das  Verhältnis  von  Theseus  und 
Hippolyta  zu  den  übrigen  personen  des  lustspiels  ist  genau 
dasselbe,  wie  in  Chaucers  erzählung.  Aus  Plutarch  kann 
Shakespeare  nui*  einige  antike  namen  und  wenige  geschicht- 
liche thatsachen  entnommen  haben.  —  Diese  ansieht  wird  von 
der  mehrzahl  der  forscher,  soweit  ich  sehe,  vertreten.  Sie 
wurde  zuerst  von  Steevens  aufgestellt,  durch  Knight  und 
Halliwell  verstärkt  um  einige  beweispunkte,  die,  zwar  an  sich 
nicht  beweiskräftig,  im  Zusammenhang  mit  den  beiden  erst- 
genannten punkten   doch  ihre  volle  bedeutung  erhalten  (et 


*)  Shakespeare  ist  nach  der  Globe-Edition  citiert. 


CHAUGERS  EIKPLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  7 

Furness,  Variorum  Edition  s.  268  ff.),  und  findet  sich  eingehend 
dargelegt  bei  ten  Brink  und  Pröscholdt. ») 

Auch  die  eigentliche  handlung  des  Sommernachtstraumes, 
die  geschichte  der  beiden  liebespaare,  sollte  nach  Pröscholdt 
(1.  c.)  aus  derselben  erzählung  Chaucers  geflossen  sein.  Den 
besten  beweis  dagegen  brachte  E.  Tobler,  2)  der  nicht  nur  für 
die  beiden  liebespaare  Shakespeares,  sondern  auch  für  dessen 
Zauberblumen  love-in-idleness  und  Dian's  hud  in  dem  schäfer- 
roman  des  Jorge  de  Montemajor  Vorbilder  nachgewiesen  hat. ») 

Einen  anderen  Standpunkt  vertritt  ten  Brink.  Nach  ihm 
hat  Shakespeare  Chaucers  erzählung  mit  Montemajors  roman 
verbunden.  Er  sagt:  „Aus  Palamon  und  Arcite  machte  er 
[Shakespeare]  Lysander  und  Demetrius,  deren  namen,  besonders 
des  letzteren,  an  die  von  Palamons  und  Arcitas  mitstreitern 
im  tumier  anklingen  (Lycurg  und  Emetrius);  statt  der  einen 
Emilia  aber  schuf  er  Helena  und  Hermia.  Die  Charaktere  der 
beiden  männer  wurden  wenig  von  ihm  individualisiert,  weniger 
als  ihre  Urbilder  bei  Chaucer  es  waren.  Auf  die  zwei  frauen 
hat  Shakespeare  nun  das  motiv  übertragen,  das  bei  Chaucer 
sich  an  die  beiden  männergestalten  knüpft:  das  motiv  der 
durch  eifersucht  gestörten  freundschaft  (1.  c.  s.  102)."  Und 
dann  soll  hier  der  schäf erroman ,  die  erzählung  Chaucers  er- 
gänzend, eintreten.  Diesem  geistreichen  versuche  ten  Brinks 
kann  ich  nicht  beistimmen.  Denn  was  bleibt  nach  allen  Ver- 
änderungen, die  Shakespeare  mit  Chaucers  personen  vorge- 
nommen haben  soll,  überhaupt  noch  von  diesen  übrig?  Jeden- 
falls nicht  genug,  um  die  Knightes  Tale  als  quelle  für  die 
eigentliche  handlung  des  Shakespeare'schen  lustspiels  irgendwie 
wahrscheinlich  zu  machen. 

Ueber  die  Pyramus  und  Thisbe-sage  im  Sommemachts- 
traum  lässt  sich  nichts  positives  behaupten.    Einerseits  ist  sie 


»)  cf.  Bernhard  ten  Brink,  Shakespeare- Jahrbuch  XIII  s.  92  ff.  L.  Prö- 
scholdt: On  the  Sources  of  Shakespeare's  M.  N*8  Dr.  Diss.  Halle  1878.  Vgl. 
auch  die  Shakespeare-ausgabe  von  Delius. 

*)  Im  Shakespeare-Jahrbuch  XXXTV  s.  358.  In  einer  anderen  richtung 
hat  neuerdings  Vollhardt  Shakespeare's  quelle  gesucht,  vgl.  sein  programm : 
„Die  Beziehungen  des  M.  N's  Dr.  zum  italienischen  Schäferdrama."  Beilage 
zum  Jahresbericht  der  II.  Realschule,  Leipzig  1899. 

*)  Diese  queUe  war  schon  längst  bekannt,  ist  aber  erst  von  Tobler 
ganz  gewürdigt  worden. 


8  OTTO  BALLMANN, 

in  allen  ihren  einzelheiten  im  ganzen  mittelalter  sehr  bekannt, ') 
andrerseits  war  sie  schon  vor  Shakespeare  bereits  dramatisch 
behandelt  worden,  und  vor  allem  stand  ja  Shakespeare  die 
Übersetzung  von  Ovids  Metamorphosen  von  Golding  zur  Ver- 
fügung. Mit  Goldings  Ovid  zeigt  auch  Shakespeares  drama 
im  drama  stofflich  die  grösste  Übereinstimmung,  so  dass  jetzt 
allgemein  die  quelle  dort  gesucht  wird  (vgl.  Fumess,  Ward), 
wenn  auch  der  vers  Shakespeares: 

0  wicked  wall  throngh  whom  I  see  no  bliss 

(M.  N'B  Dr.  V  1, 181.) 

stark  an  die  stelle  bei  Chaucer  erinnert: 

Alias!  thou  wicked  walle! 
Thurgh  thyn  envye  thou  us  leitest  alle! 

(Leg.  ofG.  \Y-756.) 

Es  bleibt  noch  zu  erwähnen,  dass  VoUhardt^)  Chaucers 
Pluto  in  der  „Merchantes  Tale"  als  einen  Vorgänger  von 
Shakespeares  Oberon  ansieht.  Dem  kann  nicht  widersprochen 
werden.  Denn  zweifellos  spielte  Chaucers  Pluto  eine  rolle  in 
dem  verschmelzungsprozess  von  giiechischer  mythologie  mit 
germanischem  elfenzauber  und  ist  somit  in  gewissem  sinne 
wohl  ein  vorbote  von  Shakespeares  Oberon.  Doch  an  eine 
direkte  linie,  die  von  Chaucer  zu  Shakespeare  führte,  ist  dabei 
nicht  zu  denken.  Dass  jene  Verschmelzung  zu  Chaucers  zeiten 
noch  in  ihren  ersten  anfangen  war,  zeigt  der  umstand,  dass 
Pluto,  der  bei  Chaucer  gewöhnlich  als  der  beherrscher  der 
schwarzen  unterweit,  der  höUe,  genannt  ist,  einzig  in  der 
„Merchantes  Tale"  uns  auf  einmal  als  „king  of  fayerye" 
(E.  2227)  entgegentritt. 

Ueber  den  Sommemachtstraum  im  allgemeinen  hat  Sarrazin 
einen  trefflichen  gedanken  in  „Scenerie  und  Staffage  im  Sommer- 
nachtstraum" (Herrigs  Archiv  bd.  104)  geäussert,  den  ich  nicht 
verfehlen  will  hier  anzuführen:  „Der  einfluss  Chaucers  scheint 
sich  nicht  nur  in  dem  rahmen  der  handlung  und  in  einzelnen 
motiven  geltend  zu  machen,  sondern  auch  im  gesamtcharakter 


^)  cf.  Dr.  Georg  Hart:  Die  Pyramns-  und  Thisbe-Sage.  Passau  1889; 
2.  teU  1891. 

*)  cf.  Engl.  Stud.  XXrV  s.  470,  und  seine  neben  citierte  schrift  s.  17  ff., 
wo  bemerkt  ist,  dass  schon  Tyrwhitt  Chancers  Pinto  nnd  Proserpina  als 
he  trtie  progenitors  of  Oberon  and  Titania  bezeichnet  hatte  (s.  24). 


CHAÜCKR8  EINFLÜSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DUAMA  ETC.  9 

des  lustspiels,  in  der  phantastischen  Mainacht-stimmung  und 
in  der  ironisch  -  humoristischen  färbung.  In  keiner  anderen 
dichtung  ist  Shakespeare  dem  geiste  Chaucers  so  nahe  ge- 
kommen (s.  73).  —  Die  „anregung",  welche  nach  Sarrazin  „für 
die  Situation  des  Zusammentreffens  der  elfenkönigin  mit  dem 
weber  Zettel"  durch  „Chaucers  prolog  zur  Legende  von  den 
Guten  Frauen  gegeben  sein  könnte"  (1.  c.) ,  scheint  mir  aber 
nicht  wahrscheinlich. 

Troilus  and  Cressida.  Die  entlehnung  der  liebesge- 
schichte  in  diesem  stücke  Shakespeares  aus  Chaucers  epischem 
gedieht  „Troilus  and  Criseyde"  war  durch  die  abhandlung  von 
E.  Stäche ')  stark  in  zweifei  gezogen  worden ,  nachdem  man 
zuvor  Chaucer  ausschliesslich  als  quelle  betrachtet  hatte.  Stäche 
glaubte  aus  einzelnen  abweichungen ,  welche  drama  und  ge- 
dieht zeigen,  auf  ein  viel  weniger  enges  Verhältnis  der  beiden 
schliessen  zu  müssen,  und  schien  damit  die  notwendigkeit  einer 
weiteren  quelle  andeuten  zu  wollen.  Ward  2)  war  trotzdem  bei 
seinem  bereits  in  der  ersten  aufläge  seines  werkes  geäusserten 
urteil  geblieben,  dass  Chaucer  als  einzige  quelle  für  die  liebes- 
geschichte  in  betracht  käme.  Eine  abschliessende  behandlung 
erfuhr  diese  frage  in  dem  buche  von  Roscoe  Addison  Small.  ^) 
Wir  finden  daselbst  das  urteil  Wards  vollgiltig  bestätigt  duixh 
zahlreiche  Stellennachweise,  welche  die  ziemlich  eingehende 
benutzung  Chaucers  darthun.  Die  abweichungen,  welche  Shake- 
speare gegenüber  seiner  quelle  zeigt,  erklären  sich  einerseits 
nach  Small  aus  der  Ökonomie  des  dramas  und  dem  zwang,  die 
im  mittelalter  zu  typen  ausgebildeten  personen  als  solche  bei- 
zubehalten; andrerseits  gehen  sie,  wie  sich  aus  Smalls  dar- 
legung  ergiebt,  auf  die  von  Shakespeare  für  den  historischen 
teil  im  drama  benützte  quelle:  Caxton's  „Recuyell  of  the 
Histories  of  Troy"  (1474  ?)  zurück,  wie  z.  b.  der  umstand,  dass 
Diomed  das  im  kämpfe  dem  Troilus  geraubte  pferd  der  Cressida 


*)  Das  Verhältnis  von  Shakespeare's  „Troilus  and  Cressida"  zu  Chaucer's 
gleichnamigem  gedieht.  Von  Emil  Stäche.  Programm  des  Real-Gymn.  zu 
Nordhausen  1893. 

«)  cf.  Ward  1.  c.  bd.  11  s.  152. 

")  The  Stage-Quarrel  between  Ben  Jonson  and  the  so-called  Poetasters 
by  Roscoe  Addison  Small.  In  Kölbings  Forschungen  zur  englischen  Sprache 
und  Litteratur  heft  I.    Breslau  1899. 


10  OTTO  BALLMANN, 

als  geschenk  zusendet.  —  Ein  näheres  eingehen  auf  die  Über- 
einstimmungen Shakespeares  und  Chaucers  würde  nur  eine 
Wiederholung  der  ausfühnmgen  von  Small  sein  können.  *)  Er 
hat  bewiesen,  dass  Chaucers  gedieht  als  die  ausschliessliche 
quelle  für  die  liebesgeschichte  in  Shakespeares  „Troilus  and 
Cressida"  und  Caxton  als  einziger  gewälirsmann  für  den  histo- 
rischen teil  des  dramas  zu  gelten  hat. 

The  Rape  of  Lucrece.  Unter  den  von  Chaucer  in  der 
„Legend  of  Good  Women"  verherrlichten  frauen  hat  auch 
Lucretia  ihren  platz  gefunden.  Chaucer  geht  auf  Livius  und 
Ovid  zui'ück.  Für  Shakespeares  herrliches  gedieht  hat  Wil- 
helm Ewig^)  die  quellenfi'age  abschliessend  behandelt.  Er 
kommt  zu  dem  ergebnis :  „Ausgeschlossen  ist,  .  .  .  das  Shake- 
speare seinen  stoff  etwa  nur  aus  Chaucer  geschöpft  haben 
sollte  (s.  20) ;  die  benutzung  des  Livius  ist  als  sicher,  die  des 
Ovid  als  wahrscheinlich  anzusehen.  Vielleicht  hat  auch  Chaucers 
legende  eingewirkt"  (s.  32).  Letzteres  schloss  der  Verfasser 
daraus,  dass  Shakespeare  und  Chaucer  sich  an  drei  stellen  in 
gedanken  berühren,  die  Chaucer  in  feiner  weise  zur  aus- 
schmückung  seines  gedichtes  eingefügt  hat  (cf.  s.  27). 

Ich  habe  noch  eines  kurzen  auf  Satzes  von  G.  Sarrazin-^) 
zu  gedenken,  welcher  unter  der  Überschrift  „Chaucer  und 
Shakespeare"  uns  eine  reihe  von  parallelstellen  bietet,  die 
Chaucer-anklänge  in  Shakespeares  werken  darthun  sollen.  Die 
ausdrucksweise  des  Verfassers  ist  zumeist  eine  sehr  vorsichtige 
—  er  spricht  von  „anklängen"  und  „ähnlichkeit  der  gedanken", 
giebt  auch  manchmal  selbst  die  möglichkeit  einer  zufälligen 
ähnlichkeit  zu  oder  drückt  sich  mit  „vielleicht  nicht  zufällig" 
aus.  Ich  selbst  möchte  allerdings  die  mehrzahl  der  citierten 
fälle  als  ganz  unsicher  abweisen.  Handelt  es  sich  doch  zumeist 
um  metaphern  und  vergleiche,  die  entweder  zum  poetischen 
allgemeingut  gehören,  oder  die  wir  als  erzeugnisse  einer  echten 
dichterseele  in  gleicher  weise  beiden  dichterheroen  zutrauen 
müssen ;  und  ausserdem  ist  das  individuelle  gepräge  der  allge- 
meineren poetischen  gedanken,  welches  allein  den  massstab  für 
die  beurteilung  einer  entlehnung  bilden  darf,  in  allen  fällen 


»)  cf.  SmaU  1.  c.  8. 154. 

*)  Wilhelm  Ewig:  Shakespeare's  Lucrece.    Anglia  XXn. 

»)  cf,  Anglia  Beiblatt  Vü  b.  265  ff. 


CHAUCEBS  EINPLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DBAMA  ETC.  11 

za  sehr  verschieden.    Die  von  Sarrazin  verzeichneten  anklänge 

sollten  sich  in  der  mehr  oder  weniger  grossen  inhaltlichen 

Übereinstimmung  in  folgenden  bildern  finden :  Die  lerche  steigt 

in  der  frühe  singend  zum  himmel  empor  und  weckt  (begi'üsst) 

den  kommenden  morgen ;  dazu  die  in  allem  glänz  aufsteigende 

sonne.  —  Das  vom  wolf  gebissene  lamm  schreit  (zittert  vor 

furcht).  —   Sterbelied  des  schwanes.   —   Der  in  alle  ritzen 

spähende  tag.  —  Reichtum  ist  oft  nur  ui'sache  von  Unglück. 

—  Liebesleidenschaft  fasst  alle  extreme  zu  gleicher  zeit  in 

sich.  —  Der  liebesgott  ist  ein  mächtiger  lord.  —   Derselbe 

boden  trägt  nebeneinander  giftige  und  heilsame  kräuter.  — 

Beachtenswert  ist  die  von  Sarrazin  erwähnte  stelle  in  Rieh.  II. 

I;  3,294: 

0,  who  can  hold  a  fire  in  his  band 

By  thinking  on  the  frosty  Cancasus? 

verglichen  mit  Chaucer  D  1139: 

Tak  fyr,  and  ber  it  in  tbe  derkeste  bons 
Bitwix  tbis  and  tbe  monnt  of  Caucasus 
And  lat  men  sbette  tbe  dores  and  go  tbenne 
Yet  wol  tbe  fir  as  faire  lye  and  brenne 
Ab  twenty  tbansand  men  migbte  it  bibolde  — 

Der  gedanke  in  beiden  vergleichen  ist,  wie  der  Zusammen- 
hang zeigt,  allerdings  durchaus  verschieden.  Chaucer  sagt: 
Gleichwie  das  feuer  stets  seine  eigenschaft  behält,  ob  es  im 
dunkelsten  hause  verschlossen  in  fernster  gegend  brenne  oder 
vor  den  äugen  von  zwanzig  tausend  leuten,  so  bewahrt  echte 
gentilesse  stets  ihr  wesen,  handelt  in  jedem  falle  gleich  und 
fragt  nicht  danach,  ob  ihre  that  2^rivcc  oder  cq)crt  sei.  Und 
was  Shakespeare  mit  seinen  zwei  versen  sagen  wollte,  geben 
die  nachfolgenden  am  besten  zu  erkennen: 

Or  cloy  tbe  bungry  edge  of  appetite 
By  bare  imagiuation  of  a  feast? 
Or  wallow  naked  in  December  suow 
By  tbinking  ou  fantastic  sammer's  beat? 
0  no!  tbe  apprebension  of  tbe  good 
Gives  bnt  tbe  greater  feeling  to  tbe  worse. 

Bei  Shakespeare  ist  der  Kaukasus  das  Sinnbild  für  die  kälteste, 
bei  Chaucer  für  die  ödeste,  abgelegenste  gegend.  Immerhin 
ist  es  möglich,  dass  Shakespeare  Cliaucers  verse  mit  der  auf- 
fälligen Zusammenstellung  von  feuer  und  Kaukasus  im  ge- 
dächtnis  hatte. 


12  OTTO  BALLMANN, 

Aber  gar  keine  parallele  vermag  ich  in  einem  weiteren 
von  Sarrazin  angeführten  falle  zu  finden: 

Romeo  and  Juliet  ü;  2,  159: 

Hist!   Bomeo,  bist!   0  for  a  falconer's  voice 
To  Inre  this  tassel-gentle  back  again. 

Diese  zwei  verse  sollen  auffallend  an  Chaucers  „Troilus  and 
Criseyde"  erinnern: 

in  1782.    And  whan  that  he  com  rydinge  in-to  toun 
Ful  ofte  his  lady,  from  hir  window  doun 
As  fresh  as  faucon  comen  out  of  muwe 
Ful  redy  was  him  goodly  to  saluwe. 

A  falconer's  voice  und  ein  frisch  gemauserter  falke  dürften 
wohl  keine  parallele  ausmachen. 

Sarrazins  bemerkung:  „Im  Kaufmann  von  Venedig  (V;  1, 3) 
wird  unmittelbar  nacheinander  auf  eine  scene  in  Troilus  and 
Criseyde  (V  666) ,  auf  die  sagen  von  Pyramus  und  Thisbe, 
Aeneas  und  Dido,  Jason  *)  und  Medea  angespielt.  Es  ist  gewiss 
kein  zufall,  dass  diese  drei  geschichten  in  der  legende  von  den 
guten  fi'auen  genau  in  derselben  reihenfolge  erzählt  werden" 
(s.  268).  —  Diese  bemerkung  ist  nur  in  ihrem  ersten  teile 
richtig.  Dass  auf  Chaucers  „Troilus  and  Criseyde"  an  der 
erwähnten  stelle  angespielt  wird,  kann  ohne  weiteres  zugegeben 
werden;  schon  Steevens  und  nach  ihm  Delius  und  Furness 
machten  darauf  aufmerksam.  Anders  steht  es  aber  mit  den 
drei  nachfolgenden  geschichten.  Dass  Chaucer  zwischen  der 
legende  von  Dido  und  der  von  Medea  diejenige  der  Hysipyle 
erzählt,  hat  zwar  nicht  viel  zu  sagen.  Aber  wenn  Shakespeare 
bei  jenen  drei  kleinen  wundervollen  Stimmungsbildern  aus  den 
genannten  geschichten  irgendwie  an  Chaucer  gedacht  hätte, 
so  müssten  wir  in  Chaucer  für  jene  Stimmungsbilder  wenigstens 
einen  anhält  finden.  Dies  ist  nicht  der  fall.  Weder  spricht 
Chaucer  in  der  Thisbe-legende  von  thau  oder  von  dem  schatten 
des  löwen  (bei  ihm  ist  es  eine  löwin),  noch  in  der  Dido-legende 
von  dem  weidenzweig  als  trauerzeichen,  oder  dem  sehnsuchts- 
vollen wünsche  der  Dido,  dass  Aeneas  zurückkehren  möchte 
(Dido  nimmt  sich,  sobald  sie  des  Aeneas  flucht  bemerkt  hat, 
das  leben),  noch  dehnt  er  überhaupt  die  Medea-legende  bis  zu 
Aeson  aus.    Letzteres  ist  besonders  schwerwiegend.     Delius, 

0  Irrtümlich  statt  Aeson. 


CHAUCEB8  EIKFLUSS  AUF  DAS  EKOLISCHB  DRAMA  ETC.         13 

in  der  anmerkung  zu  dieser  stelle,  vermutet,  dass  Shakespeare 
die  sage,  wie  Medea  dem  alten  Aeson,  dem  vater  des  Jason, 
durch  Zauberkünste  die  Jugend  zurückgab,  aus  Gower  gekannt 
haben  mochte,  welcher  in  der  „Confessio  Amantis"  II  s.  259 — 
267  (ed.  Pauli)  diese  geschichte  ausführlich  erzählt.  Für  die 
zwei  ersten  Stimmungsbilder  bot  auch  Gower  keinen  anlass. 

Eine  sichere  Chaucer-erinnerung  ist  hingegen  der  von 
Sarrazin  erwähnte  vers  aus  Lucrece  (v.  791): 

As  palmers'  chat  make  short  their  pilgrimage  — 

mit  bezug  auf  den  rahmen  der  Canterbury  Tales. 

Ebenso  zweifellos  ist  eine  andere  von  Littledale*)  ge- 
fundene parallelstelle.    In  L.  L.  L.  IV  sc.  3  v.  04  heisst  es: 

A  woman  I  forswore;  but  I  will  prove 
Thou  being  a  goddess,  I  forswore  not  thee 
My  vow  was  earthly,  thou  a  heaveuly  love; 
Tby  grace  being  gained  eures  all  disgrace  in  me. 

Diese  verse,  die  sich  wörtlich  im  „Passionate  Pilgrim"  III 
V.  33  -  36  wiederholt  finden ,  verdanken  augenscheinlich  ihre 
entstehung  den  versen  Chaucers:  A  1155—59: 

For  par  amour  I  loved  hir  first  er  thow 
Wbat  wiltow  seyn?   thou  wistest  nat  yet  uow 
Wbether  she  be  a  woman  or  goddesse! 
Thyn  is  afifectioun  of  holinesse 
And  myu  is  love,  as  to  a  creature. 

Den  schluss,  den  Littledale  hierauszieht:  „The  passage  forms 
a  suggestive  link  between  L.  L.  L. ,  M.  N's  Dr.  and  Chaucer's 
Theseus"  halte  ich  freilich  für  etwas  zuweitgehend. 

Mit  Littledale  *^)  muss  man  auch  das  in  demselben  drama 
Shakespeares  vorkommende  annipoient  Mars  (V  2,  650  u.  657) 
auf  Chaucer  zurückführen ;  das  wort  ist  von  Chaucer  gei)rägt, 
wie  das  New  English  Dictionary  zeigt,  und  findet  sich  vor 
Shakespeares  drama  nur  einmal  bei  Douglas  (Aeneis  VI  XIV  83) 
um  1513.    Chaucer  selbst  gebraucht  es  zweimal: 

A  1982:    Ther  stood  the  temple  of  Mars  armipotente 
A  2441:    And  Mars  tbe  Sterne  god  armipotente. 

In  vier  von  Shakespeares  dramen  stossen  wir  auf  den 
hahn  Chanticlere  (Tempest  I,  2,  449 ;  As  You  Like  it  11,  7,  32) 

0  cf.  The  Two  Noble  Kinsmen  ed.  Harold  Littiedale.  New  Shake- 
speare Society  1876,  Notes  s.  135. 

*)  cf .  1.  c.  Notes  zu  Act  IV  sc.  1  y.  54. 


14  OTTO  BALLMANN, 

und  die  henne  Dame  Partlet  (Winter's  Tale  11,  3,  94 ;  Henry  IV 
A.  III,  3,  48),  welche  uns  alte  bekannte  aus  Chaucers  „Nonne 
Preestes  Tale"  sind. 

Ben  Jonson. 

Hinter  Shakespeares  dichtergrösse  treten  dessen  littera- 
rische Zeitgenossen  so  weit  zurück,  dass  sie  der  nachweit  kaum 
mehr  als  der  dunkle  Untergrund  für  eine  glänzende  sonne  sind. 
Sie  haben  für  uns  in  erster  linie  nur  insofern  bedeutung,  als 
sie  uns  erkennen  lassen,  wie  weit  Shakespeares  geist  über 
seiner  zeit  stand.  Für  jene  zeit  selbst  aber  war  er  ein  stern 
unter  andern,  zwar  strahlender  als  alle  andern,  doch  auch 
diese  hatten  ihren  eigenen  lichtkreis.  Unter  den  ersten  in 
der  anerkennung  seiner  zeit  stand  Ben  Jonson.  Heute  wird 
er  weniger  wegen  der  gute  seiner  dramatischen  erzeugnisse, 
als  wegen  des  grossen  kulturhistorischen  wertes  seiner  Schau- 
spiele geschätzt. 

Sein  herausgeber  Gifford  leistete  keine  kleine  arbeit,  als 
er  den  vielen  quellen  nachging,  aus  denen  Jonson  geschöpft 
hat.  Dass  wir  auch  Chaucer  in  Giffords  anmerkungen  häufig 
citiert  sehen,  kann  nicht  befremden;  hat  doch  Jonson  selbst 
seinen  entlehnungen  aus  Chaucer  oft  genug  dessen  namen  bei- 
gefügt. Dem  scharfen  äuge  Giffords  sind  nur  wenige  der  stellen 
entgangen,  die  sich  auf  Chaucer  zurückführen  lassen. 

Wie  hoch  Ben  Jonson  diesen  ersten  grossen  dichter  seit 
der  normannischen  eroberung  zu  schätzen  wusste,  und  wie  ein- 
gehend er  sich  mit  dessen  werken  beschäftigt  hat,  verdeutlicht 
uns  wohl  am  besten  seine  englische  grammatik»)  Aus 
den  verschiedensten  gedichten  Chaucers  sind  stellen  als  belege 
für  die  syntaktischen  ausführungen  herangezogen,  und  der  zahl 
der  citate  nach,  kommt  Chaucer  gleich  an  zweiter  stelle  unter 
den  von  Jonson  dabei  benützten  dichtem.  Von  c.  140  citaten 
in  der  „English  Grammar"  stammen  31  aus  Gower,  26  aus 
Chaucer,  16  aus  Thomas  More,  14  aus  Lydgate.  Die  belege 
aus  Chaucer  verteilen  sich  folgendermassen  auf  die  einzelnen 
gedichte:  House  of  Fame  8,  Troilus  5,  Tale  of  the  Man  of 
Lawe  2,  Phisiciens  Tale  2,  Nonne  Preestes  Tale  2,  Squieres 

»)  The  Works  of  Ben  Jonson  ed.  by  W.  Gifford;  with  Introduction  and 
Appendices  by  F.  Cunuingham.    In  9  vols.   London  1876.   Bd.  IX. 


CHAUCEBS  EIKFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  15 

Tale  2,  Reves  Tale  1;  zwei  weitere  vermochte  ich  nicht  in 
Chancer  zu  finden  (s.  295 :  „For  some  folk  ....  und  s.  310  das 
beispiel:  „Chaucer  in  his  bailad");  ein  beispiel  ist  offenbar 
ganz  entstellt  (s.  303). ')  Diese  zahlen,  die  einerseits  für  Jensons 
geschmack,  andrerseits  für  seine  bewertung  Chaucers  in  stili- 
stischer hinsieht  ein  sprechendes  zeugnis  ablegen,  ermöglichen 
uns  zugleich,  eine  stelle  aus  den  ^Discoveries"  ins  richtige 
licht  zu  setzen.  In  dem  kapitel  „Praecipiendi  modi"^)  empfiehlt 
Jenson  daselbst  zur  ausbildung  des  Sprachgefühls  im  Englischen 
unter  anderem  auch  die  lektüre  Chaucers,  jedoch  mit  der  ein- 
schränkung  für  junge  leute:  Beware  of  letting  them  taste 
Gower  or  Chaucer  at  first,  lest,  falling  too  niuch  in  love  witli 
antiquity,  and  not  apprehending  the  weight,  tliey  grow  rough 
and  harren  in  language  onhj.  Jedenfalls  machte  seine  klare, 
leicht  fassliche  und  lebendige  darstellung  Chaucer  für  Ben 
Jonson  empfehlenswert,  aber  vor  einer  sklavischen  nachahmung 
seines  Stils,  welche  nicht  zwischen  veraltetem  und  noch  gang- 
barem redegebrauch  unterscheidet  —  ein  fehler,  der  sich  gerade 
bei  jüngeren  leuten  am  ehesten  zu  zeigen  pflegt  —  musste  er 
waiTien.  Diese  warnung  wird  einige  selten  später  (s.  198), 
wo  Jonson  über  archaisierenden  stil  überhaupt  spricht,  zum 
tadel:  „Virgil  was  most  loving  of  antiquity:  yet  how  rarehj 
doth  he  insert  ^aquai",  and  ^pictai"!  Lucretius  is  scabrous 
and  rough  in  these;  he  seeks  them  as  some  do  Chaucerisins 
with  US,  which  were  better  expunged  and  hanished.'^  Leider 
hat  uns  Jonson  keine  „Chaucerisras"  genannt,  so  dass  wir 
weder  die  bedeutung,  die  er  mit  diesem  worte  verband,  genau 
zu  erkennen  vermögen,  noch,  wen  er  mit  some  tvith  us  gemeint 
hat,  mit  Sicherheit  angeben  können.    Wahi-scheinlich  hat  er 


0  Es  lautet: 

And  he  was  wise,  hardy,  secret  aud  rieh 

Of  these  three  points  [?J  was  none  him  lych. 

VieUeicht  sind  damit  Chaucers  verse  F  19y20  gemeint,  die  ganz  ähnlich 
lauten:  And  ther-to  he  was  hardy,  wys  and  riche 

Pitous  and  just,  and  ever-more  y-liche, 

was  umso  eher  stimmen  könnte,  als  die  beiden  vorhergehenden  beispiele 
aus  Chaucer  auch  der  ,.Squieres  Tale"  entnommen  sind.    Bemerkt  sei  noch, 
dass  Ben  Jonson  s.  306  drei  konjunktivische  verbal furmen  des  singulaia  als 
pluralformen  des  Indikativs  aufgefasst  hat. 
*)  cf.  Gifford  bd.  IX  s.  194. 


16  OTTO  BALLMANN, 

in  erster  linie  Spenser  im  äuge  gehabt,  von  dem  er  im  an- 
schluss  an  die  zuerst  citierte  stelle  gesagt  hatte:  Spenser,  in 
affecting  the  ancients  tvrit  no  language. 

Die  art  und  weise  der  benutzung,  welche  Chaucer  in  Ben 
Jensens  dramatischen  werken  gefunden  hat,  ist  charakteristisch 
für  den  vielbelesenen  dichter.  Von  entlehnungen  im  eigent- 
lichen sinne  kann  man  wohl  kaum  sprechen,  höchstens  in  dem 
lustspiel  „The  Magnetic  Lady",  in  welchem  zwei  figuren  als 
nachahmung  zweier  pilger  aus  Chaucers  wallfahrtszug  nach 
Canterbury  erscheinen.  Es  sind  spuren,  erinnerungen  und 
citate  aus  Chaucer,  die  Jonson  kunstvoll  in  das  dramatische 
gewebe  seiner  stücke  hineingewirkt  hat.  Bei  seinem  schaffen 
drängten  sich  seinem  lebhaften  geiste  bilder  und  vergleiche 
und  hervorstechende  charakterzüge  aus  seiner  Chaucer-lektüre 
ganz  unwillkürlich  auf,  und  sein  gutes  gedächtnis  kam  ihm 
dabei  zu  statten;  daher  die  oft  wörtliche  genauigkeit  der 
citierten  stellen.  Als  citate  oder  als  sprichwörtliche  redens- 
arten  nämlich  erscheinen  uns  die  aus  Chaucer  stammenden 
verse  zumeist,  und  wenn  auch  nicht  stets  die  beifügung  von 
Chaucers  namen  ihre  herkunft  direkt  ansagt,  so  sind  sie  doch 
oft  auf  den  ersten  blick  als  dessen  eigentum  kenntlich.  — 
Bezüglich  der  handlung  seiner  lustspiele  steht  Jonson  Chaucer 
ganz  unabhängig  gegenüber,  wie  er  denn  überhaupt  die  fabel 
zu  acht  seiner  dramen  frei  geschaffen  zu  haben  scheint,  und 
auch  in  den  andern  nur  teilweise  als  abhängig  sich  erweist.  ^ 

„The  Alchemist"  (aufgeführt  1610,  gedruckt  1612)  2) 
zählt  zu  den  erfolgreichsten  komödien  Jonsons.  Mit  beissender 
Satire  wird  darin  das  betrügerische  treiben  jener  charlatane 
blossgelegt,  die  unter  dem  voi'geben,  die  kunst  des  goldmachens 
lehren  zu  können,  sich  ihre  opfer  in  allen  klasssen  der  ge- 
sellschaft  suchten.  Der  umstand,  dass  auch  Chaucer  sich  auf 
das  gebiet  der  alchimie  begeben  hatte,  in  „The  Chanouns 
Yemannes  Tale",   welche  in  so  lebensvoll  -  drastischer  weise 


')  cf.  E.  Eoeppel:  Quellen-Studien  zu  den  Dramen  B.  Jonson's,  J. 
MaTBton's  und  Beaumont's  und  Fletcher's.  Erlangen  u.  Leipzig  1895  (weiter- 
hin citiert  als  Koeppel  I);  s.  19.  Neuerdings  hat  jedoch  Abraham  L.  Stiefel 
erklärt,  er  gedenke  zu  zeigen,  dass  yiel  davon  geborgtes  gut  sei  (Koches 
Zeitschrift  N.  F.  XU  s.  245). 

0  cf.  Fleay  bd.  I  s.  375  j  Ward  bd.  H  s.  367;  bei  Gifford  bd.  IV. 


CHAUCEB8  EINFLUSS  AUP  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  17 

den  rahmen  der  Canterbury  Tales  durchbricht,  hat  schon  früh 
zu  einer  vergleichung  jener  komödie  mit  dieser  erzählung 
geführt.  Anhaltspunkte  dazu  boten  sich  genug,  und  so  finden 
sich  denn  in  den  ausgaben  beider  dichter  von  Gifford  und 
Skeat  mit  grosser  gewissenhaftigkeit  wechselseitige  hinweise 
bezüglich  derselben  technischen  ausdrücke.  Seit  einem  von 
Ward  erwähnten  artikel  in  der  „Saturday  Review"  0  wird 
sogar  von  einer  beeinflussung  Jonsons  durch  Chaucer  in  der 
darstellung  der  explosion  gesprochen.  2)  Doch  ist  einerseits  zu 
bedenken,  dass  die  terminologie  der  alchimie,  die  ja  schon  seit 
dem  IX.  Jahrhundert  in  hoher  blute  stand,  sich  als  wesent- 
licher bestandteil  dieser  sogenannten  Wissenschaft  mit  ihr 
vererbt  hatte.  Zahlreiche  darstellungen  geben  davon  zeugnis ; 
ich  erwähne  nur  die  für  uns  hier  zunächstliegende  in  der 
„Confessio  Amantis"  II  s.  84  ff.  (ed.  Pauli) ,  wo  uns  Gower  in 
seinen  glatten  versen  einen  guten  überblick  giebt  über  den 
unverständlichen  wüst  von  vieldeutigen,  symbolischen  be- 
nennungen  der  metalle  und  ihrer  veränderuugsprozesse ;  auf 
ihn  hätten  Ske^t  und  Gifford  oft  genug  verweisen  können. 
Andrerseits  ist  zu  betonen,  dass  Jonsons  lustspiel  eine  ein- 
gehendere kenntnis  der  alchimie  aufweist,  als  aus  Chaucers 
erzählung  geschöpft  werden  konnte.  Ja,  es  ist  nicht  einmal 
daran  zu  denken,  dass  Chaucer  die  ei*ste  auregung  zum  „Al- 
chemist"  gegeben  haben  könnte.  Denn,  dass  Jonson  ein  epi- 
gramm  auf  die  alchimisten  schrieb,  ^)  dass  er  das  Maskenspiel 
„Mercury  vindicated  from  the  Alchemists"  verfasste,^)  dass 
in  vielen  seiner  dramen  aus  der  alchimie  entnommene  bilder 
und  metaphern  wiederkehi-en ,  zeugt  deutlich  dafür,  dass  das 
übel  der  alchimie  noch  tief  in  seiner  zeit  wurzelte,  und  dass 
er  mit  seinem  satirischen  lustspiel  nur  in  ein  geschwür  schnitt, 
an  dem  auch  seine  zeit  noch  krankte. 

Was  die  oben  erwähnte  explosion  anbelangt,  so  zeigt  sie 
gar  keine  ähnlichkeit  mit  der  von  Chaucer  geschilderten.    Die 


*)  „Mediaeval  Projectors"  vom  15.  Aug.  1874. 

•)  Noch  bei  Ward  bd.  II  s.  368  lautet  eine  auinerkung  zum  „ Alchemist'* : 
It  may  be  noted,  that  the  description  of  the  destruction  of  the  elixir  (act 
IV  sc.  3)  has  beeil  thought  to  have  been  suggested  by  the  „ChanouM 
Temannes  Tale*^  in  Chaucer. 

»)  cf.  Gifford  bd.  VI  s.  148. 

*)  cf.  Gifford  bd.  VH  8.  231. 

▲ngU*.    N.  F.    XIII.  2 


18  OTTO  BALLMANN 


7 


thatsaclie  der  explosion  an  sicli  beweist  nichts,  und  ihre 
scliilderung  bei  Jenson  ist  so  abweicliend  von  derjenigen 
Chaucers,  dass  sie  keinen  einzigen  mit  dieser  übereinstimmen- 
den gedanken  enthält :  Bei  Jonson  geht  alles  in  Scherben,  wie 
wenn  der  blitz  durchs  haus  fährt,  während  Chaucer  uns  ein 
anschauliches  bild  von  der  grossen  kraft  der  explosion  giebt. 
Man  vergleiche  die  parallelstellen: 

Alchemist  Act  IV  sc.  8  s.  138 : 

0  sir,  we  are  defeated!  all  the  works 

Are  llown  in  fumo  every  giass  is  buret, 

Faniace  and  all  rent  down!  as  if  a  bolt 

Of  thnuder  bad  beeu  driven  througb  tbe  bouse; 

Retortö,  receivers,  pelicans,  bolt-beads, 

All  Struck  in  sbivers! 

Cbaucer  G  905—915: 

.  .  .  Fol  oft  it  bappetb  so, 
Tbe  pot  to-breketb,  and  farewell  al  is  go! 
Tbe  metals  been  of  so  great  violence 
Onr  walles  mowe  uat  make  bem  resisteuce, 
Bnt  if  tbey  wereu  wrogbt  of  lym  and  stoon, 
Tbey  perceu  so,  and  tburgb  tbe  wal  tbey  goon 
And  somme  of  bem  sinken  in-to  tbe  ground  — 
Tbus  bave  we  lost  by  times  many  a  pound  — 
And  somme  are  scatered  ai  tbe  floor  aboute, 
Somme  lepe  in-to  tbe  roof. 

Gleichwohl  lassen  sich  im  „Alchemist"  eine  reihe  von  stellen 
nachweisen,  bei  welchen  wenigstens  die  möglichkeit  einer 
beeinflussung  durch  die  „Yemannes  Tale"  nahe  liegt.  Die- 
selben betreffen:  die  schlechte  kleidung  des  alchimisten: 

Alcbemist  I,  1  s.  13: 

\Mien  you  went  pinn'd  up  in  several  rags 

You  bad  raked  and  pick'd  from  düng  bills  before  day 

Your  feet  in  mouldy  slippers,  for  your  kibes; 

A  feit  of  rüg  and  a  tbin  tbreaden  cloke. 

Yemannes  Tale  G  633 : 

His  oversloppe  nis  nat  wortb  a  myte 
As  in  effect  to  bim,  so  mot  I  go! 
It  is  ai  baudy  and  to-tore  also 
Wby  is  tby  lord  so  sluttisb?  .  .  .  .; 

den  aufenthaltsort  des  alchimisten: 

Alcbemist  1, 1  s.  13:  .  .  .  at  Pie-comer 

Taking  your  meal  of  steam  from  cook^s  stalls,  .  .  . 
und:  Since  by  my  means  translated  suburb-captain  .  .  . 


CHAUCBRS  EINFLÜS8  AUF  DAS  ENGIJ8CHE  DRAMA  ETC.         19 

Yemannefl  Tale  G  657: 

^'In  the  Buborbs  of  a  toun"  qnod  he 
Lorking  in  hernes  and  in  lanes  blynde; 

die  betrügerei  mit  der  ausgehöhlten  holzkohle: 

Alchemist  s.  16:  ....  thy  tricks 

Of  cozening  with  a  hoUow  cole,  dost,  scrapings  .  .  . 

Yemannes  Tale  G  1160: 

Out  of  bis  bosom  [be]  took  a  beechen  cole 
In  whicb  fol  subtüly  was  maad  an  hole 
And  ther-in  put  was  of  silyer  Ijmaille 
An  ounce  and  stopped  was,  withouten  fayle 
Tbe  bole  with  wex,  to  kepe  the  lymail  in; 

den  einfluss  der  hitze  auf  das  gesicht  des  f eueranbläsers : 

Alcbemist  s.  50: 

Lnngs,  I  will  mannmit  tbee  from  the  fnmace 
I  will  restore  thee  thy  complexion,  PufTe, 
Lost  in  the  embers;  and  repair  this  brain 
Hort  with  the  fume  o*  the  metals.  — 

I  have  blown,  sir, 
Hard  for  your  worship;  thrown  by  many  a  coal 
When  it  was  not  beech;  .... 

these  bleared  eyes 

Have  wak'd  to  read  your  seyeral  coloon,  sir. 

Yemannes  Tale  G  727: 

And  where  my  coloar  was  both  fresh  and  reed, 

Now  it  is  wan  and  of  a  leden  hewe; 

Who  so  it  useth,  sore  shal  he  rewe. 

And  of  my  swink  yet  blered  is  myn  eye. 

Die  Scherben  werden  nach  der  explosion  zusammengesucht,  um 
von  dem  verwendeten  metall  (gold)  noch  zu  retten,  was  mög- 
lich ist: 

Aichemist  s.  139: 

Is  all  lost,  Lnngs?  will  nothing  be  presenred 
Of  all  our  cost?  — 
Faith  very  little,  sir; 

A  peck  of  coals  or  so,  which  is  cold  comfort,  sir. 
und  s.  140:    Will  nonght  be  sav'd,  that^s  good  for  med'cine  thinkst  thou?  — 
I  cannot  teU  sir.    There  will  be  perhaps 
Something  abont  the  scraping  of  the  shards, 
Will  eure  the  itch,  .... 

Yemannes  Tale  G  938: 

The  mullock  on  a  hepe  y-sweped  was 
And  on  the  floor  ycast  a  canevas 
And  al  this  mullock  in  a  syre  throwe 
And  Bifted  and  ypiked  many  a  throwe. 

2* 


20  OTTO  BALLMANN, 

"Parde  quod  oon"  som  what  of  our  metal 
Yet  is  ther  beer,  though  that  we  han  not  aL 

Die  dunkle  redeweise  der  alchimisten  ist  absieht: 

Alchemist  s.  66:  ...  And  all  these  named 

Intending  bat  one  thing;  which  art  onr  writers 
üsed  to  obscure  tbeir  art  ...  . 

Yemannes  Tale  G  980 : 

For  in  bis  termes  so  be  wolde  bim  wynde 
And  speke  bis  wordes  in  so  sly  a  kynde 
Wben  be  commune  sbal  witb  any  wigbt 
Tbat  be  wol  make  bim  dot^n  anon  rigbt. 
und  G  1394:  Pbilosopbers  speken  so  mistily 

In  tbis  craft  tbat  men  cannot  come  tberby 
For  any  wit  tbat  men  bave  now  adayes. 

Nur  wer  reinen  herzens  ist,  kann  des  Steines  der  weisen  teil- 
haftig werden: 

Alcbemist  s.  138: 

Guilt,  guilt,  my  son:  give  it  tbe  rigbt  name.    No  marvel 
If  I  found  cbeck  in  our  great  work  witbin 
Wben  sucb  affairs  as  tbese  were  managing! 
und  weiterbin: 

Nay,  tben  I  wonder  less,  if  you  for  wbom 

Tbe  blessing  was  prepared,  would  so  tempt  beaven 

And  lose  your  fortunes  .... 

Yemannes  Tale  G  1476 : 

For  wbo-so  maketb  god  bis  adversarie 
As  for  to  werken  any  tbing  in  contrarie 
Of  bis  wil,  certes,  never  sbal  be  tbryve 
Tbogb  tbat  be  multiplye  term  of  bis  lyve. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch  einen  wörtlichen  anklang: 

Alcbemist  s.  66 : 

Alcbemy  is  a  pretty  kind  of  game  .... 

Y^'emaunes  Tale  G  1402 : 

Lo!  swicb  a  lucre  is  in  tbis  lusty  game. 

Man  wlii'de  zweifellos  zu  weit  gehen,  wollte  man  in  all 
diesen  einzelnen  fällen  auf  einen  direkten  einfluss  Chaucere 
schliessen.  Die  hauptgedanken  dieser  stellen  haben  bei  Jonson 
und  Chaucer  eine  so  abweichende  einkleidung  erhalten,  dass 
sie  rein  äusserlich  keine  Übereinstimmung  mehr  zeigen.  Dazu 
kommt,  dass  einer  von  ihnen  auch  bei  Gower  parallel  ver- 
wendet ist,  wenn  dieser  sagt:  Wer  sich  der  tugend  und  der 
redlichkeit  befleissigt,  kommt  am  ehesten  dazu,  in  die  wahre 
kunst   der   alchimie    einzudringen   (11  s.  89).     Betreffs   der 


CHAÜCERS  EINFLÜ8S  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  21 

schlechten  kleidung  des  alchimisten  ist  noch  eine  bühnenan- 
weisung  aus  dem  maskenspiel:  „Mercury  vindicated  from  the 
Alchemists"  beachtenswert:  Vulcan  entering  with  a  troop  of 
threadbare  Alcliemists  (Gifford  bd.  VII  s.  237),  wobei  thread- 
bare  geradezu  wie  ein  typisches  beiwort  der  alchimisten  klingt. 
Immerhin  scheinen  wir  berechtigt,  aus  der  anzahl  der  ange- 
führten fälle,  und  besonders  im  hinblick  auf  die  ausdrücke 
bleared  eyes  und  pretty  Idnd  of  game,  den  schluss  zu  ziehen, 
dass  Jonson  wenigstens  in  einzelnen  derselben  auf  der 
„Yemannes  Tale"  fusst.  Dass  er  diese  erzählung  Chaucers 
gekannt  hat,  ist  zwar  aus  den  citaten  seiner  grammatik  nicht 
zu  belegen,  muss  aber  doch  bei  seinem  gründlichen  Studium 
Chaucers  für  zweifellos  gelten. 

Die  so  wohl  gelungene  jahrmarktsposse  ,3ai*tholomew 
Fair**  (aufgeführt  1614) »)  weist  nur  zwei  stellen  auf,  die  sich 
mit  Chaucer  in  Verbindung  bringen  lassen.  In  der  Schnapsbude 
der  alten  Ursula  bereden  sich  zwei  gauner,  Nightingale  und 
Edgeworth,  wie  sie  einander  in  die  bände  arbeiten  wollen,  um 
den  jahimarktsbesuchem  die  geldbeutel  aus  der  tasche  zu 
stehlen;  bei  der  alten  Ursula  wollen  sie  ihren  gewinst  teilen. 
Letztere  schneidet  ihre  Unterredung  ab  mit  den  worten :  Enough, 
ialk  no  more  onH :  your  friendship,  masters,  is  not  now  to  begin 
(s.  395).    Dazu  vergleiche  man  die  beiden  verse  Chaucers : 

A  427 :    For  ech  of  hem  made  other  for  to  winne 
Hir  friendschipe  nas  nat  newe  to  beginne. 

Die  letzte  zeile  hat  Jonson  also  direkt  übernommen ;  sie  wird 
uns  übrigens  in  „The  Magnetic  Lady"  nochmals  begegnen. 
Weiterhin  heisst  es  von  dem  friedensrichter  Adam  Overdo: 
Why  mistress  I  knew  Adam  the  clerk,  your  husband,  when  he 
was  Adam  Scrivener,  and  writ  for  two-pence  a  sheet  (s.  459) 
—  was  eine  offenbare  anspielung  auf  die  launige  apostrophe 
Chaucers  an  seinen  Schreiber  ist,  welche  beginnt: 

Adam  scriveyn,  if  ever  thee  bifalle.  •) 

Betreffs  des  Schauspiels  „The  Staple  of  News"  (aufge- 
führt 1625,  Stat.  Reg.  1626)  ^)  hat  Koeppel  in  seinen  quellen- 
untersuchungen  bereits  hervorgehoben,   dass  das  redaktions- 

»)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  376 ;  Ward  bd.  n  8.  369 ;  Gifford  bd.  IV. 

«)  cf.  Skeat'B  Chaucer  bd.  I  s.  379. 

•)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  384;  Ward  bd.  11  b.  374;  Gifford  bd.  V. 


22  OTTO  BALLMANN^ 

büreau  des  „Staple  of  News"  mit  dem  Haus  der  Fama  verglichen 
wird  (akt  III  sc.  1),  jedoch  mehr  ähnlichkeit  mit  dem  Domus 
Daedali  im  dritten  buche  derselben  Chaucer'schen  dichtong 
zeigt.»)    Jene  stelle  lautet: 

'Tis  the  House  of  Farne,  sir, 

Where  both  the  cnrions  and  the  negligent 

The  scrupolous  and  careless,  wild  and  stay'd, 

The  idle  and  laborioas,  all  do  meet, 

To  taste  the  cornu-copiae  of  her  mmonrs. 

(Act  m  sc.  1  8.  227.) 

Die  grössere  ähnlichkeit  des  „Staple-News"  oder  „News-Office" 
mit  Chaucers  „Domus  Daedali"  tritt  schon  darin  zu  tage,  dass 
das  fortwährend  umherwandernde  weidenhaus  Chaucers  der 
Sammelplatz  und  die  geburtsstätte  für  alle  gerüchte  und  neuig- 
keiten  in  der  weit  ist.  Gleichwie  sich  in  Jonsons  neuigkeits- 
bude,  a  place  of  huge  commerce  (s.  164),  die  künden  neugierig 
drängen  und  sich  um  die  ersten  neuigkeiten  streiten,  so  herrscht 
im  Hause  der  Gerüchte  ein  solches  gedränge,  dass  keinen  fuss 
breit  mehr  platz  ist.  Die  Office  hat  ihre  emmaries,  die  nach 
allen  richtungen  hin  ausgesandt  werden,  um  die  neuigkeiten 
einzusammeln,  und  sobald  letztere  nicht  genügen,  auch  selbst 
solche  zu  schmieden  wissen ;  die  neuigkeiten  werden  dann  ge- 
bucht, alphabetisch  geordnet,  mit  namen  versehen  und  kommen 
schliesslich  under  the  seal  of  the  office  as  Staple  News  unter  die 
leute.  Im  Domus  Daedali  strömen  alle  gerüchte  der  weit  als 
personifizierte  Rtimours  zusammen,  wachsen  dort,  vermengen 
sich  mit  einander,  so  dass  wahr  und  falsch  oft  nicht  mehr  zu 
unterscheiden  ist,  und  dann: 

y.  2110 :  ...  out  at  hole8[they]  gönne  wringe 

Every  tyding  streight  to  Farne 
And  she  gan  yeven  eche  his  name 
After  hir  dispositioan 
And  yaf  hem  eek  dnracionn 
Some  to  wexe  and  wane  sone  .... 
And  leet  hem  gon. 

Ganz  ähnlich  lässt  auch  Jonson  in  der  neuigkeitsbude  die  fama 
das  füllhom  der  gerüchte  ausschütten: 

.  .  .  her  rumours 
Which  she,  the  mother  of  sport,  pleaseth  to  scatter, 
Among  the  vulgär. 


^)  cf .  Koeppel  I  s.  17. 


CHAUCERS  EINFLüSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         23 

In  „The  New  Inn«  (aufgeführt  1629,  gedruckt  1631)') 
hat  Jonson  zwei  stellen  aus  dem  prolog  der  Canterbury  Tales 
verwendet,  sowie  zweimal  Chaucers  „Troilus  and  Criseyde" 
zum  vergleich  herangezogen.  Die  betreffenden  stellen  sprechen, 
mit  gegenübersetzung  der  bezüglichen  verse  aus  Chaucer,  hin- 
reichend für  sich  selbst. 

New  Inn  1, 1  8.313: 

To  stndy  figores,  nnmbers  and  proportions, 
May  yield  them  great  in  connsels  and  the  arts 
Grave  Nestor  and  the  wise  Ulisses  practised 
To  make  their  English  sweet  npon  their  tongne, 
As  reverend  Chaucer  says; 

Vgl.  dazu  in  der  Charakteristik  des  Frere  Huberd  die  verse 

(A  264):      Somewhat  he  lipsed,  for  his  wantownesse 

To  make  his  English  sweet  npon  his  tonge. 

Der  letztere  dieser  beiden  verse  von  Chaucer  begegnet  uns 
nochmals  bei  Jonson  in  der  schlusszeile  des  gedichtes:  „To 
Edward  Filmer",  und  lautet  hier: 

To  make  the  langnage  sweet  npon  her  tongne. 

(cf.  Gifford  bd.  VIH  s.  342.) 
New  Inn  n,  2  8.335: 

....  (He)  wears  black, 

And  speaks  a  little  tainted,  fly-blown  Latin, 

After  the  school  — 

Of  Stratford  o'  the  Bow : 

For  Lillie's  Latin  is  to  him  nnknown. 

Vgl.  dazu  in  der  Charakteristik  der  Prioresse  (A  124): 

And  French  she  spak  ful  faire  and  fetisly 
After  the  scole  of  Stratford  atte  Bowe, 
For  French  of  Paris  was  to  hir  nnknowe. 
New  Inn  1, 1  s.  314 : 

To  play  sir  Pandams,  my  copy  hath  it, 
And  carry  messages  to  madam  Cressid. 

New  Inn  lET,  2  s.  370 :  Infolge  der  einsttindigen  rede  Lovels 
über  die  liebe  bricht  Lady  Frampul,  selbst  in  heftiger  leiden- 
schaft  zu  dem  Sprecher  entbrannt,  in  einen  monolog  aus,  der 
beginnt: 

What  penance  shall  I  do  to  be  receiyed 
And  reconciled  to  the  church  of  Loye? 
CK)  on  procession,  bare-foot  to  his  image, 
And  say  some  hnndred  penitential  yerses 
There,  ont  of  Chaucer's  Troilus  and  Cressid? 

»)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  385;  Ward  bd.  H  s.  375;  Gifford  bd.  V. 


24  OTTO  BALLMANN 


j 


Auch  in  dem  lustspiel  „The  Magnetic  Lady"  (St.  E.  1632; 
gedr.  1641)  >)  finden  wir  den  prolog  der  Canterbury  Tales  be- 
nutzt, und  zwar  ist  es  hier  das  einzige  mal,  dass  Jenson  sich 
in  der  Charakteristik  von  personen  enger  an  Chaucer  anschliesst. 
Sein  Parson  Palate  und  Doctor  But  haben  so  viel  gemeinsames 
mit  Chaucers  Frere  und  Phisicien,  dass  man  wohl  von  einer 
nachbildung  reden  kann,  welche,  zwar  nicht  an  das  plastische 
Vorbild  heranreichend,  sich  doch  als  solche  aufdrängt.  Giffords 
bemerkung  bezüglich  des  pfarrers :  „Jonson  seems  to  Jiave  had 
Chaucer's  MonJc  in  his  thoughts"  (s.  15  anm.  3)  scheint  ein 
versehen  zu  sein;  mit  Chaucers  Monk  zeigt  Palate  gar  keine 
ähnlichkeit,  eine  sehr  grosse  aber  mit  dessen  Frere. 

Parson  Palate  ist  der  freund  und  berater  der  Lady  Load- 
stone,  in  deren  gastlichem  hause  er  ständiger  besucher  ist. 
Er  weiss  sich  durch  einschmeichelnde  freundlichkeit  und  eifrige 
dienstwilligkeit  mit  allen  hausbewohnern  und  gasten  gut  zu 
stellen.  Sein  ansehen  ist  so  allgemein,  dass  Jonson  ironisch 
von  ihm  sagen  lässt: 

And  though  yon  see  him  thns  withont  his  cope, 
I  do  assure  you  he's  our  parish  pope.    (S.  14.) 

Ganz  ähnlich  bei  Chaucer  mit  demselben  reim: 

A  261 :    But  he  was  lyk  a  maister  or  a  pope  (:  semicope). 

Nicht  nur  in  kirchlichen  dingen  allein  ist  er  autorität^ 
Er  bringt  alle  heiraten  zustande,  veranstaltet  die  hochzeits- 
feierlichkeiten,  schreibt  küchenzettel  wie  kirchenurkunden  und 
testamente,  kurz,  er  handelt  ganz  nach  dem  grundsatze  seines 
Vorbildes,  der  in  den  versen  enthalten  ist: 

A  249 :    And  over-al  ther  as  profit  sholde  aryse, 
Curteys  he  was  and  lowly  of  servyse. 

Auch  dass   er  bei   den  damen   besonders  gut   angeschrieben 
steht,  hat  er  mit  Chaucers  Frere  gemein. 

Doctor  ßut  hat  sein  gutes  mundwerk,  sein  einziges  mittel, 
um  seine  würde  als  arzt  aufrecht  zu  erhalten,  als  erbstiick  von 
Chaucers  Phisicien  überkommen,  ebenso  wie  seine  skeptische 
ansieht  von  gott  und  der  religion: 

S.  15:    ...  letting  God  alone  [he]  ascribes  to  nature 
More  than  her  share. 


0  cf.  Fleay  bd.  I  s.  385;  Ward  bd.  H  s.  377;  öifford  bd.  VI. 


CHAUCER8  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         25 

Chaucer  sagte  von  seinem  Phisicien: 

A  438:    His  Studie  was  but  litel  on  the  Bible  — 
und  415:    He  kepte  his  pacient  a  ful  greet  del 
In  houres  by  his  roagik  naturel. 

Und  wenn  Rut  als  the  slave  of  money  bezeichnet  wird,  so  hat 
dafür  Chaucer  die  parallele: 

A  440:    And  yet  he  was  but  esy  of  dispence 
He  kepte  that  he  wan  in  pestilence. 
For  gold  in  phisik  is  a  cordial, 
Therfore  he  lovede  gold  in  special. 

In  der  benennung  des  Rut  als  „Doctor  Do-all"   spiegeln  sich 
die  verse  Chaucers  wieder: 

A  419 :    He  knew  the  cause  of  everich  maladye, 

Were  it  of  hoot  or  cold,  or  moiste,  or  drye. 

Den  deutlichen  beweis,  dass  Jonson  bei  seinem  Doctor  Rut  an 
Chaucers  arzt  dachte,  giebt  die  stelle: 

III,  4  s.  60:    Where  there  are  means,  and  doctors,  learned  men 
And  their  apothecaries,  who  are  not  now, 
As  Chaucer  says,  their  friendship  io  begin. 
Well  could  they  teach  each  other  how  to  win  — 

welche  aus  der  Charakteristik  des  Doctour  stammt  und  dort 
lautet : 

A  425 :    Ful  redy  hadde  he  his  apothecaries 

To  sende  him  drogges  and  his  letuaries, 
For  ech  of  hem  made  other  for  to  winne, 
Hir  friendschipe  nas  nat  newe  to  beginne. 

Zu  erwähnen  ist  schliesslich  noch  eine  andere  stelle  des  Stückes, 
ausserhalb  der  rolle  des  Rut: 

S.  23 :    But  master  Practise  here,  my  Lady's  lawyer 

Or  man  of  law  (for  that  is  the  true  writing)  .  .  . 

Für  Üie  true  writing  wüsste  ich  keine  andere  erklärung,  als 
dass  es  ein  hinweis  auf  Chaucers  Man  of  Latv  sein  soll. 

Das  sehr  ansprechende  pastoraldrama  „The  8ad  Shep- 
herd", ')  welches  leider  unvollendet  blieb,  enthält  nur  eine 
einzige  stelle,  die,  wie  schon  Gifford  hervorhob,  allein  auf 
Chaucer  beruhen  kann:  Die  um  den  erlisteten  hirsch  wieder 
betrogene  hexe  verwünscht  den  koch,  der  den  hirsch  zubereiten 
soll,  mit  den  worten: 


»)  cf.  Flesy  bd.  I  8.  379;  Ward  bd.  U  s.  879;  Gifford  bd.  VI  8.  271  anxn. 


26  OTTO  BALLMANN, 

n,  2  8.  271 :    The  will  and  dropsy  enter  in 

The  lazy  cnke,  and  swell  his  skin; 
And  the  old  mortmal  on  his  shin. 
Now  prick,  and  itch,  withouten  blin. 

Chaucers  koch  hat  dasselbe  übel  am  Schienbein: 

A  385 :    Bnt  gret  härm  was  it,  as  it  thonghte  me 
That  on  his  shine  a  mormal  hadde  he. 

Für  das  maskenspiel  ,,The  Hasqne  of  Qneens,  celebrated 
from  tlie  Hoiise  of  Fame"')  liegt  schon  in  dem  ausführlichen 
titel  ein  deutlicher  hinweis  auf  Chaucer.  Bei  dem  häufigen 
und  prägnanten  gebrauch  von  „House  of  Fame"  muss  es  uns 
eigentlich  wunder  nehmen,  dass  Jonson  nicht  selbst  Chaucer 
als  seinen  gewährsmann  genannt  hat,  besonders  da  er  in  aus- 
führlichen bemerkungen  den  grössten  teil  des  in  diesem  stücke 
verwendeten  materials  seiner  herkunft  nach  bespricht.  Wohl 
finden  wir  Chaucers  namen  erwähnt  (s.  140),  aber  an  einer 
stelle,  wo  Jonson  von  der  wohlgelungenen  inscenierung  des 
hauses  der  Fama  durch  Jones,  den  regisseur  seiner  masken- 
spiele  spricht :  He  [Jones]  profest  to  follow  that  noble  descrip- 
tion  made  hy  Chaucer  of  the  place.  Diese  stelle  zeigt,  dass 
Jones  es  für  das  zweckmässigste  gehalten  hatte,  der  darstellung 
Chaucers  bei  der  inscenierung  dieses  maskenspiels  zu  folgen, 
sei  es  nun,  dass  er  es  auf  anraten  Jonsons  gethan  hat,  was 
nach  den  obigen  Worten  sehr  unwahrscheinlich  ist,  oder  dass 
er  nach  durchsieht  des  textes  der  „Masque  of  Queens"  die 
Schilderung  Chaucers  als  die  entsprechendste  ansah.  —  In  der 
in  erzählendem  tone  gehaltenen  bühnenanweisung  Jonsons  füi' 
die  äussere  erscheinung  der  Fama  (s.  142)  heisst  es:  For  her 
State,  it  was,  as  Virgil  describes  her,  at  tlie  füll,  her  feet  on  the 
ground,  and  her  head  in  the  clouds.  Hieraus  folgt  das  eine 
mit  gewissheit,  dass  die  verse: 

S.  143:    And  as  her  brow  the  clouds  invade 
Her  feet  do  strike  the  ground  — 

in  bewusser  anlehnung  an  Virgil  geschrieben  sind: 

Ingrediturque  solo  et  caput  inter  nubila  condit 

(Aeneis  IV  177). 

Auch  der  leiseste  zweifei  hieran,  den  etwa  ein  vergleich  mit 
Cancers  versen: 


»)  Aufgeführt  Februar  1609  cf.  GifFord  bd.  Vü  s.  103 ;  Fleay  bd.  11  s.  4. 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         27 

1374:    That  with  hir  feet  she  therthe  reighte 

And  with  hir  heed  she  tonched  heyene  — 

erregen  könnte,  muss  fallen,  da  Jonsons  cloud.9  sich  näher  an 
Virgils  nuhüa  als  an  Chaucers  hevene  anschliessen.  Dies  ist 
aber  auch  alles,  was  auf  Virgil  zurückgeht.  Denn  Jonsons 
gesamtauffassung  der  Fama  entspricht  wenig  dem  „Monstrum 
horrendum  ingens"  bei  jenem;  vielmehr  stellt  er  sie  nur  von 
der  besten  seite  dar,  als:  honorable  and  true  Farne  bred  out 
of  Virtue  (s.  107).  Freilich,  nach  Chaucer  ist  dies  auch  nicht 
gedacht.  Doch  nähert  sich  Jonson  dem  letzteren  schon  ganz 
bedeutend,  wenn  er  zu  den  eigenschaften  seiner  Fama  nicht 
nur  tJie  sharp  eye,  swiftness  und  stremjth  rechnet,  was  auch 
Virgil  thut,  sondern  auch  grace^  state  and  majesty  (s.  142)  hin- 
zufügt, wobei  man  sich  der  verse  Chaucei-s  erinnern  kann: 

1415:    Thns  fond  I  sitting  this  goddesse 
In  nobley,  honour,  and  richesse. 

Zweifellos  wird  aber  die  anlehnung  an  Chaucer,  wenn  Jonson 
von  dem  palaste  der  Fama  spricht: 

S.  131:    My  daughter  [Farne]  then,  whose  glorions  house  you  see 
Bnilt  all  of  sonnding  brass,  whose  columns  be 
Men-making  poets,  and  those  well-made  men, 
Whose  strife  it  was  to  have  the  happiest  pen  .... 
She  that  inquireth  into  all  the  world 
And  hath  abont  her  vaulted  palace  hiirlM 
All  mmonrs  and  reports,  or  tnie  or  vain, 
What  ntmost  lands,  or  deepest  seas  contain. 

Denn  wenn  auch  Golding  in  seiner  Ovid-übersetzung  (Metam. 
XII  45)  uns  das  haus  der  Fama  als  „all  of  sounding  brass" 
schildert,  so  ist  der  gedanke,  das  haus  mit  den  auf  pfeilem 
stehenden  Statuen  von  dichtem  zu  schmücken,  ausschliesslich 
Chaucers  eigentum,  so  dass  ihn  Jonson  nur  aus  dessen  „House 
of  Fame"  haben  kann:  Nimmt  man  noch  dazu: 

S.  143:    The  yoice  of  Farne  shonld  be  as  lond  as  thonder  — 

verglichen  mit  Chaucer  v.  1681,  wo  der  im  dienste  der  Fama 
stehende  Aeolus  bläst :  as  loud  as  any  thunder,  —  so  ist  auch 
für  die  „Masque  of  Queens"  die  benutzung  von  Chaucers 
„House  of  Fame"  bewiesen.    Selbst  bei  dem  verse: 

S.  138 :    To  liye  etemiz'd  in  the  House  of  Farne  — 

ist  der  gedanke  an  die  in  dem  eisf eisen,  auf  dem  der  palast 
der  Fama  steht,  eingegrabenen  namen  berühmter  männer  in 
Chaucers  Schilderung  (v.  1136 — 1164)  wohl  kaum  abzuweisen. 


28  OTTO  BALLMANN, 

In  dem  maskenspiel  „The  Golden  Age  Restored"  (1615) «) 
wird  Chaucer  sogar  persönlich  eingeführt  zugleich  mit  Gower, 
Lydgate  und  Spenser.  Die  den  dichtem  hier  zugeteilten  rollen 
gehen  zwar  kaum  über  Statistenrollen  hinaus,  aber  sehr  poe- 
tisch klingen  die  hohen  worte,  mit  denen  Fallas  die  dichter 
begrüsst : 

You  far-fam'd  spirits  of  this  happy  isle, 

That  for  yoiir  sacred  songs  have  gain'd  the  style 

Of  Phoebus'  sons,  whose  notes  the  air  aspire 

Of  th'old  Egyptian,  or  the  Thracian  lyre, 

That  Chancer,  Gower,  Lidgate,  Spenser,  hight, 

Pnt  on  yonr  better  flame«,  and  larger  light, 

To  wait  npon  the  Age  that  shall  yonr  names  new  nourish 

Since  Virtue  press'd  shall  grow,  and  buried  Arts  shall  flonrish  (s.  251). 

Aus  der  ,,Masque  of  News  from  the  New  World^*  *)  sei 
noch  eine  stelle  erwähnt,  welche  an  das  stets  in  bewegung 
befindliche  haus  des  Daedalus  -^innert :  The  brethren  of  the 
Roste  Cross  have  there  College  within  a  mile  of  the  moon,  a 
Castle  in  the  air,  that  runs  lipon  wheeU  .  . .  (s.  342) ;  vgl.  dazu 
Chaucer,  „House  of  Fame"  v.  1924—26. 

Beachtenswert  ist  die  thatsache,  dass  Jonson,  von  „The 
Chanounes  Yemannes  Tale"  abgesehen,  von  Chaucers  werken 
benützte:  den  prolog  zu  den  „Canterbury  Tales",  „The  House 
of  Fame"  und  „Troilus  and  Criseyde",  d.  h.  gerade  diejenigen 
gedichte,  welche  für  Chaucers  schaffen  am  meisten  charakte- 
ristisch sind  und  daher  wohl  den  lebendigsten  eindruck  hinter- 
lassen. Kein  wunder,  wenn  dieser  eindruck  bei  Ben  Jonson 
so  stark  war,  dass  er  aus  dem  gedächtnis  stellen  aus  diesen 
gedichten  eitleren  konnte.  Und  solcher  art  vor  allem  ist  die 
benutzung,  welche  Chaucer  bei  Jonson  fand. 

Beaumont  and  Fletcher. 

Die  für  die  dramatische  litteratur  in  England  zu  beginn 
des  XVn.  Jahrhunderts  so  charakteristische  erscheinung  des 
zusammenarbeitens  zweier  oder  mehrerer  dichter  tritt  uns  in 
der  ausgeprägtesten  und  glücklichsten  weise  in  den  dramen 
von  Beaumont  und  Fletcher  entgegen.  Beider  rühm  beruht 
auf  ihrer  gemeinschaftlichen  thätigkeit,  keiner  kann  ohne  den 


»)  cf.  Gifford  bd.  VII. 

«)  cf.  Fleay  bd.  H  s.  11;  Gifford  bd.  VH. 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DBAMA  ETC.         29 

andern  genannt  werden.  Ihre  gemeinschaft  ist  eine  so  enge, 
dass  es  unmöglich  ist,  den  anteil  des  einzelnen  sicher  zu  be- 
stimmen. Vor  und  besonders  nach  dem  frühen  tode  Beaumonts 
hat  aber  Fletcher,  der  produktivere  geist,  auch  noch  eine 
grössere  anzahl  von  dramen  verfasst;  drei  von  den  hier  zu 
besprechenden  dramen  gehören  zu  diesen  selbständigen  werken 
Fletchers. 

Von  den  sieben  dramen  beider  dichter,  die  den  einfluss  von 
Chaucer  erkennen  lassen,  zeigen  zwei,  „Four  Plays  in  One" 
und  „Women  Pleased"*  stoffliche  entlehnung;  die  andern  ent- 
halten nur  einzelne  Chaucer-erinnerungen. 

Unter  dem  titel  „Four  Plays  in  One** ')  sind  vier  für 
sich  allein  bestehende  einakter  zusammengefasst  (erete  auf- 
führung  c.  1608);  2)  der  erste,  „The  Triumph  of  Honour",  geht 
stofflich  auf  Chaucers  „Frankeleyns  Tale"  zurück,  wie  schon 
mehrfach  hervorgehoben  wurde.  ^^)  Wenn  Fleay  zu  diesem 
stücke  bemerkt:  „founded  on  Boccaccio's  Decameron  X  5" 
(bd.  I  s.  179),  so  ist  dies  ein  Irrtum.  Chaucer  hat,  als  er  die 
erzählung  von  Boccaccio  übernahm,  ihr  ein  eigenes  gepräge 
verliehen.  Er  verlegte  den  ort  der  handlung  nach  „Britayne" 
an  die  meeresküste  und  gestaltete  demgemäss  das  hauptmoment 
um:  Statt  dass  dem  ungestümen  Verehrer  die  aufgäbe  gestellt 
wird,  mitten  im  winter  einen  blühenden  garten  vor  der  Stadt 
erstehen  zu  lassen,  wie  bei  Boccaccio,  verlangt  bei  Chaucer 
Dorigen,  die  tugendsame  frau  des  Averagus,  dass  der  „Squyer'* 
Aurelius,  wenn  er  ihre  gunst  erringen  wolle,  alle  f eisen  an 
der  meeresküste  beseitige,  so  dass  kein  schiff  mehr  scheitern 
könne.  Und  diese  version  wurde  in  den  „Triumph  of  Honoui'" 
aufgenommen.  Auch  den  namen  der  heldin  hat  der  Verfasser 
aus  Chaucer  entlehnt.  Die  einkleidung  der  fabel  ist  freilich 
eine  ganz  andere.  Bei  ihm  ist  Dorigen  die  sowohl  schöne  und 
anmutsvolle,  wie  sittenreine  und  charakterfeste  frau  des  herzogs 
von  Athen,  des  weisen  Sophocles.  Ihr  ungestümer  Verehrer  ist 
der  römische  general  Martins,  welcher  den  Sophocles  im  kämpfe 
besiegt,  ihm  aber  aus  hochachtung  vor  seiner  festigkeit  und 

*)  The  Works  of  Beaumont  and  Fletcher  with  Notes  etc.  ed.  by  Alexander 
Dyce.    In  11  toIs.    London  1843;  bd.  11. 

»)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  119;  Ward  bd.  n  s.  166.    Erster  druck  1647. 
•)  cf.  Koeppel  I  s.  49;  Ward  L  c. 


30  OTTO  BALLMANN, 

seelengrösse  besitz  und  freiheit  geschenkt  hatt«.  Doch  alle 
freundschaft  für  Sophocles  vermag  in  Martins  die  glühende 
begierde,  Dorigen  zu  besitzen,  nicht  zurückzudrängen.  Er 
verrät  ihr  seine  leidenschaft.  Die  empörte  antwortet  ihm,  dass 
eher  alle  die  felsen,  die  er  vor  sich  so  himmelragend  erblicke, 
in  ebenes  land  sich  verwandeln  müssten,  bevor  sie  ihm  ihre 
ehre  preisgebe.  Des  Martins  bruder  Valerius  bringt  das  un- 
glaubliche zustande;  durch  Zauberkunst  lässt  er  vor  Dorigens 
äugen  die  felsen  verschwinden.  Doiigen  ist  in  Verzweiflung. 
Ihr  gatte  befiehlt  ihr,  das  gegebene  versprechen  zu  halten. 
Sie  begiebt  sich  zu  Martins  und  sagt  ihm,  dass  sie  auf  befehl 
ihres  mannes  komme.  Als  Martins  frohlockt,  zieht  Dorigen 
einen  dolch,  um  sich  das  leben  zu  nehmen.  Da  sieht  Martins 
seine  Schlechtigkeit  ein,  sinkt  Dorigen  zu  füssen  und  fleht  um 
Verzeihung. 

Weder  von  einem  bruder,  noch  von  Selbstmordgedanken 
der  frau,  die  sich  hilflos  preisgegeben  sieht,  ist  bei  Boccaccio 
die  rede,  wohl  aber  erweisen  sich  beide  momente  als  erwei- 
terungen  von  Chaucers  band,  so  dass  an  dieser  quelle  nicht 
zu  zweifeln  ist. 

,,The  Faithfnl  8hepherdes8^%  ein  pastoraldrama  von 
grosser  poetischer  Schönheit  (gedruckt  c.  1610),  *)  dessen  Ver- 
fasser Fletcher  allein  sein  soll,  bringt  act  V  sc.  4  eine  stelle, 
welche  auf  Chaucer  gedeutet  wird.    Sie  lautet: 

Music,  joy,  and  ease, 
Have  beeu  to  me  as  bitter  drugs  to  please 
A  stomacli  lost  with  weakuess,  not  a  game 
That  I  am  skilled  at  tlioroughly;  nor  a  dame 
Went  her  tongue  smoother  than  the  fleet  of  thne 
Her  beauty  everliving  like  the  rhyme 
Our  blessed  Tityrus  did  sing  of  yore  (s.  105). 

Mit  Tityrus  soll  Chaucer  gemeint  sein.  2)  Dies  wird  daraus 
geschlossen,  dass  Spenser  in  seinem  Schäferkalender  in  drei 
eklogen  (II 91—93,  VI  81—92,  XII 3—4) »)  den  dichter  Tityrus 
rühmend  hervorhebt,  hinter  welchem  namen  Spensers  erster 

»)  cf.  Ward  bd.  II  s.  (}()3;  Fleay  bd.  I  s.  177  setzt  die  publikation  in 
das  jähr  1609;  Dyce  bd.  IL 

*)  cf.  Dycü  1.  c.  aum. ;  Ward  bd.  II  s.  665  anm. 

■)  Tho  Shopheards  Calender  ed.  with  Introduction  and  Notes  by  C.  H, 
Herford,  London  1895. 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUE  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         31 

kommentator  E.  K.  0  mit  vollem  recht  Chaucer  suchte.  Fletcher 
hätte  somit  für  Chaucer  denselben  verstecknamen  angewendet, 
wie  Spenser,  dessen  vorbild  er  dabei  wohl  im  sinne  hatte. 

In  dem  lustspiel  „Wit  wllhout  Money^^  (verfasst  1614, 
gedruckt  1639),^)  ebenfalls  von  Fletcher  allein  gedichtet,  könnte 
nach  Koeppels  ansieht  (I  s.  62)  „eine  schruUe  des  älteren 
bruders ,  der  sich  zuerst  als  weiberfeind  giebt  ...  —  seine 
grosse  abneigung  gegen  witwen  und  sein  rat,  dass,  wenn  ge- 
heiratet werden  müsse,  eine  Jungfrau  zu  wählen  sei,  als  das 
kleinere  übel  —  Then  choose  the  tamer  etil,  taJce  a  niaid  (act  II 
sc.  2)  —  eine  Chaucer-reminiscenz  sein.  Der  alte  January  (in 
Chaucers  „Merchantes  Tale")  will  auch  nichts  von  Witwen 
wissen,  nur  ein  ganz  junges  mädchen  will  er  mit  seiner  hand 
beglücken." 

In  der  komödie  „The  Coxcomb*^  (verfasst  1610,  aufge- 
führt 1612  und  1613,  gedruckt  1647)  3)  findet  sich  eine  deut- 
liche anspielung  auf  Chaucers  „Balade  de  bon  conseil".  *)  Der 
kesselflicker,  der  die  angstworte  der  verzweifelnd  in  der  nacht 
umherirrenden  Viola  nur  undeutlich  vernommen  hat,  sagt: 

What's  this?  a  prayer  or  a  homily, 

Or  a  baUad  of  good  connsel?    (Act  n  sc.  2  s.  151.) 

Für  das  drama  „Women  Pleased"  (verfasst  c.  1620,  ge- 
druckt 1647)'^)  hat  Fletcher  eine  grössere  anzahl  von  quellen 
benützt.  <0  Auch  Chaucer  wurde  von  ihm  dazu  herangezogen. 
Dyce  sagt  im  vorwort  zu  diesem  stücke :  llie  pari  of  the  play 
wMch  relates  to  Belvidere  and  Silvio  after  the  banishment  of 
the  latter,  may  he  traced  to  Chaucer's  Wif  of  Bathes  Tale,  — 


")  E.  K.  wird  gewöhnlich  als  Edward  Kirk,  Spenser's  „fellow-student" 
gedeutet  (so  von  Haies,  Morley  und  neuerdings  von  Grosart),  cf.  Herford's 
Introduction  s.  XXIII.  Nach  der  abhandlung  von  Uhlemann  —  Jahresbericht 
des  Kgl.  Kaiser  Wilhelm  -  Gymnasiums  zu  Hannover  1888,  dazu  Anglia 
bd.  XI  s.  548  — ,  der  in  E.  K.  Spenser  selbst  sieht  (wie  auch  Emest  Rhys 
und  O.Sommer),  steht  jedenfalls  fest,  dass  der  kommen  tar  mit  Spensers 
persönlicher  beihilfe  zustande  kam;  cf.  neuerdings  noch  Mod.  Lang.  Notes 
XIV  8.65. 

«)  cf.  Ward  bd.  H  s.  695;  Fleay  bd.  I  s.  197;  Dyce  bd.  IV. 

»)  cf.  Ward  U  s.  682;  Fleay  bd.  I  s.  185;  Dyce  bd.  IH 

«)  cf.  Skeat  bd.  I,  XIII  s.  360. 

»)  cf.  Ward  bd.  H  s.  703;  Fleay  bd.  I  s.  212;  Dyce  bd.  VH. 

*)  cf .  die  einleitong  cn  diesem  drama  von  Dyce ;  femer  Koeppel  I  s.  87. 


32  OTTO  BALLMANN, 

rather  than  io  (he  ballad  of  The  Marriage  of  Sir  Gawaine, 
which  Percy  thought  might  Imve  furnished  Cliaucer  with  the  iale 
in  question,  but  which  Tyrwhitt  regard^  as  less  ancient  than 
the  Urne  of  Chaucer.  Er  hat  damit  ganz  recht.  Die  stoffliche 
abhängigkeit  der  haupthandlung  des  dramas  von  Chaucer  ist 
dadurch  sicher  gestellt,  dass  Fletcher  gerade  in  zwei  wesent- 
lichen punkten  Chaucer  gefolgt  ist,  durch  welche  sich  dessen 
erzählung  von  der  fabel  der  genannten  ballade^  nnd  damit 
auch  von  Gowers  Version  dieser  geschichte  (Conf.  Am.  ed.  Pauli 
s.  89 — 104)  hauptsächlich  unterscheidet.  Erstens  erfährt  bei 
Chaucer  und  Fletcher  der  ritter  erst  hinterher  die  bedingung, 
unter  welcher  das  alte  weib  ihm  die  antwort  auf  die  ihm  ge- 
stellte frage  gab  (Chaucer  D  1005 — 1061 ;  drama  act  IV,  sc.  4 
s.  78)  —  die  ballade  und  Gower  lassen  den  ritter  mit  voller 
kennt nis  der  bedingung  den  handel  eingehen  (ballade  s.  110, 
vgl.  auch  anm.  3 ;  Gower  s.  94).  Zweitens  hat  die  wähl ,  vor 
welche  der  ritter  zuletzt  durch  seine  gattin  gestellt  wird,  in 
Chaucers  erzählung  und  im  drama  ganz  anderen  inhalt,  als 
in  der  ballade  und  bei  Gower  (Chaucer  D  1219—1227;  drama 
act  V,  sc.  3  s.  93;  ballade  s.  115;  Gower  s.  103). 

Der  inhalt  der  „Tale  of  the  Wyf  of  Bathe"  ist  kurz  fol- 
gender: Ein  junger  ritter  von  könig  Arthurs  hofe  hat  durch 
ein  vergehen  sein  leben  verwirkt.  Er  kann  sein  leben  retten, 
wenn  er  binnen  Jahresfrist  die  frage:  wonach  verlangen  die 
frauen  am  meisten?  —  richtig  beantwortet.  Unter  vergeb- 
lichem suchen  und  forschen  des  ritters  nach  der  richtigen 
antwort  ist  die  ihm  gestellte  frist  beinahe  vei-strichen.  Eines 
tages  trifft  er  ein  altes  w^eib  von  grosser  hässlichkeit  am 
wege.  Dieses  verspricht  ihm,  die  richtige  antwort  auf  jene 
frage  zu  sagen  unter  der  bedingung,  dass  er  ihm  hernach  eine 
bitte  erfüllen  wolle.  Der  ritter  verpflichtet  sich  mit  seinem 
ritterwort  dazu,  ohne  die  bitte  zu  kennen,  und  erhält  dann 
die  richtige  antwort:  Frauen  wollen  in  allen  dingen  unbe- 
schränkte herrschaft  über  ihren  mann.  Er  rettet  sein  leben 
damit,  muss  aber  das  alte  weib  heiraten,  denn  dies  war  die 
bedingung,  die  er  erfüllen  musste.  Sein  gram  über  sein  Un- 
glück ist  gross.    Seine  neue  ehehälfte  sucht  ihn  aufzumuntern 

1)  cf.  Bishop  Percy's  Folio  Manuscripts;  Ballads  aud  JEtomances.  Ed. 
by  Haies  aud  ForiuyaU;  in  3  yols,  London  1867.    Bd.  I  8.  103. 


CHAÜCEBS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DEAMA  ETC.  33 

und  sagt,  wenn  ihre  hässlichkeit  der  grund  seines  kummers 
sei,  so  könne  sie  dem  schon  abhelfen.  Sie  stellt  ihm  dann 
die  wähl,  ob  er  sie  alt  und  hässlich,  aber  treu,  oder  jung  und 
schön,  aber  leichtsinnig  haben  wolle.  Der  ritter  wagt  nicht 
zu  wählen,  sondern  legt  die  entscheidung  ganz  in  ihre  hände. 
Nach  dieser  bedingungslosen  Unterwerfung  entpuppt  sich  die 
alte  auf  einmal  als  ein  verzaubertes  junges  weib  von  gi'osser 
Schönheit,  das  durch  des  gatten  Unterwürfigkeit  vom  zauber 
befreit,  ihm  fürderhin  als  treue  gattin  sich  erweist. 

Mit  dieser  erzählung  Chaucers  hat  Fletcher  mit  zweifellos 
grossem  geschick  eine  liebesgeschichte  zwischen  den  beiden 
hauptpersonen  verschmolzen.  Der  junge  ritter  Silvio  liebt 
leidenschaftlich  Belvidere,  die  tochter  der  herzogin  von  Florenz, 
und  findet  gehör.  Doch  die  mutter  der  prinzessin  hat  diese 
dem  herzog  von  Sienna  zur  frau  versprochen.  Die  liebenden 
werden  bei  einem  Stelldichein  im  garten  überrascht,  Silvio 
wird  gefangen  genommen,  vor  gericht  gestellt  und  soll  sein 
leben  lassen.  Die  herzogin  will  ihm  aber  sein  leben  schenken 
und  ihm  sogar  Belvideren  zur  frau  geben,  wenn  er  eine  ihm 
gestellte  frage,  die  ihm  auf  einer  papierroUe  überreicht  wird, 
binnen  Jahresfrist  richtig  zu  lösen  vermag.  Silvio  entfernt 
sich  betrübt  (act  n  sc.  1 — 5).  Lange  irrt  er  vergeblich  umher, 
niemand  kann  ihm  die  richtige  lösung  sagen.  Inzwischen  hat 
Belvidere  zur  list  gegriffen.  Indem  sie  sich  den  anschein  gab, 
als  ob  sie  sich  jetzt  ganz  dem  willen  ihrer  mutter  füge,  ent- 
lockte sie  derselben  die  richtige  lösung  der  frage  (act  HI  sc.  1), 
entfloh  dann  vom  hofe,  um  Silvio  zu  suchen  und  ihm  zu  helfen 
(act  III  sc.  3).  Als  altes  weib  verkleidet,  findet  sie  ihren  geliebten, 
der  schon  ganz  an  seinem  glück  verzweifeln  will.  Er  hat  eben 
gehört,  dass  Belvidere  verschwunden,  und  auf  seine  gefangen- 
nähme ein  preis  gesetzt  sei,  da  er  als  entführer  gelte,  und  dass 
der  herzog  von  Sienna  der  herzogin,  weil  diese  ihm  ihr  versprechen 
nicht  gehalten  habe,  den  krieg  erklärt  habe.  Infolgedessen  hat 
er  sich  für  das  heer  der  herzogin  anwerben  lassen,  um  wenigstens 
fürs  Vaterland  einen  ehrenvollen  tod  zu  sterben.  Belvidere 
giebt  sich  ihm  aber  nicht  zu  erkennen,  sie  feuert  ihn  an  zum 
bevorstehenden  kämpfe  um  seiner  liebe  zur  prinzessin  willen 
(act  IV  sc.  2).  Silvio  verrichtet  wunderthaten ;  er  nimmt  den 
herzog  gefangen  und  entscheidet  den  sieg.  Die  alte  frau  trifft 
ihn  wieder,  ermahnt  ihn,  den  tag  nicht  zu  vergessen,  an  dem 

AngU«.    N.  V.    XUI.  3 


34  OTTO  BALLMANN, 

er  der  herzogin  die  lösung  der  frage  bringen  moss,  nnd  ver- 
spricht, ihm  dabei  behilflich  zu  sein  (act  IV  sc.  6).  Der  Sieger 
Silvio  wird  vor  die  herzogin  befohlen  und  zur  belohnong'  fftr 
seine  heldenthat  zum  general  erhoben.  Doch  wie  er  sein  vißir 
abnimmt,  erkennt  die  herzogin  in  ihm  den  vermeintlichen  ent- 
f ührer  ihrer  tochter  und  will  ihn  ins  gefängnis  werfen  lassen. 
Da  erinnert  Silvio  die  herzogin  an  ihr  wort;  heute  sei  der 
tag,  an  dem  er  die  lösung  der  ihm  gestellten  frage  bringe. 
Belvidere  giebt  ihm  nun,  immer  noch  in  ihrer  Verkleidung  als 
altes  weib,  unbemerkt  eine  papierroUe  mit  der  richtigen  lösnng 
in  die  band,  und  die  frage,  welche  im  vergleich  zu  Chaucer 
etwas  erweitert  ist,  wird  zugleich  mit  der  richtigen  antwort 
vorgelesen.  Silvio  hat  sein  leben  gerettet  und  Belvidere  ge- 
wonnen; aber  diese  ist  verschollen.  Sein  schmerz  ist  grenzenlos. 
Da  erscheint  noch  dazu  die  alte  hexe  und  verlangt  von  Silvio, 
er  solle  sie  heiraten,  da  er  ihr  versprochen  habe,  eine  bitte 
zu  erfüllen.  Trotz  seines  sträubens  wird  er  gezwungen,  sein 
wort  zu  halten,  und  die  herzogin  frohlockt  darüber,  dass  sie 
nun  doch  ihre  tochter  dem  Silvio  nicht  zur  frau  geben  mflsse 
(act  IV  sc.  1).  Die  hochzeit  des  merkwürdigen  paares  wird 
hergerichtet,  und  der  arme  Silvio  ob  der  Schönheit  und  Jugend 
seiner  braut  gehörig  verspottet.  Da  erscheint  auf  einmal 
Belvidere  in  ihrer  eigenen  gestalt.  Silvio  wirft  sich  ihr  jubelnd 
zu  füssen.  Sie  aber  stellt  ihn  vor  die  bei  Chaucer  schon  ge- 
nannte wohl.  Silvio  weiss  sich  nun  nicht  zu  raten  noch  zu 
helfen;  er  kann  ja  auch  gar  nicht  verstehen,  wie  Belvidere 
zu  diesem  ansinnen  kommt,  ebenso  wenig,  wie  die  zuschaner, 
da  sie  nicht  wissen,  dass  Belvidere  mit  der  hexe  identisch  ist. 
Silvio  legt  also  sein  Schicksal  ganz  in  ihre  bände.  Diesen 
triumph  wollte  noch  Belvidere  haben  und  erklärt  dann  lachend, 
dass  sie  das  alte  weib  gespielt  habe,  um  ihn  zu  erproben  und 
ihm  zum  eigentlichen  siege  zu  verhelfen.  Die  herzogin  mnss 
jetzt  die  ehe  ihrer  tochter  mit  Silvio  zugeben  und  tröstet  den 
herzog  von  Sienna  dadurch,  dass  sie  selbst  seine  gattin  wird. 
—  Fletcher  hat  also  Chaucers  erzählung  sehr  geschickt  in 
seinem  drama  verwendet;  aber  dennoch  ist  nicht  zu  verkennen, 
dass  das  Verständnis  des  Stückes  durch  zwei  grosse  mängel 
erschwert  ist.  Dieselben  lassen  sich  vielleicht  aus  dem  quellen- 
verhältnis  erklären :  Der  einfluss  von  Gowers  erzählung  scheint 
den  anlass  dazu  geboten  zu  haben.    Im  drama  wird  nämlich 


CHAUCER8  EINFLUSS  AUE  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  35 

die  frage,  welche  Silvio  zur  rettung  seines  lebens  und  ge- 
winnung Belviderens  zu  lösen  hat,  ihm  auf  einer  papierrolle 
tiberreicht  (act  II  sc.  5).  Während  Chaucer  nichts  von  einer 
schriftlichen  fixierung  der  frage  verlauten  lässt,  heisst  es  bei 
Gower: 

S.  91.    Thifl  knight  which  worthy  was  and  wise 
This  lady  praieth,  that  he  may  wit 
And  haye  it  under  seales  writ 
What  question  it  sholde  be. 

Im  drama  ist  es  a  question  \  Writ  down  within  this  scroti 
(1.  c).  Nur  that  der  dramatiker  den  grossen  fehlgriff,  den  in- 
halt  der  frage  dem  Zuschauer  bis  zum  fünften  akte  vorzuent- 
halten, so  dass  man  beinahe  während  des  ganzen  Stuckes  nicht 
weiss,  um  was  es  sich  eigentlich  handelt.  —  Auf  die  unver- 
ständlichkeit  der  wähl,  vor  welche  Belvidere  ihren  Silvio  stellt, 
habe  ich  schon  hingewiesen.  Fletcher  wich  hier  von  Chaucer 
ab,  trotzdem  einer  lösung  nach  dessen  Vorbild  nichts  im  wege 
stand.  Chaucer  liess  von  dem  alten  weibe  die  wähl  stellen; 
bei  Gower  hat  sich  die  hexe  bereits  in  eine  junge  frau  ver- 
wandelt, als  sie  die  wähl  stellt,  und  so  ist  es  auch  bei  Fletcher. 
Nur  hat  letzterer  vergessen,  die  identität  der  hexe  mit  Bel- 
videren  zuvor  klar  zu  stellen,  ein  fehler,  den  Gower  nicht 
begangen  hat.  Auch  diese  Unklarheit  des  dramas  liesse  sich 
also  begreiflich  machen  durch  die  annähme,  dass  Fletcher 
auch  Gowers  fassung  der  geschichte  kannte  und  ihr  hastig 
einige  motive  entlehnte. 

In  „The  Woman's  Prize"  (erste  aufführung  c.  1615,  ge- 
druckt 1647)  >)  wird  der  alte  Moroso,  der  noch  heiratsgelüste 
hat,  von  Petronio  gewarnt: 

Hast  thon  forgot  the  baUad,  Crabbed  age? 

Can  May  and  Janoary  match  together 

And  never  a  stonn  between  them?    (Act  IV  sc.  1  s.  172.) 

Hierzu  bemerkte  schon  Weber  (et  Dyce  1.  c.  anm.),  dass  diese 
verse  „obviously  refer  to  the  Merchanfs  Tale  of  Chaucer**. 

Auf  Chaucers  „Legend  of  Good  Women"  wird  angespielt 
in  dem  lustspiel :  „The  Lover's  Progress"  (gedruckt  1647).  *) 
Calista,  das  tugendreine  weib  des  Cleander,  ist  durch  die  schuld 

')  cf.  Ward  bd.  U  s.  709;  Fleay  bd.  I  s.  198;  Dyce  bd.  Vn. 
*)  cf.  Ward  bd.  U  s.  730 ;  Fleay  bd.  I  s.  219;  Dyce  bd.  XI. 

8* 


36  OTTO  BALLMANN, 

von  dessen  bestem  freunde  Lysander  in  üblen  verdacht 
kommen,  infolge  der  verleumderischen  aussage  ihrer  dienerin. 
Um  ihre  ehre  zu  retten,  will  Lysander  sich  dem  königlichen 
gerichtsliofe  stellen  und  sie  durch  seine  ihn  selbst  vernichtende 
aussage  von  jedem  verdacht  reinigen.  Er  geht  nämlich  dem 
sicheren  tode  entgegen,  wenn  er  sich  vor  dem  gerichtshof 
zeigen  wird,  da  auf  ihn  schon  länger  gefahndet  wird,  weil  er 
zwei  tapfere  ritter  des  königs  im  streite  getötet  hat;  doch 
gern  giebt  er  sein  leben  preis: 

M«    •    •    •    a    1116 

Which  being  uncompeUed  laid  down,  wiU  clear  her 

Aud  write  her  name  a-new  in  the  fair  legend 

Of  the  best  women.  (Act  V  sc.  1  s.  105.) 

The  Two   Noble  Kinsmen. 

Der  ei-ste  druck  dieses  Stückes  fällt  in  das  jähr  1634, 
während  seine  entstehung  bedeutend  früher  anzusetzen  ist ») 
Auf  die  sehr  strittige  verfasserfrage  einzugehen  ist  hier  nicht 
der  ort.  Ks  ergiebt  sich  jedoch  aus  dem  folgenden  ein  wei- 
teres argument  für  die  ansieht,  welche  übrigens  beinahe  aus- 
nahmslos-) von  der  kritik  vertreten  wird,  dass  Die  Beiden 
Edlen  Vettern  von  zwei  autoren  geschaffen  sind.  Da  die  mehr- 
zahl  der  gelehrten  für  Fletcher  als  den  Vollender  des  dramas 
stimmt,  so  findet  es  hier,  nach  Beaumont  und  Fletcher,  seine 
besprechung. 

Das  drama  hat  Chaucers  „Knightes  Tale"  zur  grundla^ 
—  im  prolog  selbst  wird  Chaucer  als  gewährsmann  genannt  — 
und  folgt  im  hauptgange  seiner  handlung  so  sehr  jener  er- 
zählung,  dass  die  abweichungen  gering  sind.  Es  wäre  nur 
eine  Wiederholung  anderweitiger  ausf ührungen,  ^)  wollte  ich 
nochmals  im  ganzen  das  Verhältnis  des  dramas  zu  seiner  quelle 


»)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  189;  Ward  bd.  H  s.  237 ff.;  The  Two  Noble  Kin». 
men  by  W.  Shakespeare  and  J.  Fletcber  by  Harold  Littledale  edited  from 
the  Quarte  of  1034.  Part.  I:  Revised  Text  and  Notes  (New  Shaksp.  Soc 
Series  11  8)  London  1876 ;  Part.  II :  General  Introduction  and  List  of  Werde 
(ib.  Series  II 15)  1885;  cf.  II  s.  55*. 

^)  Delius  nimmt  einen  „Anonymus"  als  aUeinigen  Verfasser  an,  cf. 
Shakesp.-Jahrb.  XU  298,  XHI 16  ff. 

*)  cf.  besonders  Delius  1.  c.  XIII. 


CHAÜCERS  BINTLÜSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         37 

behandeln.  Ich  möchte  hier  nur  den  engen  anschluss  des 
dramas  an  seine  quelle  in  der  ausführung  mancher  scenen  und 
die  oft  überraschend  weitgehenden  wörtlichen  entlehnungen 
besprechen,  da  diese  bis  jetzt  noch  keine  lyürdigung  gefunden 
haben.  Sie  sind  umso  bemerkenswerter,  als  sie  sich  über  das 
ganze  stück  sehr  ungleichmässig  verteilen.  Nach  der  Scheidung, 
welche  Littledale  (1.  c.)  auf  grund  genauer  metrischer  und 
stilistischer  Untersuchungen  zur  bestimmung  des  anteils  eines 
jeden  der  beiden  dramatiker  vorgenommen  hat,  fallen  die 
wörtlichen  entlehnungen  beinahe  ganz  in  den  von  Littledale 
Fletcher  zugewiesenen  teil,  so  dass  also  auch  die  sichtliche 
Verschiedenheit  in  der  bearbeitung  der  quelle  auf  zwei  autoren 
schliessen  lässt.  —  Dass  ich  im  folgenden  die  Scheidung  Little- 
dales zum  ausgangspunkt  nehme ,  bedarf  keiner  besonderen 
begründung.  Denn  so  sehr  auch  die  ansichten  bezüglich  der 
autoren  des  dramas,  besonders  was  Shakespeare  anbetrifft, 
schwanken,  so  wenig  herrscht  meinungsverschiedenheit  bezüg- 
lich des  ihnen  zuzuschreibenden  anteils,  und  dies  trifft  für 
unsere  Untersuchung  um  so  mehr  zu,  als  die  hauptsächlich  noch 
umstrittenen  scenen,  welche  das  nebenspiel,  die  Liebe  der 
Kerkermeisterstochter  zu  Palamon,  enthalten,  hier  als  nicht 
auf  Chaucer  zurückgehend  wegfallen. 

Für  Littledale  gelten  Shakespeare  und  Fletcher  als  die 
Verfasser  der  „Two  Noble  Kinsmen".  Ersterer  soll  geschrieben 
haben:  Act  I,  die  letzte  scene  ausgenommen,  von  act  III  die 
ersten  76  zeilen  der  ersten  scene  und  act  V ;  das  übrige  ist 
Fletcher  zugewiesen.  In  den  genannten  scenen  finden  sich,  im 
gegensatz  zu  Fletchers  anteil,  kaum  wörtliche  Übereinstim- 
mungen. Trotz  der  oft  vollständigen  gleichheit  der  Situationen 
in  drama  und  erzählung,  hat  sich  doch  der  dramatiker  in  einer 
weise  von  seiner  quelle  freigehalten,  welche  genug  für  sein 
k(')nnen  spricht.  Dies  ist  besonders  auffällig  in  act  V  sc.  1,  als 
Arcitas,  Palamon  und  Emilia  zu  ihren  schutzgöttern  flehen, 
genau  aus  derselben  gesinnung  heraus,  in  derselben  absieht, 
mit  derselben  bitte,  wie  in  Chaucers  erzählung,  und  dennoch 
zeigen  die  gebete  des  dramas  in  ihrer  ausführung  keine  wirk- 
liche ähnlichkeit  mit  ihrem  epischen  vorbilde.  Und  selbst  da, 
wo  sich  der  dramatiker  eng  an  Chaucer  anschliesst,  ist  er 
weit  davon  entfernt,  diesen  zu  kopieren,  vielmehr  bringt  er 
alles  in  einer  solchen  form,  dass  man  es  ihm  als  eigentum 


38  OTTO  BALLMANN, 

Überlassen  muss.  —  Die  parallelstellen  in  dem,  nach  Littledale, 
Shakespeare'schen  teile  sind: 

Act  I  sc.  4.  Theseus  hat  über  Kreon  gesiegt ;  die  trauern- 
den witwen  sollen  die  leichen  ihrer  gefallenen  gatten  zur  be- 
stattung  erhalten: 

Y.  6.    TheseuB  sagt  zn  den  königinnen : 

Goe,  and  find  ont 
The  bones  of  your  dead  lords  and  honour  them 
With  treble  ceremonie:  rather  than  a  gap 
Shonld  be  in  their  dear  [rites],  we  wonld  supply't. 
Bnt  those  we  will  depute  wbich  shall  invest 
You  in  your  dignities,  and  even  each  thing 
Oor  haste  does  leave  imperfect; 

cf  .  Chaucer  A  991 : 

And  to  the  ladies  he  restored  agayn 
The  bones  of  hir  honsbondes  that  were  slayn, 
To  doon  obseqnies  as  was  tho  the  gyse 
But  it  were  al  to  long  for  to  devyse 

the  grete  honour 

That  Theseus  the  noble  emperour 

Doth  to  the  ladyes,  whan  they  from  him  wente. 

Die  verwundeten  vettern  werden  auf  dem  schlachtfelde 
gefunden;  ihre  kostbare  rüstung  deutet  ihre  adlige  herkunft  an: 

V.  14.        Herald: 

Men  of  great  quality  as  may  be  judged 
By  their  appointment :  some  of  Thebes  have  told's 
They  *re  sister's  children,  nephews  to  the  king; 
cf .  Chaucer  A  1016 : 

But  by  hir  cote-armoures,  and  by  hir  gere 
The  heraudes  knewe  hem  best  in  special 
As  they  that  weren  of  the  blood  royal 
Of  Thebes,  and  of  sustren  two  y-bom. 

Die  vettern  sind  halbtot: 

V.  24.        Theseus:    They  are  not  dead? 

Herald:      Nor  in  a  State  of  life  .  .  .; 

cf .  Chaucer  A  1015 : 

Nat  fully  quicke,  ne  fully  dede  they  were.*) 

Act  EU  sc.  1.  Das  Selbstgespräch  des  Arcitas  im  walde 
wird  von  Palamon,  der  aus  dem  gefängnis  geflohen  ist,  ver- 
nommen und  unterbrochen: 

y.  30.  Palamon:  ....  Traytor  kinsman 

Thou  shouldst  perceive  my  passion; 


*)  Auch  von  Littledale  in  den  „Notes"  citiert. 


CHAUCEBS  EINFLUSS  AUP  DAS  ENGLISCHE  DBAMA  ETC.         39 

cf.  Chaucer  A  1580: 

Arcite,  false  traitour  wikke 
Now  artow  hent. 

Act  V  SC.  1.  Arcitas  fleht  zu  Mars  um  sieg  im  bevor- 
stehenden wettkampf;  er  preist  die  macht  des  kriegsgottes : 

y.  53.  ....  who  dost  placke 

With  band  [annipotent]  from  forth  blew  cloüdes 
The  masond  turrets  .  .  .  .; 

Dies  geht,  wie  Littledale  zu  dieser  stelle  anmerkt,  auf  Chaucers 
verse  zurQck: 

A  2463:    Myn  is  the  min  of  the  hye  haUes 

The  faUing  of  the  toores  and  of  the  waUes  .  .  . 

Doch  spricht  Saturn  diese  verse  in  ganz  anderem  Zusammen- 
hang und  an  viel  späterem  ort.  —   Auch  das  adjektiv  armi- 
potent^)  findet  sich  als  beiwort  des  kriegsgottes  in  Chaucer 
(v.  A  1982,  2441)  und  ist  von  ihm  geprägt  (cf.  oben  s.  13). 
Auf  Chaucers  verse: 

A  2379.    If  80  be  that  my  yonthe  may  deserve 

And  that  my  might  be  worthy  for  to  serve 

Thy  godhede,  that  I  may  been  oon  of  thyne  .  .  . 

mag  es  wohl  zurückgehen ,  dass  sich  im  drama  Arcitas  pupil 
und  youngest  follower  des  Mars  nennt. 

Act  V  sc  4.  Palamon  ist  im  kämpfe  besiegt  worden ;  er 
soll  mit  seinen  drei  gefährten  deshalb  das  leben  lassen.  Die 
trostgründe,  mit  welchen  er  sich  und  seine  Waffenbrüder  über 
den  bevorstehenden  tod  beruhigt,  enthalten  in  veränderter 
gestalt  Chaucer  sehe  gedanken: 

y.  1 :         There'8  many  a  man  alive  that  hath  outliv'd 

The  love  o'  th*  people 

some  comfort 

We  have  by  so  considering;  we  expire 
And  not  without  men's  pity;  to  live,  still 
Have  their  good  wishes;  we  prevent 

The  loathsome  misery  of  age 

we  come  towards  the  gods 

Young  and  nnwapper*d. 

cf,  Cancer  in  der  rede  des  Theseus  gegen  ende  der  „Knightes 
Tale'': 

A  3047 :    And  certeinly  a  man  hath  most  honoor 
To  dyen  in  bis  excellence  and  floor 


*)  Ärmipoteni  ist  die  zweifellos  richtige  Verbesserung  Littledales  für 
armenypotent  des  quarto-  1634  und  armetupotent  des  foliodruckes  1679. 


40  OTTO  BALLMANN, 

Whan  he  is  siker  of  bis  gode  name; 

Than  hath  he  doon  his  freend,  ne  him,  no  shame. 

And  gladder  oghte  his  freend  ben  of  his  deeth, 

Whan  with  hononr  up-holden  is  Mb  breeth, 

Than  whan  his  name  apalled  is  for  age; 

For  al  forgeten  is  his  vasselage. 

Than  is  it  best,  as  for  a  worthy  fame 

To  dyen  whan  that  he  is  best  of  name.  — 

Eine  ganz  andere  art  der  bearbeitung  der  quelle  zeigt 
sich  in  den  Fletcher  zugewiesenen  scenen.  Durchweg  ist  der 
anschluss  an  Chaucer  viel  enger ;  Chaucers  gedieht  ist  stellen- 
weise direkt  dramatisiert.  Doch  dürfen  wir  deshalb  nicht  etwa 
diesem  dramatiker  die  fähigkeit,  sich  über  seinen  Stoff  zu 
stellen,  absprechen.  Der  allzu  enge  anschluss  an  die  quelle 
erklärt  sich  vielmehr  aus  zwei  anderen  gründen.  Zunächst 
ist  eine  gewisse  flüchtigkeit,  die  sich  manchmal  in  empfind- 
lichen mangeln  des  dramas  äussert,  nicht  zu  verkennen.  Dann 
aber  spricht  dieser  zweite  dramatiker,  dem  zweifellos  auch  der 
prolog  zugesprochen  werden  muss,  in  diesem  deutlich  genug 
seine  inferiorität  Chaucer  gegenüber  aus,  wenn  er  das  publikum 
in  rücksicht  auf  den  alten  meister  Chaucer,  dem  die  fabel  des 
Stückes  entlehnt  sei,  bittet,  es  nicht  vorschnell  zu  verurteilen. 
Von  diesem  gesichtspunkt  aus  konnte  er  auch  zu  gunsten  des 
dramas  nichts  besseres  thun,  als  sich  an  Chaucer  selbst  zu 
halten.  —  Die  wichtigsten  parallelstellen  in  Fletchers  teil 
seien  hier  angeführt. 

Die  beiden  letzten  verse  des  ersten  aktes: 

This  world's  a  city  fall  of  straying  streets 

And  death's  the  market-place,  where  each  one  meets  — 

möchte  ich  zwar  viel  eher  zu  den  von  Littledale  selbst  (in 
den  anmerkungen)  citierten  grabinschriften  stellen  wegen  der 
wörtlichen  Übereinstimmung,  auch  hinsichtlich  des  auffälligen 
bildes  vom  marktplatze,  als  sie,  wie  Littledale  später  wollte 
(Part  U  s.  45),  auf  folgende  verse  Chaucers  zurückführen: 

A  2847 :    This  world  is  but  a  thorghf are  ful  of  wo, 
And  we  ben  pilgrimes,  passinge  to  and  fro, 
Deeth  is  an  end  of  every  wordly  sore. 

Act  II  sc.  1.  Palamons  Vorwurf,  als  Arcitas  ihm  Emilia 
streitig  machen  will: 

V.  170:  If  thou  lovest  her 

Or  entertain'st  a  hope  to  blast  my  wishes, 


CHAÜCEBS  EINFLÜ8S  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         41 

Thon  art  a  traytour,  Arcite,  and  a  fellow 
False  as  thy  title  to  her. 

cf.  Chaucer:    A  1129: 

^It  nere'  qnod  he  [Palamon]  'to  thee  no  greet  hononr 
For  to  be  fals,  ne  for  to  be  traytour. 

Arcites  sucht  auf  spitzfindige  weise  seine  liebe  zu  rechtfertigen 
Palamon  hatte  Emilia  für  ein  göttliches  wesen  angesehen: 

ib.  y.  133.    Palamon:  Behold  and  wonder 

By  heaven  she  \s  a  goddesse! 

Doe  reverence!  * 

She  is  a  goddess,  Arcite; 

cf.  Chancer:  A  1101: 
Palamon:   I  noot  wher  she  be  woman  or  goddesse 
Bnt  Yenns  is  it,  soothly,  as  I  gesse. 

Darauf  stützt  sich  Arcitas,  wenn  er  sagt: 

ib.  V.  163:     I  will  not  as  yon  do,  to  worship  her 

As  she  is  heavenly,  and  a  blessed  goddess; 
I  love  her  as  a  woman  to  eigoy  her; 

cf.  Chancer:  A  1153: 

For  par  amonr  I  loved  hir  first  er  thow. 
What  wiltow  seyn?    Thon  wistest  nat  yet  now, 
Whether  she  be  a  woman  or  goddesse 
Thyn  is  afifeccioun  of  holinesse 
And  myn  is  love  as  to  a  creatnre.  *) 

Die  klagen  des  Palamon,  als  Arcitas  aus  dem  gefängnis  ent- 
lassen ist: 

ib.  y.  249 :  He's  a  blessed  man ! 

He  shall  see  Thebes  again,  and  call  to  arms 
The  bold  yonng  men,  that  when  he  bids'em  Charge, 
Fall  on  like  fire:  Arcite  shall  have  a  fortnne 
If  he  dare  make  himself  a  worthy  lover, 
Yet  in  the  field  to  strike  a  battle  for  her; 

cf.  Chancer:  A1281: 

'Alias!'  qnod  he,  'Arcita,  cosin  myn, 
Of  al  onr  str3rf,  God  woot,  the  fmyt  is  thyn. 
Thon  walkest  now  in  Thebes  at  thy  large  .... 
Thon  mayst,  sin  thon  hast  wisdom  and  manhede, 
Assemblen  alle  the  folk  of  onr  kinrede, 
And  make  a  werre  so  sharp  on  this  citee, 
That  by  some  aventnre,  or  som  tretee 
Thon  mayst  have  hir  to  lady  and  to  wyf. 


*)  cf.  Littledale,  Notes. 


42  OTTO  BALLMANN, 

Act  n  SC.  5,    Wie  Arcitas  in  den  dienst  der  Emilia  kam 

V.  31:    TheseuB:  PirithouB 

Digpose  of  this  faire  gentleman. 
Pirithous:  Thanks,  Theseus.  — 

What  e*er  you  are,  y*are  mine,  and  I  shall  give  you 
To  a  most  noble  service,  —  to  this  lady 
This  bright  young  virgin; 

cf.  Chancer:  A  1418: 

He  [Arcitas]  fil  in  office  with  a  chamberleyn 
The  which  that  dwelling  was  with  Emelye. 

1426:    A  yeer  or  two  he  was  in  this  servyse 

Page  of  the  chambre  of  Emelye  the  brighte. 

Act  in  sc.  5  V.  52 :  A  fire  ill  take  her  —  eine  zwar  sehr 
gebräuchliche  redensart  (cf.  Littledale  „Notes**),  doch  ist  immer- 
hin die  Chaucer-parallele  bemerkenswert: 

A  4172:    A  wilde  fyr  np-on  thair  bodyes  falle! 

Act  ni  sc.  6.  Die  im  walde  kämpfenden  vettern  werden 
durch  den  hinzukommenden  Theseus  getrennt: 

Y.  132.    What  Ignorant  and  mad  malicious  traitors 

Are  you,  that,  'gainst  the  tenor  of  my  lawes 
Are  making  battaile,  thus  like  knights  appointed, 
Without  my  leave,  and  officers  of  armes? 
By  Castor  both  shall  dye  .... 

cf.  Chancer:  A  1710: 

Bnt  teUeth  me  what  mister  men  ye  been, 
That  been  so  hardy  for  to  fighten  here 
Withonten  jnge  or  other  officere 
As  it  were  in  a  listes  royally? 

1747:    Ye  shnl  be  deed,  by  mighty  Mars  the  rede! 

Palamons  antwort  darauf  lautet: 

ib.  V.  136 :  Hold  thy  word,  Theseus ! 

We  are  certainly  both  traitors,  both  despisers 
Of  thee  and  of  thy  goodness:  I  am  Palamon, 
That  cannot  love  thee,  he  that  broke  thy  prison 
Think  weU  what  that  deserves:  and  this  is  Arcite, 
A  bolder  traitour  never  tredd  the  ground  — 
A  falser  ne'er  seem'd  friend:  this  is  the  man 
Was  begd  and  banished:  this  is  he  contemnes  thee 
And  what  thou  darfst  doe;  and  in  this  disguise, 
Against  thy  own  edict,  foUowes  thy  sister  .... 

V.  151 :    if  thou  bee'st 

As  thou  art  spoken,  great  and  vertuous  .... 

cf .  Chaucer :  A  1716 : 

We  haye  the  deeth  deseryed  bothe  two  .... 


CHAUCERS  EINFLüSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         43 

1734:    I  am  thilke  wofnl  Palamon 

That  hath  thy  prison  broken  wikkedly 

I  am  thy  mortal  foe 

1724:    thiß  is  Arcite 

That  fro  thy  lond  is  banished  on  Mb  heed 

For  which  he  hath  deserved  to  be  deed; 

And  this  is  he  that  came  nnto  thy  gate, 

And  seyde  that  he  highte  Philostrate  .... 

And  this  is  he  that  loveth  Emelye  .... 

1719 :    And  as  thou  art  a  rightfol  lord  and  jnge  .... 

Weiterhin  im  drama  ib.  v.  177: 

Let's  die  together,  at  one  instant,  doke; 

Only  a  little  let  him  fall  before  me 

That  I  may  teil  my  soole  he  shall  not  have  her; 

cf.  Chancer:  A  1721: 

Bnt  slay  me  first  for  seinte  charitee; 
But  slay  my  felawe  eek  as  wel  as  me 

Or  slay  him  first;  for 

This  is  my  mortal  fo. 

Act  IV  SC.  2.  Arcitas  und  Palamon  haben  sich  mit  je 
drei  rittem  zum  kämpfe  eingefunden.  Der  vornehmste  be- 
gleiter  des  Arcitas  hat  dieselben  hauptmerkmale,  mit  welchen 
Chaucer  den  Thrakerkönig  „Ligurge",  Palamons  waffengenossen, 
ausgestattet  hat: 

V.  76 :  [He]  by  bis  seeming 

Shonld  be  a  stout  man,  by  his  face  a  prince 
His  very  looks  so  say  him  .  .  .; 

cf.  Chancer:  A2130: 

(Black  was  his  berd)  and  manly  was  his  face. 

ib.  Y.  81 :    The  circle  of  his  eyes  show  [fire]  within  him 
And  as  the  heated  lyon  so  he  looks: 
cf.  Chancer:  A2131: 

The  cercles  of  his  eyen  in  his  heed 
They  gleweden  bitwixe  yelow  and  reed 
And  lyk  a  griffon  loked  he  abonte;*) 
n.  2171:    And  as  a  leonn  he  his  loking  caste. 

ib.  Y.  83:    His  haire  hangs  long  behind  him  black  and  shining 
Like  raYens'  wings;  his  Shoulders  broad  and  strong 
Armd  long  and  round;*) 


0  Diese  drei  Yerse  sind  anch  Yon  Littledale  citiert. 

')  Dyce  1.  c.  bd.  IX  bringt  in  der  anmerknng  zn  diesem  Yerse  die 
textYerbessemng  arma  statt  armd  you  Weber.  Letzterer,  dessen  ausgäbe 
Yon  Beaumont  und  Fletcher  mir  leider  nicht  zugänglich  ist,  hatte  jedenfalls 
mit  rücksicht  auf  Chaucers  Yers  A  2136  diese  Yerbesserung  Yorgenommen. 


44  OTTO  BALLMANN, 

cf.  Chancer:  A2143: 

His  longe  beer  was  kembd  bihind  his  back 
As  any  ravenes  fetber  it  sboon  for-black. 

2136:    His  sbnldres  brode,  bis  armes  ronnd  and  longe.  0 

Palamons  erster  begleiter  im  drama  entspricht  der  Chaucer- 
sehen  beschreibung  des  königs  von  Indien,  Emetreus: 

V.  103:    His  bead^s  yellow 

Hard  bayr'd,  and  curled,  tbicke  twind,  like  [ivy-tods]  . . . ; 
cf.  Cbaucer:  A  2165: 

His  crispe  beer  lyk  ringes  was  y-ronne 

And  tbat  was  yelow  and  glitered  as  tbe  sonne. 

ib.  Y.  105:  in  bis  face 

Tbe  liverie  of  tbe  warlike  maide  appeares 
Pure  red  and  wbite  .  .  .; 
cf.  Cbaucer :  A  2168 : 

His  lippes  rounde,  bis  colour  was  sangwyn. 

ib.  Y.  110:  His  nose  Stands  bigb,  a  cbaracter  of  bonour  .  .  .; 
cf.  Cbaucer:  A  2167:    His  nose  was  bigb. 

ib.  Y.  112 :  Wben  be  speaks,  bis  tongue 

Sounds  like  a  trumpet  .  .  .; 
cf.  Cbaucer:  A2174: 

His  Yoys  was  as  a  trompe  tbundering. 

ib.  Y.  116 :         His  age  some  fiYe  and  twenty  .  .  . ; 
cf .  Cbaucer :  A  2172 : 

Of  fyYe  and  twenty  yeer  bis  age  I  caste. 

Der  zweite  begleiter  des  Arcitas  erhält  auch  einige  merk- 
male  von  Chaucers  Emetreus: 

ib.  Y.  120:         0,  be  tbat's  freckle-f ac'd  ? 
cf .  Cbaucer :  A  2169 : 

A  fewe  fraknes  in  bis  face  y-spreynt. 

ib.  Y.  126 :  bis  armes  are  brawny 

Linde  witb  streng  sinewes  .  .  .; 
cf.  Cbaucer :  A  2135 : 

His  limes  grete,  bis  braunes  barde  and  strenge. 

ib.  Y.  137:      About  bis  bead  be  weares  tbe  winner's  oke 
And  in  it  stucke  tbe  faYour  of  bis  lady; 

in  bis  band 

He  beares  (a  cbarging  staffe)  .  .  .  .; 
cf.  Cbaucer:  A2175: 

üp-on  bis  beed  be  wered  of  laurer  grene 
A  gerland  fresb  and  lusty  for  to  sene 
Up-on  bis  band  be  bar  (,  for  bis  deduyt, 
An  eagle  tarne). 


^)  cf.  8.  43  anm.  2. 


CHAUCER8  BINFLU8S  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         45 

Die  Parnassus-Spiele.*) 

Die  trilogie  der  Parnassus  -  Spiele ,  universitätsdramen, 
welche  die  reise  zweier  Scholaren  nach  dem  Parnassus  und 
ihre  rückkehr  von  dort  behandeln,  weist  in  den  beiden  teilen 
der  rückkehr  mehrfach  Chaucer-einflüsse  auf. 

Im  ersten  t^ile,  „The  Return  froin  Parnassus^^  betitelt,*) 
sagt  der  renommierende  dummprotzige  Gullio,  der  mit  gestoh- 
lenen versen  seinen  geist  leuchten  lassen  zu  können  glaubt: 
/  am  very  latelie  registered  in  tlte  roules  of  fame  (act  in  sc.  1 
s.  56)  —  wobei  man  etwa  an  die  im  palast  der  Fama  ver- 
ewigten namen  berühmter  männer  in  Chaucers  „House  of  Fame" 
denken  kann.  Derselbe  Gullio,  der  auch  als  Maecen  eine  rolle 
spielen  möchte  und  deshalb  den  Ingenioso  unter  seine  fittiche 
genommen  hat,  giebt  letzterem  den  auftrag,  als  neujahrsge- 
schenk  für  seine  (Gullios)  angebetete  gedichte  zu  machen:  in 
two  or  three  divers  vayns,  in  Chaucer's,  Gower^s  and  Spenser^s 
and  Mr.  Shakespeares  (act  III  sc.  1  s.  58).  Ingenioso  führt 
seinen  auftrag  so  aus,  wie  es  Gullio  selbst  gethan  hätte:  Das 
gedieht  in  Chaxicer's  vayn  setzt  er  aus  verschiedenen  stellen 
aus  Chaucers  „Troilus  and  Criseyde"  zusammen;  es  lautet: 

Even  as  the  flowers  m  the  coulde  of  night 
Yclosed  slepen  in  there  stalkes  lowe, 
Red  ressen  them  the  sunne  hrighte 
And  spreaden  in  their  kinde  cours  hy  rowe 
5    Right  8oe  mine  eyne,  when  I  up  to  thee  throwe 
They  bene  yclear'd;  therefore,  0  Venus  dear, 
Thy  might)  thy  grace,  yheried  he  it  here. 

Nor  scri vener  nor  craftilie  I  write 
Blott  I  a  litell  the  paper  with  my  tears, 
10    Nought  might  mee  gladden,  while  I  endite 
But  thifl  poore  scroule  that  thy  name  yhears. 
Go  blessed  scroule!  a  blisfull  destinie 
Is  shapen  thee,  —  my  lady  shalt  thou  see. 

Nought  fitteth  in  this  sad  thing  I  feare 
15    To  use  joUy  tearmes  of  meriment ; 


*)  The  Pilgrimage  to  Parnassus  with  The  Two  Parts  of  the  Return 
from  Parnassus.  Three  Comedies  performed  in  St.  John's  CoUege  Cambridge 
A.  D.  1597—1601.  Edited  from  Mss.  by  W.  D.  Macray.  Oxford  Clarendon 
Press  1886. 

«)  Aufgeführt  1601/2,  d*.  Ward  bd.  H  s.  633;  Fleay  bd.  H  s.  34a 


46  OTTO  BALLMANN, 

Solemne  teannes  better  fitteu  this  mattere 
Than  to  nsen  tearmes  of  good  content. 
For  if  a  painter  a  pike  wonlde  painte 
With  asse^s  feet  and  headed  like  an  ape, 
20    It  cordeth  not ;  soe  were  it  bnt  a  jape. 

(Act  IV  8C  1  8.  62.) 

Die  erste  Strophe  entspricht  wörtlich,  mit  ganz  geringfügigen 
änderungen,  einer  stelle  in  Chaucers  „Troilus"  (ü  v.  967 — 973): 

Bat  right  BS  floures,  thorugh  the  colde  of  night 
Y-closed  stoupen  on  hir  stalkes  lowe 
Redressen  hem  a-yein  the  sonne  bright, 
And  spreden  on  hir  kinde  conrs  by  rowe; 
Right  80  gan  tho  hi8  eyen  np  to  throwe 
This  Troilu8,  and  8eyde,  *0  Venus  dere, 
Thy  might,  thy  grace,  y-heried  be  it  here'. 

Mit  hilfe  dieser  Chaucer-strophe  lässt  sich  auch  das  in  Macrays 
druck  ganz  unverständliche  Red  ressen  (z.  2)  verstehen,  es 
muss  natürlich  Redressen  gelesen  werden.  Derselbe  vers  ist 
ausserdem  einen  fuss  zu  kurz  und  verlangt  entweder  die  ein- 
fügung  von  Chaucers  again  oder  eines  entsprechenden  ne.  Wortes, 
Die  zweite  Strophe  scheint  verderbt  überliefert  zu  sein. 
Nicht  nur,  dass  offenbar  ein  vers  fehlt,  dem  reim  nach  zu 
schliessen  zwischen  zeile  1 1  und  12  —  in  der  ersten  und  dritten 
Strophe  ist  die  siebenzeilige  Chaucer-strophe  verwendet  — , 
sondern  die  verse  10  und  11  lassen  sich  auch  nicht  richtig 
skandieren.  Dies  ist  umso  auffälliger,  als  gerade  diese  zwei 
verse  sich  nicht  mit  Chaucer'schen  identifizieren  lassen,  was 
doch  bei  allen  übrigen  gelingt ;  auch  die  darin  vorkommenden 
Wörter  gladden  und  yhears  sind  mit  rücksicht  darauf,  dass 
gladden  erst  im  16.  Jahrhundert  transitiv  gebraucht  erscheint 
(cf.  New  Engl.  Dict.)  und  yhears  eine  für  Chaucer  unmögliche 
form  ist,  sehr  verdächtig.  Die  beiden  ersten  verse  der  zweiten 
Strophe  stammen  aus  Troilus  11 1026: 

Ne  scrivenish  or  craftily  thou  it  wryte; 
Beblotte  it  with  thy  teres  eek  a  lyte. 

Mit  den  beiden  letzten  versen  derselben  Strophe  vergleiche  man: 

And  Seide,  lettre,  a  blisfol  destinee 
Thee  shapen  is,  my  lady  shal  thee  8ee\ 

(Troilus  n  1091/2.) 

Die  vier  ersten  zeilen  der  dritten  Strophe  gehen,  dem  ge- 
danken  nach,  auf  dieselbe  Troilus-strophe  zurück,  welcher  die 
drei  letzten  zeilen  wörtlich  entnommen  sind: 


CHAUCER8  EINFLCSS  AUF  DAS  ENOLISCHB  DBAM A  BTC .         47 

Ne  jompre  eek  no  discordannt  thing  y-fere 
Ab  thuB,  to  nsen  termes  of  phisyk; 
In  loves  termes,  hold  of  they  matere 
The  forme  alwey,  and  do  that  it  he  lyk; 
For  if  a  peyntour  wolde  peynte  a  pyk 
With  asses  feet,  and  hede  it  as  an  ape, 
It  cordeth  nought;  so  nere  it  hat  a  jape. 

(Troüus  n  1037-43.) 

Chaucers  y-fere  (v.  1037)  =  together  hat  der  anonyme  drama- 
tiker  ganz  falsch  verstanden,  da  er  es  mit  /  feare  wiedergiebt 
ein  beleg  für  die  erschwerte  Verständlichkeit  Chaucers  in 
jener  zeit 

Ingenioso  hat  sich  vergebliche  mühe  mit  seinem  gedichte 
gemacht,  es  findet  Gullios  beifall  nicht.  Dieser  stösst  sich 
nämlich  an  dem  worte  jape,  das  auch  eine  anstössige  bedeutung 
haben  könne  (cf.  Nares's  Gloss.  und  Murray's  New  Engl.  Dict.), 
und  dadurch  ist  ihm  die  ganze  freude  am  gedichte  gestört. 
Eben  noch  hatte  er  gesagt: 

Lett  mee  heare  Chaucer^s  vaine  firsie, 
I  love  aniiquiiy,  if  it  he  not  harshe 

(Act  IV  sc.  2  s.  62) 

und  jetzt  will  er  von  Chaucer  nichts  mehr  wissen.  Ingenioso 
sucht  sich  vergebens  zu  verteidigen :  Sir,  the  worde  as  Chaucer 
useth  it  hath  no  unhonest  meaninge  in  it,  for  it  signifieth  a 
jeste  (act  IV  sc.  2  s.  62);  doch  Gullio  fällt  ihm  ins  wort:  Tash! 
Chaucer  is  a  foole,  and  you  are  another  for  defendinge  of  him 
. . .  Let  this  dundfied  worlde  esteeme  of  Spenser  and  Chaucer, 
rie  worshipp  sweet  Mr,  Shakspeare, 

Der  letzte  teil  der  trilogie,  ,,Tbe  Betarn  from  Pamassns ; 
or,  The  Scourge  of  Simony"  (aufgeführt  1602/3,  cf.  Ward  1.  c.) 
enthält  einige  Chaucer  -  erinnerungen  weniger  wichtiger  art: 
Für  Ingenioso  ist  es  eine  grosse  bef riedigung ,  dass  Spenser 
nach  des  lebens  mühen  an  Chaucers  seite  seine  grabstätte  fand: 

Bnt  softly  may  onr  [Homer's]  ashes  rest, 
That  lie  hy  mery  Chaucer's  uohle  ehest. 

(Act  n  sc.  2  8.  84.) 

Chaucers  „House  of  Fame"  ist  metaphorisch  verwendet  in  den 
versen : 

[Let  us]  march  nnto  the  honse  of  fame 

There  qnaffing  howles  of  Bacchus  hloud  fol  nimhly 

Endite  a  Tiptoe,  strouting  poesy.    (Act  n  sc.  3  s.  94.) 


48  OTTO  BALLMANN, 

Eine  auffällige  erinnerung  an  eine  metapher  im  prolog 

zur  „R^ves  Tale"  bieten  ferner  Studiosos  verse  (act  III  sc.  5 

V.  1443  f.): 

Not  long  this  tappe  of  loathed  life  can  rnnne 
Sooue  commeth  death,  and  then  onr  woe  is  done; 
cf.  Chaucer:  A3889: 

As  many  a  yeer  as  it  is  passed  henne 

Sin  that  my  tappe  of  lyf  bigan  to  renne; 

For  sikerly,  whan  I  was  bore,  anon 

Deeth  drough  the  tappe  of  lyf  and  leet  it  gon. 

Schliesslich  könnte  noch  Ingenioso  an  Chaucers  „Somnour*', 
welcher  die  leute  ihre  Sünden  stets  mit  dem  geldbeutel  büssen 
lässt  (A  653 — 657),  gedacht  haben,  wenn  er  den  Recorder 
schmäht :  „ .  . .  you  that  live  like  a  sunmer  upon  the  sinnes  of 
the  peGple*"  (act  IV  sc.  2  s.  135). ») 

George  Chapman.^) 

c.  1559-1634. 

Von  den  in  der  komödie  „May-Day*^  (aufgeführt  1601)  3) 
benützten  quellen  hat  Koeppel  gehandelt.^)  Nach  ihm  ist 
aus  Chaucers  „Troilus  and  Criseyde"  die  handlung  ent- 
nommen, soweit  sie  sich  bezieht  auf  „das  liebespaar  Aemilia 
und  Aurelio  und  den  zwischen  ihnen  vermittelnden  Ludovico, 
welcher  der  vetter  des  mädchens  und  der  freund  des  Jünglings 

ist Aurelio  fällt   vor  liebesschmerz  in  Ohnmacht  und 

wird  in  diesem  zustande  von  Ludovico  gefunden,  der  ihn  schilt, 
ermuntert  und  ihm  seine  vermittelung  verspricht  (act  I  sc.  1 
s.  277  b  f.)  . . . .  Im  [Chaucer^schen]  epos  überrascht  Pandarus 
den  in  sein  liebesleid  versunkenen  freund,  Troilus  liegt  ganz 


*)  Nachträglich  wurde  mir  die  eben  erschienene  dissertation  von  ViTil- 
helm  Lühr  bekannt:  „Die  drei  Cambridger  Spiele  vom  Pamass  in  ihren 
litterarischen  Beziehungen'^ ;  Kiel  1900.  Auf  s.  54  u.  55  daselbst  hat  Ltthr 
auf  die  besprochenen  Chaucer-stellen  hingewiesen ;  bezüglich  seiner  angäbe : 
„Macray  pag.  62  1181—1184  «nicht  belegt»"  (s.  55)  jedoch  vgl.  das  oben 
gesagte. 

*)  George  Chapman,  Plays  ed.  by  Richard  Herne  Shepherd.  A  New 
Edition.    London  1889. 

»)  cf.  Fleay  bd.  I  s.  57. 

*)  In  den  „Quellen- Studien  zu  den  Dramen  Chapman's,  Masinger's  und 
Ford's".  Strassburg  1897  (weiterhin  citiert  als  Koeppel  II)  8.  61.  cf.  auch 
neuerdings  Abraham  L.  Stiefel's  Entdeckung  der  italienischen  Hauptquelle ; 
Shakespeare-Jahrbuch  XXY  s.  180ff. 


CHAÜCER8  EINFLUSS  AÜP  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         4& 

still,  als  ob  er  tot  wäre,  Pandarus  ruft  ihn  ins  leben  zurück, 
verspottet  ihn  und  verspricht  ihm  schliesslich,  bei  seiner  base 
Criseyde  für  ihn  zu  werben  (cf.  T.  u.  Cr.  I  v.  547  ff.)  .... 
Ludovico  dringt  in  Aemilia,  ihrem  verzweifelnden  liebhaber 
einen  brief  zu  schreiben  (act  11  sc.  1  s.  282  a),  weil  Chaucers 
Criseyde  von  Pandarus  bestimmt  wurde,  Troilus  mit  einem 
briefe  zu  beglücken  (cf.  T.  u.  Cr.  II  v.  1298  ff.)". 

Sir  Gyles  Goosecappe,  Knight.») 

Im  Journal  of  Germanic  Philology  (vol.  11  1898  nr.  1  s.  10) 
hat  Kittredge  bereits  klar  nachgewiesen,  dass  der  unbekannte 
Verfasser  des  „Sir  Gyles  Goosecappe"  (verfasst  um  1601;  ge- 
druckt 1606  und  1636)  2)  als  grundlage  für  die  handlung  seines 
lustspiels  Chaucers  „Troilus  and  Criseyde"  benützt  hat. 

Die  eigentliche  handlung  des  „Goosecappe"  nimmt  den  ge- 
ringsten räum  im  stücke  ein ;  fast  ausschliesslich  haben  neben- 
figuren  für  den  breit  ausgefühi^ten  komischen  teil  des  lustspiels 
aufzukommen.  So  beginnt  die  wirkliche  handlung  erst  mit 
der  vierten  scene  des  ersten  aktes. 

Die  hauptpersonen  aus  Chaucers  epischem  gedieht:  Troilus, 
Criseyde,  Pandarus,  begegnen  uns  hier  in  mehr  oder  weniger 
veränderter  gestalt  in  Clarence,  Eugenia  und  Monford.  Die 
handlung  des  „Goosecappe"  ist  kurz  folgende: 

Clarence  hat  sich  sterblich  verliebt  in  die  witwe  Eugenia, 
die  nichte  seines  freundes  Monford.  Ihr  selbst  seine  liebe  zu 
gestehen  ist  er  zu  schüchtern;  Monford  spielt  den  vermittler. 
Dieser  entdeckt  seiner  nichte  nach  vielen  umwegen  und  an- 
deutungen  die  glühende  liebe  des  Clarence.  Eugenia  zeigt 
sich  tief  erschrocken  über  die  eröffnung,  besonders  weil  ihr 
oheim,  den  sie  für  ihren  treuesten  beschützer  gehalten  hatte, 
sie  auf  solche  weise  verletzt.  Doch  giebt  sie  ihm  gelegenheit, 
alle  Vorzüge  des  Clarence  zu  schildein.  Auf  drängen  des 
oheims  schreibt  Clarence  einen  liebesbrief  an  Eugenia,  den 
Monford  dieser  überbringt.  Eugenia  will  zunächst  den  brief 
gar  nicht  annehmen,  und  als  er  ihr  mit  list  zugesteckt  wird, 
weigert  sie  sich  entschieden,  ihn  selbst  zu  beantworten.  Des- 
halb drängt  sich  ihr  Monford  als  Sekretär  auf  und  giebt  durch 


»)  Neudruck  in  BuUen's  „CoUection  of  Old  English  Plays"  bd.  m. 
*)  cf.  BuUen  1.  c.  s.  93  note ;  Fleay  bd.  n  8. 322/3. 
AngU».    N.r.    XTII.  4 


50  OTTO  BALLMAKN, 

eigenmächtige  zusätze  den  indifferenten  werten  Eugenias,  die 
er  als  antwort  an  Clarence  schreiben  soll,  den  ausgesprochenen 
Inhalt  eines  geständnisses  von  gegenliebe  für  Clarence.  Ahnungs- 
los unterschreibt  Eugenia,  wird  jedoch  gleich  der  an  ihr  ver- 
übten täuschung  gewahr.  Aber  Monford,  frohlockend  über  die 
gelungene  list,  giebt  den  brief  nicht  wieder  heraus,  sondern 
überbringt  ihn  seinem  schmachtenden  freunde.  Um  seine 
widerstrebende  nichte  dem  liebeswerben  des  Clarence  geneigter 
zu  machen,  greift  Monford  nochmals  zur  list.  Clarence  muss 
sich  schwer  krank  stellen,  und  seine  laute  Unterhaltung  mit 
dem  arzte  über  den  Ursprung  seines  vorgeblichen  leidens,  das  aus 
seiner  allzu  grossen  liebe  zu  Eugenia  entsprungen  ist,  soll  diese 
wider  ihren  willen  mit  anhören,  wenn  sie  mit  einer  tischgesell- 
schaft  die  an  des  Clarence  zimmer  anstossende  gemäldegallerie 
betrachtet.  Die  list  gelingt,  doch  Eugenia  durchschaut  zugleich 
die  absieht  ihres  oheims  und,  da  sie  bereits  zu  dem  beschei- 
denen und  gelehrten  Clarence  neigung  gefasst  hat,  so  be- 
schliesst  sie,  ihren  oheim  zu  übertrumpfen.  Sie  geht  mit  ihren 
freundinnen  zum  kranken  Clarence  und  bietet  ihm  herz  und 
band  an.  Der  bund  wird  geschlossen,  und  lächelnd  tritt  das 
paar  dem  erzürnten  Monford  entgegen,  der  seit  geraumer  zeit 
seine  nichte  vergeblich  gesucht  hatte  und  sie  schliesslich  fort- 
gelaufen wähnte,  da  er  sie  niemals  bei  Clarence  vermutet  hätte. 
Um  den  eigentlichen  erfolg  seiner  Vermittlerrolle  betrogen, 
nimmt  Monford  die  schöne  räche,  dass  er  seinen  freund  Clarence 
zum  alleinigen  erben  einsetzt.  Das  stück  findet  dann  mit  ver- 
schiedenen Vermählungen  seinen  abschluss.  — 

Wie  diese  skizze  zeigt,  geht  die  handlung  des  „Goosecappe", 
mit  ausnähme  des  Schlusses,  ganz  auf  Chaucer  zurück:  der 
oheim  als  vermittler  zwischen  seinem  jüngeren  freunde  und 
seiner  nichte,  die  Schüchternheit  des  freundes,  die  anfängliche 
Zurückhaltung  der  nichte,  der  auf  drängen  des  oheims  ge- 
schriebene brief  des  ersteren,  die  beantwortung  desselben  auf 
betreiben  des  oheims,  die  fingierte  krankheit,  das  vom  oheim 
veranstaltete  gastmahl  mit  dem  zwecke,  die  liebenden  einander 
näher  zu  bringen,  der  erfolg  dieser  list  —  alle  diese  haupt- 
punkte,  die  noch  gestützt  werden  durch  genau  übereinstim- 
mende nebenumstände,  zeigen  deutlich  die  stoffliche  abhängig- 
keit  des  „Goosecappe"  von  Chaucers  epischem  gedieht.  Selbst 
jene  köstliche  scene,  in  welcher  Monford  den  brief  des  Clarence 


CHAUCEB8  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         51 

auf  Eugenias  dictat  hin  so  eigenmächtig  und  ganz  in  seinem 
eigenen  sinne  beantwortet,  findet  sich  bei  Chaucer  bereits  an- 
gedeutet in  den  versen  n  1200—1204: 

'^Aqnyte  him  wel,  for  goddes  love*'  quod  he  [Pandarns] 
"Myself  to  medes  wol  the  lettre  sowe", 
And  held  his  hondes  üp,  and  sat  on  knowe, 
"Now,  goode  nece,  be  it  never  so  lyte 
Yif  me  the  laboor,  it  to  sowe  and  plyte". 

Dass  mit  einem  so  engen  stofflichen  anschluss  an  Chaucer 
auch  die  wörtlichen  Übereinstimmungen  band  in  band  gehen, 
ist  bei  einem  so  unselbständigen  Verfasser  nicht  auffällig.  Die 
parallelstellen  hat  Kittredge  in  seinem  oben  erwähnten  auf- 
satze  citiert.  Seine  erschöpfende  darstellung  lässt  kaum  eine 
ergänzung  zu ;  nur  auf  drei  stellen  könnte  man  vielleicht  noch 
hinweisen:  Der  ohm  macht  der  nichte  den  Vorwurf,  dass  sie 
noch  inmier  trauerkleider  trage: 

Goosecappe  s.  31 : 

Monford:  Why,  alas  Neece,  y'are  so  smeared  with  this  willfuD-wid- 
dows-three-yeeres  blacke  weede,  that  I  never  come  to  you,  but 
I  dream  of  Coarse,  and  Sepulchres,  and  Epitaphs,  all  the  night 
after  .... 

cf.  Troilus  n  V.  221 : 

Bnt  yet,  I  seye,  aryseth,  lat  ns  daunce 
And  cast  yonr  widwes  habit  to  mischaunce; 
What  list  yow  thus  your-self  to  disfigure? 

Die  entlehnung  eines  bildes  bemerken  wir  Goosecappe  s.  54 : 

Monford:    She  shall  not  stay  to  call;  bat  while  the  steel 
Of  her  affection  is  made  softe  and  hott 
He  strike 

cf.  Troilus  n  V.  1275: 

Pandare  which  that  stood  hir  faste  by, 
Feite  iren  hoot  and  he  bigan  to  smyte  .  .  . 

In  der  ersten  Unterredung  der  liebenden  (Goosecappe  s.  86) 
beachte  man: 

Clarence:    ^0  Madam,  let  me  rise  that  I  may  kneele 

And  pay  some  duty  to  your  soveraigne  grace". 

cf.  Troilus  in  V.  96;  Pandarus: 

"Ye,  sweete  herte?  alias,  I  may  nought  ryse 
To  knele,  and  do  yow  hononr  in  some  wyse". 

Doch  wie  häufig  und  wie  nahe  auch  einerseits  der  „Goose- 
cappe" in  wort  und  handlung  sich  mit  „Troilus  and  Criseyde" 
berührt,  so  verschieden  ist  andrerseits  die  prägung  der  charak- 


52  OTTO  BALLMANN, 

tere  im  drama  von  Chaucers  typischen  figuren.  Bei  diesem 
haben  wir  lauter  volle  lebenswarme  gestalten,  die  in  ihrer 
natürlichkeit,  dank  der  epischen  breite  des  gedichts,  lebendig 
vor  uns  stehen;  im  „Goosecappe"  sind  die  figuren  mehr  skizzen- 
haft entworfen,  und  die  wenigen,  aber  doch  oft  charakte- 
ristischen striche,  mit  denen  sie  gezeichnet  sind,  stellen  uns 
die  pei-sonen  nur  insoweit  dar,  als  es  zur  handlung  des  lust- 
spiels  unbedingt  erforderlich  ist.  Die  handlung,  zu  wenig  aus 
dem  Charakter  der  personen  selbst  heraus  entwickelt,  lässt 
daher  diese  nicht  plastisch  genug  hervortreten,  wir  bleiben 
ihnen  gegenüber  zu  gleichgültig. 

Am  meisten  entspricht  noch  Monford  seinem  Chaucer'schen 
Vorbild  Pandarus.  Zwar  steht  „Lord"  Monford  seinem  hoch- 
gelehrten, aber  armen  freunde  Clarence  anders  gegenüber,  als 
sich  Pandarus,  der  oheim  der  Criseyde,  zum  königssohne  Troilus 
stellt;  aber  treue,  hingebende  freundschaft  ist  bei  Pandarus 
wie  bei  Monford  das  grundmotiv,  auf  welches  ihre  Charaktere 
gestimmt  sind.  Aus  liebe  zu  dem  jüngeren  freunde  unter- 
ziehen sich  beide  der  schweren  aufgäbe,  die  nichte  dem  freund 
zu  gewinnen.  Und  doch,  wie  verschieden  ist  die  freundschaft 
des  Monford  zu  Clarence  von  der  des  Pandarus  zu  Troilus! 
Chaucers  meisterlich  geschilderter  Pandarus  ist  ein  frivoler 
geselle ;  er  hat  es  wohl  verdient,  dass  er  später  seinen  namen 
zur  bezeichnung  eines  unsittlichen  gewerbes  hergeben  musste. 
Die  ehre  seiner  nichte  konnte  sehr  wohl  neben  seiner  freund- 
schaft zu  Troilus  bestehen  und  durfte  der  letzteren  zu  liebe 
nicht  preisgegeben  werden.  Davon  findet  sich  in  Monfords 
Charakter  keine  spur.  Freilich  hatte  der  anonyme  Verfasser 
des  „Goosecappe"  den  vorteil,  dass  er  sich  nicht  an  den  über- 
lieferten Stoff  zu  halten  brauchte.  Monfords  Verhältnis  zu 
Clarence  ist  das  der  reinsten  und  idealsten -freundschaft,  die 
auf  inniger  Seelenvereinigung  beruht.  Er  wirbt  seinem  freunde 
die  nichte,  deren  er  sich  stets  väterlich  annimmt,  weil  er  für 
diese  keinen  edleren  und  würdigeren  gemahl  sich  denken 
kann,  und  in  der  Vereinigung  des  Clarence  mit  Eugenia  sieht 
er  nur  ein  weiteres  band,  das  ihn  noch  inniger  mit  dem  freunde 
verknüpfen  wird:  den  freund  auch  neffen  nennen  zu  dürfen 
ist  ihm  das  höchste.  Andrerseits  hattet  ihm  freilich,  überein- 
stimmend mit  dem  Junggesellen  Pandarus,  eine  gewisse  lüstern- 
heit  dem  weiblichen  geschlechte  gegenüber  an,  wie  aus  der 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUE  DAS  ENGLISCHE  DBAMA  ETC.         53 

scene  mit  Eugenias  kammerzofe  Wynnifred  und  aus  anderen 
stellen  hervorgeht.  Die  unfreiwillige  komik  in  seinen  unge- 
schickten versuchen,  der  Eugenia  die  tiefe  liebe  des  Clarence 
zu  ihr  möglichst  behutsam  zur  kenntnis  zu  bringen,  geht  auf 
Chaucers  geistvolle  Schilderung  der  entsprechenden  scene 
zurück. 

Die  Eugenia  des  „Goosecappe"  ist  sehr  skizzenhaft  ge- 
halten. Nur  in  einem  punkte  ist  sie  etwas  schärfer  gezeichnet, 
als  ihr  vorbild:  wir  können  sie  uns  eher  als  witwe  denken, 
als  Chaucers  Criseyde,  deren  jungfräuliches  wesen  wenig  ihrem 
Witwenstande  entspricht.  Sonst  zeigt  Monfords  nichte  keine 
ähnlichkeit  des  Charakters  mit  Criseyde.  Ihre  festigkeit  und 
selbstbewusstheit  stammen  nicht  von  dieser.  Sie  macht  ganz 
den  eindruck  eines  fertigen  Charakters.  Sie  ist  eine  Weltdame 
mit  gelehrten  neigungen,  die  gern  ihre  kenntnisse  im  Latei- 
nischen zeigt.  Echt  weiblich  zeigt  sie  sich  eigentlich  nie,  im 
schroffsten  gegensatz  zu  Criseyde,  und  selbst  da,  wo  sie  ihre 
Verschlossenheit  aufgiebt  und  halb  ihrem  oheim  zum  trotz, 
halb  ihrer  eigenen  langsam  aufkeimenden  neigung  folgend,  zu 
Clarence  ins  zimmer  tritt,  um  ihm  ihre  liebe  zu  gestehen, 
werden  wir  das  gefühl  nicht  los,  dass  allzu  viel  Überlegung 
ihr  handeln  leitet.  Die  plötzliche  wendung,  welche  die  hand- 
lung  des  lustspiels  mit  dieser  scene  nimmt,  ist  umso  uner- 
warteter, als  sie  mit  keinem  wort  in  Eugenias  Charakter  zuvor 
angedeutet  ist.  Erst  die  verblüffende  form  dieser  liebeser- 
klärung  lässt  uns  Eugenia  ganz  durchschauen ;  sie  charakteri- 
siert sich  selbst  am  besten  mit  den  werten,  mit  welchen  sie 
dem  Clarence  ihre  hand  schenkt: 

knowledge  is  the  bond, 

The  seal  and  crown  of  onr  nnited  mindes. 

Am  meisten  kontrastieren  Troilus  und  Clarence.  Dort  der 
junge,  feurige  königssohn,  der  tapfere  krieger,  den  die  glühende 
leidenschaft  der  ersten  liebe  ganz  verwandelt  hat,  der,  zaghaft 
und  mutlos  geworden,  sich  den  quälenden  schmerzen  der  liebes- 
sehnsueht  überlässt,  —  hier  der  stille  und  bescheidene  gelehrte, 
der,  beim  philosophieren  über  das  höchste  und  letzte  aller 
dinge  der  weit  ganz  entfremdet,  durch  die  liebe  zu  Eugenia 
der  Wirklichkeit  wiedergewonnen  wird.  Troilus,  in  reichtum 
und  Schönheit  strahlend,  erlangt  Criseydens  liebe  durch  den 
äusseren  glänz  seiner  erscheinung,  —  Clarence,  mit  dem  ein- 


54  OTTO  BALLMANN, 

zigen  reichtum  seiner  gelehrsamkeit,  darf  nur  schfichtern  hoffen, 
von  der  reichen  nichte  des  Lord  Monford  erhört  zu  werden; 
sein  edles  gemüt  und  tieffühlendes  herz  gewinnen  ihm  Eugenia. 
Des  Troilus  streben  geht  auf  sinnliche  befriedigung  seiner 
leidenschaft,  —  Clarence  liebt  mit  der  abgeklärten  reinheit 
einer  durchgeistigten  seele. 

Fassen  wir  alles  zusammen,  so  kommen  wir  zu  folgendem 
ergebnis:  Die  handlung  des  „Goosecappe"  stammt  aus  Chaucers 
„Troilus  and  Criseyde"  buch  I— HI;  die  Charaktere  der  per- 
sonen  sind  gleichfalls  nach  Chaucers  vorbild,  aber  doch  nicht 
ohne  dichterische  freiheit  gezeichnet ;  der  Wortlaut  des  dialogs 
schliesst  sich  oft  sklavisch  an  Chaucer  an.  —  Wer  der  Ver- 
fasser des  „Sir  Giles  Goosecappe"  war,  steht  nicht  fest.  Es 
neigen  sich  jedoch  die  meisten  forscher  jetzt  der  ansieht  zu, 
dass  das  anonyme  stück  dem  bekannten  dichter  George  Chapman 
zuzuschreiben  sei.  0  Zu  den  für  Chapman  sprechenden  gründen 
liesse  sich  jetzt,  nach  der  entdeckung  von  Kittredge,  noch  der 
hinzufügen,  dass  auch  die  entlehnungen  für  den  plan  des 
„Goosecappe"  aus  Chaucer  auf  die  autorschaft  Chapmans  hin- 
weisen. Denn  dass  ihm  Chaucer  und  speziell  dessen  „Troilus 
and  Criseyde"  vertraut  und  auch  anderweitig  von  ihm  benutzt 
worden  war,  geht  aus  Koeppels  Untersuchungen  über  Chapmans 
„May-Day"  hervor  (cf.  oben  s.  48). 

Every  Woman  in  her  Humour.^) 

Eine  ziemlich  glückliche  nachahmung  von  Chaucers  „  Wife 
of  Bath"  ist  in  diesem  anonymen  lustspiel  die  figur  the  Cüvsen's 
Wife.  Dass  beide  frauen  aus  demselben  holze  geschnitten  sind, 
zeigen  schon  zu  anfang  des  lustspiels  die  worte  der  bürgers- 
frau:  „Ile  teil  thee,  Gossip,  Ihave  buried  sixe,  I,  sixe  husbands, 
hut  if  I  should  live  to  have  oä  many  more,  as  I  know  not, 
what  may  kappen,  but  shure  . ,  ,^  (Act  I  s.  319),  ganz  wie  die 
frau  von  ßath  gesagt  hatte  (D  v.  44) : 

Y-blessed  be  God,  that  I  have  wedded  fyve! 
Welcome  the  sixte  when  that  ever  he  shal,  .... 


1)  cf.  BuUen  1.  c.  bd.  m  s.  93  note;  Fleay  bd.  II  s.  322—3;  Ward  bd.  n 
8.  412  anm. 

«)  Gedruckt  bei  Bullen  1.  c.  bd.  IV;  entstanden  1602,  erster  druck  1609 
cf.  Fleay  bd.  n  8.  321. 


CHAUCEB8  EIKFLÜSS  AUP  DAS  ENGLISCHE  DRABfA  ETC.         55 

Whan  myn  honsbonde  is  fro  the  world  y-gon, 
Som  cristen  man  shal  wedde  me  anon. 

Dank  ihrer  bewegten  Vergangenheit  ist  die  bürgersfrau  reich 
an  lebenserfahrung,  besonders  was  die  männer  anbelangt.  Da 
sie  ihre  Weisheit  im  eigenen  heim  nicht  mehr  richtig  anzu- 
bringen vermag  —  ihren  gatten  Comutus  hat  sie  sich  bereits 
zum  muster  eines  friedliebenden  ehemannes  gezogen  — ,  so 
steht  sie  ihrer  gevatterin,  der  wirtin,  in  rat  und  that  bei; 
wird  doch  diese  von  ihrem  manne  allzu  kurz  gehalten  und  zu 
sehr  eingeschränkt.  Und  der  bürgersfrau  ratschlage  sind  auch 
sehr  probat:  Has  he  no  pockets  nbout  him,  cannot  you  search 
his  breeches  ?  anything  you  find  in  his  breedhes  is  your  own  . . . 
tvhy,  what  is  his  is  yours,  whafs  yours  your  own  (act  IV  s.  363). 
Lust  am  leben  und  an  Vergnügungen  kennzeichnen  sie  ebenso 
wohl,  als  geschwätzigkeit  und  selbstschätzung.  Der  siegreichen 
gewalt  ihrer  zunge  ist  sie  sich  nur  zu  gut  bewusst :  Der  wirtin, 
welche  das  schelten  ihres  mannes  fürchtet,  antwortet  sie  ganz 
im  sinne  der  frau  von  Bath:  Ä  coyl!  why,  have  you  not  a 
tongue  in  your  head  ?  faith,  of  ye  win  not  all  at  that  weapen, 
yee  are  not  worthy  to  be  a  woman  (act  I  s.  320).  —  Ueber- 
haupt  fehlt  der  bürgersfrau  kaum  eine  der  guten  eigenschaften, 
welche  die  frau  von  Bath  auszeichnen.  Leider  ist  ihre  rolle  nur 
sehr  knapp  gehalten.  Im  vergleich  mit  Chaucers  fein  ausge- 
führtem Charaktergemälde  vermissen  wir  bei  ihr  vor  allem  den 
köstlichen  humor,  der  die  Selbstbiographie  der  frau  von  Bath 
belebt  und  würzt.  Die  komik  geht  zwar  auch  der  flgur  der 
bürgersfrau  nicht  ab,  aber  sie  ist  zu  trocken  und  wirkt  des- 
halb nur  drastisch.  Zu  betonen  ist  jedoch,  dass  die  bürgers- 
frau der  komödie  nichts  weniger  als  eine  kopie  von  Chaucers 
„Wife  of  Bath"  ist,  vielmehr  als  ein,  zwar  viel  schwächeres 
Seitenstück  dazu  immerhin  eigenen  wert  hat,  ohne  ihren  Ur- 
sprung zu  verleugnen.  Der  unbekannte  Verfasser  hat  sich 
jedenfalls  erfolgreich  bemüht,  das  von  Chaucer  übernommene 
material  ganz  zu  verarbeiten.  Wie  gut  ihm  dies  gelungen 
ist,  zeigt  am  besten  die  stelle: 

Citizen's  Wif e :  They  say  theres  a  Statute  made,  any  woman 
that  buries  her  husband,  is  not  to  marrie  againe  of  two 
monthes  after, 

Hostess:  A  tedious  time,  by  Lady;  a  month  were  enough, 
Citizen*s  Wife:  I,  hälfe  a  month;  winter  nights  are  long 


56  OTTO  BALLMANN, 

and  colde.  Ile  teil  ye,  I  have  buried  sixe,  and  thank  my  good 
fortune,  I  ever  Jcnewe  the  next  ere  the  other  wa>s  in  his  tvinding 
sheete.    (Act  I  s.  321.) 

Den  Stoff  zu  dieser  stelle  lieferte  zweifellos  die  erzählong 
des  weibes  von  Bath,  wie  sie  zu  ihrem  fünften  gatten  kam, 
den  sie  sich  verpflichtet  hatte,  noch  bevor  ihr  vierter  gestorben 
war,  und  den  sie  einen  monat  nach  des  letzteren  tode  auch 
heiratete  (cf.  Chaucer  A.  525  ff.). 

Shackerley  Marmion. 

1602—1639. 

Marmion  führt  uns  in  seinem  lustspiel  „The  Antlquary" 
(gedruckt  1641  und  aufgeführt  vor  1636)  *)  drei  komische 
figuren  vor:  Moccinigo,  Petrutio  und  Veterano,  the  Äntiquary. 
Von  diesen  ist  Moccinigo,  wenn  auch  sein  Charakter  vielleicht 
nicht  so  sorgfältig  ausgearbeitet  ist,  wie  der  Petrutios,  doch 
entschieden  die  hauptperson;  das  ganze  drama  dreht  sich  im 
wesentlichen  um  sein  geschick.  —  Die  Charakteranlage  dieses 
Moccinigo  hat  Marmion  ganz  aus  Chaucers  „Marchantes  Tale" 
entnommen,  indem  er  den  verliebten  alten  January  kopierte, 
oft  wortgetreu.  Wie  bei  Chaucer  ist  auch  bei  Marmion  das 
grundmotiv :  Ein  alter  mann  will  ein  junges  mädchen  heiraten 
und  wird  dabei  betrogen.  Schon  darin,  dass  beide  Verfasser 
den  ort  der  handlung  nach  Italien  verlegen,  liegt  eine  gewisse 
Übereinstimmung:  Marmion  wählte  Pisa  zum  Schauplatz,  wie 
Chaucer  vor  ihm  Pavia. 

Moccinigo  tritt  uns  als  ein  bejahrter  mann  mit  grauem 
hart  und  weissem  haupte  entgegen,  dem  bilde  entsprechend, 
welches  wir  uns  nach  Chaucers  altersangabe  von  January 
machen  müssen: 

E.  1248:        Sixty  yeer  a  wyfless  man  was  he. 

Auf  dem  gedanken,  den  Chaucer  knapp  mit  den  Worten 
ausdrückt : 

E.  1449:        And  folwed  ay  his  bodily  delyt  — 

beruht  Marmions  geschichte  von  der  buhldirne,  um  die  sich 
Moccinigo  vergeblich  bemüht;  einer  seiner  freunde  sagt  dies- 
bezüglich über  ihn: 


>)  cf.  Fleay  bd.  n  s.  67.    Ausgabe:  The  Dramatic  Works  of  Shackerley 
Marmion.    Edinburgh  &  London  1875. 


CHAÜGEBS  EINFLÜSS  AUF  DAS  ENÖLI8CHE  DRAMA  ETC.  57 

Act  I  SC.  4  8.  211 : 

For  going  to  a  conrtezan  this  moming, 
In  his  own  proper  colonr,  bis  gray  beard, 
He  bad  tb'  ill  luck  to  be  refas'd;  on  wbicb 
He  went  and  dy'd  it,  and  came  back  again, 
And  was  again,  witb  tbe  same  scom,  rejected, 
Telling  bim,  tbat  sbe  bad  newly  deny'd  bis  fatber. 

Beide,  sowohl  Moccinigo,  wie  auch  January,  sind  ent- 
schlossen, eine  frau  heimzuführen,  und  zwar  muss  es  ein  junges 
mädchen  sein.    Moccinigo  sagt: 

Act  I  sc.  4  8.  212 :        ....  Yet  tbis  I  resolve  on, 

To  baye  a  maid  tender  of  age  and  fair. 

Old  fisb  and  yonng  flesb,  tbat's  still  my  diet')  — 

in  teilweise  wörtlicher  Übereinstimmung  mit  January,  der  er- 
klärt hatte: 

E.  1405:    For  I  wol  be,  certeyn,  a  wedded  man 
And  tbat  anoou  in  al  tbe  baste  I  can, 
Unto  som  mayde  fair  and  tender  of  age  .... 

E.  1416 :     I  wol  no  old  wyf  ban  in  no  manere. 

Sbe  sbal  nat  passe  twenty  yeer,  certayn; 

Old  fisb  and  yong  flesb  wolde  I  bave  fnl  fayn. 

I  wol  no  womman  tbritty  yeer  of  age. 

Auch  Chaucers  vers  1406: 

And  tbat  anoon  in  al  tbe  baste  I  can  — 

wusste  Marmion  zu  verwenden,  allerdings  glücklicher,  als  durch 
blosses  herübemehmen,  indem  er  den  Moccinigo  gleich  anbeissen 
lässt,  als  Lorenzo  ihm  seine  tochter  zur  frau  anbietet;  die 
heirat  wird  unter  beiden  sofort  abgemacht.  —  Nach  BelPs 
Chaucer-ausgabe  heisst  es  in  vers  1417  statt  twenty:  sixteen, 
woraus  sich  ein  noch  engerer  anschluss  Marmions  an  Chaucer 
ergeben  würde,  denn  Moccinigo  entscheidet  sich  für  Aemilia, 
die  ebenfalls  16  jähre  alt  ist  (cf.  act  I  sc.  4  s.  213). 

Die  beiden  alten  Junggesellen  begründen  ihren  anspruch 
auf  ein  junges  weib  in  gleichen  Worten  mit  der  prahlenden 
Versicherung  ihrer  noch  ungeschmälerten  manneskraft: 

Act  I  8C.  4  s.  212:  Moccinio:  A  man  of  my  years?   I  feel 
My  limbs  as  able  as  tbe  best  of  them; 


')  Der  beransgeber  Marmions  bringt  zu  diesem  verse  die  anmerkung : 
This  (M  the  Editors  of  Dodsley's  Coüectton  remark,  is  adopted  from  Chaucer 
in  his  Merchanfs  Tale.  [cf.  Dodsley-Hazlitt  vol.  XIU  s.  432,  wo  Cbaucers 
verse  1415—18  citiert  sind.] 


58  OTTO  BALLMAKN, 

And  in  all  places  eise,  except  my  hair, 
As  green  as  a  bay-tree;  and  for  the  whitenesse 
Upon  my  head,  althongh  it  now  lie  hit, 
What  does  it  signify,  but  like  a  tree  that  blossoms 
Before  the  fruit  come  forth?   And  I  hope  a  tree 
That  blossoms  is  neither  dry  nor  wither^d. 
cf.  January  E.  1457:    For  god  be  thanked  I  dar  make  ayaunt 
I  feie  my  limes  stark  and  suMsaunt 
To  do  all  things  a  man  bilongeth  to  .  .  .  . 
1461 :    Though  I  be  hoor,  I  far  as  dooth  a  tree 
That  blosmeth  er  that  fruyt  y-woxen  be; 
A  blosmy  tree  is  neither  drye  ne  deed. 
I  feie  me  nowher  hoor  bat  on  myn  heed; 
Myn  hert  and  alle  my  limes  been  as  grene 
As  laurer  thnrgh  the  yeer  is  for  to  sene. 

Der  vergleich  ist  nicht  nur  genau  derselbe  bis  in  alle  einzel- 
heiten  hinein,  sondern  sogar  das  zweimalige  hervorheben  des 
grauen  kopfes  hat  Marmion  nachgemacht,  so  dass  dieser,  da 
er  das  bild  auch  noch  in  beinahe  die  gleiche  zahl  von  versen 
gefasst  hat,  wie  Chaucer,  nur  darauf  acht  zu  geben  brauchte, 
dass  die  reime  wegfielen. 

Der  kühne  entschluss  der  Junggesellen  erregt  die  Ver- 
wunderung der  freunde,  die  sich  als  bewunderung  äussert: 

cf .  Marmion  Act  I  sc.  4  s.  212 : 

By  'r  Lady,  it  shows 
Great  hanghtiness  of  courage:  a  man  of  bis  years 
That  dares  to  venture  on  a  wyfe; 

und  bei  Chaucer: 

£.  1513:  And  trewely,  it  is  a  heigh  corage 
Of  any  man  that  stopen  is  in  age, 
To  take  a  yong  wyf. 

Gleichwohl  ist  es  mit  dem  mute  der  beiden  nicht  so  weit 
her,  denn  aus  gutem  gründe  wollen  sie  nur  ein  junges  weib 
heiraten :  ein  solches  hoffen  sie  sich  so  gefügig  zu  machen,  wie 
weiches  wachs;  mit  einer  witwe  dagegen  würden  sie  sich 
niemals  vermählen,  weil  das  ihnen  zu  gefährlich  erscheint. 
Ihre  furcht  vor  witwen  bringen  beide  deutlich  zum  ausdruck: 

Moccinigo  Act  I  sc.  4  s.  212 : 

They  are  too  politic  a  generation 

Prov'd  so  by  similes.    Many  voyages 

Make  an  experienced  Seaman,  many  Offices 

A  crafty  knaye;  so  many  marriages 

A  subtile  cunning  widow.    No  I'U  have  one 

That  I  may  mould,  like  wax  unto  my  hnmonrs. 


CHAUCERS  EIKFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         59 

cf.  January  E.  1423: 

And  eek  this  olde  widwes,  god  it  woot, 
They  conne  so  mnchel  craft  on  Wades  boot 
So  mnchen  broken  barm,  wban  tbat  hem  leste, 
Tbat  witb  bem  sbolde  I  never  live  in  reste. 
For  sondry  scoles  maken  sotil  clerkis; 
Woman  of  many  scoles  balf  a  clerk  is. 
Bat  certainly  a  yong  tbing  may  men  gye 
Bigbt  as  men  may  warm  wex  witb  bandes  plyeJ) 

Aus  dieser  stelle  Chaucers  hat  also  Mannion  diesmal  nur 
den  gedanken  entnommen:  durch  viele  ehen  wird  ein  weib 
schlau  und  gerieben  —  den  Chaucer  in  die  metapher  von  den 
scoles  gekleidet  hat.  Diesen  gedanken  führte  Marmion  durch 
andere  metaphem  aus;  jedenfalls  klang  ihm  Chaucers  bild  zu 
gelehrt,  und  die  erwähnung  von  Wades  boot  wäre  wohl  den 
Zuschauern  unverständlich  geblieben,  wie  sie  ja  heute  noch 
einer  befriedigenden  erklärung  harrt. 

Auch  bei  der  auswahl  unter  den  mädchen,  die  bei  der 
heirat  in  betracht  kommen,  zeigt  sich  Übereinstimmung  des 
gedankens;  die  ausführung  ist  jedoch  wieder  verschieden. 
Marmion  verfährt  viel  summarischer,  als  Chaucer,  und  zwar 
aus  triftigem  gi'unde:  Der  komischen  Wirkung  wegen  musste 
er  die  hohle  geckenhaftigkeit  des  Moccinigo  in  die  vorderste 
linie  rücken,  und  deshalb  war  für  ihn  das  schmückende  bei- 
werk,  das  Chaucer  bietet,  nicht  zu  gebrauchen;  mit  voUbe- 
wusster  absieht  lässt  er  die  auswahl,  die  prüfung  der  bewerbe- 
rinnen,  bei  seinem  Moccinigo  nur  eine  mangelhafte  sein. 
Moccinigo  sieht  nur  diese  oder  jene  gute  eigenschaft  an  den 
mädchen,  durch  welche  sie  ihm  begehrenswert  erscheinen,  er 
denkt  gar  nicht  daran,  dass  auch  schlechte  eigenschaft en 
nebenher  gehen  können.  Seine  beschränktheit  und  Selbst- 
überhebung verlangen  ein  mädchen,  das  alle  guten  eigen- 
schaften  in  sich  vereinigt.    Moccinigo  sagt: 

Act  I  sc.  4  s.  212 :  ....  I  bave  a  corious  eye 

And  am  as  cboice  in  tbat  point  to  be  pleased, 
As  tbe  most  youtbfol.    Here  one's  beauty  takes  me, 
And  tbere  ber  parentage  and  good  bebayioor; 
Anotber's  wealtb  or  wit;  bat  I'd  bave  one 
Wbere  aU  tbese  graces  meet  as  in  a  centre. 


^)  In  Dodsley-Hazlitt  1.  c.  s.  432  sind  Cbaacers  verse  1427—1430  aacb 
citiert 


60  OTTO  BALLMANN, 

Hierauf  wird  ihm  sofort  die  antwort  zuteil: 

You  are  too  ambitions.    You  wiU  hardly  find 
Wonian  or  beast  that  trots  sound  of  al  foor: 
There  will  be  some  defect. 

Chaucer  führt  die  sache  in  behaglicher  breite  aus:  Bei 
tag  und  nacht  beschäftigt  sich  January  mit  der  frauenwahl. 
Wie  wenn  man  in  einen  Spiegel  sieht,  den  man  auf  dem  markt- 
platze aufgestellt  hat,  so  sieht  er  in  seinem  geiste  die  ein- 
zelnen flguren  vorüberziehen  und  vergleicht  sie  aufs  sorg- 
fältigste mit  einander: 

E.  1588:     He  wiste  nat  wher  that  he  mighte  abyde. 
For  if  that  oon  have  beauty  in  hir  face, 
Another  stant  so  in  the  peples  grace 
For  hir  sadnesse,  and  hir  benignitee, 
That  of  the  peple  grettest  voice  hath  she. 
And  some  were  rieh  and  hadden  badde  name. 

Die  antwort,  welche  Moccinigo  oben  auf  seine  anmassenden 
Worte  erhalten  hatte,  stammt  aus  der  rede  des  Justinus, 
welcher  als  vernünftiger  bruder  dem  January  rät,  wie  die 
wähl  zu  treffen  sei: 

cf.  £.  1532 :  Men  moste  enquere,  this  is  myn  assent, 

Wher  she  be  wys,  or  sobre  or  dronkelewe; 

Or  proud,  or  elles  ootherweys  a  shrewe, 

A  chydester  or  wastonr  of  the  good, 

Or  riebe  or  povre,  or  elles  mannish  wood. 

Al-be-it  that  no  man  finden  shal 

Non  in  this  world,  that  trotteth  hool  in  al 

Ne  mau  ne  best,  swich  as  man  coude  devyse. 

But  nathelees,  it  oghte  y-nough  soffise 

With  any  wyf,  if  so  were  that  she  hadde 

Mo  gode  thewes  than  hir  yyces  badde. 

Endlich  treffen  die  zwei  bejahrten  freier  ihre  wähl,  und 
für  beide  geben  schliesslich  Jugend  und  Schönheit,  nicht  reich- 
tum,  den  ausschlag.  Lorenzo  bietet  dem  Moccinigo  seine 
tochter  an,  die  dieser  allerdings  zuerst  zu  jung  findet:  „But  six- 
teen  ?  is  she  no  more  ?  She  is  too  young  then"  (act  I  sc.  4 
s.  213)  —  sobald  er  jedoch  erfährt,  dass  sie  auch  schön  und 
liebenswürdig  sei,  ist  er  kurz  entschlossen:  „Is  she  so  fair 
and  amiable?    Fll  have  her^  (ib.). 

January  anderseits  ist  erst  nach  sorgfältigem  erwägen  zu 
einem  gleichen  resultat  gekommen: 


CHACCEBS  EDTFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         61 

£.  1623:    He  [Jannary]  seyde,  their  was  a  mayden  in  the  toan, 
Wbich  that  of  beautee  hadde  great  renoan, 
AI  were  it  so  she  were  of  smal  degree; 
Snffiseth  him  hir  youthe  and  hir  beautee. 
Which  mayde,  he  seyde,  he  wolde  han  to  his  wyf. 

Im  voraus  schon  malen  sie,  allerdings  in  sehr  verschie- 
dener weise,  ihren  bekannten  die  freude  aus,  die  sie  an  ihrem 
künftigen  weibe  haben  werden.  Moccinigo  erhält  auf  seine 
freudensäusserungen  die  abkühlende  antwort: 

Act  I  sc.  4  s.  214: 

I  wish  all  joy  to  you!  but  'tis  in  th'  power 

Of  fate  to  work  a  miracle  upon  you. 

You  may  obtain  the  grace  with  other  men 

To  repent  your  bargain,  before  you  have  weU  sealed  it 

Ein  anderer  bekannter  fügt  hinzu: 

Or  she  may  prove  his  purgatory  and  send  him 
To  heaven  the  sooner. 

Auch  in  diesem  falle  haben  die  mahner  und  wamer  Marmions 
ihre  Weisheit  von  Chaucers  Justinus  geborgt,  der  seinem  hei- 
ratslustigen bruder  entgegengehalten  hatte: 

E.  1660:    god  of  his  hye  miracle 

And  of  his  mercy  may  so  for  yow  wir  che 
That,  er  ye  have  your  right  of  holy  chirche 
Ye  may  repent  of  wedded  mannes  lyf, 
In  which  ye  seyn  ther  is  no  wo  ne  stryf. 
And  eUes,  god  forbede  but  he  sente 
A  wedded  man  him  grace  to  repente 
Wel  ofte  rather  than  a  sengle  man! 
1670:    Par  aunter  she  may  be  your  purgatorie! 

She  may  be  goddes  mene,  and  goddes  whippe; 
Than  shal  your  soule  up  to  hevene  skippe 
Swifter  than  dooth  an  arwe  out  of  the  bowe! 

Man  sieht,  Marmion  that  nichts  weiter,  als  diese  Chaucer-verse 
zusammenziehen  zu  gunsten  der  dramatischen  Ökonomie. 

In  den  besprochenen  entlehnungen  Marmions  aus  der 
„Marchantes  Tale"  schlössen  sich  nicht  nur  gedankenentwick- 
lung  und  -Verbindung,  sondern  auch  der  Wortlaut  grösstenteils 
aufs  engste  an  Chaucer  an.  Diese  Übereinstimmungen  füllen 
die  ganze  vierte  scene  des  ersten  aktes  und  mit  ihnen  ist 
Moccinigos  Charakter  in  den  hauptzügen  festgelegt.  Von  da 
ab  verfolgt  Marmion  eigene  bahnen.  Es  sei  nur  noch  betreffs 
Moccinigos  hinzugefügt,  dass,  wenn  Lorenzo  spottend  über 
ihn  bemerkt: 


62  OTTO  BALLMANN, 

Act  I  8C.  4  8.  213 : 

„though  he  cannot  propagate  bis  stock, 

Will  be  sbure  to  mnltiply"  ...  — 

darin  eine  augenscheinliche  anspielung  auf  Januarys  späteres 
geschick  steckt,  der  durch  Damian  zum  hahnrei  gemacht  wird. 
Eine  weitere  grössere  stoffliche  entlehnung  in  demselben 
drama  verdient  noch  ausführliche  erwähnung.  Die  scenen 
zwischen  den  ehegatten  Aemilio  und  Lorenzo  hat  Marmion 
ebenfalls  unter  starker  benutzung  derselben  Chaucer-erzählung 
geschaffen.  Am  Schlüsse  der  „ Marchan tes  Tale"  erfahren  wir, 
wie  die  junge  leichtfertige  Mai  ihren  alten  gatten  January  im 
garten  betrügt  und,  obwohl  sie  von  diesem  in  flagranti  ertappt 
wird,  dennoch  sich  durch  ihr  gutes  mundwerk  so  gewandt 
herauszureden  weiss,  dass  January  vergnügt  und  froh  mit  ihr 
wieder  in  seinen  palast  zurückkehrt.  Die  schlimme  Mai  war 
bei  ihrer  ausrede  von  der  feenkönigin  inspiriert.  Pluto  und 
Proserpina  nämlich,  die  beide  unsichtbar  in  demselben  garten 
weilten,  hatten  sich  entzweit,  weil  Pluto  im  hinblick  auf  Mai 
die  meisten  f rauen  als  treulos  bezeichnet  hatte.  Seine  gekränkte 
gattin  Proserpina  verteidigte  jedoch  das  weibliche  geschlecht, 
und  ihre  redefertige  zunge  zwang  Pluto  bald  zum  nachgeben. 
Aus  ärger  über  die  leichtfertige  Mai  hatte  Pluto  gelobt,  den 
blinden  January  wieder  sehend  zu  machen,  damit  er  sein  ehe- 
weib  beim  sündigen  überrasche ;  doch  Proserpina  machte  ihres 
gatten  absieht  zu  nicht e,  dadurch,  dass  auch  sie  schwur,  der 
Mai  helfen  zu  wollen: 

E.  2264:    Now,  by  my  modres  sire  aoule  I  swere, 
Tbat  I  sbal  yeven  bir  süffisant  answere, 
And  alle  women  after,  for  bir  sake; 
Tbat,  tbougb  tbey  be  in  any  gilt  y-take, 
Witb  face  bold  tbey  sbulle  bem-self  excuse, 
And  bere  bem  doun  tbat  wolden  bem  accuse. 
For  lakke  of  answer,  noon  of  bem  sbal  dyen. 
AI  badde  man  seyn  a  tbing  witb  botbe  bis  yen, 
Yit  sbul  we  women  visage  it  bardily, 
And  wepe,  and  swere,  and  cbyde  subtilly. 
So  tbat  ye  men  sbul  been  as  lewed  as  gees. 

Uebereinstimmend  mit  dem  sinne  dieser  worte  lässt  Marmion 
die  Aemilia  sagen: 

Act.  IV  sc.  3  s.  260 : 

Bat  yet,  tbey  say,  a  woman's  wit  is  sudden, 
And  quick  at  an  excose.    I  was  too  foolisb. 


CHAÜCEBS  BINFLUSS  AÜE  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         63 

Had  he  confonnded  Heaven  and  earth  with  oaths 
I  might  haye  swom  him  down,  or  wept  so  tmly, 
That  he  shoold  sooner  qnestion  his  own  eyes 
Than  my  false  tean:  this  had  been  worth  the  acting, 
Or  eise  I  might  have  stood  to  the  defence  on% 
Been  angry,  and  took  a  conrage  from  my  crimes. 

Bei  Aemilia  lag  zwar  noch  kein  wirkliches  vergehen  vor,  aber 
Lorenzo  hatte  ihre  böse  absieht  durchschaut  und  sie  ihrer 
Schlechtigkeit  bezichtigt;  so  musste  sich  denn  Aemilia  vertei- 
digen und  rein  waschen.  Und  wie  bei  Chaucer  Proserpina 
der  Mai  die  gehörigen  worte  zur  Verteidigung  in  den  mund 
legt,  so  belehrt  bei  Marmion  Lionell,  der  überhaupt  im  ganzen 
drama  nicht  viel  mehr  als  die  rolle  eines  Dens  ex  machina 
spielt,  die  Aemilia,  wie  sie  sich  vor  Lorenzo  rechtfertigen  soll. 
Diese  rechtfertigung  gelingt  ihr  dann  so  gut,  dass  Lorenzo 
nicht  nur  seiner  frau  verzeihen,  sondern  selbst  ihre  Verzeihung 
erflehen  muss. 

Beinahe  als  parodie  auf  Chaucers  „House  of  Fame"  (buch  II) 
klingt  es,  wenn  von  dem  faden  geck  Petrutio  gesagt  wird: 
Who  plays  the  eagle  in  the  clouds  (s.  216);  denn  schon  vorher 
(s.  208)  hatte  Petrutio  sein  lebensziel  genannt :  Therefore  I 
have  chosen  Honour  for  my  mistress,  upon  whose  wings  1  will 
mount  up  to  the  Heavens :  where  I  will  fix  myself  a  constella- 
tion  for  all  this  under-world  of  mortals  to  wonder  at  nie. 
Vielleicht  haben  wir  dies  als  erinnerung  an  jene  stelle  auf- 
zufassen, wo  sich  Chaucer  durch  des  adlers  schwingen  hoch 
in  die  Ittfte  hat  tragen  lassen ;  dort  oben  wird  es  dem  dichter 
etwas  bange: 

y.  584:    ^0  god\  thoughte  I,  ^that  madest  kmde, 
Shal  I  non  other  weyes  dye? 
Wher  Iovi8  wol  me  stellifye, 
Or  what  thing  may  this  signifye? 

William  Cartwright. 

1611—1643. 

Das  lustspiel  „The  Ordinary"  (verfasst  vor  1635,  ge- 
druckt 1651) »)  enthält  eine  komische  figur,  von  welcher  Ward 
sagt:  The  antiquary  Moth,  who  indulges  in  what  is  meant  for 


»)  cf.  Ward  bd.  XU  8. 139;   Fleay  bd.  I  s.  47;    gedruckt  bei  Dodsley- 
Haslitt  bd.  XIL 


64  OTTO  BALLMANN, 

Chaucerian  English,  is  not  a  feliciious  effort  (I.e.  s.  140 
anm.  3). 

Dieser  bemerkung  muss  man  ohne  weiteres  beistimmen; 
das  kopieren  der  spräche  Chaucers  geht  aber  viel  weiter,  als 
sie  vermuten  lässt.  Der  Verfasser  des  dramas  hat  sich  nämlich 
das  kunststück  geleistet,  die  rolle  des  Moth  zum  grossen  teile 
aus  Chaucer-versen  zusammenzusetzen,  die  den  verschiedensten 
stellen  in  dessen  werken,  hauptsächlich  aus  den  „Canterbury 
Tales",  entnommen  sind.  Inwieweit  Moth  ausserhalb  der  direkt 
von  Chaucer  übernommenen  ausdrücke  und  verse  des  letzteren 
spräche  wiedergiebt,  soll  hier  nicht  auseinandergesetzt  werden ; 
bemerkt  sei  nur,  dass  er  eine  reihe  von  archaischen  Wörtern 
bringt,  die  sich  bei  Chaucer  nicht  belegen  lassen  (z.  b.  to 
brendle,  ycapred,  lycand),  und  dass  er  ausserdem  hier  und  da 
falsche  wortformen  anwendet  —  ob  absichtlich  oder  nicht, 
bleibe  dahin  gestellt.  Auch  die  aus  Chaucer  übernommenen 
ausdrücke,  wie  benedtcite,  harrow,  a  twenty-devil  way,  sans  fall, 
maugre  ihyne  head  etc.  übergehe  ich  hier  und  beschränke 
mich  auf  die  wiedergäbe  der  verse,  die  sich  mit  Chaucer'schen 
identifizieren  lassen. 

Act  U  sc.  2:    A  jangiere  and  a  golierdis; 
cf.  A  560:    He  was  a  jangiere  and  a  goliardeys. 

ib.:    This  white  top  writeth  much  my  years; 
cf.  A  3869:    This  whyte  top  wryteth  mine  olde  yeres. 

ib.:    My  fire  yreken  is  in  ashen  colde; 
cf .  A  3882 :    Yet  in  our  asshen  (c)olde  is  fyre  y-recke.  *) 

ib.:    I  can  not  whit  of  dalliance  .  .  .; 
cf.  A210:    In  alle  the  ordres  is  noon  that  can 
So  much  of  daliannce. 

ib. :    if  I  kissen, 

These  thick  stark  bristles  of  mine  beard  wiU  pricken 
Ylike  the  skin  of  houndfish  .  .  ., 
cf.  E.  1823:    He  luUeth  hir,  he  kisseth  hir  ful  ofte 

With  thikke  bristles  of  his  berd  unsofte, 
Lyk  to  the  skin  of  houndfish,  sharp  as  brere. 

ib.:    The  world  is  now  füll  tickle  sykerly  .  .  ., 
cf.  A  3428 :    This  world  is  now  ful  tickel,  sikerly. 

ib. :    They  being  all  coltish  and  füll  of  ragery 
And  füll  of  gergon,  as  is  a  flecken  pie; 


0  Dieser  vers  ist  bereits  von  Steevens  citiert;  cf.  Dodsley-Hazlitt  1.  c. 
8.  240  anm.  8. 


CHAUCEBS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         65 

cf.  E.  1847:    He  was  al  coltish,  ful  of  ragerye 

And  ful  of  Jargon  as  a  flekked  pye. 

ib.:    Whoso  with  them  maketh  that  bond  anon 
Which  men  do  clyppen  spousail  or  wedlock 
—  Saint  Idiot  is  bis  lord,  i-wis  —; 
cf.  T.  u.  Cr.  I  908:    .  .  .  .  for  thou  were  wont  to  chase 
At  love  in  skom,  and  for  despjt  bim  calle 
"Saint  Idiot,  lord  of  tbis  folea  alle", 
u.  E.  115 :  Wbicb  tbat  men  clepetb  sponsaille  or  wedlock. 

ib.:    Some  dele  ystept  in  age  .  .  ., 

cf.  E.  1514:    ....    tbat  stopen  is  in  age. 
ib.:    Mine  moutb  batb  itcbed  all  tbis  livelong  day; 

cf.  A  3682 :    My  moutb  batb  iccbed  al  tbis  longe  day. 

ib.:    My  beart  gan  quapp  füll  oft  .  .  .; 

cf.  T.  m  57:    ....  so  tbat  bis  berte  gan  to  quappe; 

aucb  L.  865:    And  lyke  tbe  wawes  quappe  gan  ber  berte. 
ib.:    Kembetb  tbyself,  and  pyketb  now  tbyself  .  .  ., 

cf.  E.  2011 :    He  kembetb  bim,  be  proynetb  bim  and  piketb. 

ib.:    Witb  nympbs  and  fauns,  and  bamadryades; 
cf .  A  2927 :    In  wbicb  tbey  woneden  in  reste  and  pees 
Nympbes,  Faunes,  and  Amadrides. 
ib.:    And  yeke  tbe  sisteme  nine  Pierides  .... 
Metamorpboseos  wot  well  wbat  I  mean; 
cf.  B.  92:    To  muses  tbat  men  clepe  Pierides  — 
Metamorpboseos  wot  wbat  I  mene. 

Act  III  sc.  1 :    I  no  wbere  boart  [?]  yf eel  but  on  mine  bead ; 
cf.  E.  1464:    I  feie  me  nowher  boor  but  on  myn  beed. 

ib.:    I  am  tbine  leek,  tbou  C  baue  er  eloquent, 

Mine  bead  is  wbite,  but,  0,  mine  taile  is  green; 
cf.  A  3878 :    To  baye  a  boor  beed  and  a  grene  tayl 
As  bas  a  leek. 

ib.:    Come  fortb  mine  duck,  mine  bride,  mine  boney-comb, 
Come  fortb,  mine  cinnamon; 
cf.  A  3698:    *Wbat  do  ye,  boney-comb,  swete  Alisoun? 
My  faire  brid,  my  swete  cinnamone? 
ib.:    A  knigbt  most  gent  .  .  .  .; 
cf.  B.  1905:    AI  of  a  knigbt  was  fair  and  gent. 

ib.:    I  do  enduren  woe 

As  sbarp  as  dotb  tbe  Tityrus  in  bell 
Wbose  stomacb  fowls  to  tyren  ever  more 
Tbat  bigbten  yultures,  as  do  teilen  Clerks; 
cf.  Boetb.  m  m.  XII 28:    ....  tbe  fowl  tbat  bigbte  voltor,  tbat 
etetb  tbe  stomak  or  tbe  giser  of  Tityus. 

ib.:    ril  be  as  faitbful  to  tbee, 

As  Cbaunticleer  to  Madam  Partelot  — 
eine  anspielung  auf  die  „Nonne  Prestes  Tale". 

AngUft.    N.  1*.    xiu.  5 


66  OTTO  BALLMANN, 

Act  V  sc.  4  (s.  311):    His  visage  foul,  yfrounc'd  with  glowing  eye; 

cf.  R.  R.  155 :    Y-frounced  foul  was  hir  visage. 
ib.:    I  do  not  rech  |  One  bean  for  all 

cf.  B.  94:    But  nathelees,  I  recche  noght  a  bene. 

Thomas   Dekker. 

(c.  1570  —  c.  1640.) 

Im  verein  mit  Henry  Chettle  und  William  Haughton  ver- 
fasste  Dekker  das  drama  ^^The  Pleasant  Comodie  of  Patient 
Grissil",  •)  welches  die  im  mittelalter  weit  verbreitete  Griseldis- 
sage  zur  fabel  hat.  Ueber  die  quellen  von  Dekkers  drama 
handelte  zuletzt  Hübsch  in  der  einleitung  zu  seiner  ausgäbe  (I.e.) 
Leider  hat  der  herausgeber  es  unterlassen,  auch  Chaucer  in 
seine  quellenuntersuchung  hineinzuziehen,  der  doch  in  seiner 
„Clerkes  Tale"  die  zweifellos  wichtigste  der  uns  erhaltenen 
fassungen  der  Griseldis-sage  auf  englischem  boden  geschaffen 
hat.  Und  gerade  für  Dekkei^  drama  ist  Chaucers  fassung  von 
grosser  Wichtigkeit,  wie  wir  hernach  zeigen  werden.  Ebenso 
ist  es  Hübsch  entgangen,  dass  es  bereits  vor  Dekker  ein  eng- 
lisches drama  „Patient  Griselde"  gegeben  hat,  welches,  nach 
John  Bale's  zeugnis  von  Ralph  Radcliff e  (zur  zeit  Heinrichs  Vlil) 
verfasst,  uns  leider  verloren  ist.  Bei  der  zu  Dekkers  zeit  viel 
verbreiteten  gewohnheit  der  dramatiker,  ältere  stücke  zu  über- 
arbeiten, muss  diese  angäbe  von  John  Bale  besonders  schwer 
ins  gewicht  fallen. 

Hübsch  war  in  seiner  mit  Verwertung  der  früheren  for- 
schung  geführten  Untersuchung  zu  dem  ergebnis  gekommen, 
dass  einerseits  eine  englische  bailade,  2)  andrerseits  eine  eng- 
lische prosafassung  0  der  Griseldis-sage  als  quellen  für  Dekkers 
drama  zu  betrachten  seien. 

*)  Nach  dem  ersten  drucke  von  1603  herausgegeben  von  Gk)ttlieb 
Hübsch.  Erlangen  1893.  (Erlanger  Beiträge  zur  engl.  Philologie.  Heft  XV.) 
—  Diese  ausgäbe  ist  im  folgenden  zu  gründe  gelegt  Ueber  die  frage  der 
autorschaft  vgl.  neuerdings  Bang's  „Dekker-Studien".  Engl.  St.  XXXVin 
s.  208  ff. 

*)  Of  Patient  Grissel  and  a  noble  Marquess.  Percj  Society  XXY  Part  IV. 

8)  The  Hißtory  of  Patient  Grisel.  Percy  Society  m  1842.  Hiemach 
wird  citiert.  —  Sonderabdruck:  The  History  of  Patient  Grisel  1619.  Edited 
with  an  Introduction  by  Henry  B.  Wheatley.  Printed  for  the  ViUon  So- 
ciety. London  1885.  —  Letztere  ausgäbe  war  Hübsch  nicht  zugänglich, 
doch  hat  sich  die  von  ihm  gehegte  erwartung,  es  werde  in  der  einleitung 
zu  dieser  ausgäbe  über  queUenverhältnisse  gehandelt,  nicht  erfüllt 


CHAUCERS  EINPLUSS  AUP  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         67 

Was  nnn  die  ballade  anbelangt,  so  ist  es  zweifellos,  dass 
sie  in  sehr  naher  beziehung  zu  unserem  drama  steht,  und 
zwar  in  zwei  punkten:  in  der  geburt  von  zwiUingen  und  in 
dem  ausdruck  call  her  beggers  brat  (cf.  Hübsch,  einleitung 
s.  XVI).  Aber  ebenso  sicher  ist  es,  dass  sie  die  alleinige  quelle 
unseres  dramas  nicht  gewesen  sein  kann.  Da  sich  nun  eine 
abhängigkeit  des  dramas  von  der  ballade  nicht  feststellen 
lässt,  so  ist  es  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  beide  gemeinsam 
aus  derselben  quelle  geflossen  sind.  —  Die  andere  von  Hübsch 
aufgestellte  quelle,  die  englische  prosafassung,  möchte  ich  je- 
doch zu  gunsten  Chaucers  gänzlich  abweisen.  Nicht  nur,  dass 
der  dramatiker  alles  material,  das  er  der  prosa  entnehmen 
konnte,  auch  in  der  „Clerkes  Tale"  fand,  —  geht  doch  die 
prosaversion  ebenso  sicher,  wenn  auch  wahrscheinlich  indirekt, 
auf  Petrarcas  fassung  der  sage  zurück,  wie  diejenige  Chaucers  *) 
—  sondern  das  drama  schliesst  sich  auch  viel  enger  an  die 
„Clerkes  Tale",  als  an  den  prosatext  an.  Meine  gründe  dafür 
sind  folgende: 

1.  Im  drama  verlangt  Marquesse  Gualther  von  seinen 
grossen,  die  ihn  mit  der  bitte,  sich  eine  gemahlin  zu  nehmen, 
bestürmen,  die  eidliche  versicheining,  dass  sie  sich  mit  seiner 
wähl,  wen  sie  auch  immer  treffen  möge,  ganz  einverstanden 
erklären.  Dasselbe  ist  bei  Chaucer  der  fall.  In  der  prosa- 
version ist  von  einer  eidlichen  Versicherung  nicht  die  rede. 
Dazu  kommt  noch  eine  andere,  wörtliche  parallele  des  dramas 
mit  Chaucer  in  demselben  passus.    Man  vergleiche: 

Drama  y.  53:    Can  you  blame  me  to  be  hunter  like, 
When  I  mu8t  get  a  wife?  but  be  content, 
So  yon'le  ingage  yonr  faith  by  othe  to  us, 
Yonr  wiUes  shaU  answer  mine,  my  liking  yours, 
And  that  no  wrinckle  on  your  cheekes  shall  ride, 
This  day  the  Marquesse  vowes  to  choose  a  bride. 


^)  Hübsch  sieht  in  der  prosa  eine  kombination  aus  Petrarcas  latei- 
nischer yersion  und  der  Stainhoewerschen  deutschen  Übersetzung  derselben. 
Seine  gründe  scheinen  mir  jedoch  nicht  beweiskräftig.  Ich  sehe  zudem 
nicht  ein,  warum  man  an  der  angäbe  auf  dem  titelblatte  der  prosa,  welche 
diese  als  Übersetzung  aus  dem  Französischen  bezeichnet,  zweifeln  sollte, 
cf.  dazu  W.  A.  Clauston:  „The  Patient  Griselda.  English  Abstract  of  an 
early  French  Version  of  the  Clerk's  Tale";  in  Chaucer-Society  Series  1122; 
1887.    cf.  bes.  note  s.  540. 

5* 


68  OTTO  BALLMAKN, 

u.  V.  63:    Since  then  you  throwe  thiß  burthen  on  my  youth, 
Swear  to  me,  whome  soever  my  fancie  choose, 
Of  what  discent,  beautie  or  birth  she  be 
Her  you  sball  like  and  love  as  you  love  me. 

cf.  Chaucer  E  1G4: 

But  I  yow  preye,  and  cbarge  up-on  your  lyf, 
That  what  wyf  that  I  take,  ye  me  assure 
To  worshipe  her,  whyl  that  hir  lyf  may  dure  .  .  . 
169:    And  furthennore,  this  shal  ye  swere,  that  ye 
Again  my  choys  shul  neither  grucche  ne  stryve, 
For  sith  I  shal  forgoon  my  libertee 
At  your  request,  as  ever  moot  I  thryve, 
Ther  as  myn  herte  is  set,  ther  wol  I  wyre. 

cf.  prosa  s.  6:  O^ily  one  ihing  I  request  at  your  Jhands:  io  take 
in  worth  my  choice,  and  neither  tnsult  ....  nor  repine  .  .  .; 
but  love  her  etc. 

Im  drama  und  bei  Chaucer  wird  dann  der  schwur  ge- 
leistet, in  der  prosa  danken  die  grossen,  dass  der  fürst  ihre 
bitte  erhörte,  und  versprechen  ihm,  seine  worte  zu  befolgen 
(cf.  drama  v.  67;  Chaucer  E  176;  prosa  s.  6). 

2.  Im  drama  findet  sich  in  der  ersten  scene  zwischen 
Janicola  und  seiner  tochter  Grissill  die  für  uns  hier  bedeut- 
same thatsache  erwähnt,  dass  der  Marquesse,  um  für  Grissill 
kostbare  gewänder  anfertigen  zu  lassen,  von  ihr  mass  nehmen 

Hess : 

Whie  should  he  [Marquesse]  send  bis  tailors  to  take  measure 
Of  Qrissüs  bodie?  ...    (v.  Ulf.). 

Diese  thatsache  ist  in  der  prosavereion  weder  enthalten,  noch 
irgendwie  angedeutet.  Chaucers  erzählung  hingegen  bringt 
sie  mit  Verwendung  desselben  ausdrucks  to  take  measure,  nur 
mit  dem  unterschiede,  dass  nicht  von  Grisilden  selbst,  sondern 
von  einer  ihr  an  gestalt  gleichenden  Jungfrau  mass  genom- 
men wird: 

And  of  hir  clothing  took  he  the  mesure 
By  a  mayde,  lyk  to  hir  stature    (E  256  f.). 

Doch  dieser  unterschied  ist  leicht  erklärlich ;  er  ist  durch  eine 
frühere  änderung  des  dramatikers  Chaucer  gegenüber  bedingt. 
Nach  Janicolas  Worten  im  drama  bemühte  sich  der  Marquesse 
ganz  offenkundig  um  Grissills  gunst,  er  sang  ihr  sogar  Uebes- 
lieder  vor  (v.  135  f.).  Wenn  er  also  mit  Grissill  so  vertraut 
war,  konnte  er  die  Schneider  zum  massnehmen  oline  weiteres 
zu  ihr  selbst  schicken.    Für  Chaucer  lag  die  Sache  insofern 


CHAUCERS  EINFLÜ88  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         69 

anders,  als  er,  seiner  quelle  folgend,  seinen  Walter  nur  stumm 
im  vorbeireiten  durch  traurig-sehnsuchtsvolle  blicke  um  Gri- 
silden  werben  liess,  wie  loking  in  sad  wyse  (E  236  f.)  andeutet. 
Deshalb  wurde  hier  nicht  von  Grisilden  selbst  mass  ge- 
nommen. 

Auch  noch  ein  weiterer  Vergleichspunkt  zwischen  drama 
und  „Clerkes  Tale"  lässt  sich  hier  anknüpfen.  Chaucer  ver- 
wahrt sich  ausdrücklich  dagegen,  dass  Walter  etwa  unredliche 
absiebten  auf  Grisilde  hätte: 

He  noght  with  wantoun  loking  of  folye 
His  yen  caste  on  hir    (E  236  f.). 

Konnte  dies  der  dramatiker  besser  wiedergeben,  als  dadurch, 
dass  er  dem  alten  Janicola  worte  voller  besorgnis  um  seiner 
tochter  ehre  in  den  mund  legt  (v.  133—146)  und  dann  durch 
Grissill  den  ehrenhaften  Charakter  des  Marquesse  betonen 
lässt  (v.  147-150)? 

Diesen  augenscheinlichen  beziehungen  zwischen  drama  und 
Chaucers  erzählung  steht  die  prosafassung  mit  selbständig 
geänderter  version  gegenüber.  Zwar  wird  hier  erzählt,  dass 
der  Marquesse  die  gewohnheit  hatte,  auf  seinen  jagdzügen  in 
dem  hause  des  Janicola  einzukehren,  der  obwohl  von  armut 
und  Unglück  bedrängt,  doch  glücklich  zu  nennen  sei  im  besitze 
seiner  überaus  schönen  und  tugendhaften  tochter  (s.  8).  Aber 
mit  keinem  worte  ist  angedeutet,  dass  Grissills  Schönheit  vor 
des  Marquesse  äugen  gnade  gefunden  habe.  Ihr  name  wird 
erst  mit  dem  seinigen  in  Verbindung  gebracht,  als  es  sich  für 
ihn  darum  handelt,  gemäss  seinem  versprechen,  sich  eine  braut 
zu  suchen.  Und  auch  da  bestimmt  nicht  etwa  die  aus  per- 
sönlicher erfahrung  gewonnene  Wertschätzung  von  Grissills 
Schönheit  und  tugend  seine  wähl,  sondern  report  muss  ihn  erst 
darauf  aufmerksam  machen,  meditation  bringt  ihn  zu  seinem 
entschluss  (s.  9). 

3.  Den  besten  beweis  dafür,  dass  Dekkers  drama  nicht 
auf  der  prosa  beruht,  ergiebt  die  darstellung  des  kritischen 
Wendepunktes  der  fabel  in  beiden.  Während  das  drama  hier 
überraschende  wörtliche  Übereinstimmungen  mit  Chaucer  zeigt, 
weicht  die  prosa  vollständig  ab.  Die  Situation  ist  folgende: 
Grissill  hat  trotz  der  vielen  grausamkeiten ,  die  sie  bereits 
geduldig  von  ihrem  gemahl  ertragen  hat,  doch  seinem  geböte 
in  unerschütterlicher   pflichttreue   folge  geleistet  und  seinen 


70  OTTO  BALLMANN, 

palast  für  die  ankunft  der  neuen  braut  geschmückt.  Ihre 
geduld  wird  auf  die  letzte  probe  gestellt,  als  Gualther  sie  in 
gegenwart  der  neuen  braut  fragt,  wie  diese  ihr  gefalle: 

Drama,  y.  2454: 

Marq.:    How  do  you  like  my  bride? 
Griss.:  I  think  her  blest 

To  have  the  love  of  such  a  noble  lord. 
Marq.:    You  flatter  me. 
Griss.:    Indeed  I  speak  the  truth, 

Onely  I  prostrately  beseech  your  grace, 

That  you  consider  of  her  t ender  yeares, 

Which  as  a  flower  in  the  spring  may  soone  be  nipt, 

With  the  least  frost  of  colde  adversity. 

cf.  Chaucer  E.  1030: 

"Grisilde",  quod  he,  as  it  were  in  bis  pley, 
"How  lyketh  thee  my  wyf  and  hir  beautee?*' 
"Right  wel",  quod  she,  "my  lord;  for  in  good  fey, 
A  fairer  say  I  never  noon  than  she  .... 
1037:    0  thing  biseke  I  yow  and  warne  also 
That  ye  ne  prikke  with  no  tormentinge 
This  tendre  mayden,  as  ye  hau  don  mo; 
For  she  is  fostred  in  hir  norishinge 
More  tendrely,  and,  to  my  supposinge, 
She  coude  nat  adversitee  endure 
As  coude  a  povre  fostred  creature;" 

cf.  prosa  s.  39.  You  see  the  lady  is  here  I  mean  to  marry, 
and  the  Company  gloriotisly  prepared  to  witness  the  same;  are 
you  therefore  contented  that  I  shdll  thus  dispose  of  my  seife, 
and  do  quietly  yeeld  to  the  alteration?  .... 

Betrachten  wir  nun  noch  die  gründe,  welche  Hübsch  zur 
stütze  seiner  ansieht  angeführt  hat  (s.  XVII).  Der  eine  der- 
selben soll  sich  aus  der  ähnlichkeit  der  Schreibung  des  namens 
der  heldin  ergeben.  Bei  den  neun  verschiedenen  in  England 
verbürgten  formen  des  namens  der  heldin*)  wird  jedoch  die 
ähnlichkeit  von  Dekkers  Grissill  mit  Grisscl  der  bailade  und 
Grisel  der  prosa  nur  eine  ganz  zufällige  sein.  —  Auch  der 
andere  grund  scheint  mir  wenig  beweiskräftig  zu  sein.  Hübsch 
sagt,  dass  des  dieners  treue  und  Verschwiegenheit  in  der  prosa 
wie  im  drama  betont  werde,  während  Petrarca  nur  von  seiner 


>)  Chaucer  hat  drei  formen  des  namens  Grisilde,  die  angaben  der 
Stat.  Reg.  (cf.  Wheatley  I.e.  einleitung)  enthalten  vier  und  die  beiden 
Versionen  der  fabel  in  Percy  Society  HI  noch  zwei  weitere  formen. 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.  71 

treue  spreche.  Aber  hat  nicht  auch  Petrarca  wenige  zeilen 
später  des  dieners  Verschwiegenheit  mit  grossem  nachdruck 
hervorgehoben  in  den  werten:  quasi  crudele  ministerium  si- 
lentio  exprimens?^)  Ebenso  betont  auch  Chaucer  in  seiner 
feinen  weise  die  Verschwiegenheit  des  dieners  (cf.  E  532,  534, 
573  f.).  —  Viel  wichtiger  ist  der  dritte  grund,  den  Hübsch  für 
seine  ansieht  beigebracht  hat.  An  einer  stelle  stimmen  drama 
und  prosa  gegen  Chaucer  und  Petrarca  miteinander  überein. 
Dem  Marquesse,  der  ihre  hand  begehrt,  antwortet  Grissill 
im  drama: 

y.  321 :  Oh  my  gracions  Lord, 

Hnmble  not  your  high  State  to  my  low  birth, 
Who  am  not  worthy  to  be  held  yonr  slave 
Much  lese  your  wife. 

In  der  prosa  lautet  ihre  antwort  (s.  13):  My  gradous  lord, 
I  am  not  Ignorant  of  your  greatnesse  and  know  mine  owne 
basenesse:  there  is  no  worth  in  me  to  be  your  servant,  there- 
fore  there  can  be  no  desert  to  be  your  wife,  Chaucer  ist  hier 
kürzer : 

E.  359 :    ...  Lord,  undigne  and  nnworthy 

Am  I  to  thUke  hononr  that  ye  me  bede. 

Er  bringt  aber  denselben  gedanken,  Petrarca  folgend,  an 
späterer  stelle  und  in  anderem  Zusammenhang  ebenfalls  aus 
Grisildens  mund: 

E.  818:    I  ne  held  me  never  digne  in  no  manere 
To  be  your  wyfe,  no,  ne  your  chamberere. 

Dieser  letzte  von  Hübsch  angeführte  grund  lässt  sich 
nicht  beiseite  schaffen.  Er  vermag  aber  auch  nicht  die  von 
mir  gegen  die  prosa  vorgebrachten  gründe  aufzuheben,  welche 
mir  nach  anzahl  und  beweiskraft  vollständig  auszureichen 
scheinen,  um  die  prosa  als  quelle  für  Dekkers  drama  endgiltig 
abzulehnen.  Hinzugefügt  sei  noch,  dass  die  möglichkeit  einer 
anderen  herkunft,  als  aus  der  prosa,  für  jene  gegen  Chaucer 
sprechende  stelle  des  dramas  dadurch  bewiesen  ist,  dass  das 
französische  „Mistere  de  Griselidis"  aus  dem  jähre  1395 *) 


^)  Petrarcas  text  ist  leicht  zugänglich  in  den  Veröffentlichungen  der 
Chancer  Society,  SeriesII:  Originals  and  Analogues  of  some  of  Chaucer's 
Canterbury  Tales  1872—87 ;  cf .  daselbst  s.  160. 

•)  Gedruckt  bei  Jehan  Bonfons,  Paris  1550.  Neudruck  von  A.  Pinard, 
Paris  1832. 


72  OTTO  BALLMANN, 

eine  genaue  parallele  zu  derselben  bietet.  Dieser  umstand 
darf  schon  deshalb  nicht  übersehen  werden,  weil  Chaucers 
„Clerkes  Tale"  trotz  obiger  ausführungen  noch  keineswegs  als 
quelle  betrachtet  werden  kann.  Denn  die  als  parallelen  zu 
dem  drama  aus  Chaucer  erwähnten  punkte  gehören  dem  aus 
Petrarcas  lateinischer  Version  vererbten  material  der  Griseldis- 
sage  an  —  mit  ausnähme  des  unter  1.  besprochenen  schwures, 
der  sich  nur  bei  Chaucer  und  Dekker  findet,  soweit  ich  sehe  — 
und  finden  sich  sowohl  in  dem  erwähnten  Griseldis-mysterium, 
als  auch  in  einer  französischen  prosaversion ')  in  ganz  ähn- 
licher ausführung.  Die  möglichkeit  einer  französischen  quelle 
ist  deshalb  nicht  ausgeschlossen.  Nur  soviel  ist  betreffs 
Chaucers  mit  gewissheit  zu  sagen,  dass  seine  erzählung  von 
allen  erhaltenen  englischen  fassungen  der  Griseldis  -  sage 
Dekkers  drama  am  nächsten  steht.  *^) 

Zum    schluss    sei    noch    erwähnt,    dass    Pavias    werte 
(V.  361  f.) : 

What  will  ye  world  say  when  the  tmmp  of  fame 
Shall  Bonnd  yoor  high  birth  with  a  beggers  name? 

an  die  trompete  des  Aeolus  in  Chaucers  „House  of  Fame" 
erinnern.  Doch  muss  diese  ausdrucksweise  bei  den  drama- 
tikern  jener  zeit  sehr  beliebt  gewesen  sein.  Sie  findet  sich 
so  häufig,  dass  ich  es  unterliess,  stets  darauf  hinzuweisen. 
Denn  wenn  auch  ihr  Ursprung  aus  Chaucer  vielleicht  als  sicher 
anzunehmen  ist,  so  ist  doch  eine  bewusste  beziehung  auf  ihn 
bei  ihrer  jedesmaligen  anwendung  ganz  ausgeschlossen.  Bei- 
spielsweise sei  hier  aus  der  anonymen  komödie  „Lingua" 
(erster  druck  1607)3)  ^ij^  weiterer  fall  citiert:  Her  laws  .  .  . 
had  been  altogether  unjmblished,  tier  will  unperformed,  her 
illustrious  deeds  unrenowned,  had  not  the  silver  sound  of 


0  cf.  Mironer  des  femmes  vertueuses.  Ensemble  la  patience  Griselidis. 
Neudruck  in:  Collection  de  Po4sies,  Romans  ...  des  XV«  et  XVI«  siteles. 
Paris ;  Silvestre,  Libraire.  Dies  ist  eine  genaue  Übersetzung  von  Petrarcas 
text.  Ob  A.  W.  Clauston's  citierter  auszug  hieraus  gemacht  ist,  ist  nicht 
ersichtlich. 

>)  Vgl.  hiermit  die  bemerkung  von  Ward  bd.  I  s.  429:  „No  immediate 
influence  of  Chaucer  is  recognisable  in  the  composition  of  the  play  under 
notice." 

»)  cf.  Dodsley-Hazlitt  bd.  IX  s.  332. 


CUAUCBRS  EDTFI-iUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DKAMA  ETC.  73 

my  trumpet  filled  the  whole  circuit  of  the  universe  with  her 
deserved  fame  (act  IH  sc.  5  s.  395). 

Zwei  andere  dramen  Dekkers ')  enthalten  auch  noch  an- 
spielungen  auf  Chaucer'sche  werke.  Eine  stelle  aus  „North- 
ward  Hoe"  (aufgeführt  1605,  gedruckt  1607)»)  giebt  uns 
Zeugnis  von  der  beliebtheit  der  „Canterbury  Tales".  Maybeiry 
sagt:  Ä  Comedy,  a  Canterbury  Tale  smells  not  hälfe  so 
swcete  OS  the  Comedy  I  have  for  thee,  old  Poet  (act  IV  sc.  1 
s.  52).  —  Und  in  „The  Wonder  of  ai  Kingdom"  (aufge- 
führt 1623,  gedruckt  1636) »)  heisst  es  mit  beziehung  auf  die 
„Marchantes  Tale": 

Old  Jannarj  goes  to  lie  with  May  (Act  11  s.  245). 

Seine  nahe  bekanntschaft  mit  Chaucer  aber  beweist  Dekker, 
wenn  er  in  der  prosaschrift  „A  Strange  Horse-Race"  (ge- 
druckt 1613)4)  die  schlimme  Winterszeit,  in  welcher  sich 
Hospitality  besonders  thätig  zeigt,  mit  versen  aus  Chaucers 
„Frankeleyns  Tale"  beschreibt: 

And  thifl  is  (as  the  Book  doeth  remember) 

The  cold  frosty  season  of  December: 

PhoebuB  waxed  old,  and  hewed  like  Latonn 

That  afore  in  bis  bot  Declination 

Shone  as  the  burned  gold,  with  streames  bright, 

Bat  now  in  Capricome  adowne  he  Ught: 

Whereas  he  shone  fall  pale,  I  dare  well  seyne, 

The  bitter  frostes  with  the  sleet  and  raine 

Destroyed  hath  the  greene  in  every  yerd: 

Janas  sitteth  by  the  fire  with  double  berd, 

And  drinketh  of  bis  Bagle-horn  the  wine, 

Before  him  standeth  the  Brawne  of  the  tasked  swine  (s.  336). 

Hierzu  vergleiche  man  Chaucer  F  1243 — 1254.  Die  geringen 
abweichungen  dieser  verse  von  ihrem  original  —  afore  in 
zeile  4  ist  jedenfalls  aus  metrischen  gründen  eingeschoben  — , 
sind  wohl  daraus  zu  erklären,  dass  Dekker  einen  schlechten 


»)  The  Dramatic  Works  of  Thomas  Dekker  (ed.  by  R.  H.  Shepherd); 
in  Pearson's  Beprint,  4  vols,  London  1873. 

«)  cf.  Ward  bd.  n  s.  469;  Fleay  bd.  I  s.  131  n.  n  s.  270;  Pearson's 
Reprint  bd.  ü. 

»)  cf.  Ward  bd.  II  s.  466;  Fleay  bd.  I  s.  136  n.  112;  Pearson's  Re- 
print bd.  rv. 

*)  The  Non-Dramatic  Works  of  Thomas  Dekker  ed.  by  Alex.  B.  Grosart, 
Hnth  Library,  4  yols,  London  1885 ;  bd.  HL 


74  OTTO  BALLMANN, 

druck  von  Chaucers  werken  benützte.  —  Der  Vollständigkeit 
halber  möge  hier  noch  eine  stelle  aus  Dekkers  schrift  „  A  Rod 
for  Run-awayes"  (1625,  bei  Grosart  bd.  IV)  platz  finden. 
Daselbst  will  Dekker  eine  erzählung  geben,  die  wahrer  sein 
soll,  als  diejenigen  Chaucers:  Ä  Kentish  Tale,  but  truer  than 
those  of  Clmucer  (s.  302). 

B. 

Thomas  Middleton. 

c.  1570  — 1627. 

Auch  in  dieses  dichters  „romantischen"  dramen^  finden 
sich  vereinzelte  spuren  der  nachwirkung  Chaucers.  Die  an- 
spielungen  haben  keinen  einfluss  auf  die  handlung  der  stücke 
und  sind  an  sich  verständlich: 

„The  Old  Law«  (aufgeführt  c.  1599,  gedruckt  1656):«) 

Simonides:    Be  of  comfort  lady; 

Yon  shaU  no  longer  bosom  January 
For  that  I  wiU  take  order,  and  proyide 
For  you  a  lusty  ApriL 
Eugenia:    The  month  that  ought,  indeed, 

To  go  before  May.    (Act  5  sc.  1  s.  218.) 

In  „The  Family  of  Love"  (aufgeführt  1607 ,  gedruckt 
1608)3)  sagt  Gerardine  zu  Maria: 

Hear  me  exemplify  love's  Latin  word 

Together  with  thyself: 

As  thus:  —  hearts  join^d,  Amore:  take  A  from  thence 

Then  more  is  the  perfect  moral  sense, 

Phiral  in  manners,  which  in  thee  do  shine 

Saint-like,  immortal,  spotless  and  divine: 

Take  M  away,  ore  in  beauty*s  name 

Craves  an  eternal  trophy  to  thy  fame; 

Lastly,  take  0,  in  re  Stands  all  my  rest, 

Which  I,  in  Chaucerstyle,  do  term  a  jest; 

(Actm  sc.  1  V.  46ff.) 

eine  der  damals  auch  nicht  seltenen  unschmeichelhaften  er- 
wähnungen  des  dichters,  dessen  stil  und  witz  den  feinen  lesem 
zu  derb  waren. 


»)  The  Works  of  Thomas  Middleton  ed.  by  A.  H.  BuUen.    In  8  vols. 
London  1885. 

»)  cf.  Ward  bd.  U  s.  501;  Fleay  bd.  11  s.  90;  BuUen  1.  c.  bd.  IL 
»)  cf.  Ward  bd.  U  s.  517;  Fleay  bd.  H  s.  94;  Bullen  bd.  UL 


CHAUCEBS  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         75 

„No  Wit,  no  Help  like  a  Woman's"  (aufgeführt  1613, 
gedruckt  1657).*)  Lady  Goldenfleece  spricht:  Thus  it  is  siill, 
wlien  a  man^s  simple  meaning  lights  among  wantons:  how  many 
honest  words  have  suifered  corruptton  since  Chaucer's  days! 
a  virgin  would  speak  those  words  then,  that  a  very  midtvife 
tvould  hlush  io  hear  now,  if  she  have  so  much  blood  left  to 
mdice  up  an  ounce  of  grace  (act  IL  sc.  1  zeile  79). 

In  9^ore  Dissemblers  besides  Women^^  (aufgeführt 
1622,  gedruckt  1657),^)  warnt  Dondolo  den  schönen  pagen 
seines  herm  eindringlich  vor  dem  lügen,  da  er  sonst  plötzlich 
zur  strafe  seine  spräche  verlieren  könnte  und  fügt  bei:  'Tis 
not  good  io  jest,  as  old  Chaucer  was  wont  to  say,  that  broad 
famous  English  poet  (act  I  sc.  4  zeile  36).  Ich  habe  weder 
einen  derartigen  ausspruch  in  Chaucer  zu  finden  vermocht, 
noch  eine  stelle,  auf  welche  er  sich  beziehen  könnte.  —  Be- 
merkt sei  noch,  dass  ein  von  der  herzogin  gebrauchtes  bild 
stark  an  eine  Chaucer-stelle  erinnert:  Act  1  sc.  3  v.  55: 

....  The  World  shall  witness, 
That,  like  the  snn,  my  constancy  can  look 
On  earth's  corrnptions,  and  shine  clear  itself, 

cf.  Chaucer,  Persones  Tale  I  §  76,  910:  But  though  that  holy 
writ  speke  of  horrible  sinne,  certes,  holy  writ  may  nat  been 
defouled,  na-more  than  the  sonne  that  shyneth  on  Üie  mixen, 

9,Women  beware  Women"  (gedruckt  1657). »)  Nach 
Ward  (a.  a.  o.)  hat  Charles  Lamb  in  der  hofdame  Silvia  ähn- 
lichkeit  mit  Chaucers  „Wyf  of  Bathe"  konstatieren  wollen. 
Doch  wenn  sich  überhaupt  eine  ähnlichkeit  zwischen  beiden 
auffinden  lässt,  so  ist  sie  jedenfalls  nur  äusserst  gering.  Die 
kupplerin  Livia,  die  ihre  band  zu  den  unsaubersten  geschäften 
herleiht,  die  selbst  vor  den  grössten  verbrechen  gegen  ihre 
eigenen  blutsverwandten  nicht  zurückschreckt,  lässt  sich  keines- 
wegs mit  der  frau  von  Bath  vergleichen.  Und  dass  eine  ähn- 
lichkeit von  dem  dichter  auch  nicht  beabsichtigt  war,  zeigen 
Livias  worte: 

I'ye  bnried  my  two  husbands  in  good  fashion 
And  neyer  mean  more  to  marry. 


0  cf.  Ward  bd.  n  ß.  523 ;  Fleay  bd.  n  b.  96 ;  Bullen  bd.  IV. 
«)  cf .  Ward  bd.  H  s.  507 ;  Fleay  bd.  n  b.  103 ;  Bulle  bd.  VI. 
»)  cf.  Ward  bd.  H  b.  513;   Fleay  bd.  H  s.  97;  Bullen  bd.  VI. 


76  OTTO  BALLMANN, 

Ist  es  doch  der  hervorstechendste  zug  im  Charakter  der  frau 
von  Bath,  dass  sie  bis  an  ihr  lebensende  nie  ohne  einen 
gatten  sein  wül. 

John  Webster. 

(1580? -1625?) 

Webster,  den  man  zu  den  bedeutendsten  dramatikem 
seiner  zeit  rechnet,  zeigt  keinerlei  einfluss  von  Chaucer.  Denn 
abgesehen  von  einer  rühmenden  erwähnung  desselben  in  einem 
gedieht  der  ,,Slonainent8  of  Honor^^  (gedruckt  1624)  :i) 

Beneath  these,  five  learn'd  poets,  worthy  men 

Who  do  etemise  brave  acta  by  their  pen, 

Chaucer,  Gower,  Lidgate,  More,  and  for  our  time 

Sir  Philip  Sidney,  glory  of  our  clime  ....    (1.  c.  s.  237) 

Hesse  sich  höchstens  der  ausdruck:  ihe  builder  oak  in  ^^The 
White  Devil,  or  Vittorla  Coromba*^  (aufgeführt  1607/8, 
gedruckt  1612)2)  auf  Chaucer  zurückführen,  der  diesen  aus- 
druck geprägt  hat: 

The  bilder  ook,  and  eek  the  hardy  asshe 

(The  Parlement  of  Fonleg  v.  176). 

Doch  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  dass  auch  Spenser  denselben 
ausdruck  in  seiner  „Fairy  Queen"  (1 1,  8)  bringt,  so  dass  nicht 
entschieden  werden  kann,  ob  Webster  die  betreffende  Wendung 
direkt  aus  Chaucer  oder  durch  die  vermittelung  Spensers  über- 
nommen hat.  Erwähnt  sei  noch,  dass  Webster  in  seiner  tra- 
gödie  ,^Appiu8  and  Virginia"  (gedruckt  1054) »)  einen  stoff 
behandelte,  der  uns  aus  Chaucers  „Phisiciens  Tale"  bekannt 
ist.  Dass  jedoch  Chaucer  nicht  als  quelle  für  Websters  drama 
gedient  hat,  ist  schon  längst  festgestellt.  Webster  geht  auf 
die  fünfte  novelle  des  ersten  bandes  von  William  iPainter's 
„Palace  of  Pleasure"  (1594)  zurück,  welche  eine  Übersetzung 
aus  Livius  darstellt.^) 


1)  cf.  Fleay  bd.  11  s.  273.  Ausgabe:  The  Dramatic  Works  of  John 
Webster  ed.  by  William  Hazlitt,  4  vols.    London  1857 ;  bd.  III. 

«)  cf .  Ward  bd.  m  s.  56 ;  Fleay  bd.  U  s.  281 ;  HazUtt  bd.  H  s.  52  anm.  2. 

»)  cf .  Ward  bd.  m  s.  62 ;  Fleay  bd.  H  s.  272. 

*)  cf.  Otto  Rumbanr :  Die  Geschichte  von  Appins  nnd  Virginia  in  der 
englischen  Litterator.    Diss.  Breslau  1890.    S.  28  f. 


CHAUCER8  EINFLUSS  AUF  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         77 

Thomas  Heywood. 

(c.  1575  —  c.  1650.) 

Eine  offenbare  anspielung  auf  Chaucers  „Nonne  Prestes 
Tale**  enthält  das  drama  „Fortune  by  Land  and  Sea"  (auf- 
geführt zwischen  1607—9,  gedruckt  1655).»)  Daselbst  heisst 
es  act  m  sc.  1  (s.  393) : 

Clown :  We  are  going,  as  they  sag,  to  remove,  or  according 
to  the  vulgär,  to  mdke  clean,  where  Chanticlere  and  Damepartlet 
tlie  kenne  have  had  some  doings. 

An  einer  stelle  (act  11  s.  39)  des  „English  Traveller" 
(entstanden  c.  1627,  gedruckt  1633)^)  könnte  Heywood  an  die- 
selbe Canterbury-erzählung  gedacht  haben.  Bei  Chaucer  er- 
zählt Chauntecleer  zur  bekräf tigung  seiner  ansieht,  dass  träume 
viel  zu  bedeuten  haben,  seiner  Dame  Pertelot  eine  wohl  ver- 
bürgte geschichte,  in  welcher  der  geist  eines  ermordeten,  über 
und  über  mit  wunden  bedeckt,  seinen  gefährten  im  schlafe 
heimsucht,  den  hauswirt  des  mordes  und  rauhes  zeiht  und 
sühne  heischt.  Im  drama  bedient  sich  der  parasitical  serving- 
man  Reignald,  um  seinen  heimgekehrten  herrn  von  dem  ein- 
tritt in  das  übel  verwaltete  haus  abzuhalten,  der  lüge,  dass 
der  geist  eines  ermordeten  darin  umgehe,  der  seinen  söhn  in 
der  letzten  nacht  mit  von  wunden  entstelltem  leib  heimgesucht 
und  den  früheren  besitzer  des  hauses  des  mordes  und  rauhes 
beschuldigt  habe.  Der  gedanke  an  Chaucer  liegt  hier  nahe, 
doch  erinnert  die  ganze  Situation  viel  mehr  an  die  „Mostellaria" 
des  Plautus  und  an  Ben  Jonsons  Wiederholung  dieses  motivs 
im  „  Alchemist"  (cf.  Koeppel  I  s.  12  f.). 

John  Marston. 

(1576—1634.) 

Nur  in  eines  seiner  dramen  hat  Marston  eine  anspielung 
auf  Chaucer  eingeflochten,  in  die  komödie  „The  Malcontent" 
(aufgeführt  1601,  gedruckt  1604) :3)  Malevolo  fragt  Bianca: 
And  how  does  Janivere,  thy  hushand,  my  Utile  peritvinJde  (act  I 


>)  cf.  Ward  bd.  U  b.  569;  Fleay  bd.  I  s.  294;  ausgäbe:  The  Dramatic 
Works  of  Thomas  Heywood,  m  Pearson^s  Beprint.  Jn  6  vols.  London 
1874;  bd.  VI. 

«)  cf.  Ward  bd.  11  s.  565;  Fleay  bd.  I  s.  297;  Pearson's  Reprint,  bd.  IV. 

»)  cf.  Ward  bd.  n  s.  483 ;  Fleay  bd.  n  s.  78.  Ausgabe :  The  Works  of 
John  Marston  ed.  by  A.  H.  BoUen.    In  3  vols.    London  1887;  bd.  I. 


78  OTTO  BALLMANN, 

SC.  2  s.  238).  Auch  eine  seiner  Satiren ')  enthält  eine  stelle, 
welche  man  auf  Chaucers  „Nonne  Prestes  Tale"  deuten  kann : 

Poor  Gallos  now  (whilom  to  Mars  so  dear) 
Is  tnmed  to  a  crowing  Chaunticlere. 

Aber  die  wichtigste  auslassung  Marstons  über  Chaucer  steht  in 
dem  prosavorwort  zu  „TheScourge  of  Villainy"*):  Persius 
is  crabby,  because  ancient  and  his  jerkes  dusky,  Juvenal  seems 
to  our  judgement  gloomy.  Yet  both  of  them  go  a  good  seemly 
pace,  not  shumbling  and  shuffling,  Chaucer  is  hard  even 
to  our  understandings :  who  knows  not  tlie  reason?  In- 
dem Marston  hier  Chaucer  neben  Persius  und  Juvenal  stellt, 
legt  er,  seiner  eigenen  Veranlagung  gemäss,  das  hauptgewicht 
auf  die  satirischen  elemente  in  Chaucers  werken.  Ein  gewisses 
recht  dazu  kann  man  ihm  nicht  absprechen ;  und  wenn  er  sein 
bedauern  über  die  erschwerte  Verständlichkeit  Chaucers,  deren 
grund  er  jedenfalls  in  dessen  veralteter  spräche  sieht,  in  seinen 
Worten  durchblicken  lässt,  so  thut  er  es  wohl  im  hinblick 
darauf,  dass  die  feine  satire  Chaucers  im  prolog  und  in  einigen 
der  Canterbury-geschichten  noch  ebenso  gut  auf  die  Verhält- 
nisse um  1600,  als  um  1400  passte. 

Robert  Greene. 

(1560—1592.) 

Als  dramatiker  kann  der  vielseitige  Greene  hier  nicht 
unmittelbar  in  betracht  kommen,  da  seine  dramen  keinen 
Chaucer-einfluss  aufweisen.  Seine  prosaschriften  *)  zeigen  je- 
doch, dass  auch  er  seinen  tribut  an  Chaucer  entrichtet  hat, 
weshalb  die  bezüglichen  stellen  zur  Vervollständigung  des  ge- 
samtbildes  hier  ihren  platz  finden. 

Eine  geringschätzige  beziehung  auf  die  „Canterbury  Tales" 
ist  in  der  „Arcadia"  zu  finden  (1.  c,  bd.  VI  s.  86):  Whosoever, 
Samela,  descanted  of  that  love,  tolde  you  a  Canterbury  Tale  — ; 
doch  ist  dies  nicht  etwa  als  ein  urteil  Greenes  über  die 
„Canterbury  Tales"  im  allgemeinen  anzusehen  (cf.  unten). 


1)  Bullen  1.  c.  bd.  IE  sat.  V  v.  127. 
«)  Bullen  1.  c.  bd.  m  s.  305. 

')  cf.:  The  Life  and  Complete  Works  in  Prose  and  Verse  of  Bobert 
Greene,  ed.  by  Alex.  B.  Grosart.  In  12  yols.  (Huth Library);  London  1881—66. 


CHAUCERS  EINFLUSS  AUF  DAS  EKaLISCHB  DBAMA  ETC.  79 

Etwas  unklar  ist  die  stelle  in  „Concordia  or  the  Royall 
Exchange"  (bd.  VII  s.  321): 

„Olde  men  (saifh  Sir  Jeffrie  Chaucer)  are  then  in  their 
right  vaine,  when  they  have  In  diebus  Ulis  in  their  mouth: 
telling  what  passed  long  agoe,  what  warres  they  have  seene, 
what  charitie,  what  cheapenes  of  victuals,  always  blaming  the 
time  present,  though  never  so  fruitful"  —  Einen  solchen  aus- 
spruch  habe  ich  in  Chaucer  nicht  zu  finden  vermocht.  Greene 
scheint  es  aber  damit  auch  nicht  so  genau  zu  nehmen,  da  er 
in  seiner  „Vision"  dasselbe  auch  in  bezug  auf  Chaucer  und 
Gower  sagt.  In  der  beschreibung  der  beiden  alten  dichter 
heisst  es  hier:  In  diebus  Ulis  hung  upon  their  garments 
(bd.  Xn  s.  209).  Der  ausdruck  gilt  allgemein  für  alle  die- 
jenigen, welche  gern  von  alten  verflossenen  zeiten  reden,  und 
kann  demnach  ebenso  gut  auf  Chaucer  und  Gower,  wie  auf 
obige  olde  men  passen ;  nur  hat  sich  Greene  die  grosse  freiheit 
genommen,  seine  worte  Chaucer  selbst  in  den  mund  zu  legen. 

Für  sich  verständlich  ist  die  stelle  in  „A  Quippe  for  an 
üpstart  Courtier"  (bd.  XI  s.  255):  For  the  sumner  it 
bootes  me  to  say  little  more  against  him,  than  Chaucer  did 
in  his  Canterbury  taUs,  who  said  he  was  a  knave,  a  briber, 
and  a  bawd :  but  leaving  that  authority,  although  it  be  authen- 
ticall,  yet  etc. ;  cf.  Chaucer  A  623  ff. 

Von  grossem  Interesse  ist  uns  Greenes  „Vision"  (bd.  XII 
s.  187  ff.).  Chaucer  spielt  darin  neben  Gower  die  hauptrolle 
und  ist  mit  sehr  charakteristischen  zügen,  wenn  auch  einseitig, 
gezeichnet  Von  tiefster  reue  über  seine  love-pamphlets  er- 
griffen und  doch  wieder  im  zweifei,  ob  er  nicht  recht  daran 
that,  sie  zu  schreiben,  lässt  Greene  sich  Chaucer  und  Gower 
im  träume  erscheinen  und  seine  zweifei  lösen.  Die  wirkungs- 
volle gegenüberstellung  von  merry  Chaucer  und  moral  Gower, 
von  denen  ersterer  Greenes  Schriften  verteidigt  und  durch 
hinweis  auf  den  rühm  Ovids  und  den  seiner  eigenen  Schriften 
zu  rechtfertigen  sucht,  letzterer  dagegen  sie  als  verderblich 
für  die  leser  und  trotz  der  guten  lehren,  die  daraus  zu  ziehen 
seien,  als  unmoralisch  verwirft,  findet  ihren  höhepunkt  in  den 
beiden  erzählungen,  welche  Chaucer  und  Gower  vortragen. 
Beide  wollen,  jeder  in  seiner  weise,  die  unvemünftigkeit  der 
eifersucht  und  ihre  schlimmen  folgen  an  einem  beispiel  be- 
weisen, und  aus  der  Wirkung  der  erzählung  soll  die  über- 


80  OTTO  BALLMAKN, 

legenheit  der  einen  darstellungsart  über  die  andere  sich  er- 
geben, und  danach  Greenes  schritten  beurteilt  werden.  Greene 
giebt  schliesslich  Gowei*  den  Vorzug;  der  überdruss  an  seinem 
unstäten  zügellosen  leben  und  die  ernste  absieht,  ein  neues, 
würdigeres  leben  zu  beginnen,  lassen  diese  entscheidung  er- 
klärlich erscheinen.  Und  doch  ist  nach  Greenes  darsteUung 
die  dichterische  Überlegenheit  Chaucers  über  Gower  zweifellos. 
Gowers  erzählung,  durch  moralische  betrachtungen  übermässig 
in  die  länge  gezogen,  lässt  reinen  poetischen  genuss  nicht  auf- 
kommen und  muss  unbedingt  abfallen  gegen  die  Chaucer  in 
den  mund  gelegte  geschichte.  Diese  bietet  in  ihrer  anschau- 
lichen darstellung,  in  der  künstlerisch  bemessenen  ausdehnung, 
in  dem  lebendigen  fluss  der  handlung  und  in  ihrem  drastischen 
ende  ein  meisterstück  der  nachahmung  von  Chaucers  erzäh- 
lungskunst.  Die  geschichte  von  Tomkins  und  Kate  soll 
gleichsam  den  abschluss  der  bisherigen  richtung  von  Greenes 
schriftstellerischer  thätigkeit  bilden,  einer  richtung,  welche 
Greene  nur  ganz  allgemein  und,  aus  rücksicht  auf  den  be- 
sonderen zweck  seiner  „Vision",  mit  starker  betonung  des 
erotischen  Clements,  als  diejenige  Chaucers  bezeichnen  konnte : 
„For  now  I  perceive,  Father  Chaucer,  that  1  followed  too  long 
your  pleasant  vaine  in  penning  such  Amourous  writings^ 
(s.  272).  —  Einseitig  nannte  ich  oben  die  Zeichnung  von 
Chaucers  dichterpersönlichkeit  aus  dem  gründe,  weil  uns  aus 
der  „Vision"  eine  auffassung  von  ihm  entgegentritt,  die  ihn 
eigentlich  nur  noch  als  dichter  von  liebesgeschichten  gelten 
lässt. 

Thomas   Nashe. 

1567-1601. 

Was  für  Greene  galt,  gilt  auch  für  Nashe:  seine  dramen 
zeigen  keinen  Chaucer- einfluss,  wohl  aber  seine  prosaschriften, 
welche  verschiedene  bemerkungen  über  Chaucer  enthalten.*) 

In  „Pierce  Penilesse"  spricht  Nashe  zuerst  allgemein 
über  das  verdienst  der  dichter  als  sprachreiniger,  als  mahner 
zur  tugend  und  warner  vor  dem  laster ;  dann,  nach  rühmender 
erwähnung  von  Sir  Phillip  Sidney,  Sir  Nicholas  Bacon,  Sir 


*)  The  Complete  Works  of  Thomas  Nashe  ed.  by  Alex.  B.  Grosart 
In  4  vols.    (Huth  Library)  London  1883/4. 


CHAUCERS  EINFLUSS  kV¥  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         81 

Thomas  Moore  als  the  chief  pillers  of  our  English  speech, 
fährt  er  fort:  „Not  so  much  hut  Chaucer's  host,-  Baly  in 
Southwarke,  and  his  wife  of  Bath,  he  keeps  such  a  stirre  with, 
in  his  Canterbury  tales,  shalhe  taikt  of  whilst  tlie  Bath  is  used, 
or  tlhere  he  ever  a  bad  Iwuse  in  Southwarke  (1.  c.  bd.  II  s.  62). 

Gegen  Gabriel  Harvey's  Chaucerisms  richtet  Nashe  seine 
spitzigen  spottpfeile  mehr  als  einmal.  In  der  Epistle  Dedica- 
tory  zu  „Strange  News  of  the  Intercepting  certaine 
Letters"  heisst  es  z.  b.:  /  am  holde  instead  of  new  unne, 
to  carouse  to  you  a  cuppe  of  newes :  which  if  your  worship 
(according  to  your  wonted  Chaucerisme)  shäll  accept  in  good 
part  (bd.  II  s.  180). 

Ebenso  geisselt  Nashe  Harveys  sucht  nach  lateinischen 
und  französischen  fremdwörtern ,  wobei  er  Chaucer  ausdrück- 
lich in  schütz  nimmt,  dessen  autorität  gewöhnlich  als  deck- 
mantel  für  solchen  missbrauch  dienen  musste:  Chaucer' s 
authoritie,  I  am  certaine,  shalhe  alleadgd  against  me  for  many 
of  tliese  balduchems,  Had  Chaucer  liv'd  to  this  age,  I  am 
verily  persuaded  hee  would  have  discarded  the  tone  hälfe  of 
the  harsher  sort  of  them  ....  Art  like  young  grosse  in  the 
spring  of  Chaucer' s  florishing  was  glad  to  peepe  up  through 
any  slime  of  corruption  („Four  Letters  Confuted",  bd.  II  s.263). 

Aus  „Nashe's  Leuten  Stuffe"  bleibt  noch  eine  stelle 
zu  erwähnen:  „Had  I  my  topickes  hy  me  instead  ofmy  learned 
counsell  to  a>ssist  me,  I  might  haps  marshall  my  termes  in 
better  aray,  and  bestow  such  costly  coquery  on  this  Marine 
magnifico  oä  you  would  preferre  him  before  tart  and  galin- 
gale,  whicJi  Chaucer  praeheminentest  encomionizeth  above  all 
iunqueteries  or  confectionaries  what  soever,^  (Bd.  V  s.  233). 
Dies  bezieht  sich  auf  Chaucers  verse: 

A  379 :    A  Cook  they  hadde  with  hem  for  the  nones, 
To  hoille  the  chiknes  with  the  mary-bones, 
And  pondre-marchant  tart,  and  galingale. 

Freilich  hat  Nashe  irrtümlich  Chaucers  tart  als  substantivum 
verstanden,  statt  als  adjektivum  (==  scharf,  beissend),  ein 
Irrtum,  welcher  die  früher  erwähnten  bemerkungen  anderer 
dichter  über  die  erschwerte  Verständlichkeit  Chaucers  bestätigt. 

Ein  kurzer  rfickblick  auf  das  gesagte  zeigt  uns,  dass  im 
laufe  unserer  Untersuchung  alle  grösseren  werke  Chaucers  er- 

AngUa.    N.F.    XIII.  6 


82  OTTO  BALLMANK, 

wähnung  finden  mussten',  und  dass  selbst  von  seinen  kurzen 
gedichten  zwei  zu  nennen  waren.  Der  grösste  einfluss  ging 
naturgemäss  von  den  „Canterbury  Tales"  aus;  inhaltlich  am 
meisten  benutzt  wurde  „Troilus  and  Criseyde".  Wenn  die 
stofflichen  entlehnungen  der  dramatiker  aus  Chaucer  der  zahl 
nach  gering  ei'scheinen  gegenüber  den  zahlreichen  wörtlichen 
entlehnungen  und  anspielungen  auf  ihn  und  seine  werke,  so 
düi-fte  diese  thatsache  daraus  zu  erklären  sein,  dass  Chaucer 
in  den  letzten  Jahrzehnten  des  16.  und  in  der  ersten  hälfte 
des  17.  Jahrhunderts  allgemein  bekannt  und  im  geiste  der  zeit 
lebendig  war.  Ein  drama,  dessen  handlung  aus  Chaucer 
stammte,  konnte  daher  wenig  neues  Interesse  mehr  erwecken. 
Andrerseits  aber  beweist  die  beträchtliche  zahl  der  dramatiker 
und  dramen,  welche  ihrer  Chaucer -beziehungen  wegen  be- 
sprochen wurden,  die  echte  Volkstümlichkeit  Chaucei*s  und  die 
hohe  Wertschätzung  seiner  persönlichkeit  als  dichter  in  jener 
zeit.  Die  erwähnung  seines  namens  und  die  citate  aus  seinen 
werken  hatten  ja  nur  da  sinn,  wo  sie  vor  einem  verständnis- 
vollen Publikum  geschahen,  und  sie  würden  sich  nicht  so 
häufig  wiederholt  haben,  hätten  sie  nicht  die  gunst  des  Publi- 
kums gefunden.  —  Aber  diese  gunst  für  Chaucer  war  keine 
ganz  allgemeine.  Es  machte  sich  damals  bereits  eine  richtung 
gegen  Chaucer  geltend  —  wir  hatten  schon  oben  gelegenheit 
darauf  hinzuweisen  — ,  welche  ihm  seine  lockeren  erzählungen 
verargte  und  deshalb  ihm  den  sittlichen  ernst  überhaupt  ab- 
sprach. Eine  zeitgenössische  darstellung  dieser  Chaucer  feind- 
lichen partei  haben  wir  in  der  besprochenen  „Vision"  von 
Robert  Greene  zu  sehen.  Ihr  Vertreter  Gower  veinirteilt  mit 
aller  härte  die  in  Chaucer's  pleasant  vaine  geschriebenen  werke 
des  Robert  Greene.  Um  seiner  fiktion  möglichst  viel  Wahr- 
scheinlichkeit zu  verleihen,  musste  Greene  in  seiner  „Vision" 
Chaucer  und  Gower,  die  richter  über  seine  Schriften,  in  dem 
lichte  darstellen,  in  welchem  seine  zeit  sie  sah.  In  der  Schil- 
derung der  beiden  spiegelt  sich  also  weniger  Greenes  sub- 
jektive anschauung,  als  vielmehr  die  allgemeine  auffassung 
jener  zeit  wieder;  und  so  dürfen  wir  in  der  meinung,  welche 
Greenes  Gower  von  Chaucer  hat,  die  meinung  der  erwähnten 
Chaucer-feindlichen  partei  erblicken.  Wie  diese  über  Chaucer 
dachte,  wird  uns  durch  einige  worte  aus  Gowers  mund  ver- 
deutlicht:  But  my  maister  Chaucer  brings  in  his  workes  for 


CHAUCEBS  EINFLUSS  AUE  DAS  ENGLISCHE  DBAMA  ETC.         83 

an  instance,  {hat  as  his,  so  thine  [Greene's]  shdlbe  famoused: 
HO,  it  is  not  a  promise  to  conclude  upon :  for  nten  honor  his 
more  for  the  antiquity  of  the  verse,  the  english  andprose,  than 
for  any  deejye  love  to  the  matter :  for  proofe  marke  how  they 
weare  out  of  t^e  (s.  218).  Ob  diese  Chaucer  missgünstige 
partei  oder  die  ihm  günstig»  gesinnte  das  übergewicht  hatte, 
lässt  sich  nicht  sagen;  die  angeführten  dramatischen  belege 
beweisen  jedenfalls,  dass  man  sich  noch  in  weiten  kreisen  mit 
ihm  und  seinen  werken  beschäftigte.  Konnte  doch  Francis 
Meres  in  „Wits  Treasury"  ihm  das  überschwängliche  lob 
zollen :  Äs  Home^-  is  reputed  the  Prince  of  GreeJc  Poets,  and 
Petrarch  of  Italian  Poets:  so  Chaucer  is  accounted  the 
God  of  English  Poets  —  ein  lob,  welches  als  urteil  von 
allgemeiner  gültigkeit  ausgesprochen  ist.  9 

Tabelle  der  anspielangen  auf  Chaacer 
und  seine  werke. 

I.  Canterbury  Tales. 

1.  Im  allgemeinen: 

Shakespeare,  Lucretia  s.  13. 
Dekker,  Northward  Hoe  s.  73. 

„        A  Rod  for  Run-awayes  s.  74. 
Cartwright,  The  Ordinary  s.  G3  ff. 
Greene,  Arcadia  s.  78  f. 

2.  Prolog: 

Ben  JoDBon,  Bartholomew  Fair  s.  21. 

„  Magnetic  Lady  s.  21  u.  24  f. 

„  New  Inn  b.  23. 

„  The  Sad  Shepherd  s.  25  f. 

Greene,  A  Quippe  for  an  Upstart  Courtier  b.  79. 
Nashe,  Lenten  Stuffe  s.  81. 

3.  Knightes  Tale: 

Rieh.  Edwards,  Palamon  and  Arcite  s.  3. 
Shakespeare,  Mids.  Night's  Dream  s.  5  ff. 

„  Love's  Laboor  Lost  s.  13. 

„  The  Passionate  Piigrim  s.  13. 

„The  Two  Noble  Kinsmen"  s.  36  ff. 


*)  cf.  Shakspere  Allusion-Books,  Part  I  s.  156 ;  New  Shakspere-Society 
Series  IV  no.  1.    London  1874. 

6* 


84  OTTO  BALLMANN, 

4.  Reves  Prologue: 

Retnrn  from  Pamassns  IL  s.  48. 

5.  Nonne  Prestes  Tale: 

Shakespeare,  Tempest  s.  13. 

„  As  you  Like  it  s.  13. 

„  Winter's  Tale  s.  14. 

„  Henry  IV.  s.  14. 

Thom.  Heywood,  Fortnne  by  Land  and  Sea  s.  77. 

„  The  English  TraveUer  s.  77. 

John  Marston,  The  Malcontent  s.  78. 

6.  Phisiciens  Tale: 

„TragicallComedie  of  Apins  and  Virginia"  by  R.B.  8.4. 

7.  Wyf  of  Bathe: 

a)  Prologue :  „Every  Woman  in  her  Humour"  s.  57  f. 

b)  Tale :  Shakespeare :  Richard  IL  s.  11. 

Beaumont  and  Fletcher,  Women  Pleased  s.  31  flf. 

8.  Clerkes  Tale: 

Dekker,  Patient  Grissill  s.  66  ff. 

9.  Marchantes  Tale: 

Marmion,  The  Antiquary  s.  56  ff. 

Beaumont  and  Fletcher,  AVit  without  Money  s.  31. 

„  Woman's  Prize  s.  35  f. 

Middleton,  The  Old  Law  s.  74. 
Marston,  The  Malcontent  s.  77. 
Dekker,  The  Wonder  of  a  Kingdom  s.  73. 

10.  Frankeleyns  Tale: 

Beaumont  and  Fletcher,  Four  Plays  in  One  s.  29/30. 
Dekker,  A  Strange  Horse-Eace  s.  73. 

11.  Chanaunes  Yemannes  Tale: 

Ben  Jonson,  The  Alchemist  s.  16  ff. 

12.  Persones  Tale: 

Middleton,  More  Dissemblers  besides  Women  s.  75. 

IL  Troilus  and  Criseyde: 

Nicol.  Grimoald  s.  3. 
Shakespeare,  Troilus  and  Cressida  s.  9  f. 
„  Merchant  of  Venice  s.  12  f. 

Ben  Jonson,  New  Inn  s.  23. 
Will.  Cartwright,  The  Ordinary  s.  65. 
George  Chapman,  May-Day  s.  48/49. 
„Retom  from  Pamassns''  I.  s.  45  f. 
„Sir  Giles  Goosecappe*'  s.  49  ff. 


CHAUCERS  EINIiliüSS  AUP  DAS  ENGLISCHE  DRAMA  ETC.         85 

in.  House  of  Farne: 

Ben  Jonson,  The  Staple  of  News  b.  21  ff. 

„  Masque  of  Queens  s.  26  ff. 

„  w      of  News  from  the  New  World  s.  28. 

„Retarn  from  Pamassus"  I.  s.  45 ;  ü.  s.  47. 
Marmion,  The  Antiquary  s.  63  f. 

IV.  Legend  of  Good  Women: 

Shakespeare,  Mids.  Night's  Dream  s.  8. 

„  EApe  of  Lucrece  s.  10. 

Beaumont  and  Fletcher,  The  Lover's  Progress  s.  35. 

V.  Parliament  of  Foules- 

John  Wehster,  The  White  Devil  s.  76. 

VI.  Ballade  de  bon  Conseil: 

Beaumont  and  Fletcher,  The  Coxcomh  s.  31. 

VII.  Apostrophe  an  den  Schreiber: 

Jonson,  Bartholomew  Fair  s.  21. 

VIII.  Romaunt  of  the  Rose: 

Will.  Cartwright,  The  Ordinary  s.  66. 

IX.  Boethius  „  „  s.  65. 

X.  Chaucer  als  Persönlichkeit: 

Ben  Jonson,  Grammar  s.  14  f. 

Beaumont  and  Fletcher,  The  Faithful  Shepherdess  s.  30  f. 
Retum  from  Pamassus  I.  s.  47 ;  ü.  s.  47. 
Middleton,  The  Family  of  Love  s.  74. 

„  No  Wit  (Help)  like  a  Woman's  s.  75. 

„  More  Dissemhlers  hesides  Women  s.  75. 

Wehster,  Monuments  of  Honour  s.  76. 
Marston,  The  Scourge  of  Villainy  s.  78. 
Greene,  Concordia  s.  79. 

„        Vision  s.  79  f.  und  s.  82. 
Nash,  Pierce  Pennyless  s.  80. 
„    Strange  News  of  the  Intercepting  certain  Letten  s.  81. 
„    Four  Letters  Confuted  s.  81. 

Strassbürg.  Otto  Ballmann. 


APHRA  BEHNS 
GEDICHTE  UND  PROSAWERKE. 


I.  Einleitnng. 

Aphra  Behn  lebte  in  einer  zeit,  die  zwar  eine  der  inter- 
essantesten Perioden  der  englischen  kultur  ist,  die  aber  durch 
ihre  schreckliche  Sittenverderbnis  in  einen  üblen  ruf  gekommen 
ist  Wenn  nun  gar  noch  das  leben  und  die  werke  einer  frau, 
die  ein  echtes  kind  dieser  zeit  war,  einer  näheren  Untersuchung 
unterzogen  werden,  so  mag  dies  sehr  gewagt  erscheinen. 
Aphra  Behn  gilt  für  viele  nur  als  die  „übelberüchtigte". 
Hettner  kennzeichnet  sie  als  verderblich  wirkende  Schrift- 
stellerin und  hat  kein  wort  für  OroonokoJ)  Ward  ist  zwar 
fast  noch  mehr  sittlich  entrüstet  über  sie  als  Hettner ;  er  weist 
aber  wenigstens  auf  den  Oroonoko  als  „good  in  many  respects" 
hin.  2)  Aber  mit  solchen  urteilen  kann  man  doch  eine  Schrift- 
stellerin von  der  bedeutung  Aphra  Behns  nicht  abthun.  Schon 
die  thatsache,  dass  sie  diejenige  gewesen  ist,  welche  der  er- 
zählungslitteratur  wieder  zu  grösserer  bedeutung  verhalf  und 
ge Wissermassen  das  bindeglied  zwischen  dem  17.  und  18.  Jahr- 
hundert in  bezug  auf  die  erzählungslitteratur  ist,  lässt  es  als 
notwendig  erscheinen,  ihre  bedeutung  für  das  genannte  litte- 
rarische gebiet  einmal  näher  zu  untersuchen.  Dass  Aphra 
Behn  grössere  bedeutung  auf  dem  gebiete  der  erzählenden 
als  auf  demjenigen  der  dramatischen  litteratur  besitzt,  darauf 
weist  Wülker  in  seiner  englischen  litteraturgeschichte  hin.') 
Seitdem  haben  auch  andere  litterarhistoriker  die  bedeutung 
Aphra  Behns  als  novellistin  betont,  so  vor  allem  Rudolf  Fürst,  ^) 


*)  Hettner,  a.  a.  o.  p.  120.        *)  Ward,  a.  a.  o.  p.  570. 

3)  Wülker,  a.  a.  o.  p.  358.     ^  Fürst,  a.  a.  o.  an  yerschiedenen  stellen. 


P.  SIEOEL,   APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PB08AWERKE.        87 

L.  Gross  0  etc.  —  Das  leben  Aphra  Behns  bietet  des  inter- 
essanten soviel,  dass  eine  kurze  biographie  als  zweckmässig 
erscheint. 

IL   Aphra  Behns  leben  und  werke. 

So  allgemein  bekannt  wie  Aphra  2)  Behn  zu  ihrer  zeit 
war,  so  wenig  sind  uns  wirkliche  thatsachen  aus  ihrem  leben 
überliefert.  Die  biographie  von  einer  ihrer  freundinnen  3) 
enthält  nur  wenig  positives  und  lässt  uns  schon  bald  im  stich. 
Andere  biographische  werke  wiederholen  in  der  hauptsache 
niu'  das,  was  in  dieser  biographie  steht.  Wir  haben  uns  also 
in  der  hauptsache  an  letztere  zu  halten. 

Ueber  die  vorfahren  Aphra  Behns  wird  nur  gesagt,  dass 
der  vater  Johnson  hiess  und  in  engen  beziehungen  zu  Lord 
Willoughby  gestanden  habe.  4)  Es  ist  nicht  ganz  sicher  fest- 
gestellt, wann  und  wo  Aphra  Behn  geboren  wurde.  Die 
biographie  sagt  nur,  dass  „Astrea  (der  dichtemame  A.  B.s) 
was  a  Gentlewoman  by  Birth,  of  a  good  Family  in  the  City 
of  Canterbury  in  Kent."^)  Dagegen  nimmt  E.  Gosse  ^)  an, 
dass  Aphra  im  jähre  1640  in  dem  orte  Wye  in  Kent  geboren 
sei.  Er  stützt  sich  dabei  auf  eine  handschriftliche  notiz  der 
Lady  Winchilsea  in  einem  in  seinem  besitze  befindlichen  buche. 
Diese  notiz  gewinnt  dadurch  an  Wahrscheinlichkeit,  dass,  wie 
E.  Gosse  mitteilt,  in  dem  taufregister  von  Wye  die  taufe  eines 
mädchens  Ayfara,  der  tochter  des  John  und  der  Any  Johnson, 
aufgezeichnet  ist  und  zwar  am  10.  Juli  1640.  Lady  Winchilsea ') 
giebt  ausserdem  noch  an,  dass  John  Johnson  ein  barbier  ge- 
wesen sei.  Wie  er  aber  als  einfacher  barbier  in  so  nahe 
beziehungen  zu  Lord  Willoughby  gekommen  sein  und  die 
hohe  Stellung  eines  gouverneurs  von  kolonien  erreicht  haben 
sollte,  ist  nicht  recht  klar.  E.  Gosse ^)  sagt  nur,  dass  dieser 
bekannte  und  freund  Willoughby's  ein  verwandter  Aphras 
gewesen  sei,  den  sie  vater  genannt  habe.    Liegt  so  schon  auf 


*)  Gross,  a.  a.  0.  an  verschiedenen  steUen. 

•)  Der  name  kommt  in  den  formen  Afra,  Aphra,  Aphara,  Ayfara  vor. 
')  The  Hißtory  of  the  Life  and  Memoirs  of  Mrs.  Behn.    Written  by 
one  of  the  fair  Sex.  Works  V,  1  ff.  (abgekürzt :  L.  and  M.). 

*)  L.  and  M.  p.  2.       »)  L.  and  M.  p.  2.       •)  E.  Gosse  im  D.  N.  B. 
'')  E.  Gosse  a.  a.  0.       <>)  E.  Gosse  a.  a.  0. 


88  P.  SIEGEL, 

der  herkunft  unserer  Schriftstellerin  ein  gewisses  abenteuer- 
liches dunkel,  so  ist  ihr  lebenslauf  erst  recht  abenteuerlich. 
Ihr  vater  oder  verwandter  wurde  von  Lord  Willoughby  zum 
generallieutenant  über  sechsunddreissig  inseln  in  der  nähe  von 
Surinam  in  Südamerika  ernannt.')  Surinam  ist  die  heutige 
holländische  kolonie  Guyana  im  nordosten  von  Südamerika; 
sie  wird  durchflössen  von  dem  flusse  Surinam,  an  dessen 
mündung  die  bekannte  Stadt  Paramaribo  liegt.  Die  besiedelung 
einiger  der  inseln,  die  unter  dem  namen  Westindien  bekannt 
sind,  erfolgte  durch  Lord  Francis  Willoughby  zu  anfang  der 
fünfziger  jähre  des  17.  Jahrhunderts.  Willoughby  kam  am 
2.  April  1650  nach  der  insel  Barbados.  2)  Die  famüie  Johnson 
kann  also  nicht  vor  1650  nach  der  neuen  weit  übergesiedelt 
sein,  sodass  Aphra  noch  in  sehr  jugendlichem  alter  stand. 
Daher  mag  die  biographin  in  ihrer  begeisterung  für  ihre 
freundin  übertrieben  haben,  wenn  sie  erzählt,  Aphra  habe  bei 
ihrer  abreise  viele  betrübte  freundinnen  und  anbeter  mit 
„gebrochenen  herzen"  zurückgelassen. '0  Der  neuernannte 
generallieutenant  erreichte  den  ort  seiner  künftigen  Wirksam- 
keit nicht,  sondern  starb  wähi-end  der  reise.  Trotzdem  setzte 
seine  familie  die  reise  foit  und  liess  sich  in  Surinam  nieder.^) 
Aphra  giebt  uns  selbst  eine  beschreibung  ihres  Wohnsitzes,  die 
wegen  ihrer  anschaulichkeit  hier  wiedergegeben  seL^) 

As  soon  as  I  came  iuto  the  Country,  tbe  best  House  in  it  was 
presented  me,  caird  St.  John's  Hill:  It  stood  on  a  vast  Rock  of  white 
Marble,  at  the  Foot  of  which,  the  River  ran  a  yast  Depth  down,  and 
not  to  be  descended  on  that  Side;  the  little  Waves  stiU  dashing  and 
washing  the  Foot  of  this  Rock,  made  the  softest  Mnrmurs  and  Tnrliu^ 
in  the  World ;  and  the  opposite  Bank  was  adom'd  with  such  yast  Quantities 
of  different  Flowers  etemally  blowing,  and  every  Day  and  Honr  new, 
fenc'd  behind'em  with  lofty  Trees  of  a  thousand  rare  Forms  and  Coloors, 
that  the  Prospect  was  the  most  ravishing  that  Fancy  can  create.  On 
the  Edge  of  this  white  Rock,  towards  the  River,  was  a  Walk,  or  Grove, 
of  Orange  and  Lemou-Trees ,  about  half  the  Length  of  the  MaU')  here 
whose  flowery  and  Frnit-bearing  Branches  met  at  the  Top,  and  hindernd 
the  Sun,  whose  Rays  are  very  fierce  there,  from  entring  a  Beam  into 
the  Grove;  and  the  cool  Air  that  came  from  the  River,  made  it  not  only 


»)  Oroonoko,  works  V,  p.  152. 

»)  D.  N.  B.  sub  Francis  Willoughby  und  Humphrey  Walrond. 

«)  L.  and  M.  p.  3.        *)  Oroonoko,  works  V,  p.  154. 

*)  Oroonoko,  works  V,  p.  154—156. 

«)  In  St.  James's  Park  (Biogr.  Brit.). 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.        89 

fit  to  entertain  People  in,  at  all  the  hottest  Honrs  of  the  Day,  bnt  refresh 
the  sweet  Blossoms,  and  made  it  always  Bweet  and  charming;  and  sure, 
the  whole  Globe  of  the  World  cannot  shew  so  delightfnl  a  Place  as  this 
Grove  was:  Not  all  the  Gardens  of  boasted  Italy  can  produce  a  Shade 
to  out-vie  this,  which  Nature  has  join'd  with  Art  to  render  so  exceeding 
fine;  and  'tis  a  Marvel  to  see  how  such  vast  Trees,  as  big  as  English 
Oaks,  could  take  Footing  on  so  solid  a  Rock,  and  in  so  little  Earth  as 
cover'd  that  Rock:  But  all  Things  by  Nature  there  are  rare,  delightful, 
and  wonderfal. 

Während  des  aufenthaltes  in  Surinam  lernte  Aphra  den 
mann  kennen,  dessen  leben  und  Schicksale  sie  in  ihrem  um- 
fangreichsten und  besten  prosawerk,  in  „The  History  of  the 
Royal  Slave",  erzählt.  Sie  berichtet  uns  in  diesem  werk, 
dass  sie  mit  dem  negerhäuptling  Oroonoko,  dem  beiden  der 
erzählung,  in  regem  verkehr  gestanden  und  dass  derselbe  sie 
„his  great  Mistress"  genannt  habe.  ^  Infolge  der  lebhaften 
Schilderungen,  die  die  Schriftstellerin  von  dem  neger  und  ihren 
beziehungen  zu  demselben  giebt,  entstand  das  gerücht,  Aphra 
habe  in  mehr  als  freundschaftlichem  verkehr  mit  Oroonoko 
gestanden.  Die  biographin  bemüht  sich,  dieses  gerücht  zu 
widerlegen;  sie  meint,  Aphra  hätte  ihr  einmal  nichts  davon 
mitgeteilt,  obgleich  sie  ihr  sonst  alle  liebesaffären  anvertraut 
hätte,  dann  sei  Oroonoko  von  den  reizen  seiner  farbigen  ge- 
mahlin  Imoinda  viel  zu  sehr  eingenommen  gewesen.  2)  An  und 
für  sich  ist  es  durchaus  nichts  ungewöhnliches,  dass  weisse 
frauen  zu  männern  anderer  rassen  wirkliche  liebe  empfinden. 
Allein  es  ist  unwahrscheinlich,  dass  das  erwähnte  gerücht  be- 
gründet war.  Denn  einmal  war  Aphra  noch  sehr  jung  und 
kaum  schon  einer  tieferen  sinnlichen  neigung  fähig,  dann 
entsprach  das  urbild  des  negers  wohl  kaum  den  romanhaften 
Schilderungen,  die  uns  Aphra  von  ihm  giebt. 

Der  aufenthalt  Aphras  in  Surinam  war  nur  kurz.  Sie 
kehrte  schon  mit  einem  der  nächsten  schiffe  nach  England 
zurück.  3)  Jedoch  wird  es  damals  ziemlich  lange  gedauert 
haben,  ehe  ein  schiff  aus  der  weit  entfernten  kolonie  zurück 
kam.  Ueber  England  brausten  inzwischen  die  stürme  der 
restauration.  Karl  II.  stieg  auf  den  thron  Englands,  der  ein 
Jahrzehnt  hindurch  verwaist  war.    Es  war  eine  bewegte  zeit. 


0  Oroonoko,  works  V,  p.  149.        *)  L.  and  M.  p.  4. 
')  Oroonoko,  works  V,  p.  152. 


90  P.  SIEOEL, 

in  der  Aphra  ihre  heimat  wiedersah.  Sie  kam  selbst  bald  in 
nähere  beziehungen  zu  dem  hofe  des  „merry  king".  Es  ist 
nicht  ganz  klar,  durch  wen  Aphra  an  den  hof  und  in  die 
unmittelbare  nähe  Karls  ü.  kam.  Cibber^  behauptet  ohne 
nähere  begründung,  dass  dies  durch  den  holländischen  kauf- 
mann  Beim  geschehen  sei.  Aber  sollte  nicht  schon  ihre  nahe 
bekanntschaft  mit  Lord  Willoughby,  der  ein  anhänger  des 
königs  war,  genügt  haben?  Die  beste  empfehlung  für  die 
elegante,  frivole  hofgesesellschaft  mögen  wohl  die  Schönheit  und 
der  lebhafte  geist  Aphras,  eigenschaften,  die  die  biographiii 
mit  rühmen  hervorhebt,  gewesen  sein.  Aphra  unterhielt  den 
könig  und  seine  Umgebung  mit  ihren  erlebnissen  in  Südamerika, 
vor  allem  mit  der  geschichte  Oroonokos,  die  sie  so  gut  er- 
zählte, dass  sie  der  könig  zur  Veröffentlichung  derselben  auf- 
forderte.^) Inzwischen  hatte  sich  Aphra  mit  dem  oben  er- 
wähnten Holländer  Behn,  der  sich  in  London  aufhielt,  ver- 
heiratet. Diese  ehe  war  jedoch  nur  von  kurzer  dauer.  Nach 
den  ansichten  über  die  ehe,  die  sich  in  den  verschiedenen 
werken,  besonders  in  den  lustspielen,  der  Schriftstellerin  finden, 
kann  man  kaum  annehmen,  dass  Aphra  ein  musterhaftes  zu- 
sammenleben mit  ihrem  gemahl  geführt  hat.  Bei  jeder  ge- 
legenheit  wird  über  die  fesseln  der  ehe  gespottet ;  betrügerische 
und  betrogene  ehegatten  spielen  eine  hauptroUe  in  den  lust- 
spielen. Ganz  besonders  aber  sind  das  phlegma  und  die 
Schwerfälligkeit  der  Holländer  beliebte  gegenstände  des  spottes 
für  Aphra  Behn,  wie  wir  gelegentlich  noch  sehen  werden. 
Die  Holländer  lernte  Aphra  noch  näher  kennen,  aber  erst 
nacli  ihrer  ehe.  Aphra  muss  sich  an  dem  hofe  Karls  IL 
durch  ihren  beweglichen  geist  ausgezeichnet  haben,  denn  der 
könig  betraute  sie  mit  einem  wichtigen  diplomatischen  auf- 
trage in  dem  kriege  mit  Holland,  der  1667  durch  den  frieden 
von  Breda  sein  ende  erreichte.  Die  junge  dame  wurde  von 
Karl  11.  nach  Antwerpen  geschickt,  um  die  kriegspläne  der 
Holländer  zu  erforschen.  3)  Dies  gelang  ihr  auch  sehr  gut, 
allerdings  in  einer  weise,  die  charakteristisch  für  jene  sitten- 
lose zeit  ist  und  die  beweist,  dass  Aphra  durch  den  einfluss 
des  englischen  hofes  zwar  eine  schlaue  diplomatin,  aber  auch 

«)  Cibber,  a.  a.  o.  p.  18.       *)  L.  and  M.  p.  5. 
')  L.  and  M.  p.  5. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PBOSAWERKB.        91 

eine  weltgewandte,  intrigante  abenteurerin  geworden  war. 
Ein  junger  holländischer  kaufmann,  Van  der  Albert,  hatte 
sich  bei  seinem  aufenthalt  in  London  vor  dem  kriege  in  die 
schöne  gattin  seines  landsmannes  Behn  verliebt.')  Als  er 
erfuhr,  dass  Aphra  nach  Antwerpen  gekommen  war,  eilte  er 
sogleich  in  diese  Stadt.  Die  diplomatin  benutzte  nun  die  liebe 
des  jungen  mannes,  der  eine  wichtige  Stellung  in  seinem  vater- 
lande einnahm,  um  dem  bethörten  die  wichtigsten  geheimnisse 
zu  entlocken.  In  seiner  Verblendung  entdeckte  er  der  ge- 
liebten frau  den  kühnen  plan  der  Holländer,  die  englischen 
schiffe  in  der  Themse  zu  verbrennen.  Sofort  benachrichtigte 
Aphra  die  londoner  regierung  von  ihrer  wichtigen  entdeckung. 
Allein  die  regierung,  an  deren  spitze  der  bekannte  minister 
Clarendon  stand,  nahm  keine  notiz  von  der  mitteilung.  Man 
lachte  über  den  eifer  der  diplomatin,  die  an  so  abenteuerliche 
plane  glauben  konnte.  Einem  freunde,  der  ihr  dies  mitgeteilt 
hatte,  schrieb  sie  folgenden  brief,  aus  welchem  hervorgeht, 
dass  sie  eine  klare  einsieht  in  die  kleinliche,  egoistische  politik 
der  leitenden  Staatsmänner  besass.'-*) 

My  dear  Friend, 

Your  Hemarks  upon  my  politick  Capacity,  tho'  they  are  sharp,  touch 
me  not,  but  recoil  on  those  that  have  not  made  Use  of  the  Advautages 
they  might  have  drawn  from  thence,  and  are  donbly  to  blame :  First,  In 
sending  a  Person,  in  whose  Ability,  Sense,  and  Veracity,  they  could  not 
confide;  and  next,  Not  to  nnderstand  when  a  Person  indifferent  teils  'em 
a  probable  Story,  and  which  if  it  come  to  pass,  would  siifficiently  punish 
their  Incredulity;  and  which,  if  follow'd,  would  have  put  'em  ou  their 
Guard  against  a  vigilant  and  industrious  Foe,  who  watch'd  every 
Opportunity  of  returning  the  several  Repulses,  and  Damages,  they  had 
met  with  of  late  from  them.  But  I  have  often  observ'd  your  busy  young 
Statesmen,  so  very  opinionated  of  their  own  Designs,  that  they  are  so 
far  from  encouraging  those  of  another,  if  good,  that  they  cannot  forgive 
their  Proposal,  and  sacrifice  a  publick  Good  to  their  particular  I'ride. 

Die  strafe  folgte  denn  auch  bald  diesem  leichtsinn  der 
englischen  regierung.  Im  Juni  1667  segelte  eine  holländische 
flotte  unter  ihrem  kühnen  führer  de  Ruyter  in  die  Themse 
und  setzte  die  auf  dem  ströme  befindlichen  englischen  schiffe 
in  brand.  ^)    So  war  es  der  unermüdlichen  frau  nicht  gelungen. 


»)  L.  and  M.  p.  7.        ')  Der  brief  ist  abgedruckt  in  L.  and  M.  p.  11. 
3)  0.  Jäger,  Weltgesch.  m,  p.  369. 


92  P.  SIEGEL, 

die  gefahr  von  ihrem  vaterlande  abzuwenden.  Van  der  Albert 
scheint  für  seinen  dienst  nicht  nach  seinem  wünsche  belohnt 
worden  zu  sein;  darauf  deuten  die  folgenden  worte  in  der 
biographie:  „Astrea  could  not  doubt  but  Van  der  Albert  had 
sufficient  Grounds  for  what  he  had  told  her,  and  scarcely 
allow'd  that  little  Time  that  Albert  staid,  to  the  Civilities 
due  for  a  Service  of  that  mighty  Consequence."  9  Aphra 
scheint  die  liebe  des  Holländers  nur  geduldet  zu  haben,  um 
diesen  auszunutzen;  im  übrigen  behandelte  sie  ihn  als  einen 
gegenständ  ihres  spottes,  ebenso  wie  einen  seiner  verwandten, 
namens  Van  Bruin.  Ihr  verkehr  mit  diesen  beiden  männern 
ist  ein  charakteristischer  beweis  für  ihr  abenteuerreiches  leben 
in  Antwerpen.  Aphra  hat  Van  der  Albert  eines  abends  in 
ihre  wohnung  geladen.  Aber  sie  bleibt  nicht  selbst  zu  hause, 
sondern  schickt  eine  frühere  geliebte  Alberts  in  ihre  woh- 
nung. Albert  bemerkt  den  betrug  erst  am  nächsten  morgen. 
Um  sich  dafür  zu  rächen,  besticht  Albert  die  gesellschafterin 
Aphras  und  legt  sich  in  deren  kleidern  im  Schlafzimmer  seiner 
angebeteten,  die  den  abend  bei  „play  and  mirth"  in  einer 
bekannten  kaufmannsfamilie  zubringt,  nieder.  Aphra  be- 
schliesst  bei  ihrer  heimkehr,  ihre  alte  gesellschafterin  dadurch 
zu  erschrecken,  dass  sie  den  jungen  mann,  der  sie  nebst  seinen 
beiden  Schwestern  nach  hause  begleitet,  allein  in  ihre  wohnung 
schickt.  Zum  grössten  erstaunen  findet  man  aber  nicht  die 
alte  dame,  sondern  Van  der  Albert  im  bett,  der  zur  strafe  für 
seine  that  Aphra  die  ehe  versprechen  muss !  Aber  schon  bald 
darauf  starb  Albert  in  Amsterdam  am  fieber  während  der 
Vorbereitungen  zur  reise  nach  England.  2) 

Das  erzählte  abenteuer  war  nicht  das  einzige,  das  Aphra 
in  Antwerpen  erlebte.  Man  musste  auch  schon  in  London  an 
ihre  pikanten  erlebnisse  gewöhnt  sein,  denn  einer  ihrer  freunde 
schreibt  ihr,  sie  solle  sich  von  der  politik  abkehren  und  lieber 
„divert  her  Friends  with  some  pleasant  Adventures  of  Ant- 
werp,  either  as  to  her  Lovers  or  those  of  any  other  Lady  of 
her  Acquaintance :  that  in  this  she  would  be  more  successfnl 
than  in  her  Pretences  of  State,  since  here  she  would  not  fail 
of  pleasing  those  she  wi'ote  to".^)  Diesem  wünsche  ihrer 
freunde  kam  sie  denn   auch  nach.     Durch  ihren  misserfolg 


0  L.  and  M.  p.  9.         ')  L.  and  M.  p.  38.         ^)  L.  and  M.  p.  10. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.        93 

entmutigt,  gab  sie  ihre  politische  thätigkeit  auf  und  beschäf- 
tigte sich  mit  litterarischen  dingen ;  so  sammelte  sie  in  Holland 
den  Stoff  zu  einer  ihrer  gewandtesten  erzählungen,  zu  „Tar- 
quin  und  Miranda",  und  berichtete  ihren  freunden  in  der 
heimat  über  ihre  erlebnisse.  Von  diesen  will  ich  noch  eins 
hier  anführen,  da  es  für  den  Charakter  unserer  Schriftstellerin 
bezeichnend  und  für  ihre  schriftstellerische  thätigkeit  wichtig 
ist.  Aphra  schildert  in  ihren  briefen  aus  Antwerpen  die 
Niederländer  als  geizige,  gewinnsüchtige,  hartherzige  menschen, 
deren  sinn  nur  auf  geld  und  alkohol  gerichtet  sei.  Um  so 
mehr  glaubt  sie  sich  rühmen  zu  dürfen,  dass  sie  die  herzen 
zweier  dieser  geldjäger  bezwungen  habe,  nämlich  die  Van  der 
Alberts  und  Van  Bruins.  —  Letzterer  muss  eine  art  bankier 
für  Aphra  gewesen  sein,  denn  er  versah  sie  im  auftrage 
Alberts  mit  dem  nötigen  geld.  —  Schon  nach  den  ei-sten  be- 
gegnungen  verliebt  sich  Van  Bruin,  ein  schon  bejahrter  mann, 
in  die  schöne  abenteurerin.  Die  leidenschaft  reisst  ihn  aus 
seinem  stumpfen  phlegma.  Er  vei'sucht  sogar  witzig  zu  sein 
und  schreibt  an  die  geliebte  frau  einen  liebesbrief  in  affek- 
tierter, schwülstiger  spräche,  worin  er  einen  ausführlichen 
vergleich  zwischen  Aphra  und  einem  schiffe  macht.  Aphra 
schreibt  in  demselben  lächerlichen  stil  eine  scheinbare  zusage, 
worauf  Bruin  seine  Werbungen  in  ebenso  manierierter  spräche 
mündlich  in  ihrer  wohnung  vorbringt,  zur  grossen  belustigung 
Aphras.  Schliesslich  wird  ihr  die  sache  zu  langweilig;  sie 
benachrichtigt  Van  der  Albert  von  dem  verliebten  treiben 
seines  verwandten.  Wie  der  alte  narr  sieht,  dass  er  nur  zum 
spotte  dient,  zieht  er  sich  von  Antwerpen  zurück  und  lässt 
sich  dort  nicht  wieder  sehen. 

Die  gestalt  des  alten  verliebten  geizhalses,  der  zum  schluss 
der  dumme  ist,  kehrt  oft  in  den  werken  Aphra  Behns  wieder; 
es  haben  ihr  sicher  dabei  ihre  erlebnisse  in  den  Niederlanden 
vor  äugen  geschwebt.  In  den  briefen  macht  sich  auch  schon 
das  talent  für  lebhaftes  erzählen  bemerkbar. 

Die  erzählten  erlebnisse  Aphras  hatten  sich  gegen  ende 
des  Jahres  1666  zugetragen.  >)  Kurz  darauf  kehrte  Aphra 
über  Ostende  und  Dünkirchen  nach  England  zurück.  Auf  der 
fahrt  über  den  kanal  wurde  das  schiff  von  einem  stürm  über- 

*)  L.  and  M.  p.  8. 


94  P.  SIEGEL, 

rascht,  an  die  kiiste  gesclileudeit  und  zertrümmert.  Die  schiff- 
brüchigen, unter  ihnen  Aphra  Behn,  wurden  von  küstenbe- 
wohnern  an  das  land  gerettet. 

„Our  Astrea  arrived  safe,  tho'  tird,  to  London,  from  a  Voyage  that 
gain'd  her  more  Reputation  than  Profit.  The  rest  of  her  Life  was 
entirely  dedicated  to  Pleasnre  and  Poetry;  the  Snccess  in  which  gain'd 
her  the  Acqnaintauce  and  Friendship  of  the  most  sensible  Men  of  the 
Age,  and  the  Love  of  not  a  few  of  different  Characters."  *) 

Von  hier  an  verlässt  uns  die  hauptquelle  für  Aphra  Behns 
leben,  die  biographie.  Es  werden  nur  noch  acht  briefe  mit- 
geteilt, welche  die  Schriftstellerin  an  einen  freund,  den  sie 
Lycidas  nennt,  geschrieben  hat.')  Nach  dem  ton  der  briefe 
zu  urteilen,  scheint  mit  dem  namen  Lycidas  ein  mann  aus 
höheren  kreisen  gemeint  zu  sein,  der  ihr  nicht  die  gegenliebe 
schenkte,  die  sie  erwartete.  Die  briefe  lassen  in  Aphra  Behn 
einen  leidenschaftlichen,  unruhigen  Charakter  erraten.  Sie 
nennt  sich  selbst  „a  Woman  violent  in  all  her  Passions", 
dann  wieder  eine  „stolze  und  trotzige"  natur.  3)  Wie  sie 
zwischen  stolz  und  liebe  kämpft,  möge  die  folgende  stelle  aus 
Letter  VII 4)  zeigen: 

My  Soul  is  ready  to  burst  with  Pride  and  Indignation ;  and  at  the 
same  Time,  Love,  with  all  his  Softness,  assails  me  and  wiU  make  me 
write:  80  that  between  one  and  the  other,  I  can  express  neither  as  I 
ought.  What  shall  I  do  to  make  you  know  I  do  not  use  to  condescend 
to  so  much  Submission,  nor  to  teil  my  Heart  so  freely?  Tho'  you  think 
it  Use,  metliiuks  I  find  my  Heart  swell  with  Disdain  at  this  Minute,  for 
my  beilig  ready  to  make  Asseveration  of  the  contrary,  and  to  assure  you 
I  do  not,  nor  never  did  love,  or  talk  at  the  Rate  I  do  to  you,  since  I 
was  boru :  I  say,  I  would  swear  this,  but  something  roUs  up  my  Bosom, 
and  checks  my  very  Thoiight  as  it  rises.  You  ought,  Oh  Faithless,  and 
infiuitely  Adorable  Lycidas!  to  know  and  guess  my  Tenderness;  you 
uught  to  see  it  grow,  and  daily  increase  upon  your  Hands.  1£  it  be 
troublesome,  'tis  because  I  fancy  you  lessen,  whilst  I  increase,  in  Passion; 
or  rather,  that  by  your  ill  Judgment  of  mine,  your  never  had  any  in 
your  Soul  for  me.  Oh  unlucky,  oh  vexatious  Thought!  Either  let  me 
never  see  that  cliarming  Face,  or  ease  my  Soul  of  so  tormenting  an 
Agony,  as  the  cruel  Thought  of  not  being  belov'd.  Why,  my  lovely 
Dear,  should  I  flatter  you  V    Or,  why  make  more  AVords  of  my  Tenderness, 


1)  L.  and  M.  p.  40. 

')  Love-Letters  to  a  Gentleman.    By  Mrs.  A.  Behn.    Printed  from  the 
Original  Letters.    Works  V,  54  ff. 

•)  L.  and  M.  p.  56.         *)  Works  V,  66  f. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWEBKE.        95 

than  another  Woman,  that  loves  as  well,  would  do,  as  once  jou  said? 
No,  you  onght  rather  to  believe  that  I  say  more,  becaose  I  have  more 
than  any  Woman  can  be  capable  of:  My  Soul  is  form*d  of  no  other 
Material  than  Loye. 

Die  Love  Letters  können  nicht  vor  beginn  der  siebziger 
jähre  geschrieben  sein,  denn  in  dem  einen  9  spricht  sie  davon, 
dass  sie  einen  akt  aus  ihrem  neuen  stück  vorgelesen  habe. 
Ihr  erstes  stück  wurde  aber  erst  1671  auf  geführt.  2) 

Seit  ende  des  Jahres  1666  weilte  also  Aphra  Behn  in 
London.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  sie  für  ihre  der 
Politik  geleisteten  dienste  belohnt  worden  ist,  im  gegenteil 
lachte  man  nur  über  sie,  wie  wir  gesehen  haben.  So  musste 
sie  versuchen,  auf  eine  andere  art  ihren  lebensunterhalt  zu 
erwerben.  Diese  reale  forderung  war  jedenfalls  der  haupt- 
anlass  zu  der  schriftstellerischen  thätigkeit  Aphra  Behns. 
Langbaine*)  berichtet,  dass  sie  selbst  der  weit  bekannt  habe, 
sie  hätte,  wenigstens  die  erste  zeit,  für  brot  schreiben  müssen. 
Dass  sie  gerade  Schriftstellerin  wurde,  ist  bei  ihrem  lebhaften 
temperament  sehr  begreiflich.  Die  oben  genannte  materielle 
forderung  erklärt  auch  die  ungemeine  fruchtbarkeit,  die  Aphra 
Behn  im  dichten  entwickelte;  sie  verfasste  ausser  anderen 
werken  allein  siebzehn  dramen.  Die  litterarische  Produktion 
war  besonders  auf  dem  dramatischen  gebiete  in  der  restau- 
rationszeit  ausserordentlich  rege.  Dichten  gehörte  in  der 
feinen  gesellschaft  zum  guten  ton.  Es  gab  unter  den  aristo- 
kraten  viele  dichter,  die  ohne  rücksicht  auf  pekuniären  erfolg 
die  bühne  mit  dramen  versahen  und  die  nur  dichteten,  um 
sich  einen  berühmten  namen  zu  erwerben ;  z.  b.  leute  wie  Sir 
G.  Etherege,  Sedley,  Rochester  etc.  Dadurch  thaten  sie  ihren 
ärmeren  kollegen,  die  von  dem  ertrag  ihrer  dichterischen  er- 
zeugnisse  leben  mussten,  in  pekuniärer  hinsieht  grossen  ab- 
bruch.  Ausserdem  brachten  die  aufführungen  den  dichtem 
selten  grossen  gewinn;  denn  der  autor  hatte  erst  an  dem 
gewinn  der  dritten  Vorstellung  seines  dramas  anteil.*)  Das 
Publikum  scheint  auch  nicht  gern  viel  für  das  theater  aus- 
gegeben zu  haben,  denn  es  begegnen  uns  in  den  dramen 
Aphra  Behns   öfter  klagen   über  die  geringe  teilnähme  der 


*)  Letter  VI,  works  V,  p.  63.       *)  cf.  p.  98 f.       *)  Langbaine,  a.  a.  0. 
*)  Be\jame,  a.  a.  0. 


96  P.  SIEGEL, 

theaterbesucher.  *)  Die  Unterstützung,  die  man  von  dem  lebens- 
lustigen hof  erwailen  könnte,  war,  wie  wir  nach  verschie- 
denen Zeugnissen  wissen,  nicht  gerade  ansehnlich.  Nicht  einmal 
die  dichter,  die  für  das  königtum  eintraten,  konnten  sich  einer 
besonderen  Unterstützung  von  selten  des  hofes  rühmen,  wie 
das  beispiel  Butlers  beweist,  der,  obgleich  er  der  „lieblings- 
dichter Karls  IL  war,  halb  verhungert  in  London  starb".  2) 
Aphra  Behn  war  also  wohl  gezwungen,  viel  zu  schreiben,  um 
etwas  zu  verdienen.  Dass  sie  bei  dieser  massenarbeit  keine 
originalen  dramen  dichtete,  sondern  hauptsächlich  nur  bear- 
beitungen  von  werken  der  heimischen  und  ausländischen 
litteraturen,  ist  nicht  zu  verwundem.  Dieses  verfahren  hatten 
schon  vor  ihr  manche  dichter  eingeschlagen,  so  Davenant, 
Wilson  und  auch  Dryden.  3)  Man  hielt  es  also  durchaus  nicht 
für  nötig,  originale  werke  zu  dichten.  Erstens  brauchte  man 
zu  viel  stücke  füi*  die  Vorstellungen,  und  dann  lebte  in  dieser 
zeit  kein  genialer  dichter,  der  ähnlich  wie  Shakespeare 
selbständige  werke  hätte  schaffen  können.  Selbst  Dryden 
war  nur  ein  dichter  zweiten  ranges,  so  sehr  er  auch  von 
seinen  landsleuten  gepriesen  wird. 

Der  Zeitpunkt  der  ersten  dichterischen  thätigkeit  Aphra 
Behns  lässt  sich  nur  annähernd  feststellen.  Nach  dem  berichte 
ihrer  biographin  dichtete  sie  schon  als  kind  „the  prettiest, 
soft,  engaging  Verses  in  the  World".  ^)  Von  diesen  versen 
wird  wohl  wenig  oder  gar  nichts  übrig  geblieben  sein.  Die 
zeit  und  gedanken  Aphras  wurden  ja  schon  in  ihrer  Jugend 
für  ganz  andere  dinge  in  anspruch  genommen,  zunächst  für 
ihre  grosse  reise  über  das  meer  und  ihren  aufenthalt  in 
Surinam.  Nach  ihrer  rückkehr  nach  London  muss  sich  unsere 
Schriftstellerin  durch  ihr  erzählertalent  ausgezeichnet  haben, 
wie  der  erfolg,  den  sie  mit  dem  bericht  ihrer  abenteuer  in 
Surinam  bei  dem  könig  erntete,  beweist.  Ob  sie  freilich  dessen 
auff orderung ,  die  geschichte  Oroonokos  zu  veröffentlichen, 
sogleich  befolgt  hat,  ist,  wie  sich  später  zeigen  wird,  nicht 
wahrscheinlich.  Wir  können  aber  annehmen,  dass  sie  nach 
der  Sitte  der  feinen  gesellschaft,  in  der  sie  in  London  verkehrte, 


*)  Epiloge  zu  The  Rover,  part  n,  Dntch  Lover,  The  Faign'd  Curtesans. 
«)  WtUker,  a.  a.  0.  p.  346.        •)  WiÜker,  a.  a.  0.  p.  351  ff. 
*)  L.  and  M.  p.  3. 


APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  97 

kleinere  gedieh te,  wie  sie  sie  später  veröffentlichte,  verfasste. 
Erst  nach  ihrem  aufenthalt  in  Antwerpen  wird  sie  dann 
ernstlich  an  die  schriftstellerei  herangegangen  sein.  Hatte 
sie  aber  die  absieht,  den  beruf  einer  Schriftstellerin  zu  er- 
greifen, so  musste  sie  zunächst  auf  dramatischem  gebiete 
thätig  sein;  denn  das  hauptinteresse  der  zeit  wandte  sich  der 
bühne  zu,  die  sich  nach  den  für  sie  so  schweren  Zeiten  der 
puritanerherrschaft  wieder  kräftig  entwickelte.  Allerdings 
war  der  neue  geist,  der  auf  der  bühne  zu  herrschen  begann, 
gänzlich  verschieden  von  dem  der  shakespeareschen  zeit.  Das 
theater  wurde  zum  Schauplatz  frivoler,  sittenloser  lustspiele 
und  pomphafter ,  rhetorischer  dramen ,  ^  der  von  Dryden  be- 
sonders gepflegten,  aus  Frankreich  gekommenen  „heroic  plays". 
Beiden  arten  der  dramatischen  dichtung  wandte  sich  Aphra 
ßehn  zu,  mit  besonderer  Vorliebe  aber  dem  lustspiel.  Und 
was  dieses  anbelangt,  so  stand  Aphra  Behn  ihren  männlichen 
kollegen  in  nichts  nach.  Ihre  lustspiele  sind  von  einer  er- 
schreckenden frivolität  und  sittenlosigkeit  erfüllt.  Trotz  der 
gewandten  spräche  und  der  lebhaften,  pointierten  dialoge  wäre 
eine  aufführung  der  lustspiele  Aphra  Behns  jetzt  ganz  un- 
denkbar; dazu  gehörte  eine  in  der  sitte  so  verderbte  zeit  wie 
das  restaurationszeitalter.  Es  wäre  nun  sicher  verfehlt,  eine 
ehrenrettung  Aphra  Behns  für  ihre  lustspiele  zu  unternehmen 
und  die  in  letzteren  enthaltenen  unflätigkeiten  entschuldigen 
zu  wollen.  Aber  andererseits  ist  man  zu  weit  gegangen,  wenn 
man  wie  Ward »)  die  ganze  dramatische  Produktion  der  Schrift- 
stellerin mit  sittlicher  entrüstung  abthut.  Denn  in  Aphra 
Behn  lag  ganz  unstreitig  ein  tüchtiges  talent.  Hire  lustspiele 
sind  nicht  unsittlicher  als  die  ihrer  Zeitgenossen  Etherege, 
Wycherly  etc.  Allerdings  wäre  der  einwurf,  dass  Aphra  Behn 
als  angehörige  des  zarten  geschlechts  die  pflicht  gehabt  hätte, 
die  frauenwttrde  zu  bewahren,  nicht  unberechtigt.  Aber  auf 
der  andern  seite  bewährt  sie  einen  männlichen  mut  —  wie 
wir  bei  der  besprechung  von  Oroonoko  sehen  werden  — ,  dem 
wir  unsere  Sympathie  nicht  versagen  können.  Dazu  kommt, 
dass  sie  den  f orderungen  der  zeit  nachgeben  musste,  wenn  sie 
erfolg  haben  wollte,  und  es  hat  doch  viel  gi-össere  dichter 
gegeben,  die  sich  dem  geschmack  des  publikums,  auch  wenn 

0  Ward,  a.  a.  o.  p.  570. 

▲nglU.    N.  V.    XIII.  7 


98  P.  SIEGEL, 

sie  ihn  nicht  billigten,  gefügt  haben.  Wir  werden  weiter 
unten  noch  näher  nachzuweisen  versuchen,  wie  Aphra  Behn 
nicht  von  vorn  herein  der  verderbten  zeitströmung  folgte; 
doch  es  sei  schon  hier  eine  stelle  aus  ihren  werken  citiert, 
die  beweisst,  dass  Aphra  Behn  nur  widerwillig  sich  nach  dem 
Publikum  richtete :  *) 

The  scanted  Tribute  is  so  slowly  paid, 

Our  Poets  must  liud  out  another  Trade; 

They  've  try'd  all  Ways  th'  insatiate  Clan  to  please, 

Have  parted  with  their  old  Prerogatives, 

Their  ßirth-right  Satiring,  aud  their  just  pretence 

Of  judging  even  their  own  W^it  and  Sense; 

Aud  write  against  their  Consciences,  to  show 

How  dull  they  can  be,  to  comply  with  you. 

Im  lustspiel  si)iegelt  sich  am  besten  das  tägliche  leben 
wieder,  und  dass  die  lustspiele  der  restaurationszeit  in  ihren 
darstellungen  der  sittenlosigkeit  nicht  übertreiben,  dafür  zeugen 
belege  2)  aus  dem  leben  hoher  aristokraten.  Denn  diese  waren 
es,  die  in  einem  pfuhl  der  ärgsten  Sittenverderbnis  versunken 
und  die  das  massgebende  publikum  im  theater  waren.  Von 
der  aristoki'atie  aus  verpflanzte  sich  die  Sittenverderbnis  in 
weitere  ki-eise,  die  nach  der  strengen  puritanerherrschaft  mit 
ihren  asketischen  tendenzen  für  ein  ausschweifendes  leben 
empfänglich  geworden  waren.  Einem  solchen  publikum  stand 
Aphra  Behn  gegenüber.  Schwer  wii'd  es  ihr  allerdings  nicht 
geworden  sein,  diesen  leuten  die  rechte  wäre  vorzusetzen; 
denn  sie  kannte  das  leben  am  hofe  und  hatte  selbst  schon 
nicht  unbedenkliche  abenteuer  hinter  sich.  Nichtsdestoweniger 
werden  wir  in  ihren  erstlingswerken  ernste,  sittliche  tendenzen 
finden.  ^) 

Als  ersten  dramatischen  versuch,  für  den  sich  kein  Ver- 
leger und  theaterdirektor  fand,  bezeichnet  E.  Gosse*)  das 
drama  „The  Young  King,  or,  The  Mistake". ''^)     Es  ist  ein 


*)  Epilog  zu  The  Rover,  part  ü,  works  I,  p.  185. 

^)  Beljame,  a.  a.  0. ;  Pepys,  Diary  etc.,  dazu  Aronstein,  a.  a.  0. 

')  Da  die  behandlung  der  dramatischen  werke  Aphra  Behns  nicht  in 
den  bereich  meiner  aufgäbe  fällt,  so  kann  ich  nur  insoweit  auf  dieselben 
eingehen,  als  sie  für  die  entwickelung  des  Charakters  und  für  den  lebens- 
lauf  der  dichterin  in  betracht  kommen. 

0  E.  Gosse,  a.  a.  0.       »)  Works  ü,  p.  88ff. 


APHRA  BBHNS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  99 

romantisches  drama  im  stile  Drydens.  Auch  das  nächste  stück 
ist  ein  romantisches,  es  heisst  „The  Forc'd  Marriage,  or,  The 
Jealous  Bridegroom"  >)  und  wurde  aufgeführt  und  gedruckt 
im  jähre  1671.  Noch  in  demselben  jähre  brachte  Aphra  Behn 
ihr  erstes  lustspiel  auf  die  bühne,  nämlich  „The  Amorous 
Prince".2)  Trotz  der  bezeichnung  „a  Comedy"  ist  die  haupt- 
handlung  eine  ernste;  nur  einige  episoden  sind  lustspielartig. 
Erst  das  folgende  stück,  „The  Dutch  Lover",^)  1673,  ist  ein 
echtes  lustspiel.  Wie  der  titel  schon  besagt,  ist  der  held  ein 
Holländer.  Es  ist  dies  deshalb  von  besonderem  interesse,  weil 
England  im  jähre  1672  an  Holland  den  krieg  erklärt  hatte. 
Aplira  Behn  hat  gewiss  nicht  ohne  absieht  gerade  den  vor- 
liegenden Stoff  gewählt.  In  dem  titelhelden  wird  ein  reicher, 
aber  schwerfälliger  und  ungebildeter,  dem  trunk  ergebener 
Holländer  dargestellt.  Das  lustspiel  sollte  wohl  dazu  dienen, 
die  Holländer  lächerlich  zu  machen,  ähnlich  wie  sie  Dryden 
in  seinem  drama  „Amboyna,  or,  the  Cruelties  of  the  Dutch 
to  the  English  Merchants"  in  den  äugen  der  Londoner  herab- 
setzen wollte.^) 

Während  der  nächsten  drei  oder  vier  jähre  hören  wir 
nichts  von  der  aufführung  behnscher  dramen.  Aphra  muss  in 
dieser  zeit  trotzdem  sehr  thätig  gewesen  sein,  denn  1677  gab 
sie  mehrere  dramen  zugleich  heraus.  Zuerst  ist  zu  nennen 
„Abdelazar,  or,  The  Moor's  Revenge".*)  Es  ist  dies  die 
einzige  tragödie  Aphra  Behns;  sie  wurde  im  jähre  1676  auf- 
geführt, ö) 

Mit  Abdelazar  müssen  wir  einen  abschnitt  in  der  dich- 
terischen thätigkeit  Aphi-a  Behns  machen.  Die  dramen  der 
folgenden  periode  sind  gekennzeichnet  dui'ch  die  eigenschaften, 
durch  welche  sich  die  Schriftstellerin  ein  zwar  bleibendes, 
aber  zweifelhaftes  andenken  erworben  hat,  nämlich  durch 
frivolität  und  sittenlosigkeit.  Allein  in  den  bisher  genannten 
werken  tritt  Aphra  Behn  mutig  den  lästern  ihrer  zeit  ent- 
gegen und  schont  dabei  auch  nicht  den  adel.  Zum  beweise 
dafür  müssen  wir  kurz  auf  das  bemerkenswerteste  drama  der 
ersten  periode  eingehen,  auf  „The  Amorous  Prince".  Der 
held,  ein  ritterlicher  aber  unbeständiger  prinz,  hat  sich  in  ein 

0  Works  m,  p.  253  ff.    «)  Works  IV,  p.  257  ff.     »)  Works  I,  p.  186  ff. 
*)  Wülker,  a.  a.  o.  p.  354.      »)  Works  U,  p.  3  ff.      •)  E.  Gosse,  a.  a.  o. 

7* 


100  P.  SIEGEL, 

in  einsanikeit  und  Unschuld  lebendes  mädclien  von  hohem 
Stande,  das  als  anne  hirtin  verkleidet  ist,  verliebt,  und  findet 
die  zärtlichste  gegenliebe.  Er  vei^spricht  der  geliebten,  sie 
trotz  ihres  scheinbar  niederen  Standes  zu  seiner  gemahlin  zu 
erheben.  Seiner  Unbeständigkeit  aber  und  den  böswilligen 
ratschlagen  eines  feilen  höflings  folgend,  verlässt  er  die  ge- 
liebte und  verfolgt  die  braut  seines  freundes,  der  zugleich  der 
bruder  des  vom  prinzen  verlassenen  mädchens  ist,  mit  liebes- 
anträgen.  In  letzterem  kämpfen  die  gefühle  des  beleidigten 
bruders  und  liebhabers  gegen  die  pflichten  als  freund  und 
unterthan  des  prinzen.  Es  kommt  aber  nicht  zum  ausbruch 
des  tragischen  konflikts,  da  der  prinz  sich  die  klagen  und 
mahnungen  des  beleidigten  freundes  zu  herzen  nimmt  und  auf 
den  weg  der  pflicht  zui'ückkehrt,  indem  er  sein  eheversprechen 
einlöst,  vor  allem  nachdem  er  erfahren  hat,  dass  die  vermeint- 
lich arme  hirtin  von  hohem  stände  ist.  Diese  gewaltsame 
lösung  mit  dem  deus  ex  machina  ist  ein  beweis  für  die  grosse 
kluft  zwischen  den  verschiedenen  ständen  der  damaligen  zeit; 
die  arme  hirtin  wäre  sicher  dem  elend  verfallen,  wenn  sie 
sich  nicht  noch  als  aristokratin  entpuppt  hätte.  Der  ausgang 
des  dramas  entspricht  also  ganz  den  anschauungen  der  zeit. 
Trotzdem  ist  dieses  stück  ein  beweis  für  den  mut  Aphra  Behns ; 
denn  die  Verfasserin  nimmt  öfters  gelegenheit,  für  den  stand 
der  unterdrückten,  besonders  für  hilflose  fi-auen  einzutreten 
und  den  kavalieren  vor  äugen  zu  führen,  w^elches  elend  sie 
mit  ihrem  leichtsinn  anrichten  können.  Als  Vertreter  der 
aristokratie  wälilt  Aphra  Beim  einen  prinzen.  Es  wird  im 
stücke  zwar  immer  gesagt,  dass  einem  prinzen  mehr  erlaubt 
sei  als  einem  andern  sterblichen ;  aber  es  wird  ihm  auch  klar 
bedeutet,  dass  er  seine  macht  nicht  dazu  missbrauchen  darf, 
schutzlose  frauen  in  kummer  und  elend  zu  stürzen  und  seine 
besten  freunde  zu  betrügen.  So  ruft  ihm  der  bruder  des  ver- 
lassenen mädchens  zürnend  zu : ') 

First,  Sir,  yoii  have  debauch  'd  my  lovely  Sister, 
The  only  one  I  had; 

The  Hope  and  Gare  of  all  our  noble  Family: 
Thou  Prince  didst  ravish  all  her  Virtue  firom  her, 
And  left  her  nothing  but  a  desperate  sense  of  Shame. 


»)  Akt  V,  BC  3,  works  IV,  p.  331  f. 


t.  i 


APHRA  BEHNS  OEDICHTE  UND  PBOSAWERKE.       101 

Next,  (Oh  how  unlike  a  brave  and  generons  Man!) 
Withont  a  Cause,  jou  cast  me  from  yoor  Bosom; 
Withdrew  the  Honour  of  your  promis'd  Friendship, 
And  made  me  Partner  in  my  Sister's  Fate; 
Next,  Sir,  you  ravish'd  Laura  (seine  braut)  from  me, 
And  under  a  pretence  of  sacred  Friendship, 
You  prov'd  your  seif  the  worst  of  Enemies. 

Aphra  Behn  hat  sogar  die  kühnheit,  einen  diener,  also 
den  Vertreter  eines  untergeordneten  Standes,  den  leichtfertigen 
lebenswandel  des  prinzen  ironisch  kritisieren  zu  lassen.  Der 
bediente  des  prinzen  hat  von  seinem  henn  einen  auftrag  in 
einer  zweideutigen  liebesaffäre  erhalten;  bevor  er  denselben 
aber  ausführt,  ruft  er:')  „Well,  even  Frederick  (der  prinz), 
I  See,  is  but  a  Man,  but  his  Youth  and  Quality  will  excuse 
him ;  and  'twill  be  call'd  Gallantry  in  him,  when  in  one  of  us, 
'tis  lU-nature  and  Inconstancy." 

Den  Übergang  zu  der  zweiten  periode  bildet  das  lustspiel 
„The  Dutch  Lover".  Es  finden  sich  hier  schon  recht  pikante 
scenen.  Die  männer  sind  ausschweifend  und  frivol,  aber  sie 
werden  bekehrt  durch  liebende,  ehrenhafte  und  mutige  frauen. 
Es  ist  in  der  that  noch  kein  Baudy  A-la-Mode,  wie  die  Ver- 
fasserin im  epiloge  2)  sagt.  Aber  mit  dem  folgenden  lustspiel, 
„The  Rover,  or,  The  Banish'd  Cavaliers",^)  1677,  beginnt  die 
reihe  der  unsittlichen  komödien.  Das  genannte  stück  ist  voll 
von  schamlosen  scenen  und  Charakteren;  auch  die  frauenge- 
stalten  haben  jeden  anspruch  auf  achtung  verloren.  Es  seien 
hier  nur  einige  aussprüche  des  beiden  angeführt,  die  für  das 
niveau  dieses  und  der  folgenden  lustspiele  charakteristisch 
sind.  „A  virtuous  Mistress!  Death,  what  a  thing  thou  hast 
found  out  for  me!  why  what  the  Devil  should  I  do  with  a 
virtuous  Woman  ?  —  a  sort  of  ill-natur'd  Creatures,  that  take 
a  Pride  to  torment  a  Lover.  Vir  tue  is  but  an  infirmity  in 
Women,  a  Disease  that  rendei-s  even  the  handsom  ungrateful; 
whilst  the  ill-favour'd  for  want  of  Sollicitations  and  Address, 
only  fancy  themselves  so."*)  In  derselben  scene  äussert  sich 
dieser  „held"  über  frauenehre  folgendermassen :  „Honour!  I 
teil  you,  I  hate  it  in  your  Sex;  and  those  that  fancy  them- 
selves possest  of  that  Foppery,  are  the  most  impertinently 

0  Akt  n,  sc.  1,  works  IV,  p.  280.        »)  Works  I,  p.  283. 
»)  Works  I,  p.  1  ff.         *)  Akt  IV,  sc.  I,  works  I,  p.  60. 


102  P.  SIEGEL, 

troublesom  of  all  Womankind."  Ganz  und  gar  verhasst  aber 
ist  ihm  die  ehe:  „Priest  and  Hymen!  prithee  add  Hangman 
to  'em  to  make  up  the  Consort."  ^)  —  Aphra  Behn  war  sich 
wohl  bewusst,  was  für  ein  unweibliches  produkt  sie  geschaffen 
hatte,  denn  sie  liess  das  lustspiel  anonym  erscheinen.  ^)  Allein 
sie  hatte  damit  den  geschmack  ihrer  zeit  getroffen;  die  ko- 
mödie  errang  grossen  beifall;  der  herzog  von  York  selbst 
hatte  besonderes  gefallen  daran.  3)  Durch  diesen  erfolg  er- 
mutigt, lies  die  Verfasserin  vier  jähre  später  einen  zweiten 
teil  zu  dem  lustspiel  erscheinen,  wobei  sie  sich  als  autor  zu 
erkennen  gab.  Sie  widmete  diesen  zweiten  teil  dem  herzog 
von  York.  4) 

Zwischen  dem  ersten  und  zweiten  teil  des  Rover  liegen 
noch  vier  andere  lustspiele,  „The  Debauchee",  *)  „The  Town 
Fop,  or,  Sir  Timothy  Tawdrey" «)  und  „Sir  Patient  Fancy". ') 
Das  erste  ist  nicht  mit  Sicherheit  Aphra  Behn  zuzuschreiben ; 
es  findet  sich  weder  bei  Langbaine  noch  in  anderen  biblio- 
graphischen werken  verzeichnet ;  nur  E.  Gosse «)  nennt  es  ein 
anonymes  werk  der  dichterin.  Alle  drei  genannten  lustspiele 
erschienen  1677.  Bis  zum  jähre  1681  veröffentlichte  Aphra 
Behn  nur  noch  eine  komödie  ausser  dem  zweiten  teil  des 
Rover,  nämlich  „The  Feign'd  Curtezans,  or,  A  Night's  In- 
trigue",^)  1679.  Gerade  um  diese  zeit  wirkte  die  gestaltung 
der  politischen  Verhältnisse  ungünstig  auf  das  theater.  Gegen 
ende  der  siebziger  jähre  des  17.  Jahrhunderts  hatten  sich  die 
gegensätze  zwischen  dem  hof  und  dem  volke  scharf  zugespitzt. 
Es  waren  Streitigkeiten  zwischen  Parlament  und  könig  aus- 
gebrochen über  die  thronfolge  Jakobs,  des  katholischen  herzogs 
von  York.  Letzterer  hatte  sich  entschliessen  müssen,  London 
mehrere  male  zu  verlassen,  um  die  aufgeregte  feindliche  partei 
zu  beschwichtigen.  Im  ganzen  lande  hatten  sich  zwei  grosse 
Parteien  gebildet,  die  whigs  und  tories,  die  gegner  und  an- 
hänger  des  herzogs.  Zu  letzteren  gehörte  vor  allem  die 
aristokratie,  die  sich  um  den  könig  scharte.  Die  schriftsteiler 
waren  gezwungen,  sich  für  eine  der  beiden  parteien  zu  ent- 
scheiden und  ihre  kunst  in  den  dienst  der  politik  zu  stellen. 


»)  Akt  V,  sc.  1,  works  I,  p.  87.  ')  E.  Gosse,  a.  a.  o.  *)  E.  (Josse,  a.  a.  o. 
*)  Langbaine,  a.  a.  o.  ^)  Fehlt  in  den  works.  •)  Works  III,  p.  3  fif. 
»)  Works  IV,  p.  3  ff.      •)  E.  Gosse,  a.  a.  o.      »)  Works  ü,  p.  264  ff. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSA WEBKE.  103 

Aphra  Behn  war  schon  frühzeitig  in  beziehungen  zu  dem  hofe 
getreten,  und  sie  blieb  demselben  auch  zeitlebens  treu.  Sie 
trat  für  die  tories  mit  ihrem  schriftstellerischen  talent  kräftig 
ein.  Ein  Zeitgenosse  rühmt  sie  gerade  wegen  ihres  treuen 
festhaltens  an  der  königlichen  sache:^) 

Long  maj  ehe  (A.  B.)  scourge  this  mad  rebellious  Age, 

And  stem  the  torrent  of  Fanatick  rage, 

That  once  had  almost  overwhelm'd  the  Stage. 

O'er  an  the  Land  the  dire  contagion  spread, 

And  e'en  Apollo's  Sons  apostate  fled: 

But  while  that  spnrious  race  imploy'd  their  parts 

In  studjing  stratagems  and  subtile  arts, 

To  alienate  their  Prince's  Subjects  hearts, 

Her  Loyal  Muse  still  tun'd  her  loudest  strings, 

To  sing  the  praises  of  the  best  of  kings. 

Schon  im  Rover  dient  die  Schriftstellerin  der  „Royal 
Cause"  insofern,  als  sie  darin  englische  kavaliere  darstellt, 
die  wegen  ihrer  Parteinahme  für  den  könig  ihr  Vaterland  ver- 
lassen und,  ihres  eigentums  beraubt,  in  der  fremde  herumirren 
müssen.  Die  geschilderten  Verhältnisse  beziehen  sich  zwar 
auf  die  zeiten  der  revolution ;  aber  es  drohten  wieder  ähnliche 
Verhältnisse  einzutreten  wie  1649.  Ueberall  glaubte  man 
Verschwörungen  gegen  das  königshaus  auf  der  spur  zu  sein. 
In  dieser  allgemeinen  politischen  aufregung  fand  man  keine 
zeit  für  das  theater.  Aphra  Behn  lässt  einen  Schauspieler 
folgendermassen  klagen: 2) 

The  DevU  take  this  cursed  plotting  Age, 
'T  has  ruin'd  all  our  Plots  upon  the  Stage; 
Suspicions,  New  Elections,  Jealousies, 
Fresh  Informations,  New  Discoveries, 
Do  so  employ  the  busy  fearful  Town, 
Our  honest  CaUing  there  is  useless  grown: 
Each  Fool  tums  Politician  now,  and  wears 
A  formal  Face,  and  talks  of  State-aifairs; 
Makes  Acts,  Decrees,  and  a  new  Model  draws 
For  Regulation  both  of  Church  and  Laws; 
Tires  out  his  empty  Noddle  to  invent 
What  Rule  and  Method's  best  in  GoTemment: 
But  Wit,  as  if  't  were  Jesuitical, 
Is  an  Abomination  to  ye  all. 


1)  To  the  Lovely  V^Titty  Astraea,  on  her  ExceUent  Poems;  in  den 
Poems  von  1684;  der  Verfasser  des  gedieh ts  nennt  sich  nicht. 
»)  Prolog  zu  The  Feign'd  Curtezans,  works  n,  p.  264. 


104  P.  SIEGEL, 

Die  dinge  nahmen  aber  schliesslich  eine  günstige  wendung 
für  die  tories.  Die  whigs  wurden  unterdrückt  und  verfolgt. 
Diese  gestaltung  der  dinge  spiegelt  sich  deutlich  in  der  gleich- 
zeitigen litteratur  wieder,  besonders  in  der  dramatischen,  für 
die  man  wieder  mehr  interesse  zu  zeigen  begann,  wenn  auch 
nie  wieder  in  dem  hohen  masse  wie  vorher.  Die  toryistisch 
gesinnten  dichter  fanden  jetzt  günstige  gelegenheit,  dem  hof 
ihre  treue  anhänglichkeit  zu  beweisen.  Auch  Aphra  Behn 
schrieb  drei  lustspiele  im  dienste  der  „Royal  Cause",  nämlich 
„The  City  Heiress,  or,  Sir  Timothy  Treat-all",  0  „The  Round- 
heads,  or,  the  Good  Old  Cause"  2)  und  „The  False  Count,  or, 
A  new  way  to  play  an  Old  Game".  3)  Alle  drei  stücke  er- 
schienen 1682;  das  letzte  hatte  sie  in  fünf  tagen  verfasst.^) 
In  diesen  lustspielen  schleudert  Aphra  Behn  ihren  ganzen 
spott  und  höhn  auf  die  whigs.  Die  männer  sind  feig,  be- 
schränkt, heuchlerisch  und  lüstern,  ilire  frauen  ebenso  heuch- 
lerisch und  betrügerisch;  sie  betrügen  mit  den  kavalieren, 
d.  h.  den  anhängem  des  königtums,  ihre  männer.  Die  kava- 
liere  dagegen  sind  ebenso  tapfer  wie  witzig,  galant  und  ritter- 
lich, der  Sache  des  königs  treu  ergeben.  Aphra  Behn  lässt 
sich  dabei  die  gelegenheit  nicht  entgehen,  das  lob  ihres  königs 
zu  singen,  ohne  sonderlich  auf  die  Situation  rücksicht  zu 
nehmen.  Bezeichnend  dafür  ist  eine  stelle  in  der  zweiten 
scene  des  vierten  aktes  von  The  Eoundheads.  Loveless,  ein 
„kavalier",  befindet  sich  beim  zärtlichen  rendez-vous  mit  Lady 
Lambert*')  in  deren  zimmer.  Da  sieht  er  auf  einem  tische 
die  königlichen  insignien  liegen,  die  ihn  zu  einer  begeisterten 
rede  hini'eissen : «) 

Hah-a  Crown  and  Scepterl 

Have  I  been  all  this  while 

So  near  the  sacred  Relicks  of  my  King, 

And  foxind  no  awful  Motion  in  my  Blood, 

Nothing  that  mov'd  sacred  Devotion  in  me? 

—  Hail  sacred  Emblem  of  great  Majesty, 

Thou  that  has  circled  more  Divinity 

Than  the  great  Zodiack  that  surrounds  the  World. 

I  ne'er  was  blest  with  sight  of  thee  tiU  now, 


»)  Works  n,  p.  3  ff.        «)  Works  I,  p.  284  ff.        »)  Works  lü,  p.  88. 
*)  Epilog,  Works  HI,  p.  162:  'T  is  a  slight  Farce,  five  Days  brought 
forth. 

^)  Die  gemahlin  des  puritanergenerals  Lambert.     ')  Works  I,  p.  338. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  105 

But  in  mach  reverenc'd  Pictures  —  [Rises  and  bows]. 

There's  such  Divinity  i'  th'  very  Form  on  *t, 

Had  I  been  conscious  I  'd  been  near  the  Temple, 

Where  this  bright  Relick  of  the  glorious  Martyr  (Karl  I.) 

Had  been  enshrin'd,  't  had  spoil'd  my  soft  Devotion. 

—  'T  is  Sacrilege  to  dally  where  it  is; 

A  rüde,  a  saucy  Treason  to  approach  it 

With  an  uubended  knee:  for  Heav'ns  sake,  Madam, 

Let  US  not  be  profane  in  oor  Delights, 

Either  withdraw,  or  hide  that  glorious  Object. 

Das  lustspiel,  das  voll  ist  von  lasciven  scenen,  schliesst 
mit  den  frommen  Worten:^) 

Then  let  's  all  home,  and  to  the  Powers  Divine 
Pray  for  the  King,  and  aU  the  sacred  Line. 

Mit  den  letztgenannten  lustspielen  findet  die  dramatische 
thätigkeit  Aphra  Behns  einen  vorläufigen  abschluss.  Die 
gründe  dafür  lagen,  wie  wir  schon  gezeigt  haben,  in  den  zeit- 
verhältnissen.  Es  trat  eine  allgemeine  reaktion  nach  der 
einseitigen  betonung  des  dramas  ein,  über  die  nicht  nur  Aphra 
Behn ,  sondern  auch  andere  dichter ,  z.  b.  Dryden ,  klagen.  2) 
Durch  den  mangel  an  teilnähme  der  leute  an  dem  theater 
wurde  Aphra  Behn  gezwungen,  ihren  unterhalt  durch  arbeiten 
auf  andern  litterarischen  gebieten  zu  erwerben.  Sie  wandte 
sich  der  lyrik  und  novellistik  zu.  Die  zeit  zu  beginn  der 
achtziger  Jahre  muss  für  unsere  Schriftstellerin  sehr  ernst  ge- 
wesen sein.  Ausser  den  klagen  in  den  prologen  und  epilogen 
über  mehr  materielle  sorgen  scheinen  sie  auch  traurige  ge- 
mütsstimmungen  verstimmt  zu  haben,  wie  ein  gedieht,  betitelt 
„To  Mrs.  W.  On  her  Excellent  Verses  (Writ  in  Fraise  of  some 
I  had  made  on  the  Earl  of  Kochester).  *^)  Written  in  a  Fit 
of  Sickness",  bezeugt.  Da  der  tod  des  grafen  Rochester  in  das 
jähr  1680  fällt,  so  muss  das  gedieht  in  dem  genannten  jähre 
oder  darauf  entstanden  sein.  Vielleicht  bewog  Aphra  Behn 
das  Schicksal  Rochesters,  der  im  schönsten  mannesalter  den 
folgen   eines    ausschweifenden    lebens   erlegen   war,    zu   den 

')  Works  I,  p.  359. 

')  In  dem  prolog  zu  dem  hehnschen  lastspiel  The  Widow  Ranter, 
works  IV,  p.  106. 

')  Diese  verse,  woranf  A.  B.  hier  anspielt,  stehen  in  The  Poetical 
W^orks  of  the  Earls  of  Rochester,  Roscomon  etc.,  p.  LXVI,  und  sind  ttber- 
schriehen  On  the  Death  of  the  Earl  of  Rochester.    By  Mrs.  A.  Behn. 


106  P.  SIEGEL, 

ernsten  gedanken  und  melancholischen  betrachtungen ,  die  in 
dem  gedieht  enthalten  sind.  Daraus  spricht  ein  gefühl  der 
einsamkeit  und  trauer,  das  in  grellem  gegensatz  zu  der  fri- 
volen laune  der  lustspiele  steht.  0 

Im  jähre  1683  sammelte  Aphra  Behn  ihre  gedichte  und 
gab  sie  ein  jähr  darauf  heraus  unter  dem  titel:  „Poems  upon 
Several  Occasions",  1684.  In  demselben  jähre  veröffentlichte 
sie  auch  ihre  erste  novelle:  „The  Adventure  of  the  Black 
Lady".  2)  In  den  nächsten  jähren  folgten  nun  noch  andere 
gedichte,  erzählungen  und  Übersetzungen;  zunächst  1685  eine 
zweite  Sammlung  von  gedichten  verschiedener  autoren,  u.  a. 
von  Sir  George  Etherege,  Henry  Crisp,  Aphra  Behn  selbst  etc.  3) 
Den  tod  Karls  II.  beklagte  die  Schriftstellerin  in  einem  Pin- 
darick  Poem.  ^)  —  Auf  Karl  II.  folgte  sein  bruder  Jakob  (11.), 
der  herzog  von  York.  Die  toryistisch  gesinnten  dichter  hofften, 
dass  der  neue  fürst  die  erwartungen,  die  man  in  bezug  auf 
die  Unterstützung  der  kunst  und  ihrer  jünger  von  Karl  11. 
vergebens  gehegt  hatte ,  erfüllen  würde.  Auch  A.  Behn  ver- 
suchte noch  einmal  ihr  glück  und  veröffentlichte  zwei  lust- 
spiele :  „The  Emperor  of  the  Moon"  *)  und  „The  Lucky  Chance, 
or,  an  Alderman's  Bargain",*)  beide  1687  gedruckt.  Von 
Interesse  ist  der  epilog  zu  dem  ersten  stück.  In  demselben 
klagt  die  dichterin  wieder  über  die  geringe  anteilnahme  und 
Unterstützung  von  selten  des  publikums,  dem  nichts  recht  zu 
machen  sei,  und  wendet  sich  dann  an  den  könig;') 

Look  back  on  flourishing  Rome,  je  proud  Ingrates, 
And  see  how  she  her  thriving  Poets  treats: 
Wisely  she  priz'd  'em  at  the  noblest  Rate, 
As  necessary  Ministers  of  the  State, 
And  Contributions  rais'd  to  make  'em  great. 
They  from  the  publick  Rank  she  did  maintain, 
And  freed  from  Want,  they  only  writ  for  Fame. 
Not  Rome  in  all  her  happiest  Pomp  cou'd  show 
A  greater  Caesar  than  we  boast  of  now; 
Augustus  reigns,  but  Poets  still  are  low. 
May  Caesar  live,  and  while  his  mighty  Hand 
Is  scattering  Plenty  over  all  the  Land; 
With  God-like  Bounty  recompensing  all, 


»)  Das  gedieht  steht  in  Poems  von  1684,  p.  57.       *)  E.  Gosse,  a,  a.  o. 

3)  Biogr.  Brit.  sub  Behn.        *)  E.  Gosse,  a.  a.  o. 

^)  Works  IV,  p.  189  ff.     «)  Works  IH,  p.  164  ff.     ')  Works  IV,  p.  256. 


APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PB08A WERKE.  107 

Some  fruitfnl  drops  may  on  the  Moses  fall; 
Since  honest  Pens  do  his  just  cause  aiford 
Equal  Advantage  with  the  useful  Sword. 

Auch  in  dem  prolog»)  des  anderen  lustspiels  begegnen 
uns  die  bekannten  klagen.  Diese  anspielungen  beweisen,  dass 
der  versuch  zu  einer  neuen  dramatischen  thätigkeit  bei  Aphra 
Behn  nicht  mit  erfolg  gekrönt  war.  Die  Schriftstellerin  ver- 
öffentlichte denn  auch  keine  dramen  mehr,  sondern  sie  schrieb 
prosaerzählungen  und  Übersetzungen.  Im  jähre  1688  erschienen 
die  beiden  besten  prosawerke  Aphra  Behns,  „The  History  of 
the  Royal  Slave  (Oroonoko)"  und  „The  Fair  Jilt";  ein  jähr 
darauf  zwei  kleinere  novellen,  „The  History  of  the  Nun,  or, 
the  Fair  Vow-breaker"  und  „The  Lucky  Mistake".^)  Diese 
Veröffentlichungen  waren  die  letzten  litterarischen  thaten 
Aphra  Behns.  Am  16.  April  des  Jahres  1689  setzte  der  tod 
der  unermüdlichen  thätigkeit  der  Schriftstellerin  ein  ende.  3) 
Aphra  Behn  \^nirde  in  der  Westminster- Abtei  beigesetzt.*) 
Auf  dem  schwarzen  marmorstein  über  ihrem  grabe  findet  sich 
folgende  Inschrift:*) 

Mrs.  Aphra  Behn  clied  Aprill  the  /6,  1689. 
Here  lies  a  proof  that  wit  ean  never  he 
Defence  enough  against  mortolity. 
Great  Poetess,  0  thy  stupendous  lays 
The  tcorld  admires,  and  the  Muses  praise. 
lievived  hy  Thonms  Waine  in  respect  to  so  bright  a  genious. 

Nach  ihrem  tode  wurden  noch  zwei  unveröffentlichte 
dramen  herausgegeben:  „The  Widow  Kanter,  published  by 
one  G.  J.  her  Friend",^)  wozu  Dryden  einen  prolog  dichtete, 
und  „The  Younger  Brother"  mit  einem  prolog  „by  an  un- 
known  Hand".") 

Der  Vollständigkeit  halber  müssen  hier  noch  die  Über- 
setzungen, resp.  bearbeitungen  Aphra  Behns  genannt  werden. 

0  Works  III,  p.  164. 

*)  Langbaine,  a.  a.  o. ;  the  Fair  Vow-breaker  ist  uns  leider  nicht  er- 
halten ;  ebenso  habe  ich  nichts  über  die  Love  Letters  between  a  Nobleman 
and  his  Sister,  in  three  Volumes,  London  1684,  die  Langbaine  als  ein  werk 
A.  B.s  anfuhrt,  erfahren  können. 

»)  L.  and  M.,  p.  72:  ...  her  Death,  occasion'd  by  an  unskilful  Ph^'sician. 

*)  Ebenda.        *)  Biogr.  Brit.        »»)  Works  IV,  p.  106  flf. 

')  Works  IV,  p.  341  ff. 


108  P.  SIEGEL, 

Im  jähre  1680  lieferte  die  dichterin  einen  beitrag  zu  dem 
werke  „Ovid's  Epistles,  translated  by  several  Hands,  with  the 
Addition  of  three  Epistles  etc.,  London  1680."')  Von  Aphra 
Beim  stammt  das  gedieht  „A  Paraphrase  on  Ovid's  Epistle 
of  Oenone  to  Paris",  das  sie  in  die  Sammlung  ihrer  gedichte 
von  1684  aufgenommen  hat.  In  dieser  Sammlung  steht  auch 
die  bearbeitung  eines  französischen  Werkes,  welches  heisst: 
„Le  voyage  de  Tisle  de  l'amour,  k  Licidas;  par  Paul  Talle- 
mant,  Paris  1663,  zweiter  teil  1664."*)  In  diesem  werke  be- 
richtet Lisander  an  seinen  freund  Licidas  von  seiner  reise 
nach  der  insel  der  liebe  und  von  seinen  erlebnissen  auf  der- 
selben. Die  Schrift  ist  eine  gekünstelte  allegorie  in  preziösem 
Stil,  die  an  abgeschmacktheiten  wie  die  carte  de  tendre  des 
fi'äulein  von  Scuderi  erinnert;  sie  ist  teils  in  prosa,  teils  in 
Versen  abgefasst.  Aphra  Behn  hat  in  ihrer  Übersetzung  auch 
die  prosa  in  verse  verwandelt  und  hier  und  da  erweitert,  ohne 
aber  etwas  neues  hinzuzubringen.  Dieser  Übertragung  folgt 
1686  eine  ähnliche  bearbeitung  eines  anderen  preziösen  fran- 
zösischen Werkes,  betitelt  „La  Montre;  par  Monsieur  de  Bonne- 
corse;  k  Cologne,  1666;  seconde  partie,  contenant  La  Boäte, 
et  Le  Miroir,  k  Paris  1671."  Es  ist  gleichfalls  in  einer 
mischung  von  prosa  und  versen  abgefasst.  Aphra  Behn  hat 
hier  die  prosa  nicht  in  verse  gebracht,  aber  die  verse  vielfach 
wieder  erweitert,  sodass  man  das  ganze  eher  als  eine  be^ir- 
beitung  als  eine  Übersetzung  ansehen  kann.  ^)  Die  Übertragung 
des  zweiten  teiles  durch  Aphra  Behn  erschien  erst  1697.'*) 

^lit  den  beiden  erzählungen  „Oroonoko"  und  „The  Fair 
Jilt"  veröffentlichte  Aphra  Beim  eine  novelle  „The  History 
of  Agnes  des  Castro".^)     Die  Schriftstellerin  giebt  sie  selbst 


^)  Lowndes,  a.  a.  o.  III,  p.  1746. 

'•')  Siehe  auch  Recueil  de  qnelqnea  pieces  nouvelles  et  galantes,  Paris 
1684  und  1685,  vol.  I  u.  II  (nicht  II  u.  III,  wie  Langbaine  angiebt). 

^)  Nach  meiner  ansieht  ist  die  ausführliche  besprechung,  die  Besame 
diesem  werke  in  seinem  schon  erwähnten  buche  zuteil  werden  lässt,  nicht 
am  rechten  ort;  denn  es  ist  ein  französisches  werk,  gehört  also  in  eine 
französische  litteratnrgeschichte ;  nicht  der  englischen  dichterin,  sondern 
dem  französischen  antor  sind  die  „albemheiten^  und  „abgeschmacktheiten*' 
vorzuwerfen;  allerdings  heisst  sie  Aphra  B.  auch  gut,  indem  sie  sie  übersetzt. 

«)  Beide  teile  finden  sich  in  Works  VI,  p.  73  ff. 

»)  Works  VI,  p.  lit 


APHRA  B£HNS  GEDICHTE  UND  PBOSAWERKE.  109 

als  ihr  werk  aus,  und  man  hielt  dieselbe  auch  immer  für  ein 
selbständiges  werk  Aphra  Behns.  Allein  es  ist  nichts  weiter 
als  eine  wörtliche  Übersetzung  der  französischen  novelle  „Agnes 
de  Casto,  Nouvelle  Portugaise ;  par  M^^''  ******  (j  g  ^e  Brilhac) ; 
ä  Amsterdam,  1688."  Eine  andere  Übersetzung  aus  dem  Fran- 
zösischen, „Lycidas,  or,  the  Lover  in  Fashion,  1688",  9  ist  uns 
nicht  erhalten.  Ebenso  war  es  unmöglich,  drei  andere  Über- 
setzungen ausfindig  zu  machen,  nämlich  „Eocliefoucaulds  R6- 
flexions  morales"  unter  dem  titel  „Seneca  Unmasked",  2)  „Fon- 
tenelles  Entretiens  sur  la  pluralit6s  des  mondes,  1688"  3)  und 
endlich  „The  History  of  Oracles  des  Holländers  Van  Dale, 
1699",*)  jedenfalls  nach  der  französischen  Übertragung  von 
Fontenelle,  die  1687  erschien.^)  Endlich  ist  noch  zu  erwähnen, 
dass  Aphra  Behn  ein  lateinisches  werk  des  englischen  dichters 
Cowley  übersetzte,  und  zwar  das  sechste  buch  von  Cowleys 
werk  „Of  Plauts".») 

IIL    Aphra  Behns  gedichte. 

Die  gedichte  Aphra  Behns  ragen  zwar  nicht  über  die- 
jenigen der  Zeitgenossen  hervor,  allein  sie  bilden  doch  einen 
charakteristischen  teil  des  poetischen  Schaffens  der  Schrift- 
stellerin, sodass  es  geboten  erscheint,  dieselben  in  den  kreis 
unserer  betrachtung  zu  ziehen. 

Aphra  Behn  gab  ihre  gedichte  1684  heraus;  ausserdem 
finden  sich  einige  in  der  1685  veröffentlichten  anthologie,  wie 
wir  oben  gesehen  haben. '^)  Die  folgende  betrachtung  stützt 
sich  auf  die  wichtigste  ausgäbe  vom  jähre  1684.*)     Die  ge- 

0  Laugbaine,  a.  a.  o.        ')  Biogr.  Brit.        »)  Biogr.  Brit. 

*)  Sharp,  a.  a.  o.        ^)  Höfer,  a.  a.  o.  XVin,  p.  120. 

*)  The  Poetical  Works  of  Abraham  Cowley.  In  Fonr  Volum  es.  Edin- 
burg.  Anno  1777.  Vol.  IV,  p.  5ff.:  Of  Plants.  Book  VI:  Of  Trees.  Trans- 
lated  by  Mw.  A.  Behn.  Es  ist  jedenfalls  dieselbe  Übersetzung,  die  Hazlitt 
verzeichnet ;  cf.  Carew  Hazlitt,  Collections  and  Notes.  1867—1870.  London 
1876.  p.  106,  sub  Cowley :  A  Translation  of  the  Sixth  Book  of  Mr.  Cowley's 
Plantamm.  Being  a  Poem  upon  the  late  Rebellion,  the  Happy  Kestoration 
of  his  Sacred  Majesty,  and  the  Dutch  War  Ensuing  . . .    London  1680. 

^  p.  106.  Gerade  in  bezug  auf  die  gedichte  macht  sich  der  mangel 
an  zugänglichen  ausgaben  unliebsam  geltend;  die  Originalausgaben  sind 
schwer  erreichbar,  und  in  die  „Works"  sind  die  gedichte  leider  nicht  auf- 
genommen; die  ausgäbe  von  1685  ist  mir  nicht  zugängUch  gewesen. 

0)  Abgekürzt  »PoemB  168^". 


110  P.  SIEGEL, 

dichte  sind  gewidmet  „to  the  Right  Honourable,  James,  Earl 
of  Salisbury,  Viscount  Cramborn,  and  Baron  of  Islington-O 
Abgeschlossen  muss  die  Sammlung  schon  1683  gewesen  sein, 
denn  ein  lobgedicht  auf  Aphra  Behn,  das  mit  noch  mehreren 
anderen  den  Poems  1684  voransteht,  ist  datiert  vom  25.  No- 
vember 1683.2)  Die  entstehung  der  einzelnen  gedichte  er- 
streckt sich  über  eine  reihe  von  jähren.  Als  sicher  können 
wir  feststellen,  dass  Aphra  Behn  schon  vor  1671  verse  ge- 
schrieben hat,  denn  schon  in  ihrem  ersten  drama  findet  sich 
eins  ihrer  besten  gedichte.  3)  Auch  in  den  meisten  anderen 
dramen  sind  gedichte  eingestreut,  wovon  mehrere  in  die  Poems 
1684  aufgenommen  sind. 

Die  dichterin  scheint  ursprünglich  nicht  die  absieht  gehabt 
zu  haben,  ihre  gedichte  zu  veröffentlichen.  Dafür  spricht 
einmal  die  geringe  anzahl  derselben,  noch  mehr  aber  eine 
äusserung  in  dem  Epistle  Dedicatory,  welche  lautet:  „Be 
pleased  then,  my  Lord,  to  accept  this  Little  Piece,  which  lazy 
Minutes  begot  and  hard  Fate  has  oblig'd  me  to  bring  forth 
into  the  censuring  World."  Was  wir  unter  dem  „hard  Fate", 
das  sie  zur  Veröffentlichung  der  gedichte  zwang,  zu  verstehen 
haben,  lässt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  vermuten.  Wir  haben 
oben  (p.  106 f.)  gesehen,  dass  die  dramatische  thätigkeit  eine 
beschränkung  erlitten  hatte.  Dies  musste  für  Aphra  Behn 
auch  eine  pekuniäre  einbusse  bedeuten,  die  sich  wohl  um  so 
fühlbarer  machte,  als  die  dichterin  von  einer  krankheit  heim- 
gesucht worden  war.  Durch  die  herausgäbe  der  gedichte 
wollte  sie  jedenfalls  ihrer  pekuniären  läge  aufhelfen. 

Die  angeführte  stelle  aus  dem  Epistle  Dedicatory  deutet 
auch  an,  wie  und  zu  welchem  zwecke  die  gedichte  entstanden. 
Abgesehen  werden  muss  hierbei  von  den  liedem,  die  schon 
deshalb,  weil  sie  in  dramen  stehen,  für  die  öffentlichkeit  be- 

*)  Cecil,  James,  fourth  Earl  of  Salisbury,  gestorben  1693 ;  et  D.  N.  B. 
IX,  p.  397. 

*)  To  Mrs.  Behn,  On  the  Publishing  her  Poems;  by  J.  Cooper. 

')  Love  Arm'd,  Poems  1684,  p.  45.  Dasselbe  gedieht  steht  auch  in 
Chambers's  Cyclopaedia  etc.  I,  p.  325 ;  femer,  ohne  nennung  der  Verfasserin, 
in  The  Loyal  Garland:  A  Collection  of  Songs  of  the  Seyenteenth  Century, 
Beprinted  from  a  Black-Letter  Copy  Supposed  to  be  Unique.  £d.  by  J.  0. 
Htdliwell.  London  1850,  Percy  Society.  Vol.  XXIX,  p.  7  unter  dem  titel: 
Tyrannick  Love,  or,  The  Cruel  Mistress. 


APHRA  BEHKS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  111 

stimmt  waren;  sie  sollten  zur  belebung  der  theaterstücke  dienen. 
Dies  gilt  aber  durchaus  nicht  von  der  hauptmasse  der  Poems 
1684.  Aphra  Behns  hauptsächlichste  dichterische  thätigkeit 
bewegte  sich  zunächst  auf  dem  gebiete  der  dramatischen  kunst. 
Die  gedichte  sind  nur  nebenbei  entstanden ;  sie  sind  erzeugnisse 
müssiger  stunden  (of  lazy  hours),  kleinigkeiten  (little  pieces), 
die  für  einen  intimen  kreis  bestimmt  waren.  Das  versemachen 
gehörte  in  den  feinen  kreisen  zum  guten  ton;  es  war  ein  ge- 
sellschaftliches Unterhaltungsspiel,  dem  sich  niemand,  der  für 
einen  Schöngeist  („Wit")  gelten  wollte,  entziehen  durfte,  und 
bei  dem  man  sich  gegenseitig  mit  Schmeicheleien  bekompli- 
mentierte oder  seine  fingierte  liebespein  klagte.  Aphra  Behn 
hat  sicher  einer  der  schöngeistigen,  galanten  salongesellschaften, 
der  sogenannten  coteries,  die  man  nach  französischem  muster 
einrichtete,  angehört.  Sie  selbst  giebt  in  einem  gedieht  „Our 
Cabal"  •)  galante  beschreibungen ,  ähnlich  den  bekannten 
porträts,  der  einzelnen  mitglieder,  natürlich  unter  namen,  die 
man  sich  nach  berühmten  romangestalten  beilegte.  2)  Diese 
namen  kehren  fast  alle  in  den  einzelnen  gedichten  wieder, 
sodass  wir  sehr  wohl  annehmen  können,  dass  letztere  für  einen 
bestimmten  kreis  geschineben  waren.  Diese  gesellschafts-  oder 
salonpoesie,  wie  wir  die  gedichte  Aphra  Behns  bezeichnen 
können,  hat  die  englische  litteratur  aus  Frankreich  über- 
nommen. Es  ist  die  galante  poesie,  unter  deren  einfluss  die 
bedeutendsten  dichter  der  restaui'ationszeit ,  Dryden,  Waller, 
Philips,  etc.,  standen. 

Der  stoffkreis,  in  dem  sich  diese  gedichte  bewegen,  ist 
kein  grosser.  Die  liebe,  wie  sie  in  einer  äusserlich  galanten 
und  gezierten,  innerlich  frivolen  und  lüsternen  gesellschaft 
hen-scht  mit  ihrer  lust  und  ihrem  schmerz,  ist  zum  grössten 
teil  der  anlass  und  inhalt  der  gedichte  Aphra  Behns.  Sie  sind 
nach  der  sitte  der  zeit  in  das  gewand  schäferlicher  idylle 
gekleidet,  wodurch  sie  von  vornherein  etwas  geziertes,  un- 
natürliches für  uns  erhalten.  —  Gehen  wir  etwas  näher  auf 
den  inhalt  ein.  An  der  spitze  der  Sammlung  steht  eine  lang- 
atmige ode,  die  uns  in  das  milieu  einführt,  in  welchem  sich 


»)  Poems  1684,  p.  33. 

*)  Z.  b.  Alexis,  Dämon,  Amoret,  Thyrsis,  Amyntas,  PhUocless,  PhiUis, 
Lysidas,  Philander  etc. 


112  P.  SIEGEL, 

die  meisten  gedichte  bewegen;  sie  ist  betitelt:  „The  Golden 
Age.  A  Paraphrase  on  a  Translation  out  of  French."  Ein 
ewiger  frühling  mit  wolkenlosem,  lachendem  himmel  und  immer- 
blühenden, duftenden  bluraen  in  stillen  hainen  heiTSchte  einst 
auf  der  erde.  An  den  ufern  der  murmelnden  flüsse  lagen 
noch  nicht  liebekranke  schäfer  und  nymphen,  um  die  pein 
unglücklicher  liebe  zu  bejammern.  Junge  zephire  fächelten 
sich  sanfte  lüfte  zu.  Die  bewohner  der  schattigen  haine 
konnten  sich  ungestört  dem  zarten  spiel  der  liebe  und  dem 
genusse  sanfter  musik  hingeben.  Die  rauhen  töne  des  kriegs 
erschreckten  die  weit  nicht.  TjTannische  könige  erliessen 
keine  gesetze,  um  sie  selbst  zu  brechen,  und  keine  götter 
narrten  die  erdbewohner  mit  religionen.  0  Jeder  war  sein 
eigner  herr;  die  Unschuld  war  religion  und  gesetz.  Recht 
und  eigentum  waren  unbekannte  begriffe ;  das  gut  gehörte  der 
gemeinschaft.  Ehi-geiz,  stolz,  ruhmsucht  und  alle  die  anderen 
leidenschaften  des  menschlichen  herzens  streuten  ihr  gift  noch 
nicht  aus.  Vor  allem  aber  war  es  eine  goldene  zeit  der  liebe, 
denn  diese  war  frei  und  noch  nicht  an  strenge,  eheliche  ge- 
setze gebunden,  die  erst  von  gelehrten,  langweiligen  narren 
erfunden  wurden.  Die  ausführung  des  letzteren  gedankens 
nimmt  in  bezeichnender  weise  über  die  hälfte  des  gedichtes 
in  anspruch.  Gleich  das  nächste  gedieht,  „A  Bailad  on  Mr. 
J.  H.  to  Amoret,  asking  why  I  was  so  sad",  2)  handelt  von  der 
liebe  der  modernen  zeit.  Astrea  {=  A.  B.)  ist  so  traurig,  dass 
ihre  freundin  Amoret  sie  nach  der  Ursache  ihres  kummers 
fragt.  Da  erzählt  ihr  Astrea,  wie  sie  bei  einem  tanzfest  im 
schatten  des  haines  den  liirten  Amyntas  gesehen  hat.  Er 
wandelte  wie  der  herr  des  Maies  unter  den  hirtinnen  und 
hirten,  die  ihre  herden  auf  dem  plane  weideten.  Sein  herr- 
licher körper  war  geschmückt  mit  feinen  kleidern,  auf  deren 
ärmeln  rote  liebesbänder  gestickt  waren.  An  der  seite 
hing  ihm  eine  silberne  brieftasche.  Das  schönste  und  ge- 
fährlichste an  ihm  aber  waren  seine  äugen,  mit  denen  er 
die  herzen  aller  nymphen  verwundete.  Dabei  konnte  er 
sich  vei-stellen,  um  daduixh  nur  desto  sicherer  sein  ziel  zu 
erreichen : 


^)  The  Gods  by  teaching  us  Eeligion  first,  first  set  the  World  at  odds. 
«)  Poems  1684,  p.  29. 


APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  113 

He  well  con'd  feign  an  Innocence, 
And  taught  his  Silence  Eloquence; 
Each  Smile  he  us'd,  had  got  the  force, 
To  conquer  more  than  soft  Discourse: 
Which  when  it  serv'd  his  Ends  he'd  use, 
And  subtily  thro*  a  heart  infose. 

Ueber  alles  erhaben  aber  war  sein  witz,  mit  dem  er  alles 
durchschaute  und  vor  dem  keine  einwürfe  gegen  die  liebe 
bestehen  konnten.  Mit  allen  diesen  reizen  begegnete  Amyntas 
den  verliebten  hirtinnen.  Und  wie  die  hirtenflöte  ihr  spiel 
begann  und  der  liebliche  schäfer  Astrea  zum  tanz  aufforderte, 
da  bemühte  sie  sich  vergebens,  ihr  herz  seinen  zärtlichen 
Seufzern  und  flehenden  äugen  zu  verschliessen :  Ehe  die  ein- 
tretende nacht  der  lustbarkeit  ein  ende  bereitete,  war  Astrea 
gänzlich  „verloren  und  gewonnen".  Und  nun  ist  sie  melan- 
cholisch und  traurig,  und  sie  warnt  Amoret  vor  den  unwider- 
stehlichen reizen  des  eroberers  Amyntas.  —  Doch  es  bleibt 
nicht  immer  nur  bei  einer  traurigen  gemütsstimmung ;  die 
Wirkungen  der  allgewaltigen  liebe  sind  meist  tragischer.  So 
legt  sich  Amyntas  an  das  ufer  eines  flusses  und  klagt  den 
mitleidigen  fluten  sein  schweres  leid:*)  Die  reizende  falsche 
Sylvia  wendet  anderen  ihr  lächeln  und  ihre  küsse  zu,  die  sie 
ihm  schuldig  ist,  und  achtet  nicht  seines  Schmerzes.  Das  echo 
selbst  hat  mehr  mitgefühl  mit  seinem  kummer,  denn  es  wieder- 
holt seine  klagerufe.  Ein  andermal  liegt  der  schäfer  wieder 
am  flussufer,  wo  er  eine  solche  menge  thränen  über  Sylvia's 
„cold  Disdain"  vergiesst,  dass  die  fluten  anschwellen.  2)  Er 
ruft  die  schatten  des  haines  zu  zeugen  ihrer  falschen  schwüre 
an,  die  sie  mit  demselben  atem  gesprochen,  mit  dem  sie  jetzt 
sein  todesurteil  ausspricht  —  denn  nur  der  tod  kann  solch 
schreckliche  liebesschmerzen  enden.  Ehe  der  hirte  aber  stirbt, 
prophezeit  er  Sylvia  fürchterliche  räche:  Zerbrechen  wird  er 
sein  grab  und  der  untreuen  zur  mitternacht  als  geist  mit 
blutender  brüst,  den  wunden  der  liebe,  erscheinen.  —  Natürlich 
beklagt  auch  umgekehrt  die  hirtin  oder  nymphe  sich  über  den 
grausamen  schäfer.  Die  arme  Serena  sitzt  ebenfalls  am  fluss- 
ufer und  betrauert  ihr  hartes  Schicksal.  ^)    Ihr  kummer  ist  zu 

>)  Song.    The  Complaint.    Poems  1684,  p.  46. 
>)  Song.    To  Pesibles  Tiine.    Poems  1684,  p.  86. 
•)  The  Reflection.    A  Song.    Poems  1684,  p.  83. 

AnglU.    N.F.    ZUI.  8 


114  P.  SIEGEL, 

gross,  als  dass  er  sich  in  einer  flut  von  seufzem  und  stammen 
thränen  auflösen  könnte ;  „she  must  speak  or  dye".  Die  dich- 
terin  lässt  nun  Serena  sich  ihres  Schicksals  erinnern :  Sie  muss 
denken  an  alle  die  mittel  —  die  sanften  reize  der  beredsam- 
keit,  die  blicke  der  äugen,  die  eine  stille  spräche  der  liebe 
redeten,  die  Schmeicheleien,  an  denen  ihre  lauschende  seele 
hing,  die  geschenke,  die  lieder,  der  geist  —  mit  denen  der 
untreue  schäfer  ihre  kalt«  Zurückhaltung  und  die  scheue  Un- 
schuld ihrer  seele  überwand.  Doch  je  mehr  sie  ihm  gab,  je 
mehr  er  die  entzündeten  flammen  in  ihr  anfachte,  um  so  kälter 
ward  seine  glut,  bis  er  ihr  die  treue  brach.  —  Auch  den 
schmerz  des  abschieds  kleidet  Aphra  Beim  in  witzige  verse. 
Jemray,  der  lustigste  und  lieblichste  schäfer,  mit  dem  sie  oft 
auf  der  weide  getändelt  hat,  vertauschte  seinen  hirtenstab  mit 
dem  Schwert  und  liess  seine  nymphe  einsam  und  trauernd 
zurück. »)  Allerdings  scheint  Jemmy  in  seinen  ehrgeizigen 
planen  herbe  enttäuschung  erlitten  zu  haben,  denn  in  einem 
andern  gedieht'^)  beklagt  er  es  bitter,  dass  er  die  idyllische 
ruhe  seines  schäferlebens  aufgegeben  habe,  und  warnend  ruft 
er  seinen  jugendgenossen  zu: 

Ye  noble  Youths  beware, 
Shun  ambitious  powerful  Tales: 
Distnictive,  false  and  fair, 
Like  the  Ocean's  iiattering  gales, 
Like  blasted  Flowers  i*  th*  Spring. 

Ein  beliebtes  thema  der  gedichte  ist  auch  der  gedanke, 
dass  die  liebe  sich  nicht  ungestraft  beleidigen  lasse.  Niemand 
vermag  ihr  zu  entrinnen,  und  wer  sie  verachtet  oder  sich  ihr 
zu  entziehen  strebt,  verfällt  einem  schlimmen  geschick.  So 
glaubte  Phillis^)  berechtigt  zu  sein,  alle  huldigungen  der 
schäfer  spröde  zurückweisen  zu  können;  keine  seufzer  und 
thränen  vermochten  ihr  kaltes  herz  zu  rühren.  Da  erblickte 
sie  eines  tages  den  schäfer  Strephon,  der  im  schatten  des 
haines  schlief.  Sogleich  ergriff  ihr  herz  ein  ungewöhnlicher 
schmerz;  die  liebe  hatte  sie  verwundet;  aber  vergebens  flehte 
sie  nun  die  wälder  und  das  echo  um  linderung  ihrer  liebes- 


1)  Song.    Poems  1684,  p.  84. 

>)  Song.    To  a  new  Scotch  Time.    Poems  1684,  p.  123. 

s)  Song.    The  Sniprise.    Poems  1684,  p.  91. 


APHRA  BEHNS  OBDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  115 

qual  an.    Ebenso  erging  es  Celinda;  •)  auch  sie  verachtete  die 
liebe,  bis  sie  auf  der  weide  einen  schönen  hirt^n  sah: 

At  first  she  langht,  but  gaz'd  the  while, 
And  soon  she  lessen'd  to  a  Smile; 
Thence  to  Surprize  and  Wonder  came, 
Her  Breast  to  heav%  her  Heart  to  flame: 
Then  cry'd  she  out,  Now,  now  I  prove, 
Thou  art  a  God,  Almighty  Love. 

Während  die  bisher  besprochenen  gedichte  mit  ausnähme 
des  einen  (A  Bailad  on  Mi\  H.,  p.  112  f.)  sich  wenig  auf  die 
person  der  dichterin  selbst  beziehen,  sind  die  folgenden  sub- 
jektiver, weshalb  sie  Schlüsse  auf  galante  abenteuer  der 
autorin  zulassen.  Es  betrifft  dies  vor  allem  vier  gedichte, 
die  fast  unmittelbar  aufeinanderfolgen.  Aus  dem  ersten,  „To 
Lysander,  who  made  some  verses  on  a  Discourse  of  Loves 
Fire",2)  geht  hervor,  dass  Astrea  eine  tiefe  Zuneigung  zu 
Lysander  gefasst  hat.  Allein  eine  andere  hirtin,  Amynta,  hat 
schon  vorher  Lysanders  herz  entzündet.  Trotzdem  begehrt 
Lysander  von  Astrea  befriediguug  seiner  wünsche;  letztere 
will  jedoch  eher  sterben,  als  die  „known  and  sacred  Laws  of 
Love"  übertreten, 

For  'tis  a  Maxime  in  Love's  leamed  School, 
Who  blows  the  Fire,  the  Flame  can  only  rule. 

Aber  Lysander  lässt  sich  scheinbar  dadurch  nicht  zurück- 
schrecken, sondern  er  geht  sogar  noch  weiter,  worauf  sie  ihn 
nochmals  zurückweist  in  dem  gedieht  „To  Lysander,  on  some 
Verses  he  writ,  and  asking  more  for  his  Heart,  then  'twas 
worth.3)  Sie  beklagt  sich,  dass  er  trotz  seiner  liebesbe- 
teuerungen  schon  wieder  eine  andere,  nämlich  Adraste,  liebe, 
worüber  ihre  eif ersucht  entbrennt: 

Whilst  like  a  glimering  Taper  still  I  burn, 
And  waste  my  seif  in  my  own  Flame, 
Adraste  takes  the  welcome  rieh  Retum: 
And  leaves  me  aU  the  hopeless  Pain. 

Im  dritten  gedieht  erzählt  Astrea,  wie  sie  Lysander  bei 
einem  Musick-Meeting  *)  gesehen  hat.     Dieses  gedieht  ist  für 

*)  Love  reveng*d.    A  Song.    Poems  1684,  p.  122. 

«)  Poems  1684,  p.  101 

»)  Poems  1684,  p.  109. 

*)  To  Lysander  at  the  Musick-Meeting.    Poems  1684,  p.  118. 

8* 


116  P.  SIEGEL, 

die  ganze  art  der  beschreibuiig  und  ausmalung  charakteristisch, 
sodass  es  hier  teilweise  folgen  möge: 

I  saw  the  Softness  that  compos'd  your  Face, 

WTiile  your  Attention  heighten'd  every  Grace: 

Your  Menth  all  füll  of  Sweetness  and  Content, 

And  your  fine  killing  Eyes  of  Languishment : 

Your  Bosom  now  and  then  a  Sigh  wou*d  move, 

(For  Musick  has  the  same  Effects  with  Love.) 

Your  Body  easy  and  all  tempting  lay, 

Inspiring  Wishes  which  the  Eyes  betray, 

In  all  that  have  the  Fate  to  glance  that  way: 

A  careless  and  a  lovely  Negligence, 

Did  a  new  Oharm  to  every  Limb  dispence: 

So  look  young  Angels,  listenin^  to  the  Sound, 

When  the  tun'd  Spheres  glad  all  the  Heav'ns  around: 

So  raptur'd  lie  amidst  the  wondering  Crowd, 

so  charmingly  extended  on  a  Cloud. 

Solchen  reizen  vermochte  Astrea   nicht   zu  widerstehen, 
besonders 

Since  Hannony,  like  Fire  to  Wax,  does  fit 
The  softned  Heart  Impressions  to  admit. 

Das  vierte  liierher  gehörige  gedieht  endlich  ist  überschiieben : 
„An  Ode  to  Love". ')  Es  ist  nicht  etwa  eine  Verherrlichung 
Amors,  sondern  Lysanders.  Die  dichterin  fordert  die  liebe,  die 
stets  personifiziert  erscheint,  auf,  bogen  und  pfeile  zu  zer- 
brechen; denn  diese  nützen  doch  nichts  mehr,  seitdem  die  äugen 
Lysanders  alle  herzen  verwunden.  Ein  gott  selbst,  der  sich 
an  dem  gott  der  liebe  rächen  wollte,  hat  den  reizenden  Jüng- 
ling Lysander  in  einer  glücklichen  stunde  geschaffen  und  ihn 
mit  göttlichen  kräften  ausgestattet.  Die  dichterin  bleibt  aber 
vor  lauter  witzigen  und  geistreichen  einfallen  nicht  logisch 
in  der  fortführung  des  gedichtes.  Denn  obgleich  die  liebe 
nach  der  aufforderung  zu  anfang  des  gedichtes  noch  im  besitze 
von  bogen  und  pfeilen  sein  muss,  wird  doch  in  den  folgenden 
Strophen  erzählt,  dass  Lysander  dem  liebesgott,  als  dieser  im 
i^  schatten  der  myrte  schlief,   die  waffen   raubte.     Gerade  in 

diesem  gedieht  macht  sich  die  sucht,  möglichst  geistreich  und 
pointiert  zu  dichten,  unliebsam  bemerkbar,  indem  sie  die  klar- 
heit  stört.  Der  zweck  liegt  klar  zu  tage :  es  ist  eine  schmeich- 
lerische huldigung  füi*  den  geliebten.    Die  galanterieen  gehen 


0  Poems  1684,  p.  120. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.  117 

herüber  und  hinüber.  So  erhält  Astrea  eines  morgens,  als  sie 
noch  im  bett  liegt,  ein  huldigungsgedicht  von  Amyntas,  das 
dieser  im  träume  verfasst  hat.  Ganz  entzückt  darüber  preist 
sie  nun  ihrerseits  den  „witz"  des  galanten  Schäfers  in  über- 
schwänglichen  versen.i)  Dann  wieder  bringt  sie  einen  brief 
von  Amyntas  in  verse^)  und  schickt  ihm  eine  poetische  ant- 
wort.3)  Auch  andere  zarte  aufmerksamkeiten  ihres  Schäfers 
begeistern  Astrea  zum  dichten.  So  schreibt  sie  ein  weit- 
schweifiges gedieht  über  „eine  in  einen  liebesknoten  verschlun- 
gene haarlocke".*) 

Die  veranlassungen  und  Ursachen,  die  Aphra  Behn  zum 
dichten  begeisterten,  sind,  wie  wir  sehen,  nicht  besonders  tiefer 
art.  Es  ist  eine  gezierte,  tändelnde  poesie,  die  auf  uns  den 
eindruck  der  geschraubtheit  macht.  Aber  diese  ganz  unlyrische 
lyrik  war  die  modepoesie  zu  der  zeit  Aphra  Behns.  Waller, 
einer  der  angesehensten  dichter  jener  zeit,  auch  Dryden  haben 
gedichte  derselben  art  in  menge  geschrieben. 

Weit  schöner  als  diese  gezierten,  galanten  gedichte  muten 
uns  diejenigen  an,  die  wir  als  horazisch-anakreontische  be- 
zeichnen können.  Damit  sind  die  gedichte  gemeint,  die  einer 
sinnlich -heiteren  lebensauffassung  entspringen  und  im  Ver- 
hältnis zu  den  besprochenen  sentimentalen,  idyllisch -manie- 
rierten gedichten  natürlicher  und  frischer  erscheinen.  Sie  sind 
zwar  auch  mit  dem  schäferlichen  gewand  umgeben  —  die 
Personen  sind  auch  hirten  und  hirtinnen.,  die  Situation  bewegt 
sich  auch  in  schattigen  hainen  und  an  murmelnden  Aussen  — , 
aber  dieses  gewand  ist  hier  ganz  äusserlich.  Die  menschen 
in  diesen  gedichten  sind  lebensfroh  und  erschöpfen  sich  nicht 
in  rührseligen  klagen  oder  umständlichen,  schmeichlerischen 
huldigungen.  Der  inhalt  dieser  gedichte  variiert  meistens  den 
gedanken,  das  leben  müsse  in  der  Jugend  genossen  werden  und 
um  das  ende  dürfe  man  sich  nicht  kümmern.  Anakreon  und 
Horaz  sind  im  altertum  die  hauptvertreter  dieser  genussfrohen 
richtung  in  der  lyrischen  dichtkunst.  Beide  wurden  unter  den 
antiken  dichtem   neben  Virgil  und  Ovid  in  der  englischen 


0  On  a  Copy  of  Verses,   made  in  a  Dream,   and  sent  to  me  in  a 
Moming,  before  I  was  awake.    Poems  1684,  p.  63. 

*)  The  Sence  of  a  Letter  sent  me,  made  into  Verse.    Poems  1684,  p.  61. 
»)  The  Retiim,  Poems  1684,  p.  62.        *)  Poems  1684,  p.  77. 


118  P.  SIEGEL, 

litteratur  am  meisten  verehrt  und  nachgeahmt.  Aphra  Behn 
kannte  diese  dichter  auch;  sie  hat  selbst  gedichte  von  Horaz 
und  Ovid  übertragen,  bez.  nachgeahmt.  Ebenso  musste  ihr 
Anakreon  bekannt  sein,  wenn  auch  jedenfalls  nicht  in  der 
Ursprache,  da  Cowley,  dessen  gedichte  sie  sehr  hochschätzte, 
anakreontische  gedichte  übersetzt  hatte.  ^)  Während  nun  bei 
den  gleichzeitigen  dichtem  liebe  und  wein  in  gleichem  masse 
gefeiert  werden,  singt  unsere  dichterin  nur  den  preis  der  liebe, 
zu  deren  genuss  sie  auffordert:-) 

A  Pox  upon  this  needless  Scorn: 
Sylvia  for  Shame  the  Cheat  give  o'er: 
The  End  to  which  the  Fair  are  born, 
Is  not  to  keep  their  Charms  in  störe: 
Bat  lavishly  dispose  in  Haste 
Of  loys  which  none  but  Youth  improve; 
loys  which  decay  when  Beanty's  past; 
And  who,  when  Beauty's  past,  will  love? 

Trotzdem  die  liebe  das  grundthema  der  gedichte  Aphra 
Behns  bildet,  also  ein  echt  lyrisches,  so  fehlt  doch  dieser  poesie 
das  eigentlich  lyrische  moment,  das  echte  gefühl.  Die  auf- 
fassung  der  liebe  ist  äusserlich  und  oberflächlich,  dabei  aber 
charakteristisch  für  die  zeit.  Die  liebe  ist  kein  impulsives, 
tiefwurzelndes  gefühl  der  hingäbe,  sondern  eine  verstandes- 
mässige  tändelei,  die  nichts  mit  wahrem  gefühl  zu  thun  hat, 
trotz  des  scheinbaren  gefühlsüberschwanges.  Man  disputiert 
über  das  feuer  der  liebe,  schickt  sich  einander  schmeichlerische 
gedichte  und  erweist  sich  sonst  galante  aufmerksamkeiten,  um 
die  tiefe  seiner  neigung  zu  beweisen.  Je  äusserlicher  man  die 
liebe  auffasst,  desto  mehr  worte  werden  verschwendet,  um  sie 
zu  schildern.  Ueberall  begegnen  wir  der  Übertreibung.  *In 
überschwänglicher  Sentimentalität  jammern  die  schäfer  und 
nymphen ;  die  lüfte  sind  mit  einem  übermass  von  Seufzern  er- 
füllt. Bei  den  mädchen  rühren  uns  die  klagen  noch  eher,  und 
Aphra  Behn  findet  wohl  auch  töne,  die  wirklichen  gefühlen 
entspringen;  3)  um  so  feiger  erscheinen  die  männer  mit  ihren 
thränenfluten  und  kindischen  klagen.  Die  grosse  rührseligkeit 
ist  zum  teil  der  thatsache  zuzusclu'eiben,  dass  wir  eine  dichterin 
vor  uns  haben.    Andererseits  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  gerade 


1)  Cowley,  a.  a.  o.       »)  The  Connsel.    Poems  1684,  p.  89. 
«)  The  Reflection,  p.  113  unten. 


APHRA  BERNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       119 

die  Sentimentalität  in  den  beliebten  idealromanen ,  dann  vor 
allem  in  den  romanen  des  18.  Jahrhunderts,  ein  charakteristisches 
merkmal  ist.  Wir  werden  nicht  anzunehmen  brauchen,  dass 
es  die  unglücklich  liebenden  so  ernst  mit  ihren  erbarmungs- 
würdigen klagen  meinten  und  thatsächlich  so  schnell  in  den 
tod  eilten,  wie  man  nach  ihren  reden  annehmen  müsste.  Es 
liegt  vielmehr  darin  eine  indirekte  huldigung  der  oder  des 
geliebten ;  die  dichterin  will  in  geistreicher  weise  zeigen,  welche 
ungeheure  macht  die  liebe  besitzt,  die  die  angebetete  person 
einflösst.  Diese  schönrednerische  tendenz  steht  in  widersprach 
zu  dem  gewählten  milieu.  Man  kann  sich  kaum  einen  grösseren 
gegensatz  denken  als  denjenigen  zwischen  den  schöngeklei- 
deten, geistreichen,  in  allen  feinen  und  galanten  künsten  er- 
fahrenen „Schäfern"  und  einer  wirklich  naiven,  bedürfnislosen, 
natürlichen  hirtenweit.  Dieser  gegensatz  wirkt  um  so  greller, 
als  wir  uns  unter  den  sentimentalen,  gezierten  schäfera  und 
hirtinnen  sinnliche  genussmenschen  des  restaurationszeitalters, 
die  sich  an  den  sittenlosesten,  rohesten  komödien  ergötzten, 
zu  denken  haben.  Ihr  wahrer  Charakter  kann  sich  trotz  des 
künstlichen  gewandes  der  unschuldigen  Idylle  nicht  verleugnen. 
Auch  in  diesen  zärtlichen,  „verliebten"  gedichten  blickt  sehr 
oft  die  frivolität  hervor,  die  in  den  lustspielen  so  offen  und 
frech  ihr  haupt  erhebt.  Gerade  dui'ch  die  hülle  scheinbarer 
naivetät  müssen  die  gedichte  um  so  pikantere  wii*kung  bei 
der  feinen  leserweit  ausgeübt  haben.  Ein  beispiel  dafür  haben 
wir  schon  oben  kennen  gelernt.  >)  Die  pikante  Schilderung 
der  äusserlichen  reize  des  geliebten  sind  darauf  berechnet, 
sinnliche  en*egung  hervorzuraf en ;  geradezu  abstossend  muss 
es  auf  uns  wirken,  wenn  die  dichterin  dabei  noch  eine  fromme 
miene  aufsetzt,  indem  sie  vergleiche  mit  unschuldigen  engein 
zieht.  Doch  oft  bemüht  sich  die  dichterin  nicht  einmal,  we- 
nigstens äusserlich  den  schein  der  guten  sitte  zu  bewahren; 
sie  scheut  sich  nicht  vor  kecken,  lüsternen  andeutungen  und 
schlüpfrigen  detaillierten  Schilderungen.  Es  finden  sich  bei 
Aphra  Behn  gedichte,  welche  zu  lesen  eine  gesittete  frau  sich 
schämen  würde.  '^)    Es  ist  auch  darin  keine  entschuldigung  zu 


0  Siehe  p.  116. 

*)  On  a  Jnniper-Tree  cnt  down  to  make  Bnsks.    Poems  1684,  p.  19; 
The  willing  Mistress,  a.  a.  o.  p.  44;  The  Disappointmenti  a.  a.  o.  p.  70. 


120  P.  SIEGEL, 

sehen,  dass  gerade  die  beiden  bedenklichsten  gedichte  möglicher- 
weise nicht  von  Aphra  Behn  sind;»)  denn  dadurch,  dass  sie 
dieselben  in  ihre  Sammlung  aufgenommen  hat,  giebt  sie  ja  ihre 
billigung  zu  erkennen.  Allerdings  müssen  wir  auch  hier  auf 
die  moralisch  zerrütteten  Verhältnisse  der  zeit  rücksicht  nehmen. 
Es  gab  auch  in  Deutschland  zu  jener  zeit  dichter,  welche  in 
ihrer  poesie  in  bezug  auf  frivolität  und  Unmoral  der  Eng- 
länderin nichts  nachgeben;  gerade  eins  der  schlüpfrigsten  ge- 
dichte Aphra  Behns  wurde  ins  Deutsche  übertragen.^)  Die 
frivolität  ist  mehr  oder  weniger  ein  Charakteristikum  der 
leichten,  galanten  poesie.  Aphra  Behn  bewegt  sich  auch  sonst 
innerhalb  der  grenzen  dieser  dichtungsart.  Die  Wirkungen  der 
liebe  werden  durch  die  üblichen  mittel  geschildert:  schnelles 
erröten,  zärtliche  seufzer,  schmachtende  äugen,  sentimentale 
klagen  etc.  Die  liebe  erscheint  stets  personifiziert  als  „Gk)d 
of  Love"  oder  einfach  als  „Love",  ausgerüstet  mit  bogen  und 
pf eilen,  mit  denen  sie  die  herzen  der  menschen  verwundet. 
Eine  ganz  besondere  macht  wird  den  äugen  zugeschrieben. 
In  ihnen  spiegelt  sich  die  seele  und  sie  geben  die  spräche 
des  herzens  wieder: 

My  wounded  Soul  monnts  to  my  Eyes, 
As  it  would  prattle  Stories  there.') 

Auch  das  streben  nach  „witzigen",  d.  h.  pointierten,  durch 
ihren  antithetischen  sinn  überraschenden  gedanken  und  aus- 
sprüchen  kennzeichnet  die  behnsche  lyrik.  So  flösst  die  er- 
scheinung  des  geliebten  sowohl  furcht  wie  wünsche  ein:  „I  at 
once  both  wish  and  fear"  ;^)  oder  der  verschmähte  schäfer  klagt 
den  göttem,  dass  in  der  falschen  nymphe  himmel  und  höUe 
vereinigt  sind,^)  und  von  dem  trefflichen  Amyntas  heisst  es  gar:«) 

Yen  do  not  only  kill  at  sight, 
Bnt  like  a  Parthian  in  your  Flight; 
Wether  you  rally  or  retreat, 
Yen  still  have  Arrows  for  Defeat. 

Mythologische  anspielungen ,  vergleiche  mit  gestalten  aus 
der  antike,  die  in  der  galanten  poesie  sehr  beliebt  sind,  finden 
sich  zwar  auch  bei  Aphra  Behn,  aber  nur  in  geringem  masse ; 


')  Siehe  p.  126  f.        *)  Siehe  p.  128. 

3)  Song.    Poems  1684,  p.  92.        *)  Ebenda. 

»)  Song.    To  Pesibles  Tune.   Poems  1684  p.  86.    «)  Siehe  p.  117,  a.  1. 


APHBA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PB08AWEBKE.       121 

sie  war  doch  nicht  so  bekannt  mit  dem  klassischen  altertum 
wie  ihre  männlichen  kollegen.  Dagegen  ist  in  ihrer  poesie 
ein  anderes  element  besonders  ausgebildet,  die  beseelung  der 
natur  mit  menschlichen  empflndungen  und  gefühlen.  Aller- 
dings ist  die  betrachtung  der  natur  ganz  konventionell.  Die 
natur  ist  für  die  dichterin  —  darin  berührt  sie  sich  gleich- 
falls wieder  eng  mit  der  galanten  dichtung  —  nur  ein  mittel 
zum  zwecke,  nicht  der  endzweck  selbst.  Sie  ist  nicht  das 
höchste  Vorbild  für  den  menschen,  sondern  sie  steht  unter 
diesem  und  ist  verbesserungsfähig,  i)  In  dem  gedieht  „On  the 
Death  of  Mr.  Grinhil,  the  famous  Painter"  ^)  rühmt  die  autorin 
von  dem  maier: 

Great  Master  of  the  noblest  Mysterie, 

That  ever  happy  knowledge  does  inspire; 

Sacred  as  that  of  Poetry 

And  which  the  wond*ring  World  does  eqnaUy  admire. 

Great  Natures  Work  we  do  contemn, 
When  on  his  glorions  Births  we  meditate: 
The  Face  and  Eies,  more  Darts  receiv'd  from  him, 

Than  all  the  Charms  she  can  create. 
The  Difiference  is,  his  Beanties  do  heget 
In  the  inamour'd  Sonl  a  vertnous  Heat: 
\\Tiile  Natures  grosser  Pieces  move, 
In  the  coarse  Road  of  common  Love. 

Was  nun  von  der  natur  gezeigt  wird,  das  beschränkt  sich 
in  Aphra  Behns  gedichten  auf  blumige  wiesen,  schattige,  dunkle 
haine  und  murmelnde  kühle  flüsse.  Zu  diesen  platzen  werden 
die  liebenden  mit  Vorliebe  geführt,  um  den  blumen,  bäumen 
und  dem  wasser  ihr  leid  zu  klagen,  oder  ihre  lust  zuzujubeln. 
Die  bäume,  blumen,  quellen  etc.  verstehen  auch  die  spräche 
der  menschen;  sie  stellen  sich  in  ihren  dienst:^) 

Then  with  a  Stream  he  (Dämon)  holds  Discoorse: 

0  thou  that  hend'st  thy  liquid  Force 

To  lovely  Thames!  upon  whose  Shore 

The  Maid  resides  whom  I  adore! 

My  Tears  of  Love  upon  thy  Surface  hear: 

And  if  upon  thy  Banks  thou  seest  my  Fair: 

In  all  thy  softest  Murmurs  sing, 

From  Dämon  I  this  Present  hring; 

1)  Diese  auffassnng  von  der  natur  steht  im  gegensatz  zu  derjenigen 
im  Oroonoko ,  wo  A.  B.  die  natur  als  grösste  meisterin  preist. 
«)  Poems  1684,  p.  24.         «)  La  Montre ;  works  VI,  p.  202  f. 


122  P.  SIEGEL, 

My  e'ery  Gnrl  contains  a  Tear! 

Then  at  her  Feet  thy  Tribute  pay: 

Bnt  haste,  Oh  happy  Stream!  away; 

Lest  charm'd  to  much,  thon  shonldst  for  ever  stay. 

And  thou,  Oh  gentle,  murm'ring  Breeze! 

That  plays  in  Air,  and  wantons  with  the  Trees; 

On  thy  young  Wings,  where  gilded  Snn-beams  play, 

To  Iris  my  soft  Sighs  conyey. 

Diese  beseelung  der  natiir  würde  nicht  unnatürlich,  viel- 
mehr belebend  wirken,  wenn  sich  die  dichterin  vor  Übertreibung 
hütete.  Bei  ihr  wird  diese  belebung  der  natur  nur  ein  mittel 
mehr  zur  verhen-lichung  der  verehrten  person.  Aphra  Bebn 
geht  darin  so  weit,  dass  sie  Irland  die  glückliche  insel  mit 
ihren  grünen  wiesen  und  schönen  blumen,  mit  ihren  dunklen 
hainen  und  perlenden  quellen,  mit  ihren  Wäldern  und  hügeln 
und  wandernden  bächlein  beglückwünscht,  dass  „Celladon,  the 
great  godlike  Celladon",  ihr  die  gnade  erweist,  sie  zu  be- 
suchen. ^)  Ja  die  natur  verhält  sich  nicht  nur  passiv,  indem 
sie  mit  dem  menschen  fühlt  und  leidet  und  deren  klagen  an- 
hört, sondern  sie  wird  selbst  von  der  macht  der  liebe  ergriffen. 
Die  sanften  winde  küssen  die  hängenden  zweige;  der  wacholder- 
baum  erzählt,  dass,  als  sich  Philocles  und  Cloris  in  seinen 
schatten  gelagert  hatten,  er  seine  zweige  so  tief  gebeugt  hat, 
dass  sie  den  schäfer  küssen  konnten.  2)  Diese  „witzige"  art, 
die  natur  zu  verwenden,  findet  ein  sehr  anschauliches  beispiel 
in  den  folgenden  versen  aus  dem  gedieht  „On  Mr.  J.  H.  In  a 
Fit  of  Sickuess";'^  (d.h.  J.  H.  =  Amyntas  ist  krank,  nicht 
Astrea) : 

Forsaken  looks  th'enameld  May: 

And  all  its  Wealth  uncourted  dies; 

Each  little  Bird  forgets  its  wonted  Lay 

That  sung  good  Morrow  to  the  welcome  Day, 

Or  rather  to  thy  lovely  Eies. 

The  cooling  Streams  do  backward  glide: 

Since  on  their  Banks  they  saw  not  thee, 

Losing  the  Order  of  their  Tide, 

And  murmuring  chide  thy  Cnielty: 

Then  hast  to  lose  themselves  i'  th'  angry  Sea. 

Wir  müssen  noch  kurz  auf  die  gelegenheitsgedichte  Aphra 
Behns  eingehen.    Es  sind  einige  huldigungsgedichte ,  die  die 


»)  A  Farewel  to  CeUadon,  On  his  going  into  Ireland.  'Poems  1684,  p.  13. 
*)  On  a  Juniper-Tree  etc.    Poems  1684,  p.  19.    »)  Poems  1684,  p.  106. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  123 

gefeierten  in  allen  tonarten  der  Schönrednerei  preisen.  Es  sei 
besonders  auf  eins  dieser  gedichte,  das  wegen  seines  mutigen, 
aufmunternden  tones  sympathisch  berührt,  hingewiesen:  „To 
the  Honourable  Edward  Howard,  on  his  Comedy  called  the 
New  Utopia".  *)  Aphra  Behn  ruft  dem  autor  zu,  wenn  ihm 
auch  von  der  menge  nicht  der  verdiente  beifall  gezollt  würde, 
so  sei  er  dennoch  unerreicht  in  seiner  kunst,  ja  er  übertreffe 
sogar  den  ;,mächtigen,  grossen  Jonson".  Sie  fordert  den 
dichter  auf,  sich  nicht  durch  das  ungünstige  urteil  der  unge- 
bildeten, beschränkten  menge  einschüchtern  zu  lassen,  sondem 
dem  ansturm  der  missgünstigen  zu  trotzen  und  der  blöden 
menge  zu  beweisen,  dass  er  ihr  nicht  unterliege;  denn  auch 
der  grosse  Ben  Jonson  sei  nur  um  so  satirischer  geworden, 
je  mehr  ihn  die  menge  verurteilte.  Wie  sehr  die  dichterin 
die  unwissende  menge  verachtet,  mögen  folgende  verse  aus 
dem  besprochenen  gedichte  zeigen: 

Your  Soul  of  Thought  you  may  imploy 

A  nobler  Way, 
Than  in  Eevenge  upon  a  Mnltitnde, 

Whose  Ignorance  only  makes  'em  rüde. 

Should  you  that  Justice  do, 
You  must  for  ever  bid  adieu, 

To  Poetry  divine, 

And  ev'ry  Muse  o'  th'  Nine: 
For  Malice  then  with  Ignorance  would  join, 

And  so  undo  the  World  and  you. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch  einen  blick  auf  Über- 
tragungen resp.  bearbeitungen  fremder  gedichte  werfen. 
Eigentliche  Übersetzungen  schrieb  Aphra  Behn  nicht,  sondern 
Paraphrasen  und  nachahmungen.  Von  antiken  dichtem  hat 
sie  Ovid  und  Horaz  nachgeahmt.  Eine  paraphrase  über  eine 
ovidsche  epistel  haben  wir  schon  oben  genannt  (p.  108).  Dem 
gedichte  ist  zum  Verständnis  für  den  leser  folgendes  „argument" 
vorausgeschickt:  „Hecuba,  being  with  Child  of  Paris,  dream'd 
she  was  delivered  of  a  Firebrand:  Priam  Consulting  the 
Prophets,  was  answer'd  the  Child  shou'd  be  the  Destruction 
of  Troy,  wherefore  Priam  commanded  it  should  be  deliver'd 
to  wild  Beasts  as  soon  as  born ;  but  Hecuba  conveys  it  secretly 
to  Mount  Ida,  there  to  be  foster'd  by  the  Shepherds,  where 

»)  Poems  1684,  p.  106. 


124  P.  SIEGEL, 

he  falls  in  Love  with  the  Nymph  Oenone;  but  at  last  being 
known  and  own'd,  he  sails  into  Greece,  and  carries  Helen  to 
Troy,  which  Oenone  understanding,  writes  him  this  Epistle." 
Oenone  ruft  Paris  die  geschichte  ihrer  zärtlichen  liebe  ins 
gedächtnis  zurück;  sie  klagt  in  rührenden  tönen  über  seine 
untreue  und  bittet  ihn,  sich  nicht  von  der  falschen  Helena 
bestricken  und  in  das  ehejoch  zwingen  zu  lassen,  sondern 
wieder  zu  ihr  zurückzukehren.  Uebertriebene  Sentimentalität 
und  das  streben  nach  geistreichen  gedanken  kennzeichnen 
dieses  gedieht. 

Horaz  ist  in  zwei  kleineren  gedichten  vertreten.  Das 
eine  überschreibt  die  dichterin  „In  Imitation  of  Horace" ;  *) 
es  ist  ein  elegisch  gehaltenes  liebesgedicht.  Das  andere,  „A 
Paraphrase  on  the  eleventh  Ode  out  of  the  flrst  Book  of  Horace",*) 
besitzt  den  heiteren  Charakter  wie  die  oben  als  horazisch- 
anakreontisch  bezeichneten  gedichte;  sein  inhalt  lässt  sich 
kurz  durch  die  beiden  verse  wiedergeben: 

Give  me  but  Love  and  Wine,  TU  ue'er 
Complain  my  Destiny's  severe. 

Am  ende  der  gedichtsammlung  steht  noch  ein  gedieht,  das 
die  Verfasserin  einfach  „A  Translation" »)  nennt.  Der  inhalt 
stimmt  genau  mit  dem  eines  gedichtes  des  Earl  of  Rochester 
überein,  welches  betitelt  ist  „  A  Lyric.  In  Imitation  of  Cornelius 
Gallus".*)  Die  beiden  gedichte  untei-scheiden  sich  nur  durch 
ihre  länge,  das  erstere  hat  sieben,  letzteres  nur  fünf,  im  übrigen 
gleichgebaute,  Strophen.  Das  original  ist  eine  lateinische  elegie 
aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert,  die  fälschlicherweise  dem 
berühmten  römischen  redner  und  Staatsmann  zugeschrieben 
wurde  ;^)  die  elegie  heisst  „Lydia  bella  puella". 

In  bezug  auf  die  form,  die  spräche,  den  stil,  entsprechen 
die  gedichte  Aphra  Behns  den  anforderungen  der  galanten 
poesie.  Die  dichterin  giebt  selbst  einmal  eine  bezeichnende 
Charakteristik  für  gute  verse  in  dem  gedieht  „On  a  Copy  of 
Vei-ses  made  in  a  Dream  etc., ")  wo  sie  die  verse  des  Amyntas 
mit  folgenden  worten  rühmt: 

Soft  ev'ry  Word,  easy  each  Line,  and  true; 
Brisk,  witty,  manly,  streng  and  gay; 


1)  Poems  1684,  p.  98.  *)  Poems  1684,  p.  126.  *)  Poems  1624,  p.  127. 
*)  The  Poetical  Works  of  the  Earls  of  Rochester,  Roscomon  etc.  p.  137. 
'^)  Grässe,  a.  a.  o.  p.  643.        «)  Poems  1684,  p.  63. 


APRBA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PBOSAWERKE.  125 

The  Thonghts  are  tender  all,  and  new, 
And  Fancy  ev*ry  where  does  gently  play. 

Also  sanfte  worte,  witzige  verse,  zarte,  neue  gedanken 
und  lieblich  spielende  phantasie.  Die  spräche  der  gedichte 
Aphra  Behns  ist  leicht  verständlich,  nicht  hochpoetisch,  aber 
anmutig  und  beweglich.  Umschreibungen  und  vergleiche  sind, 
im  Verhältnis  z.  b.  zu  dem  schwulst  in  der  gleichzeitigen 
deutschen  dichtung,  weniger  häufig;  wenn  sie  vorkommen, 
so  sind  es  die  allgemein  üblichen  und  konventionellen.  So  wird 
das  reich  der  toten  mit  ewigen,  schweigenden  hainen,  mit 
ewiger  dämmerung  verglichen ;  das  herz  der  geliebten  ist  eine 
festung;  die  äugen  heissen  lichtsterne;  die  wangen  gleichen 
rosen,  die  von  kristallschauern,  den  thränen,  betaut  werden. 
Das  streben  nach  neuen  gedanken  verleitet  die  dichterin  zur 
geschraubtheit  und  zum  Wortschwall,  die  sich  durch  die  häufung 
charakteristischer  attribute  kennzeichnen ;  so  nennt  sie  Celladon 
„the  gi-eat,  the  brave  and  good,  the  piain  and  noble  Character", 
oder  Dämon  „the  honest,  brave  and  young",  oder  die  verse  des 
Amyntas  „brisk,  witty,  manly,  strong,  and  gay".  Doch  trotz 
der  vielen  worte  ist  der  Wortschatz  ziemlich  beschränkt;  es 
kehren  immer  dieselben  ausdrücke  wieder,  die  „sighing,  lovely, 
true-hearted,  witty,  gay  Swains"  und  die  „weeping,  love-sick, 
pittyless,  amorous,  charming,  blushing  Nymphs",  die  „kindling 
Flames",  die  „almighty,  sacred,  hopeless  Love",  die  „fine,  starry, 
soft  warring,  killing  Eyes",  die  „conquered,  broken,  yeilding 
Hearts",  die  „coral  Lips",  die  „soft,  lucky,  silent  Hours",  die 
gloomy,  shady  Groves",  die  „broken  Vows",  etc.  etc.  Am 
besten,  auch  in  bezug  auf  die  form,  spräche,  sind  der  dichterin 
die  heiteren  gedichte  wieder  gelungen ;  sie  zeichnen  sich  durch 
leichtigkeit  und  anmut  aus.  Wegen  dieser  Vorzüge  eignen  sich 
diese  gedichte,  die  Aphra  Behn  „Songs"  nennt,  sehr  wohl  zur 
komposition,  die  einigen  von  ihnen  zuteil  geworden  ist.  >) 
Leider  ist  gerade  eines  dieser  lieder,  „The  willing  Mistress", 
ebenso  frivol  und  schlüphig  im  inhalt,  wie  anmutig  und  ge- 
wandt in  der  form ;  die  letztere  eigenschaf t  hat  jedenfalls  den 
deutschen  dichter  zur  Übersetzung  gereizt.  2) 


0  A  Song  on  her  loving  Two  equally  und  The  Counsel  set  by  Capt. 
Pack.    The  Sorprize  set  by  Mr.  Farmer.    The  Complaint  set  by  Mr.  Banister. 
>)  Siehe  p.  128. 


126  P.  SIEGEL, 

Was  die  rein  äussere  form  betrifft,  so  sind  bei  weitem 
über  die  hälfte  der  gedichte  Aphra  Behns  in  Strophenform 
abgefasst.  Die  länge  der  Strophen  ist  eine  sehr  verschiedene; 
sie  schwankt  zwischen  vier  und  dreiundzwanzig  versen.  Die 
längeren  Strophen  sind  naturgemäss  in  den  gedichten  ange- 
wendet, in  denen  der  ton  feierlich,  pathetisch  sein  soll  Dabei 
ist  selbst  innerhalb  eines  gedichtes  die  länge  der  einzelnen 
Strophen  nicht  immer  gleich ;  z.  b.  wechseln  in  der  tranerode 
„On  the  Death  of  Mr.  Grinhil"  Strophen  von  vierzehn,  neunzehn, 
zweiundzwanzig  und  dreiundzwanzig  versen  mit  einander.  In 
den  Songs  sind  die  Strophen  immer  gleich  lang,  da  dies  schon 
die  melodie  fordert.  Die  verse  kommen  auch  in  den  verschie- 
densten längenmassen  vor.  Am  zahlreichsten  sind  drei-,  vier- 
und  fünf  hebige  verse  mit  einer  Senkung  am  anfang,  also  jam- 
bische verse.  Längere ,  d.  h.  sechs-  bis  achthebige  verse  sind 
wieder  in  den  feierlichen  gedichten  angewendet.  In  den  Songs 
wechseln  vielfach  drei-  und  vierhebige  verse  regelmässig  mit 
einander  ab.  Das  metrum  ist  in  den  weitaus  meisten  fällen 
jambisch,  selten  trochäisch  und  nur  in  ganz  wenig  fällen  dak- 
tylisch. Die  verse  sind  ausnahmslos  durch  den  reim  gebunden. 
Die  reimstellung  bewegt  sich  in  den  mannigfachsten  arten; 
wir  begegnen  paarweisen,  gekreuzten  und  verschlungenen 
reimen.  Auf  die  reinheit  des  reimklanges  hat  die  dichterin 
keine  besondere  Sorgfalt  verwendet ;  oft  sind  die  reime  nur  für 
das  äuge  vorhanden,  z.  b.  vow'd  :  show'd,  move  :  love,  all-cabal, 
tum  :  sun,  vow  :  subdue,  Seen  :  him,  set  :  great,  etc. 

Die  unstrophischen  gedichte  sind  aus  versen  zusanmien- 
gesetzt,  deren  länge  zwischen  vier  und  sechs  füssen  schwankt. 
Es  sind  meist  zwei,  manchmal  drei  verse  durch  den  reim  ge- 
bunden. Die  nachahmungen  antiker  gedichte  weichen  in  der 
form  nicht  von  den  anderen  gedichten  ab;  sie  sind  also  auch 
entweder  strophisch  oder  unstrophisch  und  stets  gereimt 

Aphra  Behn  beherrscht  diese  einfachen  formen  sehr  gut. 
Die  verse  sind  glatt  und  leicht  gebaut.  Man  merkt,  dass  ihr 
das  verseniachen  leicht  fiel.  Ein  beweis  dafür  liegt  ja  auch 
darin,  dass  sie  die  „Voyage  to  the  Isle  of  Love",  deren  original 
zum  grösseren  teil  in  prosa  geschrieben  ist,  in  leichte,  fliessende 
verse  gebracht  hat. 

Wir  müssen  hier  noch  auf  zwei  gedichte  eingehen,  die 
nicht  mit  Sicherheit  Aphra  Behn  zugeschrieben  werden  können. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.  127 

Es  sind  die  beiden  frivolsten  in  der  Sammlung:  „On  a  Juniper- 
Tree"*)  und  „The  Disappointment".^)  Diese  beiden  gedichte 
stehen  merkwürdigerweise  auch  in  Rochesters  gedichten.  Es 
lässt  sich  nicht  sicher  feststellen,  wer  der  autor  der  beiden 
gedichte  ist ;  jedoch  sprechen  einige  gründe  für  die  autorschaft 
Aphra  Behns,  wenigstens  in  bezug  auf  das  zweite.  Lowndes  ^) 
sagt  von  den  gedichten  des  Earl  of  Rochester :  „In  this  (aus- 
gäbe von  1680)  and  several  other  editions,  are  contained  many 
poems  füll  of  obscenity,  which  arel  said  to  be  falsely  attributed 
to  Lord  Rochester."  Ausserdem  spricht  noch  ein  umstand 
gegen  Rochester.  In  seinen  Poems  ist  das  gedieht,  welches 
Aphra  Behn  „The  Disappointment"  nennt,  betitelt:  „The  In- 
sensible";*) dagegen  steht  unmittelbar  vorher  ein  anderes  ge- 
dieht mit  dem  titel  „The  Disappointment",  welches  dieselben 
gedanken  wie  das  Behnsche  gedieht  mit  der  gleichen  Über- 
schrift behandelt,  nur  in  anderer  form.  Daraus  könnte  man 
schliessen,  dass  Rochester  und  Aphra  Behn  zu  gleicher  zeit 
denselben  stoff  behandelten  und  dass  vielleicht  Rochester  auch 
das  gedieht  Aphra  Behns  an  sich  nahm  und  in  seine  gedicht- 
sammlung  einfügte.  Einen  direkten  beweis,  dass  die  beiden 
autoren  zusammen  gleiche  Stoffe  bearbeiteten,  besitzen  wir  in 
dem  oben  erwähnten  gedichte  Aphra  Behns  „A  Translation".^) 
Wenn  wir  nach  den  lobgedichten,  die  in  den  Poems  1684 
vor  den  eigentlichen  gedichten  Aphra  Behns  stehen,  urteilen 
wollten,  so  müssten  wir  annehmen,  dass  die  dichterin  mit  ihren 
„Little  Pieces"  grossen  anklang  gefunden  hat.  Denn  in  diesen 
lobgedichten  wird  der  dichterin  von  verschiedenen  autoren,  die 
aber  nur  zum  teil  ihren  vollständigen  namen  nennen,  die  über- 
schwänglichste  huldigung  gespendet.  Alle  stimmen  darin 
überein,  dass  es  nie  vorher  eine  so  geniale  dichterin  gegeben 
habe  wie  Astrea  und  dass  sie  nie  übertroffen  werden  würde. 
Diese  panegyrischen  ergüsse  kommen  von  befreundeten  Schrift- 
stellern und  sind  natürlich  nicht  massgebend.  Aphra  Behn 
selbst  urteilt  ziemlich  bescheiden  über  die  kinder  ihrer  muse, 
wie  wir  oben  gesehen  haben.    Allein  die  gedichte  müssen  doch 


»)  Poems  1684,  p.  19.       •)  Poems  1684,  p.  70. 

»)  Lowndes,  a.  a.  o.  Part  Vm,  p.  2114. 

*)  The  Poetical  Works  of  the  Earls  of  Eochester  etc.  p.  116. 

»)  Siehe  p.  124. 


128      P.  SIEGEL,  APHBA  BEHN8  OEDICHTE  UND  PR08AWBBXE. 

einen  guten  erfolg  gehabt  haben,  denn  Aphra  Behn  veran- 
staltete schon  ein  jähr  darauf  wieder  eine  ausgabeJ)  Sie 
wurden  sogar  über  England  hinaus  bekannt,  vor  allem  in 
Deutschland.  Hagedorn  schreibt:  „Der  grosse  Philip  Sidney, 
der  herzog  von  Buckingham,  der  graf  Dorset,  Sedley,  der  zärt- 
liche Waller,  die  zärtlichere  Aphra  Behn,  etc.,  sind  die  besten 
liederdichter  der  Engländer."  ^)  Ein  anderer  deutscher  dichter 
jener  zeit,  Johann  Burkard  Mencke,  bekannt  unter  seinem 
dichternamen  Philander  voir  der  Linde,  hat  ein  gedieht  Aphra 
Behns  übersetzt  und  zwar  „The  willing  Mistress"  ^)  („das 
willige  Frauenzimmer").  In  der  vorrede  zu  seinen  Über- 
setzungen „verliebter"  gedichte  finden  sich  folgende  aner- 
kennende Worte  über  Aphra  Behn:  „Die  unter  dem  Nahmen 
der  Astreea  in  Engeland  allzu  bekannte  Afara  Behn  hätte 
weder  anderen  Pei^sonen  ihrer  Zeit  so  viel  verliebte  Ge- 
danken inspiriret,  noch  die  erdichtete  Reise  nach  der  Insul 
der  Liebe  in  so  anmutigen  Reimen  beschreiben  können :  wenn 
sie  nicht  nebst  ihrer  ungemeinen  Schönheit  auch  eine  unge- 
meine Empfindung  gehabt."  Die  Übersetzung  des  genannten 
gedichtes  ist  ziemlich  frei  und  der  sinn  öfters  nicht  richtig 
wiedergegeben.  Der  ausdruck  ist  bei  Aphra  Behn  knapper 
und  gedrängter;  in  der  Übersetzung  musste  er  schon  deshalb 
weitschweifiger  werden,  weil  der  Übersetzer  alexandriner  an- 
wendete, während  das  original  in  abwechselnd  drei-  und  vier- 
hebigen  versen  gedichtet  ist. 

0  Siehe  p.  106. 

*)  Hagedorns  poet.  werke;  dritter  teil;  öden  u.  lieder;  vorrede,  p.  IX. 

")  Philanders  von  der  Linde  galante  Gedichte,  p.  51. 

(Schluss  folgt.) 

Leipzig.  P.  Siegel. 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.^) 


Jedes  litterarische  erzeugnis  wird  umsomehr  kunstwerk 
sein,  jemelir  die  drei  quellen,  aus  denen  es  entsprungen  ist, 
das  übernommene,  das  erlebte  und  das  eigene  durch  die  macht 
der  persönlichkeit  des  dichters  zu  einer  einheit  verschmolzen 
worden  sind.  Es  ist  klar,  dass  es  ein  vergebliches  bemühen 
sein  würde,  etwa  in  der  fertig  vor  uns  tretenden  dichtung 
die  drei  quellen  wieder  scheiden  zu  wollen:  lässt  sich  auch 
einzelnes  als  entlehnt  oder  erlebt  nachweisen,  das  werk  ist 
vielzusehr  ganzes,  trägt  vielzusehr  den  Stempel  der  eigenart 
des  dichters,  als  dass  eine 'völlige  Zergliederung  in  drei  teile 
möglich  wäre. 

Anders,  wenn  keine  wuchtige  persönlichkeit  vorhanden 
st.  Werke  solcher  art  haben  zumeist,  wenn  überhaupt  einen, 
so  doch  nur  einen  zeiterfolg  gehabt,  weil  man  bald  das  ihnen 
innewohnende  missverhältnis  erkannt  hat.  Wenige  bücher 
nur  kann  es  geben,  die  so  viele  generationen  in  so  hohem 
masse  über  das  missverhältnis  zwischen  übernommenem  einer-, 
erlebtem  und  eigenem  anderseits,  sowie  überhaupt  zwischen 
Stoff  und  dichterischer  kraft  hinweggetäuscht  haben,  wie 
Goldsmiths  Vicar  of  Wakefield. 

Ich  will  in  der  vorliegenden  arbeit  den  versuch  machen, 
die  Wertschätzung  dieses  romans  auf  das  nach  meiner  ansieht 
richtige  mass  zurückzuführen,  indem  ich,  was  hier  sehr  gut 
möglich  ist,  das  werk  nach  seinen  quellen  auseinanderlege  und 
dann  zeige,  wie  Goldsmith  gearbeitet  hat.  Die  aufgäbe  bringt 
es  mit  sich,   dass  ich  mein  hauptaugenmerk   auf  das  richte. 


*)  Die  beschäftigfang  mit  Goldsmith  verdauke  ich  einer  anregung  von 
herm  dr.  Saran. 

▲agUft.    N.  F.    xiu.  9 


130  WILLI  FISCHER, 

was  der  dichter  seinen  Vorgängern  verdankt,  also  auf  die 
erste  der  drei  quellen,  während  das  erlebte  und  erdichtete,  an 
sich  schon  unbedeutender,  nur  im  zusammenhange  mit  jenem 
zu  behandeln  ist. 

T. 

Als  Goldsmiths  Vicar  of  Wakefield  1766  erschien,  nach- 
dem er  schon  zwei  jähre  vorher  vollendet  worden  war,  lag 
ihm  eine  reiche  entwicklung  auf  dem  gebiete  des  romans 
voraus.  1740  hatte  Eichardson  seine  Pamela  veröffentlicht, 
und  dann  waren  schlag  auf  schlag  die  grossen  romane  von 
Fielding,  Eichardson,  SmoUett  und  Sterne  gefolgt.  Es  ist  ganz 
natürlich,  dass  Goldsmith  durch  das  gewaltige  emporkommen 
einer  neuen  litteraturgattung  beeinflusst  werden  musste,  dass 
er  nur  zu  begreifen  ist  als  der  letzte  dieser  reihe  von  dichtem. 
Wie  weit  seine  abhängigkeit  von  den  Vorgängern  geht,  will 
ich  im  ersten  teile  meiner  arbeit  genauer  feststellen.  ^) 

Im  jähre  1766  war  eine  sympathische  pfarrei^estalt  in 
der  englischen  romanlitteratur  nichts  neues  mehr.  Fielding 
hatte  seinen  Adams,  später  in  der  Amelia  den  Harrison, 
Eichardson  in  der  Klarissa  Dr.  Lewen,  im  Grandison  Dr.  Bart- 
lett,  Sterne  seinen  Yorik.  Bei  Fielding  und  Eichardson,  die 
mit  gleicher  verliebe  eine  solche  liebenswürdige  persönlichkeit 
verwandt  haben,  ist  die  rolle  des  pfarrers  stets  die  des  be- 
schützers  und  freundes  der  jugendlichen  beiden  und  heldinnen. 
Nirgends  aber  vor  Goldsmith  nimmt  er  eine  so  hervorragende 
Stellung  ein  wie  im  Joseph  Andrews.  Fielding  selbst  sagt  in 
der  vorrede  dazu,  Adams  sei  die  bedeutendste  gestalt  des 


^)  Ich  muss  hier  bemerken,  dass  ich,  nachdem  ich  meine  ergebniaee 
in  der  hauptsache  beisammen  hatte,  über  eine  beeinflossang  Gtoldsmith« 
folgende  andentungen  vorfand:  Hettner  („Geschichte  der  engl.  Literatur" 
Seite  488) ,  nach  ihm  Erich  Schmidt  („Richardson ,  Ronssean  nnd  Gk>ethe*', 
Jena  1875,  seite  67)  und  andere  haben  gesagt,  der  pfarrer  Primrose  sei  ohne 
zweifei  von  Fieldings  pfarrer  Adams  beeinflusst,  was  Forster  („The  Life 
and  Times  of  Oliver  Ooldsmith",  Leipzig,  Tanchnitz  1873.  I,  seite  315 ff.) 
heftig  bestreitet.  Erich  Schmidt  behauptet  weiter  (s.  63),  Richardsonscher 
einfluss  sei  unverkennbar,  und  es  beständen  gewisse  ähnlicbkeiten  mit  der 
Klarissa,  besonders  im  Verhältnis  von  Olivia  zu  ThomhiU. 


GOLDSMITHS  VIGAB  OF  WAKEPIELD.  131 

ganzen,  und  er  rechnet  sich  die  einführung  dieser  völlig  neuen 
figur  als  besondres  verdienst  an,  gewiss  mit  recht !  Eichardsons 
pastoren  sind  von  diesem  so  verschieden,  dass  von  beziehungen 
zwischen  ihnen  nicht  die  rede  sein  kann. 

Wenn  beide  ihre  geistlichen  als  gute  menschen  zeichnen, 
so  bedingt  das  an  sich  eine  ähnlichkeit  nur  in  sehr  geringem 
masse,  sie  ist  keine  andre  als  die  zwischen  zwei  irgend  jemals 
dargestellten  guten  oder  schlechten  menschen.  Es  sind  un- 
endlich viel  Charaktere  geschildert  worden,  obwohl  man  sie 
zum  grossen  teil  unter  den  kategorien  von  guten  und  schlechten 
zusammenfassen  könnte.  Fieldings  Adams  hat  aber  nun  etwas 
so  charakteristisches,  so  ganz  eigenes,  dass  man  ihn  unter 
hundert  guten  pastoren  auf  den  ersten  blick  herauskennen 
würde.  Das  ist  es,  was  uns  notwendig  darauf  führt,  ihn  mit 
Goldsmiths  Primrose  zu  vergleichen. 

Adams  und  Primrose  sind  menschen,  die  sich  im  augen- 
blick  aller  herzen  erobern.  Beide  sind  arme  landprediger  mit 
zahlreicher  familie,  vielfachen  anfeindungen  einer  schlimmen 
herrschaft  ausgesetzt.  Doch  weder  im  glück  noch  im  leid 
verleugnet  sich  ihre  natur,  ihre  herzensgute,  ihi*  reines  wohl- 
wollen gegen  jedermann,  sie  gehören  zu  denen,  die  wahrhaft 
einfältigen  herzens  sind  und  die  darum  gar  nicht  in  die  weit 
hinein  passen.  Wie  sie  keinem  etwas  zu  leide  thun,  so  ver- 
sehen sie  sich  von  keinem  einer  bösen  absieht,  und  dieser 
gänzliche  mangel  an  misstrauen,  diese  rührende  kindliche 
arglosigkeit  setzt  sie  überall  den  angriffen  klügerer  mit- 
menschen aus,  in  deren  schlingen  sie  rettungslos  fallen.  Ich 
brauche  nicht  all  die  unangenehmen  lagen  aufzuzählen,  in  die 
Adams  durch  seine  leichtgläubigkeit  gerät,  sie  sind  bekannt 
genug,  und  Primi'ose  lässt  sich  ebenso  unfehlbar  von  Thomhill, 
den  beiden  „damen"  und  Jenkinson  betrügen.  Es  besteht  für 
gescheite  leute  überhaupt  keine  Schwierigkeit,  die  beiden  in 
jede  beliebige  ansieht  hineinzutäuschen.  Als  Adams  in  dem 
hause  des  possenliebenden  Squires  (buch  III,  kap.  7)  auf  das 
tollste  misshandelt  worden  ist,  lässt  er  sich  doch  sofort  von 
der  ehrlichkeit  des  doktors  überzeugen,  der  gegen  Ober- 
flächlichkeit und  leichtfertigkeit  herzieht,  um  den  pfarrer 
durch  eine  solche  gesinnung  zu  ködern.  Auch  Primrose 
glaubt  an  die  ehrenhaftigkeit  der  beiden  „damen",  als 
diese  ihm,  für  jeden  andern  durchsichtig,  nach  dem  munde 


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132  WILLI  FISCHBB, 

reden,  damit  ihre  plane  desto  besser  gelingen  (kap.  EX  40).  *) 
Alle  täuschungen  und  kränkungen  machen  sie  nicht  bitter, 
sie  bleiben  sich  stets  gleich  und  sind  schnell  zur  Versöhnung 
bereit.  So  vergisst  Adams,  der  dem  erwähnten  Squire  mit 
recht  grollt,  sofort  seine  q  zom,  als  jener  wenig  plausibel  die 
Vorkommnisse  entschuldigt,  und  Primrose,  der  entrüstet  ist 
über  einen  gemeinen  verschlag,  den  ihm  Thomhill  inbezug 
auf  Olivia  gemacht  hat,  verzeiht  diesem,  ja  er  bereut  sogar 
seine  heftigkeit,  als  der  junge  gutsherr  seinen  eben  gespro- 
chenen werten  eine  andie  auslegung  giebt. 

Sie  sind  eben  in  jeder  hinsieht  wahre  Christen.  Ihre 
hilfsbereitschaft  unglücklichen  gegenüber  beschränkt  sich  nicht 
auf  tröstende  worte,  sie  geben  auch  wo  sie  können.  Adams 
zögert  nicht,  Joseph  aus  dem  Wirtshaus  zu  lösen  (1 14),  ob- 
gleich dadurch  seine  reise  unmöglich  gemacht  wird ,  und 
Primrose  befreit  den  ihm  gänzlich  unbekannten  Burchell  aus 
derselben  notlage  (III  13).  Freilich  kann  es  ihnen  auch 
passieren,  dass  die  leidenschaft  einen  augenblick  lang  die 
christliche  ergebung  zurückdrängt,  wie  das  ja  menschlich  ist 
Adams  preist  einmal  Selbstbeherrschung  (IV  8),  da  wird  ihm 
plötzlich  gemeldet,  dass  sein  söhnchen  ertrunken  sei:  seine 
lehren  vergessend,  bricht  er  in  die  wildeste  Verzweiflung  aus, 
so  dass  Joseph  Andrews  trotz  seines  eignen  Schmerzes  ihn 
schliesslich  an  seine  früheren  ermahnungen  erinnern  muss. 
„Child",  antwortet  der  pfarrer,  „do  not  go  about  impossibi- 
lities".  Hier  scheint  ihm  keine  beherrschung  möglich,  und 
Josephs  tröstungen  lassen  seinen  schmerz  nur  ungestümer 
wüten. 

Dieser  zug,  so  einfach  und  natürlich,  hat  Goldsmith  sehr 
gefallen,  er  hat  ihn  dreimal  kopiert.  Als  die  familie  (XVn  78) 
fröhlich  beisammensitzt  und  der  alte  Primrose  das  glück 
seiner  häuslichkeit  rühmt,  da  kommt  wie  ein  donnerschlag 
aus  heiterm  himmel  die  nachricht,  dass  Olivia  mit  Thomhill 
entflohen  sei.  Auch  hier  bricht  beim  pfarrer  der  schmerz 
ungestüm  hervor.  „Father",  ruft  Moses,  „is  this  your  Forti- 
tude?"  „Fortitude,  child!"  sagt  Primrose,  er  versteht  gar 
nicht,  was  Moses  will  und  vermag  sich  nicht  zu  fassen,  er 
überlässt  sich  ganz  dem  zom  und  der  Verzweiflung. 


*)  Ich  eitlere  nach  der  Tauchnitz-ausgabe. 


GOLDSMITHS  >ICAB  OP  WAICEFIELD.  133 

Aehnlich  ist  es  im  gefängnis  (XXVIII 146),  als  er  von 
Sophiens  entführung  hört,  wo  weib  und  solin  seinen  schmerz 
zu  lindern  sich  bemühen  und  ganz  ebenso  gleich  nachher  (149), 
als  Georg  mit  ketten  beladen  erscheint  und  ihn  mahnen  muss, 
genau  wie  vorher  Moses. 

Es  ist  zu  beachten,  dass  Primrose  zwar  in  eine  andre 
handlung  versetzt  wird  als  Adams,  dass  er  aber  auf  die 
schlimmsten  prüfungen  dreimal  hintereinander  genau  so  reagiert 
wie  Adams,  dass  also  Goldsmith  bei  den  lagen,  in  die  sein 
pfarrer  gerät,  ohne  dass  sie  im  Joseph  Andrews  ein  vorbild 
fänden,  sich  doch  desselben  mittels  b(idient,  das  Fielding  ein- 
mal anwendet. 

Adams  und  Primrose  sind  auch  sonst  nicht  frei  von 
allerlei  kleinen  schwächen.  Sie  sind  tüchtige  gelehrte,  aber 
ziemlich  einseitig,  denn  ihre  bildung  ist  fast  ausschliesslich 
klassisch  und  für  moderne  zeiten  haben  sie  weder  Verständnis 
noch  Interesse.  Ihre  Unwissenheit  in  dieser  hinsieht  ist 
geradezu  erstaunlich :  Adams  kennt  von  der  neueren  litteratur 
nur  Addisons  Cato  und  die  Conscious  Lovers  (HI  11 ;  HI  2  usw.) 
und  Zeitschriften  sind  ihm  völlig  unbekannt  (II 17).  Primrose 
weiss  von  der  gegenwart  gar  nichts  (XVIII  83),  ebensowenig 
von  Zeitungen  (XIX  85) ,  und  Shakespeare  versteht  er  nicht 
(XVni  84).  Da  sie  beide  kaum  je  über  den  kreis  ihrer  familie 
hinausgekommen  sind,  innerhalb  deren  sie  natürlich  immer 
als  autoritäten  gelten,  so  sind  sie  ein  klein  wenig  pedantisch 
und  eitel  geworden.  Wo  es  irgend  möglich  ist,  zeigen  sie  ihre 
gelehrsamkeit,  sie  lassen  keine  gelegeuheit  vorübergehen  eine 
belehrung  anzubringen. 

Dabei  kommt  es  denn  unglücklicherweise  auch  vor,  dass 
sie  etwas  tadeln  und  Vorschriften  geben,  bald  darauf  aber 
selbst  gegen  ihre  regeln  handeln.  Um  nur  einiges  anzuführen, 
so  ergeht  sich  Adams  einmal  in  philosophischen  betrachtungen 
über  die  thorheit,  sich  bei  einem  streite  zu  erhitzen,  an  dem 
keiner  der  streitenden  Interesse  hat  und  gerät  in  kurzem  in 
einen  ergötzlichen  streit  gerade  dieser  art,  den  er  äusserst 
hartnäckig  führt  (HU),  oder  er  empfiehlt  Joseph  in  dem 
schon  angeführten  falle  christliche  ergebung  und  standhaftig- 
keit  und  lässt  sich  gleich  nachher  vom  schmerze  völlig  über- 
mannen (IV  8). 

Primrose  aber  lässt  sich  von  Jenkinson  trotz  seiner  ein- 


134  WILLI  FISCHER, 

gebildeten  weltklugheit  ebenso  betrügen  wie  vorher  Moses 
(XIV  62)  und  muss  sich  von  diesem  und  Georg  mangel  an 
seiner  gerühmten  Charakterstärke  vorwerfen  lassen  (X VII  79 ; 
XXVni  149).  Nichts  jedoch  kann  sie  in  der  meinung  von 
sich  selbst  irremachen.  Sie  glauben  vortreffliche  menschen- 
kenner  zu  sein  und  mit  ihrer  buchweisheit  überall  auszu- 
kommen (Adams  11 16  usw.,  Primrose  XIV  58),  dann  aber  hat 
jeder  noch  ein  besondres  Steckenpferd.  Adams  hält  den  schul- 
meisterstand für  den  höchsten  aller  stände  und  sich  selbst  für 
den  grössten  Schulmeister  (HI  5):  Das  ist  ein  punkt,  in  dem 
Widerspruch  ihn  unangenehm  machen  kann,  hieran  darf  nie- 
mand zweifeln.  So  glaubt  Primrose,  niemand  könne  ihn  im 
disputieren  überwinden  (VI  24)  und  ist  sehr  unwillig,  als  das 
bestritten  wird.  Ausserdem  ist  er  ein  Vorkämpfer  der  mono- 
gamie  und  hat  sich  völlig  in  diese  ansieht  verrannt.  Leider 
finden  seine  bücher  keine  käufer,  die  von  Adams  nicht  einmal 
einen  Verleger. 

Aus  beider  harmloser  eitelkeit  und  eingebildetheit  erklärt 
es  sich  auch,  dass  sie  die  kunst,  zur  rechten  zeit  zu  schweigen, 
nicht  verstehen,  sie  fördern  ihre  ansichten  zu  tage,  ob  es  klug 
ist  oder  nicht.  Adams  dem  wirt  (II 17)  und  Peter  Pounce 
(III 13),  Primrose  dem  Butler  gegenüber  (XIX)  reden,  trotz- 
dem sie  die  ansichten  dieser  leute,  denen  sie  noch  dazu  ver- 
pflichtet sind,  kennen,  so  unklug  und^  unbedacht,  dass  sie  sich 
ihre  freundschaft  verscherzen.  Ganz  unmöglich  ist  es  ihnen, 
eine  erzählung  ruhig  anzuhören,  sie  unterbrechen  immer,  sei 
es  um  zu  belehren,  oder  zu  fragen,  oder  sonst  eine  bemerbmg 
zu  machen  (Adams  II 4;  HI  3,  Primrose  XVI 112/3 ;  XX  95  ft). 

Doch  alle  schwächen  haben  ihre  grenzen.  Da,  wo  es 
sich  um  irgend  etwas  handelt,  das  in  ihre  pflichten  eingreift» 
ist  plötzlich  keine  spur  mehr  von  lächerlichkeit  vorhanden, 
es  tritt  uns  eine  ernste,  entschlossene  persönlichkeit  entgegen, 
die  keine  macht  der  weit  bewegen  kann,  auch  nur  einen  zoll 
breit  vom  wege  des  rechten  abzuweichen.  Als  Lady  Booby 
von  Adams  die  einstellung  des  aufgebots  von  Fanny  und 
Joseph  verlangt  und  ihm  bei  ungehorsam  ihre  Ungnade  und 
viele  Unannehmlichkeiten  drohen,  als  frau  und  tochter  ihn 
auffordern  nachzugeben,  da  weist  er,  der  sonst  so  nachgiebige, 
diese  aufforderung  ruhig  zurück  und  folgt  unerschüttert  der 
Pflicht  (IV  8). 


60LDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  135 

Primrose  soll  seine  Zustimmung  zur  Verheiratung  von 
Miss  Wilmot  mit  Thomhill  erklären,  der  aber  nach  seiner 
Überzeugung  bereits  mit  seiner  tochter  Olivia  vermählt  ist. 
Trotzdem  er  das  grösste  elend  für  den  fall  einer  Weigerung 
voraussieht,  trotzdem  frau  und  kinder  ihn  bestürmen,  bleibt 
er  fest  und  lässt  lieber  alles  leid  über  sich  ergehen  (XXIV). 
Soviel  achtung  beide  auch  sonst  vor  höherstehenden  haben, 
so  wenig  stehen  sie  an,  diesen  gründlich  die  Wahrheit  zu 
sagen,  sobald  ihr  amt  es  verlangt.  Das  gute  gewissen  ist 
ihnen  alles.  Sie  ertragen  jedes  leid  geduldig,  wenn  sie  auch 
die  leidenschaft  nicht  immer  unterdrücken  können. 

Als  Adams  im  wirtshause  ist,  ohne  geld  und  ohne  aus- 
sieht loszukommen,  als  Primrose  hoffnungslos  im  gefängnis 
liegt,  da  schlafen  sie  beide  so  friedlich  und  fest,  als  ob  sie 
keine  sorge  kennten  (Adams  in  9  schluss ;  Primrose  XXV  133). 
Nach  allem  ist  es  kein  wunder,  dass  sie  von  ihren  pfarr- 
kindem  in  rührender  weise  verehrt  und  geliebt  werden  (Adams 
IV  1 ;  Primrose  XXV  128). 

Aus  dem  gesagten  geht  hervor,  dass  die  gestalt  des 
pfarrers  im  Vicar  of  Wakefield  nicht  nur  von  Fieldings  Adams 
beeinflusst  ist,  sondern  dass  beide  ihrem  Charakter  nach  eine 
und  dieselbe  person  sind.  Dass  sich  bei  der  ganz  verschie- 
denen handlung  in  beiden  romanen  trotz  genauer  Überein- 
stimmung der  Charaktere  kleine  unterschiede  herausstellen, 
ist  klar.  Primrose  kommt  in  manche  lagen,  in  die  Adams 
nicht  kommt:  hier  aber  handelt  er  so,  wie  Adams  es  thun 
würde.  Primrose  hat  allerdings  manche  züge  des  Adams  nicht, 
er  ist  nicht  so  zerstreut,  nicht  so  neugierig,  nicht  abergläu- 
bisch und  kein  so  rüstiger  kämpe»)  wie  dieser.     Aber  man 


*)  Aber  Forster  hätte  nicht  sagen  sollen  (I  315):  „There  was  in 
Mr.  Adams  . . .  a  capacity  ...  for  beating  and  being  beaten  which  would 
ül  have  consisted  with  the  simple  dignity  of  Doctor  Primrose."  Es  thut 
Adams  dorchans  keinen  abbmch)  wenn  er  zu  seiner  Verteidigung  zum 
stocke  greift  Als  Primrose  von  Oliviens  entführung  erfährt,  greift  er  zu 
semen  pistolen  (XVII  79)  und  später  sagt  er  zu  ThomhiU  (XXTV  124) ; 
„There  was  a  time  when  I  would  have  chastised  your  insolence",  er  ist  nur 
jetzt  zu  alt  dazu.  Es  mag  freilich  nobler  erscheinen,  dass  Primrose  an 
ein  dnell  denkt,  während  Adams  waffe  nur  der  stock  ist,  wenn  aber  Forster 
Adams  daraus  einen  Vorwurf  macht,  ist  es  nicht  eines  pfarrers  würdiger, 
in  ehrlichem  zome  mit  dem  stocke  drein  zu  schlagen  als  (in  der  ftied- 


136  WILLI  FISCHBB, 

ist  sehr  im  irrtum,  wenn  man  wie  Forster  in  seiner  sonst 
vortrefflichen  biographie  glaubt,  daraus  folgern  zu  dürfen, 
die  beiden  gestalten  seien  einem  „verwandten  genius"  ent- 
sprungen (1 315).  Man  braucht  nur  daran  zu  denken,  wie 
ausserordentlich  bezeichnend  die  einzelnen  züge  sind,  die  über- 
einstimmen, wie  viel  bezeichnender  noch  gerade  in  dieser 
Zusammensetzung.  Alles  was  Forster  darüber  sagt,  erklärt 
sich  aus  der  grossen  liebe,  mit  der  er  betrachtet,  was  von 
Goldsmith  stammt  und  aus  dem  grossen  mangel  an  liebe,  mit 
dem  er  dagegen  alles  andre  betrachtet.  Nur  so  kann  man 
verstehen,  wenn  er  sagt,  es  scheine  fast  unglaublich,  dass 
zwei  solche  geschichten  wie  Joseph  Andrews  und  der  Vicar 
of  Wakefield  nur  20  jähre  auseinanderlägen,  wenn  man  ihre 
spräche  und  handlung  vergleiche. 

Man  kann  Charaktere  nicht  beurteilen  nach  unbedeutenden 
unterschieden,  sondern  nach  grossen  ähnlichkeiten :  was  Adams 
besondres  hat,  das  könnte  ihm  fehlen,  oder  Primrose  zuge- 
schrieben werden,  ohne  dass  sich  ihre  Charaktere  wesentlich 
ändern  würden.  Was  hat  es  zu  sagen,  dass  dieser  in  einer 
etwas  andern  weise  lächerlich  gemacht  wird  als  jener,  dass 
jener  eine  kleine  schwäche  hat,  die  dieser  nicht  besitzt?  Man 
muss  bedenken,  dass  das  wesen  beider  völlig  das  gleiche  ist: 
Was  uns  diese  Charaktere  lieben,  was  sie  überhaupt  erst  zu 
dem  macht,  als  das  sie  in  unserm  geiste  leben,  das  ist  ihre 
reine  menschlichkeit.  Menschlichkeit  insofern,  als  sie  im 
wahrsten  sinne  des  worts  gute  menschen  sind,  menschlichkeit 
auch  insofern,  als  sie  wirkliche  und  wahrhafte  menschen  sind, 
mit  schwächen  wie  jeder  sie  hat.  Diese  echte  menschlichkeit, 
deren  Wirkung  eine  so  unverkennbar  eigenartige  und  so  wohl- 
thuende  ist,  sie  ist  es,  die  uns  Adams  und  Primrose  in  der 
gleichen  weise  nahe  bringt,  und  in  diesem  sinne  sind  beider 
Charaktere  dieselben. 

Eins  ist  dabei  nicht  zu  vergessen.  Dass  Primrose  einige 
lächerliche  eigeuschaften  des  Adams  fehlen,  das  hat  einen  sehr 
guten  grund.  Goldsmith  übernahm  ja  aus  Joseph  Andrews 
in  der  hauptsache  nur  diesen  Charakter,  aber  keine  handlang. 


liebsten  gegend  von  der  weit!)  ein  paar  pistolen  beständig  in  seinem  hause 
zu  baben?  Dass  Adams  gern  scblägt,  ist  durcbans  nnricbtig  (11 14  schluM; 
m  4). 


GOLDSMITHS  VICAR  OP  WAKEFIELD.  137 

Er  nahm  also  Adams  als  Primrose  herüber  und  setzte  ihn  in 
eine  andre  handlang  hinein.  Während  Adams  uns  entgegen- 
tritt auf  einer  langen  reise,  auf  der  sich  sein  unpraktischer 
sinn  stündlich  zeigen  kann,  tritt  uns  Primrose  im  familien- 
kreise  entgegen.  Es  ist  aber  doch  klar,  dass  Adams  auf  einer 
reise,  die  ihm  etwas  gänzlich  ungewohntes  und  fremdes  ist, 
ein  andrer  sein  muss,  als  Adams  im  familienkreise.  Das  heisst, 
die  Charaktere  bleiben  sich  immer  gleich,  aber  dort  zeigen 
sich  einige  eigenschaften,  die  sich  hier  gar  nicht  zeigen  können. 
Sobald  Primrose  auf  weltliche  geschäfte  auszieht,  da  wird 
auch  er  jämmerlich  übertölpelt.  Fielding,  dessen  eigentum 
diese  gestalt  völlig  ist,  brachte  sie  später  noch  einmal  in  der 
Amelia,  als  den  pfarrer  Harrison.  Das  ist  ganz  derselbe 
mann,  von  derselben  gute  und  reinheit,  von  derselben  leicht- 
gläubigkeit,  durch  die  er  ohne  widerstand  eine  beute  schlechter 
menschen  wird,  kurz,  er  ist  eben  eine  echt  Fieldingsche  figur. 
Dieser  Harrison  macht  keine  reise  vor  unsern  äugen,  er  kommt 
in  keine  ihm  fremde  läge  und  —  dieser  Harrison  hat  auch 
jene  lächerlichkeiten  nicht,  die  Adams  hat,  die  aber  Primrose 
fehlen.  Primrose  ist  also  Adams  im  familienkreise.  Wenn  er 
sonst  etwas  weltklüger  erscheint,  so  erklärt  sich  das  daraus, 
dass  er  als  der  erzähler  dargestellt  ist.  Fielding  spricht  also 
seine  persönlichen  ansichten  selbst  aus,  während  Goldsmith 
seine  nicht  sehr  bedeutende  weltklugheit  dem  pfarrer  in  den 
mund  legen  muss. 

Ich  bestreite  nicht,  dass  zwischen  den  beiden  gestalten 
sich  so  ein  leichter  unterschied  herausgestellt  hat,  doch  glaube 
ich  ihn  zum  grössten  teile  erklärt  zu  haben.  Ich  bestreite 
femer  durchaus  nicht,  dass  Goldsmith  das  leben  und  treiben 
des  pfarrers  in  der  familie  vortrefflich  geschildert  hat,  ich 
habe  nur  zeigen  wollen,  dass  der  Charakter  selbst  nicht  sein 
eigen  ist,  dass  wir  ohne  einen  Adams  nie  einen  Primrose  ge- 
habt haben  würden. 

Die  gestalt  des  Adams  hat  jedoch  Goldsmith  so  gefallen, 
dass  er  auch  mancherlei  von  dem  lächerlichen,  das  er  bei 
Primrose  nicht  anbringen  konnte,  anderswo  verwertete.  Er 
zerlegte  sozusagen  Adams  in  zwei  teile,  in  Primrose  und  sein 
jüngeres  abbild  Moses. 

Moses  unterscheidet  sich  thatsächlich  in  keinem  punkte 
von  seinem  vater,  nur  hat  er  mehr  den  gi'otesken  teil  der 


138  WILLI  FISCHER, 

rolle  äbernommen.  Er  ist  der  gleiche  gutmütige ,  einfache 
und  weltunkundige  mensch,  ebenso  vollgepfropft  mit  gelehr- 
samkeit,  ebenso  begierig  sie  zu  zeigen  (V  23;  VI  26;  Vin  32; 
XVII  77/78).  Man  vergleiche  etwa  scenen  wie  die  (VII  28), 
wo  Thomhill  ihn  in  ein  gelehrtes  gespräch  verwickelt,  um 
ihn  dem  gelächter  preiszugeben,  mit  der  (1 14),  wo  der  doktor 
Adams  ebenso  behandelt,  oder  der  (in  1),  wo  der  Squire  und 
seine  genossen  ihn  aufziehen  und  man  wird  erkennen,  dass 
hier  Adams  das  vorbild  für  Moses  gewesen  ist.  Auch  sonst 
wird  der  arme  junge  lächerlich  gemacht,  so  bei  der  hochzeit 
(XXXII 179),  dann  durch  das  ergötzliche  missgeschick  mit 
dem  pferdeverkauf  und  dem  erwerb  der  brillen  (XII  53).  Wie 
Adams  hört  er  gern  geschichten  erzählen  (XXVI 136),  von 
ihm  hat  er  auch  die  liberalsten,  tolerantesten  auslebten  über 
religion  geerbt  (VII  30;  Adams  1 17). 

Moses  ist  übrigens  ganz  und  gar  nebenperson. 

Wenn  Goldsmith  die  gestalt  des  pfarrers  aus  Joseph 
Andrews  entlehnte,  so  liegt  von  vornherein  die  Vermutung 
nahe,  dass  er  auch  andre  personen  und  episoden,  die  mit  jenem 
verknüpft  sind,  zugleich  übernahm.  Solcher  kleinigkeiten  finden 
sich  auch  wirklich  genug. 

Da  ist  vor  allem  die  pfarrerin,  die  unser  dichter  in  den 
hauptzügen  frau  Adams  nachbildete.  Diese  wird  geschildert 
(IV  8)  als  eine  gescheite  frau,  die  ganz  in  der  soi^e  für  ihre 
familie  aufgeht,  für  die  sie  alles  zu  thun  bereit  ist,  genau 
wie  frau  Primrose.  Sie  hoffen  beide,  ihre  kinder  durch  die 
gutsherrschaft  vorwärts  zu  bringen,  jene  will  ihre  tochter 
als  kammermädchen  (IV  8),  diese  ihre  mädchen  als  gesell- 
schafterinnen  anbringen  (XI  48).  Bei  der  ausführung  ihrer 
hochfliegenden  plane  haben  sie  mit  dem  widerstände  des  be- 
scheidneren mannes  zu  kämpfen,  sind  aber  entschlossen,  ihre 
absiebten  durchzusetzen.  Vor  höherstehenden  haben  sie  einen 
gewaltigen  respekt  und  erwarten  von  ihnen  alles  heil.  Dass 
der  pf arrer  sich  gegen  die  herrschaft  auflehnt  (Adams  IV  8 ; 
Primrose  XXIV  126),  ist  ihnen  unbegreiflich,  und  sie  ver- 
suchen, ihn  zum  zwar  unrechten,  aber  klügeren  verfahren  zu 
bewegen.  Eigentlich  sind  die  beiden  pfarrersfrauen  recht  gut- 
mütig, aber  ihr  übergrosser  familiensinn  macht  sie  gegen  andre 
menschen,  wenn  sie  arm  sind  und  ihnen  irgendwie  bei  der 
herrschaft  schaden  können,  lieblos  und  hart,  so  frau  Adams 


GOLDSMITHS  VICAB  OF  WAKEFIELD.  139 

gegen  Fanny  und  Joseph  (IV  8 ;  9) ,  f rau  Primrose  gegen 
Burchell  (Xn  53).  Die  art,  wie  diese  gegen  die  unglückliche 
Olivia  auftritt  (XXII 118),  lässt  sich  nur  als  roh  bezeichnen, 
genau  wie  das  verhalten  der  Adams  gegen  Fanny.  Sie  sind 
beide  gleich  hausbacken  und  nüchtern  und  ohne  Verständnis 
für  die  gelehrsamkeit  ihrer  männer.  Sie  haben  ja  nur  eine 
einfache  erziehung  genossen,  ihre  stärke  liegt  auf  dem  gebiete 
der  hauswirtschaft. 

Es  ist  klar,  dass  Goldsmith  alles  etwas  weiter  ausführen 
musste,  weil  seine  pfarrerin  von  anfang  an  auftritt,  die  Fiel- 
dings erst  gegen  den  schluss.  Um  ein  wenig  unterscheiden 
sich  die  beiden  frauen,  wie  ihre  familien  überhaupt  dadurch, 
dass  die  pekuniäre  Stellung  der  Primroses  fi'üher  besser  war 
und  darum  ihre  bestrebungen  und  ansichten  um  eine  nüance 
höher  sind.  Ein  thatsächlicher  charakterunterschied  ist  aber 
nicht  vorhanden,  und  es  ist  besonders  zu  betonen,  dass  ab- 
gesehen von  den  bis  ins  kleinste  gehenden  Übereinstimmungen 
das  ganz  eigenartige  Verhältnis  zwischen  pfarrer  und  pfarrerin, 
dieser  köstliche  gegensatz  zwischen  dem  geistlichen  herm 
und  der  stark  weltlichen  frau  in  beiden  romanen  ganz 
gleich  sind. 

Die  Adams  haben  sechs  kinder,  die  Primroses  auch. 
Einige  davon  hat  Fielding  gar  nicht  erwähnt,  weil  sie  für 
seinen  zweck  gleichgiltig  sind,  andre  mit  wenigen  strichen 
gezeichnet  Die  paar  striche  aber  haben  für  die  kinder 
Primroses  den  umriss  gegeben.  Da  wird  zuerst  ein  älterer 
söhn  erwähnt  (11  8)  als  sehr  gelehrt  (wenn  auch  ohne  univer- 
sitätsbildung)  und  von  untadeligem  lebenswandel.  Zwar  hat 
er  bisher  kein  glück  gehabt,  aber  sein  vater  hoftt,  dass  die 
gute  erziehung,  die  ihm  zuteil  geworden,  ihn  veranlassen  wird, 
stets  rechtschaffen  zu  handeln. 

In  ganz  ähnlichen  worten  spricht  Primrose  über  seinen 
ältesten,  Georg,  als  dieser  nach  seinem  unglück  das  Vaterhaus 
verlässt  (HI  11).  Auch  er  betont  sein  wissen,  seine  rechtlich- 
keit  und  die  Überzeugung,  dass  er  seinen  weg  schon  finden 
werde. 

Weiter  tritt  im  Joseph  Andrews  eine  erwachsene  tochter 
auf,  für  die  bezeichnend  ist  das  zusammenhalten  mit  der 
mutter  gegen  den  vater  (IV  11)  und  die  die  einzige  ist,  die 
Fanny   nicht   hübsch  findet.     Dass  im  Vicar  of  Wakefield 


140  WILLI  FISCHEB, 

tochter  und  mutter  immer  geschlossen  gegen  den  vater  stehen, 
ist  bekannt,  dann  aber  wird  auch  ausdrücklich  gesagt,  dass 
die  beiden  töchter  allein  die  Schönheit  von  fräolein  Wilmot 
nicht  anerkennen  wollen  (11  8). 

Endlich  erwähnt  Fielding  den  kleinen  Dick,  den  liebling 
des  vaters.  Er  tritt  wie  seine  geschwister  wenig  hervor: 
einmal  zeigt  er  seine  kindliche  liebenswürdigkeit,  indem  er 
Fanny  all  sein  brot  geben  will  (IV  11).  Sein  vater  lobt  ihn 
dafür,  knüpft  seine  christliche  lehre  daran  und  würde  ihn  be- 
lohnen, wenn  er  geld  hätte.  Goldsmith  hat  das  kind  sogar 
mit  demselben  namen  übernommen:  Dick  bietet  einmal  Burchell 
sein  bett  an  (VI  24).  Auch  hier  freut  sich  der  pfarrer  über 
die  gefälligkeit  des  kleinen,  knüpft  gleichfalls  eine  belehnmg 
daran  und  lässt  ihm  ein  stück  zucker  geben. 

Im  Joseph  Andrews  muss  Dick,  als  besuch  da  ist,  eine 
geschichte  vorlesen  (IV  10).  Im  Vicar  of  Wakefield  muss  er, 
auch  als  besuch  gekommen  ist,  eine  gelesene  geschichte  er- 
zählen (XIII 54).  Sogar  soweit  geht  die  Übereinstimmung, 
dass  beide  scenen  mit  einem  streite  endigen,  der  sich  während 
des  Vortrags  entsponnen  hat.  Der  kleine  Dick  ist  also 
ebensowenig  Goldsmiths  eigentum,  wie  sein  vater  und  seine 
mutter. 

Die  kinder  Adams  haben  sozusagen  für  die  Primroses  das 
thema  gegeben:  unser  dichter  übernahm  einige  andeutnngen 
für  den  ältesten  söhn,  die  töchter  und  dann  Dick,  mehr  nicht 
Und  warum  nicht  mehr  ?  Einfach,  weil  nicht  mehr  vorhanden 
war.  Für  die  entwickelung  der  Charaktere  konnte  ihm  Joseph 
Andrews  nichts  bieten,  auch  nicht  für  die  handlung,  denn  es 
ist  eigentlich  keine  vorhanden.  Konnte  Goldsmith  hier  nicht 
selbständig  sein,  so  musste  er  sich  danach  anderswo  umsehen. 
Zunächst  habe  ich  jedoch  noch  über  eine  anzahl  episoden  zu 
sprechen,  die  aus  Joseph  Andrews  stammen. 

Nahezu  zwei  drittel  des  Fieldingschen  romans  werden 
von  einer  reise  des  pfarrers  eingenommen,  auf  der  er  seine 
vielfachen  aben teuer  erlebt.  Goldsmith,  der  doch  eine  ganz 
andre  handlung  hat,  hat  trotzdem  ebenfalls  eine  reise  Prim- 
roses gebracht,  die  die  kapitel  XVIII  bis  XXI  umfasst  und 
im  kleinen  eine  nachbildung  von  Adams  grosser  Pilgerfahrt  ist 

Er  bleibt  einmal,  als  er  schon  auf  der  rückreise  ist,  die 
wie  bei  Adams  allein  in  betracht  kommt,  ohne  geld  in  einem 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  141 

wirtshause  liegen  (XVm  81),  was  Adams  öfter  begegnet 
(z.  b.  n  15) ,  und  beide  werden  durch  einen  zufällig  vorüber- 
reisenden ausgelöst.  Neben  allerlei  missgescliick  treffen  unsre 
reisenden  natürlich  auch  angenehmes:  so  wird  Adams  einmal 
(n  17)  von  einem  wirt  freigehalten  und  noch  zu  einem  glas 
bier  eingeladen.  Eine  Unterhaltung  entspinnt  sich  und  Adams 
bringt  es  durch  seine  taktlosigkeit  und  seine  wunderlichen 
ansichten  so  weit,  dass  ihm  der  gastgeber  die  thür  weist. 
Primrose  wird  von  einem  haushofmeister ,  der  sich  für  den 
herm  ausgiebt,  freundlich  aufgefordert  bei  ihm  vorzusprechen 
(XIX).  Auch  sie  beginnen  eine  längere  Unterhaltung  und 
Primrose,  dessen  ansichten  freilich  vernünftig  sind,  redet  sich 
so  in  eifer  und  spricht  soviel  länger  als  der  gute  ton  es  er- 
laubt, dass  der  andre  wütend  ihm  gleichfalls  die  thür  zeigt. 

Adams  findet  später  gute  leute,  die  Wilsons  (III  2),  die 
ihn  bei  sich  aufnehmen.  Trotzdem  er  mit  ihnen  unter  so 
ungünstigen  umständen  zusammentrifft,  dass  er  anfänglich  mit 
misstrauen  betrachtet  wird,  fühlt  er  sich  gar  bald  äusserst 
wohl.  Diese  begegnung  ist  sehr  wichtig,  denn  hier  findet 
Joseph  seinen  vater,  wenngleich  er  ihn  noch  nicht  kennt. 
Der  gastgeber  erzählt  darauf  ausführlich  seine  wechselvollen 
Schicksale.  Auch  Primrose  trifft  unter  den  verdächtigsten 
anzeichen  mit  vortrefflichen  leuten,  den  Arnolds,  zusammen 
(XIX  90).  Auch  er  fühlt  sich  hier  ganz  glücklich,  und  auch 
für  ihn  wird  diese  begegnung  bedeutungsvoll,  da  er  hier  seinen 
söhn  Georg  findet,  der  darauf  sehr  ausführlich  seine  erlebnisse 
schildert.  Die  Wilsons  wie  die  Arnolds  leben  in  grösster 
behaglichkeit,  bei  beiden  wird  ausdrücklich  der  schöne  garten 
erwähnt,  der  zum  hause  gehört  (nur  ist  bei  Arnolds  alles  etwas 
vornehmer,  was  sich  später  noch  erklären  wird). 

Das  letzte  reiseabenteuer  Primroses  ist  wieder  in  einer 
schenke. 

Wirtshausscenen  sind  sozusagen  eine  Spezialität  Fieldings. 
Wir  haben  gesehen,  dass  Goldsmith  schon  eine  übernommen 
hat,  indem  er  den  pfarrer  im  gasthause  liegen  bleiben  lässt. 
Er  lässt  diesen  ferner  die  bekanntschaft  Burchells  durch  be- 
freiung  aus  derselben  unangenehmen  läge  machen  (11  13). 
Das  charakteristischste  aber  ist  folgendes :  Joseph  liegt  krank 
und  hilflos  in  einer  dorfschenke  (1 12).  Es  entsteht  ein  streit 
zwischen  wirt  und  wirtin.    Mr.  Tow-wouse  rät,  den  jungen 


142  Wn^LT  FISCHER, 

mann  gut  zu  behandeln,  seine  frau  aber  will  ihn  hinauswerfen. 
Sie  disputieren  lebhaft,  doch  für  das  weib  giebt  es  keinen 
grund  zum  mitleid,  wenn  der  arme  teufel  nicht  bezahlen  kann. 
Endlich  kommt  Adams  hinzu,  und  als  er  an  der  livree  des 
kranken  sieht,  es  müsse  ein  bekannter  sein,  befreit  er  ihn  and 
erkennt  zu  seinem  staunen  Joseph. 

Primrose  kommt  in  ein  wii'tshaus,  wo  er  einen  streit 
zwischen  den  wirtsleuten  anhört  (XXI  110).  Mr.  und  Mrs. 
Symmonds  sind  die  umgetauften  Mr.  und  Mrs.  Tow-wouse. 
Auch  hier  vertritt  der  mann  die  menschlichkeit,  die  frau  die 
geldgier.  Sie  hört  nicht  auf  die  einwendungen  des  mannes 
und  ist  entschlossen,  das  junge  mädchen,  um  das  es  sich  han- 
delt, aus  dem  hause  zu  jagen.  Als  Primrose  die  stimme  der 
unglücklichen  hört,  erkennt  er  seine  tochter  Olivia  und  befreit 
sie.    Damit  enden  seine  reiseerlebnisse. 

Wiederholt  finden  sich  in  Joseph  Andrews  jagdscenen. 
Adams  sitzt  mit  seinen  Schützlingen  im  grünen  (1114),  da 
sehen  sie  einen  hasen  von  hunden  verfolgt,  der  schon  sehr 
erschöpft  ist.  Fanny  ist  entrüstet  über  die  rohheit  der  Jäger, 
ohne  dem  tierchen  helfen  zu  können. 

So  sitzt  Primrose  mit  seiner  familie  auf  dem  lieblings- 
platze  im  freien  (V  21),  als  sie  einen  von  Jägern  und  banden 
verfolgten  hirsch  erblicken,  der  allgemeines  mitleid  erregt 
Wie  Fielding  durch  diese  scene  einen  rohen  landedehnann 
einführt,  so  ist  sie  für  Goldsmith  das  mittel  zur  einführang 
Thornhills  geworden. 

Während  Adams  aufenthalt  bei  Wilsons  sitzt  man  in 
äusserster  behaglichkeit  und  Zufriedenheit  beisammen  (UI 4), 
wird  aber  plötzlich  durch  einen  scliuss  erschreckt:  das  hünd- 
chen  der  tochter  Wilsons  ist  von  dem  gutsherm  der  gegend 
böswillig  erschossen  worden. 

Auch  hierfür  ist  eine  entsprechung  im  Vicar  zu  finden. 
Die  ganze  familie  und  Burchell  sind  glücklich  und  friedlich 
beieinander  (Vni  36).  Man  beobachtet  zwei  amseln  und  er- 
freut sich  an  ihrem  zierlichen  spiel:  da  gerät  alles  in  Ver- 
wirrung, denn  ganz  in  der  nähe  ertönt  ein  schuss  und  eine 
der  amseln  fällt  tot  nieder. 

Schliesslich  ist  noch  eine  kleinigkeit  zu  erwähnen.  Adams 
muss  bei  der  trauung  von  Fanny  und  Joseph  den  Mr.  Booby 
und  Pamela   tadeln,  weil  sie  lachen:   das   ist  natürlich  ein 


GOLDSMITHS  VICAR  OP  WAKEFIELD.  143 

kleiner  hieb  Fieldings  gegen  Richardson.  Goldsmith  verstand 
das  nicht  recht  und  übernahm  auch  diesen  Vorfall,  bei  ihm 
tadelt  Primrose  die  brautpaare  wegen  ihrer  unmässigen  heiter- 
keit  vor  der  trauung  (XXXII 178). 

Es  bleibt  jetzt  die  frage  zu  erörtern,  ob  Goldsmith  auch 
das  milieu  seines  landpredigers  aus  Joseph  Andrews  ent- 
nommen hat. 

Ueber  Adams  leben  zuhause  und  seine  Umgebung  ist  aber 
so  wenig  gesagt,  dass  hiervon  nicht  viel  entlehnt  werden 
konnte,  während  leben  und  treiben  der  pfarrersfamilie  in 
unserm  roman  ausgangspunkt  und  hintergrund  des  ganzen 
bilden.  Eine  anregung  hat  Joseph  Andrews  dennoch  gegeben. 
Adams  kommt,  wie  ich  schon  erwähnte,  auf  seiner  reise  zu 
den  Wilsons.  Wilson  hat  sich  mit  frau  und  kindern  aufs  land 
zurückgezogen  und  hat  hier  das  glück  gefunden.  Die  Schil- 
derung, die  von  diesem  idyllischen  treiben  gegeben  wird,  hat 
Goldsmith  sicherlich  beeinflusst  (lEE  3 ;  4)  : 

„We  pnrchased  this  little  place  whither  we  retired  . . .  from  a  world 
of  bnstle,  noise,  hatred,  enyy,  and  ingratitnde,  to  ease,  quiet,  and  love." 

Zum  hause  gehört  ein  gärtchen: 

„No  Parterres,  no  fonntains,  no  statnes,  embellished  this  little  garden. 
Its  only  Ornament  was  a  short  walk,  shaded  on  each  side  by  a  filbert 
hedge,  with  a  small  alcove  at  one  end,  whither  in  bot  weatber  the 
gentleman  and  bis  wife  nsed  to  retire  and  divert  tbemselves  with  their 
children,  wbo  played  in  the  walk  before  them.  But  thougb  vanity  bad 
no  votary  in  this  little  spot,  bere  was  variety  of  fruit  and  everything 
nsefnl  for  the  kitchen.'' 

Wilson  selbst  erzählt  dann  weiter: 

„Whatever  you  see  bere,  is  the  work  solely  of  my  bands.  Wbilst 
I  am  providing  necessaries  for  the  table,  I  likewise  procure  myself  an 
appetite  for  them.  In  fair  seasons,  I  seldom  pass  less  than  six  hours  of 
the  twenty-four  in  this  place,  wbere  I  am  not  idle  .  . .  Hither  I  generally 
repair  at  the  dawn  and  exercise  myself  wbilst  my  wife  dresses  the  children 
and  prepares  onr  breakfast;  after  which  we  are  seldom  asonder  during 
the  residne  of  the  day  . . . .,  for  I  have  experienced  that  calm,  serene 
happiness,  which  is  seated  in  content,  is  inconsistent  with  the  hurry  and 
bnstle  of  the  world." 

Man  wird  zugeben,  dass  mit  diesen  worten  auch  das 
treiben  in  Wakefleld  geschildert  ist,  alles  wesentliche  ist  vor- 
handen: bei  warmem  wetter  sitzen  die  eitern  in  der  laube, 
vor  ihnen  spielen  die  kinder,  während  der  vater  auf  dem  felde 
oder  im  garten  arbeitet,  bereitet  die  frau  das  frühstück.    Zum 


146  WILLI  FISCHER, 

Das  weitere  Verhältnis  zwischen  Olivia  und  Thomhill  ist 
in  der  hauptsache  das  zwischen  Klarissa  und  Lovelace. 

Lovelace  wendet  gegen  Klarissa  einmal  das  mittel  an, 
zwei  dirnen,  die  er  einst  verführt  hat,  und  die  nun  in  seinem 
dienste  stehen,  als  vornehme  damen  aufzuputzen  und  sie  dem 
unglücklichen  mädchen  als  solche  vorzustellen  (III 328  ff.)- 
Ihre  aufgäbe  ist,  Klarissa  nach  London  zu  locken,  wo  er  sie 
völlig  in  seiner  gewalt  hat.  Die  „damen"  werden  genannt 
Lady  Betty  Lawrance  und  Miss  Montague. 

Thornhill  wendet  ganz  das  gleiche  mittel  an  (IX  37  ff.), 
um  Olivia  (und  Sophia)  nach  London  zu  bringen,  wo  er  sie 
zugrunde  richten  will.  Auch  hier  ist  es  eine  Lady,  Lady 
Blarney  und  eine  Miss,  Miss  Carolina  Wilhelmina  Amelia 
Skeggs.  Alle  vier  sind  zwar  reich  gekleidet,  werden  aber 
von  Klarissa  und  Olivia  weit  überstrahlt.  Sie  benehmen  sich 
äusserst  tugendhaft  und  auch  Lovelace  und  Thomhill  bemühen 
sich,  das  zu  thun.  Als  die  beiden  liebhaber  einmal  ihre  wahre 
natur  durchblicken  lassen,  stellen  sich  die  „damen"  sehr  ent- 
rüstet. Wie  aber  sie  selbst  in  der  Klarissa  einmal  aus  der 
rolle  fallen  und  dadurch  fast  die  entdeckung  herbeiführen,  so 
thun  sie  das  auch  im  Vicar  of  Wakefield  und  lassen  sich  ein 
paar  recht  ordinäre  ausdrücke  entschlüpfen,  die  ebenfalls  fast 
verdacht  erwecken.  In  der  Klarissa  sollen  die  beiden  frauen- 
zimmer  tante  und  base  von  Lovelace  sein,  im  Vicar  wird  von 
Verwandtschaft  zuerst  gar  nichts  erwähnt.  Aber  so  voll- 
kommen getreu  kopiert  Goldsmith,  dass  er  am  Schlüsse  des 
elften  kapitels  ganz  nebenbei  die  eine  Thomhill  ihren  vetter 
nennen  lässt!  Die  Übereinstimmung  ist  also  bis  ins  kleinste 
vorhanden. 

Klarissa  verabredet  mit  Lovelace  ohne  wissen  der  familie 
die  flucht  aus  dem  eiternhause,  Olivia  ganz  ebenso.  Klarissa 
liebt  freilich  Lovelace  nicht  recht,  dass  Olivia  es  thut,  erklärt 
sich  daraus,  dass,  wie  ich  schon  sagte,  anfänglich  Pamela 
für  sie  das  Vorbild  war.  Wie  Klarissa  zuletzt  zurückbebt 
(I  brief  93)  und  bleiben  will,  so  schrickt  auch  Olivia  im  letzten 
augenblick  zurück  (XVII  78:  she  was  for  Coming  back). 

Das  motiv  der  scheintrauung ,  die  sodann  im  Vicar  vor- 
genommen wird  (XXI 113),  stammt  wieder  aus  Pamela  (U  7). 
Dort  wird  sie  freilich  nicht  ausgeführt  wie  hier,  schliesslicli 
aber  ist  auch  diese  keine  scheintrauung,  sondern  eine  wirkliche^ 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  145 

London  1785.  I  187)  ist  das  ein  einfacher,  rechtschaffener 
mensch,  der  sich  zwar  seiner  äusseren  Stellung  nach  nicht 
mit  seinem  patron  vergleichen  kann,  ihm  aber  an  herzensgute 
und  ehrlichkeit  unendlich  überlegen  ist.  Mr.  Williams  ist  ein 
pfarrer,  noch  ohne  Stellung,  der  Pamela  seine  liebe  erklärt 
und  entschlossen  ist,  Mr.  B.  zu  trotzen.  Pamela  hat  gegen 
ihn  nichts  einzuwenden,  vielleicht  würde  er  ihr  sogar  recht 
gut  gefallen,  wenn  eben  nicht  der  andre  da  wäre.  Ihre  eitern 
raten  ihr,  den  armen  zu  nehmen  und  sie  ist  schliesslich  dazu 
bereit,  aber  nur  für  den  fall,  dass  sie  den  vornehmen  nicht 
bekommt.    Natürlich  geht  am  ende  der  arme  teufel  leer  aus. 

Im  Vicar  of  Wakefleld  tritt  eine  ganz  ähnliche  gestalt 
auf  (XVI,  XVn  73) :  ein  ehrlicher  f armer,  in  bescheidnen  um- 
ständen, ebenfalls  sittlich  viel  höher  stehend  als  der  vornehme 
rival.  Auch  er  trotzt  seinem  gutsherm  ohne  bedenken  und 
Olivia  steht  zu  ihm  genau  so  wie  Pamela  zu  Williams.  Sie 
kann  nichts  gegen  ihn  einwenden,  lässt  sich  aber  von  Thorn- 
hills  stand  und  reichtum  zu  stark  beeinflussen.  Zuletzt  ver- 
spricht sie  ihrem  vater,  den  bescheidnen  f armer  zu  nehmen, 
aber  nur,  wenn  Thomhill  sie  nicht  nimmt.  Man  sieht,  dass 
diese  gestalt  im  Vicar  genau  dieselbe  eigentümliche  rolle 
spielt  wie  in  der  Pamela,  und  noch  dazu  heisst  der  mann  auch 
hier  Williams.  Wir  empfinden  unwillkürlich  für  beide  Sym- 
pathie, umsomehr  als  wir  sehen,  dass  ihre  Werbung  vergeblich 
sein  muss. 

Jemehr  Thornhill  Olivia  seine  liebe  zeigt,  um  so  begie- 
riger erwartet  die  familie  seine  offizielle  erklärung.  Da  sie 
nicht  erfolgt,  beschliesst  man,  zu  allerhand  mittelchen  seine 
Zuflucht  zu  nehmen.  Dafür  gab  die  veranlassung  eine  stelle 
in  der  Klarissa  (Tauchnitz-ausgabe  I  seite  11).  Lovelace  macht 
dort  Klarrissens  Schwester  den  hof,  auch  ohne  sich  zu  erklären. 
So  gebraucht  man  mancherlei  kunstgriffe,  damit  er  aus  seiner 
Zurückhaltung  herausgehen  soll.  Wie  hier  die  taute  es  recht 
klug  anzufangen  glaubt,  so  im  Vicar  of  Wakefleld  die  mutter. 
Das  bezeichnendste  aber  ist,  dass  man  hier  wie  dort  das  aus- 
bleiben der  erklärung  in  lächerlicher  Selbsttäuschung  ange- 
borener „Schüchternheit"  (bashfulness)  zuschreibt  (V.  of  W. 
XVI  69).  Einem  Lovelace  oder  Thomhill  Schüchternheit  zu- 
zutrauen, ist  so  charakteristisch,  dass  dies  allein  die  entlehnung 
zweifellos  macht 

AngU».    N.F.    XUI.  10 


146  WILLI  FISCHER, 

Das  weitere  Verhältnis  zwischen  Olivia  und  Thomhill  ist 
in  der  hauptsache  das  zwischen  Klarissa  und  Lovelace. 

Lovelace  wendet  gegen  Klarissa  einmal  das  mittel  an, 
zwei  dirnen,  die  er  einst  verführt  hat,  und  die  nun  in  seinem 
dienste  stehen,  als  vornehme  damen  aufzuputzen  und  sie  dem 
unglücklichen  mädchen  als  solche  vorzustellen  (III 328  ff.). 
Ihre  au^abe  ist,  Klarissa  nach  London  zu  locken,  wo  er  sie 
völlig  in  seiner  gewalt  hat.  Die  „damen"  werden  genannt 
Lady  Betty  Lawrance  und  Miss  Montague. 

Thornhill  wendet  ganz  das  gleiche  mittel  an  (IX  37  ff.), 
um  Olivia  (und  Sophia)  nach  London  zu  bringen,  wo  er  sie 
zugrunde  richten  will.  Auch  hier  ist  es  eine  Lady,  Lady 
Blarney  und  eine  Miss,  Miss  Carolina  Wilhelmina  Amelia 
Skeggs.  Alle  vier  sind  zwar  reich  gekleidet,  werden  aber 
von  Klarissa  und  Olivia  weit  überstrahlt.  Sie  benehmen  sich 
äusserst  tugendhaft  und  auch  Lovelace  und  Thomhill  bemühen 
sich,  das  zu  thun.  Als  die  beiden  liebhaber  einmal  ihre  wahre 
natur  durchblicken  lassen,  stellen  sich  die  „damen"  sehr  ent- 
rüstet. Wie  aber  sie  selbst  in  der  Klarissa  einmal  aus  der 
rolle  fallen  und  dadurch  fast  die  entdeckung  herbeiführen,  so 
thun  sie  das  auch  im  Vicar  of  Wakefield  und  lassen  sich  ein 
paar  recht  ordinäre  ausdrücke  entschlüpfen,  die  ebenfalls  fast 
verdacht  erwecken.  In  der  Klarissa  sollen  die  beiden  frauen- 
zimmer  taute  und  base  von  Lovelace  sein,  im  Vicar  wird  von 
Verwandtschaft  zuerst  gar  nichts  erwähnt.  Aber  so  voll- 
kommen getreu  kopiert  Goldsmith,  dass  er  am  Schlüsse  des 
elften  kapitels  ganz  nebenbei  die  eine  Thomhill  ihren  vetter 
nennen  lässt!  Die  Übereinstimmung  ist  also  bis  ins  kleinste 
vorhanden. 

Klarissa  verabredet  mit  Lovelace  ohne  wissen  der  familie 
die  flucht  aus  dem  eltemhause,  Olivia  ganz  ebenso.  Klarissa 
liebt  freilich  Lovelace  nicht  recht,  dass  Olivia  es  thut,  erklärt 
sich  daraus,  dass,  wie  ich  schon  sagte,  anfänglich  Pamela 
für  sie  das  Vorbild  war.  Wie  Klarissa  zuletzt  zurückbebt 
(I  brief  93)  und  bleiben  will,  so  schrickt  auch  Olivia  im  letzten 
augenblick  zurück  (XVII  78:  she  was  for  Coming  back). 

Das  motiv  der  scheintrauung ,  die  sodann  im  Vicar  vor- 
genommen wird  (XXI 113),  stammt  wieder  aus  Pamela  (11  7). 
Dort  wird  sie  freilich  nicht  ausgeführt  wie  hier,  schliesslich 
aber  ist  auch  diese  keine  scheintrauung,  sondern  eine  wirkliche, 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  147 

wie  sich  herausstellt  (XXXI  173).  Die  bethörten  mädchen 
werden  nachher  in  ein  schlechtes  haus  gebracht  (Klarissa^II 
187;  Olivia  XXI  113):  sogar  Sally  und  PoUy  der  Klarissa 
finden  sich  wieder  in  den  beiden  „unglücklichen  frauen'',  die 
dort  leben.  Das  ist  umsomehr  zu  beachten,  als  Goldsmith 
natürlich,  da  er  den  hauptinhalt  der  Klarissa  in  seinem  werke 
anbringen  wollte,  ausserordentlich  kürzen  musste.  Man  sieht, 
alles  charakteristische  ist  vorhanden,  wie  es  in  einem  guten 
anszuge  sein  muss. 

Lovelace  und  Thomhill  führen  ihren  plan  aus  und  zeigen 
sich  in  ihrer  wahren  gestalt.  Klarissa  wie  Olivia  entfliehen 
zuletzt,  jene  gegen  Lovelaces  willen,  diese,  ohne  von  Thomhill 
gehindert  zu  werden.  Die  härte  der  familie  gegen  Klarissa 
findet  ihren  reflex  in  der  der  mutter  gegen  Olivia  (XXII 118), 
endlich  ist  auch  das  langsame  hinsiechen  Oliviens  ähnlich  ge- 
schildert wie  das  Klarissens,  nur  insofern  verschieden,  als  es 
bei  dieser  nur  in  dem  gefühl  ihrer  schmach  begründet  ist,  bei 
jener  ausserdem  in  dem  schmerz  getäuschter  liebe. 

Was  den  Charakter  der  Olivia  angeht,  so  hat  er  manche 
Züge  der  Pamela,  so  die  eitelkeit,  koketterie  und  Oberflächlich- 
keit, alles  etwas  schärfer  ausgeprägt.  Einzelnes  stammt  von 
Klarissa  und  im  übrigen  hat  Olivia  die  Primrosische  familien- 
ähnlichkeit,  sie  ist  herzensgut  und  leichtgläubig. 

Eine  weit  ausgesprochnere  Persönlichkeit  ist  die  ihres 
partners  Thomhill.  Wir  haben  bereits  gesehen,  dass  er  zu- 
meist die  rolle  des  Lovelace  spielt.  Vergleicht  man  nun  die 
beiden  näher,  so  zeigt  sich  eine  erstaunliche  ähnlichkeit. 

Lovelace  und  Thomhill,  beides  landedelleute ,  sind  trotz 
ihrer  jugend  vollendete  lebemänner.  Weit  und  breit  sind  sie 
als  mädchenjäger  gefürchtet,  kein  mädchen  kann  ihnen  wider- 
stehen, keins  findet  seine  hingäbe  belohnt.  Mit  bewunderns- 
werter erbarmungslosigkeit  und  list  entwerfen  sie  ihre  plane, 
die,  von  einer  reihe  elender  in  ihren  diensten  stehender  men- 
schen unterstützt,  immer  gelingen. 

Trotzdem  ihr  sittlicher  Charakter  überall  bekannt  ist, 
öffnet  ihre  hohe  Stellung  ihnen  jede  thür,  ihre  gesellschaft- 
lichen talente  machen  stets  wieder  eindruck.  Denn  sie  sind 
von  bezaubernder  liebenswürdigkeit  und  gefälligstem  äussern, 
sie  wissen  nichts  gründlich  und  können  doch  über  alles  an- 
ziehend reden,  anziehend  wenigstens  für  mädchen  dieser  art. 

10* 


148  WILLI  FISCHER. 

Endlich  sind  sie  ausserordentlich  eitel  und  verlangen  durchaus, 
anerkannt  und  bewundert  zu  werden :  es  ist  bekannt,  wie  iin- 
vei'söhnlich  Lovelace  gegen  jeden  ist,  der  ihm  zu  trotzen  ver- 
sucht, wie  sehr  es  ihm  schmeichelt,  wenn  man  seine  Über- 
legenheit willig  zugesteht  und  Thomhill  verlangt  Schmeichelei 
ebenso  dringend,  wie  Greorg  erzählt  (XX  98). 

Man  sieht  hieraus,  Goldsmith  hat  nur  eine  kleine  umtaufe 
vorgenommen,  hat  Lovelace  Thomhill  genannt  und  so  diese 
berühmte  gestalt,  deren  erfolg  sicher  war,  direkt  entlehnt.  0 

Somit  war  für  die  älteste  tochter  des  pfarrers  gesorgt. 
Goldsmith  eignete  sich  das  Verhältnis  zwischen  Lovelace  und 
Klarissa,  den  Charakter  des  Lovelace  und  verschiedne  kleinig- 
keiten  aus  Pamela  an,  während  der  Charakter  Oliviens  nicht 
völlig  einem  vorbilde  entspricht. 

Es  handelte  sich  für  Goldsmith  weiter  darum,  für  die 
jüngere  tochter  ein  vorbild  zu  finden.  Goldsmith  wählte  dazu 
ein  mädchen,  das  mit  seinem  geliebten  zusammen  das  gegen- 
stück  zu  dem  ersten  paare  bildet.  Was  Richardsons  trotz 
vieler  mängel  bewundernswerte  gestaltungskraft  als  sein  bestes 
der  weit  geschenkt,  das  übernahm  der  gewandte  Goldsmith 
und  drückte  ihm  den  Stempel  —  nicht  seines  geistes,  sondern 
seiner  feder,  das  heisst  seines  glänzenden  stils  auf.  Das  Ver- 
hältnis zwischen  Sophia  und  Burchell  (so  will  ich  der  einfach- 
heit  halber  den  älteren  Thomhill  inmier  nennen)  stammt  aus 
Sir  Charles  Grandison. 

Das  wichtigste  äussere  ereignis,  das  sich  zwischen  Miss 
Byron  und  Grandison  abspielt,  ist  folgendes:  Miss  Byron  wird 
von  einem  vornehmen  liebhaber  zweifelhaften  sittlichen  Cha- 
rakters, den  sie  verachtet,  gewaltsam  entführt  (7.  ausgäbe. 
London  1781.  I  229).  \Vähi*end  sie  in  einem  wagen  fortge- 
schafft wird,  bemüht  sich  der  entführer,  sie  am  schreien  zu 
verhindern.  Da  erblickt  sie  Grandison  mit  seinem  gefilhrt 
und  ruft  laut  um  hilfe.  Grandison  ist  sofort  bereit  zu  helfen, 
ein  kurzer  kämpf  entspinnt  sich   und  Miss  Byron  ist  befreit. 


1)  Man  wende  nicht  ein,  dass  Thomhill  sich  doch  in  einem  wesent- 
lichen punkte  Ton  Lovelace  unterscheide.  Einen  solchen  punkt  giebt  es 
allerdings,  der  aber  hier  durchaus  nicht  in  betracht  kommt  und  den  ich 
später  befriedigend  zu  erklären  hoffe. 


GOLDSMITHS  YICAR  OF  WAKEFIELD.  149 

So  lernen  sich  beide  kennen  und  lieben.  Im  Vicar  of  Wake- 
field  kennen  sich  Sophia  und  Burchell  schon,  die  veränderten 
umstände  bringen  es  hier  mit  sich,  dass  letzterer  im  hause 
des  pfarrers  bekannt  ist.  Die  rolle  des  entführers  muss  hier 
natürlich  Thornhill  spielen,  da  Groldsmith  unmöglich  eine  neue 
person  dafür  einführen  konnte.  Anderseits  darf  Thornhill 
nicht  persönlich  mitwirken,  er  muss  seine  kreaturen  dazu  be- 
nutzen, weil  ja  der  befreier  Burchell  sein  Onkel  ist  und  ihn 
erkennen  würde,  was  zu  dieser  zeit  noch  nicht  geschehen  darf. 

Im  übrigen  verläuft  die  entführung  wie  im  Grandison 
(XXX  156/7).  Sophia  bemüht  sich  im  wagen  verzweifelt  zu 
schreien,  bis  sie  endlich  Burchell  sieht  und  ihn  anruft.  Auch 
hier  wird  widerstand  geleistet,  aber  bald  überwunden,  auch 
hier  ist  die  befreiung  für  das  Verhältnis  zwischen  beiden  ent- 
scheidend. 

Die  entführungsscenen,  die  Groldsmith  so  aus  Elarissa  und 
Grandison  entlehnt  hat,  sind  jede  in  ihrer  art  so  charakte- 
ristisch, dass  ein  zweifei  über  ihre  abstammung  nicht  ent- 
stehen kann.  Diese  wird  noch  deutlicher,  wenn  ^vir  jetzt  die 
beiden  handelnden  personen  selbst  betrachten. 

Sophia  sticht  bemerkenswert  von  ihrer  Schwester  Olivia 
ab.  Sie  wird  zu  anfang  gekennzeichnet  als  ein  mädchen,  das 
mit  der  eroberung  eines  mannes  zufrieden  ist  (I  6) ,  ihr  fehlt 
alle  koketterie,  ganz  wie  Miss  Byron.  Sie  sind  beide  ruhig, 
bescheiden  und  liebenswürdig.  Erscheint  Olivia  etwas  ober- 
flächlich, so  ist  Sophia  tief  und  innig.  Von  Miss  Byron  wird 
immer  ihre  klugheit  hervorgehoben:  obwohl  Sophia  keine  ge- 
legenheit  hat,  viel  davon  zu  zeigen,  wird  sie  doch  (XXVin  146) 
fast  ein  engel  an  Weisheit  genannt  und  Burchell  rühmt  ihren 
verstand  (XXXI 176).  Besonders  bezeichnend  ist  die  art,  wie 
beide  mädchen  zu  dem  geliebten  stehen.  Es  ist  eine  liebe  in 
altertümlicher  weise:  das  mädchen  liebt  zuerst,  der  mann  ist 
seines  erfolgs  sicher  und  spricht  sich  nicht  aus,  sodass  sie  in 
ängstlicher  Spannung  verharrt.  Im  Grandison  wird  wieder- 
holt gesagt  (besonders  VI  74) ,  dass  man  gegen  den  helden 
einiges  misstrauen  hegt,  man  fürchtet,  er  wolle  Miss  Bjrron 
nicht,  oder  er  bilde  sich  ein,  mit  ihr  spielen  zu  dürfen.  Gtenx 
so  denkt  man  im  Vicar  von  Burchell,  der,  als  ihm  Sopbia 
angeboten  wird,  gar  nicht  antwortet,  wie  wenn  er  das 
chen  verschmähe  (XXX  158).    Der  leser  ist  dabei  von  i 


150  WILLI  FISCHER, 

an  von  der  Hebe  des  mannes  überzeugt,  nur  zögert  dieser  bis 
zum  letzten  augenblick,  sie  zu  bekennen. 

Dieses  so  eigentümliche  Verhältnis  hat  seinen  innersten 
grund  in  der  grossen  vortrefflichkeit  des  liebhabers.  Das 
mädchen  soll  ja  recht  deutlich  einsehen,  welch  ein  glück  ihm 
beschieden  ist,  wenn  es  einen  solchen  mann  bekommt.  Bur- 
chell  ist  niemand  anders  als  Sir  Charles  Grandison. 

Beide  sind  noch  jung,  Grandison  ist  26,  Burchell  noch 
nicht  30  jähre  alt,  dennoch  sind  sie  durch  ernste  erfahmngen 
gereift,  sie  haben  schon  weite  reisen  gemacht  und  sind  in 
jeder  hinsieht  gebildete  männer  von  bedeutendem  gesellschaft- 
lichem rang.  Ihre  liebe  ist  die  des  verständigen  mannes,  nicht 
weniger  innig  als  die  des  leidenschaftlichen  Jünglings,  aber 
ruhiger  und  dauernder.  Hier  giebt  es  kein  schmachten  nnd 
anbeten,  sie  suchen  ein  mädchen,  das  sie  nur  um  ihrer 
geistigen  Vorzüge  willen  liebt  und  vertrauen  auf  ihren  sieg, 
nicht  mit  der  hochmütigen  Sicherheit  des  eingebildeten,  son- 
dern mit  dem  berechtigten  selbstbewusstsein  des  tüchtigen 
mannes.  Grandison  und  Burchell  stellen  den  englischen  Gentle- 
man vor,  wie  er  sein  sollte.  Ihre  herzensgute  macht  sie 
allgemein  beliebt,  wohin  sie  kommen,  verbreiten  sie  frohsinn. 
Es  scheint  erstaunlich,  dass  man  sich  zwar  viel  über  Gran- 
dison lustig  gemacht,  nie  aber  an  Burchell  etwas  ausgesetzt 
hat.  Es  erklärt  sich  aber  ganz  einfach  daraus,  dass  Grandison 
immer  im  Vordergründe  steht  und  seine  Vorzüge  unaufhörlich 
gepriesen  werden,  dass  aber  Burchell  nur  eine  figur  von 
vielen  ist  und  seine  vortrefflichkeit  danim  nicht  so  sehr 
gerühmt  werden  kann.  Er  ist  aber  thatsächlich  derselbe 
Charakter,  gerade  so  vollkommen  gut  wie  Grandison.  Georg 
nennt  ihn  (XX  98)  einen  mann,  „whose  character  for  every 
virtue  was  universal".  Er  selbst  erklärt,  alle  seine  leiden- 
schaften  seien  auf  der  seite  der  tugend  (m  14),  und  Gran- 
dison sagt,  wenn  er  gutes  thue,  so  folge  er  nur  seiner  vor- 
herrschenden leidenschaft  (DI  60).  Wenn  Burchell  davon 
spricht,  dass  er  „carried  benevolence  to  an  excess"  (UI 14), 
so  redet  Grandison  von  seiner  „overreadiness,  even  to  rash- 
ness"  im  gutthun  (H  57).  Eine  grössere  Übereinstimmung 
kann  man  wohl  nicht  verlangen. 

Beider  naturell  ist  lebhaft,  sie  können  sich  wohl-  auch 
für   einen   augenblick  fortreissen  lassen   und  heftige  worte 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAJCBFIBLD.  151 

brauchen,  aber  stets  nur,  wenn  es  sehr  begreiflich  und  ent- 
schuldbar ist,  und  nicht  gerade  oft.  Denn  im  allgemeinen 
verstehen  sie  es  sehr  gut,  sich  zu  beherrschen,  so  dass  die 
kühle  ruhe,  mit  der  sie  Provokationen  gegenüberstehen, 
geradezu  charakteristisch  für  sie  ist.  Sie  lassen  sich  durchaus 
nicht  reizen,  sie  stehen  immer  über  dem,  der  sie  angreift. 
Man  weiss,  wie  oft  Grandison  diese  Überlegenheit  bewährt, 
und  Burchell  zeigt  sich  so  den  wiederholten  angriffen  der 
pfarrersleute  gegenüber  (XV  63  ff.). 

Grandisons  ansichten  weichen  in  einem  bemerkenswerten 
punkte  von  denen  seiner  standesgenossen  ab:  er  ist  gegner 
des  duells.  Es  ist  bekannt,  wie  oft  er  sich  dagegen  aus- 
spricht, und  welch  ein  hervorstechender  zug  seines  Charakters 
dies  ist.  Wäre  nun  Goldsmith  zufällig  auch  ein  feind  des 
duells  gewesen,  und  hätte  er  seine  meinung  im  Vicar  dar- 
legen wollen,  so  hätte  er  sie  sicherlich  dem  pfarrer  in  den 
mund  gelegt,  dessen  Standpunkt  sie  vortrefflich  entsprochen 
haben  würde.  In  Wirklichkeit  aber  scheint  niemand  weniger 
den  Zweikampf  zu  verurteilen  als  gerade  Primrose,  der  ja 
pistolen  im  hause  hat  und  fast  direkt  für  das  duell  eintritt 
(XXIV  124). 

Goldsmith  hat  vielmehr  auch  hier  getreulich  übernommen, 
und  so  hat  Burchell  auch  diesen  zug.  Er  spricht  sich  mehr- 
mals sehr  scharf  gegen  das  duell  aus:  Georg  schickt  er  fort, 
ohne  ihm  in  seiner  schlimmen  läge  zu  helfen  (XX  90) ,  nur 
weil  dieser  einen  Zweikampf  ausgefochten  hat,  und  Thornhill 
wird  zuletzt  fast  gerettet,  als  er  darauf  hinweisen  kann,  dass 
er  ein  duell  abgelehnt  hat  (XXX  163). 

Es  muss  ausdrücklich  betont  werden,  wie  auffallend  es 
ist,  dass  ein  junger  mann  aus  den  vornehmsten  kreisen  und 
ein  vollendeter  gentleman  eine  solche  ansieht  hat:  das  allein 
schon  würde  eine  entlehnung  wahrscheinlich  machen,  auch 
wenn  nicht  so  vieles  andre  sie  bewiese. 

Endlich  ist  noch  anzuführen,  dass,  während  sonst  in  den 
romanen  dieser  zeit  die  diener  grosser  männer  meist  als 
sehr  unliebenswürdig  und  geldgierig  geschildert  werden,  die 
diener  Grandisons  und  Burchells  sich  durch  grosse  freund- 
lichkeit  und  gef älligkeit  auszeichnen  (Grandison  n  8/9 ;  Bur- 
chell XX  98). 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  Goldsmith  für  die  zweite  tochter 


152  WILLI  FISCHER, 

sehr  genau  nicht  nur  das  Verhältnis  zwischen  Miss  Byron  und 
Grandison  übernommen  hat,  sondern  auch  ihre  Charaktere  bis 
ins  einzelne.  Natürlich  ist  immer  zu  beachten,  dass  sich  ge- 
wisse kleine  unterschiede  herausstellen,  weil  eben  die  mädchen 
im  Vicar  einer  andern  familie  angehören,  als  die  der  vorläge, 
weil  sie  pfarrerstöchter  sind  und  Goldsmith  manche  kleine 
scene,  die  sich  ergab,  selbständig  entwickeln  musste.  Wo  sich 
eine  irgendwie  bedeutende  abweichung  findet,  komme  ich  später 
noch  darauf  zurück. 

Nächst  Lovelace  und  Elarissa,  Grandison  und  Miss  Byron 
ist  das  berühmteste  liebespaar  in  den  romanen  vor  Goldsmith 
Tom  Jones  und  Sophia  Western,  und  dies  ist  es  auch,  das 
unser  dichter  als  drittes  paar  verwertete. 

Dem  Tom  Jones  entspricht  im  Vicar  of  Wakefield  Georg, 
der  älteste  söhn  des  pfan'ers.  Tom  und  Georg  lieben  ein 
reiches  mädchen,  jener  Sophia  Western,  dieser  Arabella  Wilmot, 
Trotzdem  beide  mädchen  die  liebe  erwidern,  ist  sie  unglück- 
lich, denn  Sophiens  vater,  Mr.  Western,  will  seine  tochter 
keinem  armen  manne  geben,  und  Mr.  Wilmot  zieht  sich  un- 
mittelbar vor  der  hochzeit  zurück,  als  Georg  durch  den  ver- 
mögensverlust  seines  vaters  plötzlich  arm  geworden  ist.  Die 
trostlosen  liebhaber  gehen  darauf  in  die  weite  weit  Tom 
macht  eine  Irrfahrt  durch  England,  auf  der  er  die  mannig- 
fachsten abenteuer  erlebt,  Georg  kommt  sogar  ins  ausländ, 
da  Goldsmith  die  gelegenheit  wahrnahm,  manches  von  seinen 
eignen  reiseerlebnissen  einzuflechten. 

Natürlich  muss  bei  Goldsmith  wieder  alles  gedrängter 
ei-scheinen,  weil  im  Vicar  diese  handlung  nur  eine  von  vielen 
ist.  Das  fällt  besonders  auf,  wenn  wir  uns  den  beiden  mäd- 
chen zuwenden.  Diese  sind  mit  ihres  vaters  entscheidnng 
durchaus  nicht  einverstanden,  sie  lieben  ihre  anbeter  trotz 
ihrer  armut  von  ganzem  herzen.  Während  aber  bei  Fielding 
die  Schilderung  von  Westerns  verhalten  gegen  seine  tochter 
einen  breiten  räum  einnimmt,  erfahren  wir  von  Goldsmith 
gar  nichts  darüber,  wie  es  Arabella  Wilmot  ergeht.  Das  er- 
klärt sich  freilich  sehr  gut  daraus,  dass  eben  des  Stoffs  gar 
zuviel  wurde  und  die  handlung  immer  um  die  pfarrerfamilie 
konzentriert  bleiben  muss.  Sophiens  vater  will  sie  zur  heirat 
mit  einem  andern  zwingen,  und  er  wird  dabei  von  einer  tante. 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  153 

Mrs.  Western,  unterstützt.  Es  taucht  nämlich  plötzlich  ein 
neuer  bewerber  auf.  Blifil,  der  neffe  Allworthys,  macht  Sophia 
den  hof ,  wird  aber  von  ihr  verschmäht;  Thornhill,  Burchells 
neffe,  thut  das  gleiche  der  Arabella  gegenüber,  die  ihn  eben- 
sowenig liebt  Aber  diese  freier,  soweit  sie  auch  sittlich  hinter 
den  armen  zurückstehen,  sind  reich  und  angesehen  und  werden 
darum  von  den  vätem  mit  offnen  armen  aufgenommen. 

Schon  vorher  hat  im  Tom  Jones  Blifil  seinen  nebenbuhler 
bei  dem  onkel  Allworthy  in  misskredit  gebracht,  als  beide 
noch  bei  diesem  onkel  lebten.  Wenn  Goldsmith  hier  genau 
folgen  wollte,  so  musste  also  Thornhill  Georg  bei  Burchell 
schaden.  Wie  das  aber  möglich  sein  soll,  ist  schwer  einzu- 
sehen. Die  Verhältnisse  sind  hier  durch  die  andern  entleh- 
nungen  völlig  verschieden  von  denen  im  Tom  Jones:  Georg 
steht  ja  Thornhill  ganz  fem,  noch  viel  mehr  aber  Burchell. 
Für  Goldsmith  war  das  keine  Schwierigkeit.  Er  lässt  einfach 
Georg  Thomhills  universitätsfreund  sein,  später  in  dessen 
dienste  treten  und  ihm  einen  empfehlungsbrief  an  Burchell 
geben:  durch  diesen  brief  jedoch  zieht  sich  Georg  Burchells 
zom  zu,  dieser  treibt  ihn,  wie  Allworthy  den  Tom,  ohne  mit- 
leid  in  die  weit  hinaus,  und  Georgs  hauptsächlichste  abenteuer 
folgen  erst  jetzt. 

So  hat  Goldsmith  dasselbe  erreicht  wie  Fielding:  der 
reiche  bewerber  schadet  dem  armen  bei  seinem  oheim.  Tom 
Jones  also  muss  fort,  weil  er  durch  Blifil  bei  Allworthy  ver- 
leumdet worden  ist  und  weil  Western  seine  liebschaft  mit 
Sophia  nicht  billigt.  Georg  muss  fort,  weil  aus  seiner  liebe 
zu  Arabella  nichts  werden  kann  und  muss  seine  Wanderung 
fortsetzen,  weil  durch  Thornhill  Burchells  unwille  gegen  ihn 
erregt  ist.  Man  sieht,  so  weit  es  die  veränderten  umstände 
nur  erlaubten,  ist  die  Übereinstimmung  gewahrt. 

Die  arme  Sophia  weiss  sich  nicht  anders  zu  helfen,  als 
dass  sie  ihren  bedrängem,  Blifil,  dem  vater  und  der  tante, 
entflieht  und  zu  einer  andern  tante,  Lady  Bellaston  geht. 
Arabella  ist  nach  dem  abbrechen  der  beziehungen  zu  Georg 
spurlos  verschwunden,  aber  dann  taucht  sie  erstaunlicher 
weise  ebenfalls  bei  einer  tante ,  Mrs.  Arnold ,  auf  (XIX  90). 
Wie  die  tante  Sophiens,  Mrs.  Western  und  später  auch  die 
Lady  Bellaston  für  eine  vemunftheirat  ist,  so  tritt  im  Vicar 
of  Wakefield  die  tante  Mrs,  Arnold  für  Thornhill  ein.    Bei 


154  WILLI  FISCHER, 

dieser  tante  treffen  dann  die  liebenden  ganz  unerwartet  und 
zwar  durch  eine  theateraufführung  wieder  zusammen.  Das 
mädchen  aber  zeigt  sich  nicht  so  entgegenkommend,  wie  man 
denken  sollte,  und  diese  Zusammenkunft  verläuft,  ohne  im 
geringsten  die  sache  des  armen  liebhabers  zu  fördern. 

Im  gegenteil,  weiteres  unglück  bricht  über  ihn  herein, 
er  wird  bei  der  geliebten  verläumdet.  Im  Tom  Jones  ge- 
schieht das  durch  die  eifersüchtige  tante  Bellaston :  Goldsmith 
konnte  natürlich  auch  hier  keine  neue  handlung  einführen, 
diese  Schlechtigkeit  wird  dem  schon  viel  belasteten  Thomhill 
zugeschoben,  wie  wir  ähnliches  auch  früher  gesehen  haben. 
Die  aussiebten  sind  jetzt  sehr  ungünstig.  Blifil  wird  von 
AUworthy,  der  von  dem  wahren  Charakter  des  neffen  keine 
ahnung  hat,  unterstützt,  Thomhill  von  Burchell,  der  ihn  ebenso 
wenig  kennt,  vater  und  tante  der  mädchen  sind  gleichfalls 
für  die  reichen  bewerber,  und  für  Tom  und  Georg  scheint 
jede  hoffnung  verschwunden.  Bezeichnend  ist  bei  allem,  dass 
Blifil  wie  Thornhill  gegen  das  opfer  ihrer  ranke  äusserlich 
den  schein  der  freundschaft  aufrecht  erhalten,  und  dass  beide 
keine  liebe  empfinden,  sondern  die  mädchen  nur  um  ihres 
geldes  willen  heiraten  wollen.  Sie  verfolgen  zwei  plane  zu- 
gleich, sie  wollen  die  mädchen  erlangen  und  ihren  onkel,  von 
dem  sie  völlig  abhängig  sind,  in  der  irrigen  meinung  von  ihrer 
strengen  rechtlichkeit  erhalten,  beides  bedingt  auch  ihr  ver- 
halten gegen  den  rivalen. 

Tom  und  Georg  sind  noch  nicht  genug  gedemütigt.  Bei 
Fielding  tritt  weiter  ein  edler  Lord  Fellamar  auf,  der  eben- 
falls Sophien  liebt  und  Georg  dadurch  entfernen  wiU,  dass  er 
ihn  pressen  lässt.  Im  Vicar  of  Wakefield  spielt  natürlich 
Thomhill  diese  roUe,  der  unter  dem  vorwande  der  freundschaft 
Georg  eine  kapitänstelle  in  Westindien  verschaffen  will. 
Darauf  erscheint  im  Tom  Jones  im  zusammenhange  mit  der 
früheren  handlung  jemand,  mit  dem  Tom  ein  duell  ausficht: 
Tom  siegt  zwar,  wird  aber  dabei  von  den  Schergen  des  Lords 
überfallen  und  ins  gefängnis  gebracht.  Auch  diese  episode, 
die  sich  bei  Fielding  aus  ganz  besondern  umständen  erklärt, 
die  Goldsmith  nicht  übernehmen  konnte,  auch  diese  hat  unser 
dichter  in  seinen  roman  angenommen.  Hier  fordert  Gteorg 
Thomhill,  der  aber  ein  paar  seiner  diener  schickt,  die  Georg 
nach  heftigem  widerstände  festnehmen. 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  155 

Das  ist  die  schwerste  prüfung  unsrer  beiden  beiden. 
Fälscblicb  heisst  es  bier  wie  dort,  der  verletzte  gegner  sei 
schwer  verwundet  und  dem  tode  nahe.  Blifil  und  Thombill 
haben  schurken  bestochen,  die  gegen  Tom  und  Georg  aus- 
sagen. Das  Unglück  beider  hat  den  gipfel  erreicht,  ein  schmäh- 
licher tod  durch  henkershand  scheint  unvermeidlich. 

Die  nun  folgende,  oft  und  mit  recht  gerühmte  lösung  des 
Tom  Jones  ist  völlig  auch  die  des  Vicar  of  Wakefield,  wo  sie 
in  die  gefängnisscene  zusammengepresst  ist. 

Die  beiden  unglücklichen  fühlen  sich  frei  von  schuld  und 
sehen  dem  tode  fest  entgegen.  Jetzt  treten  AUworthy  und 
Blifil,  Burchell  und  Thombill  wieder  in  den  Vordergrund. 
AUworthy  hat  von  Toms  freunden  allerhand  mitteilungen  über 
dessen  und  Blifils  wahren  Charakter  erhalten,  so  dass  man 
eigentlich  erwarten  sollte,  er  müsse  aufgeklärt  werden,  doch 
Blifil  redet  sich  geschickt  heraus.  So  auch  im  Vicar  of  Wake- 
field, nachdem  Burchell  von  den  pfarrersleuten  die  schand- 
thaten  Thornhills  erfahren  hat.  Man  hält  es  hier  einfach  für 
selbstverständlich,  dass  Bui'chell  nun  weiss,  mit  wem  er  es  in 
Thornhill  zu  thun  hat,  doch  er  lässt  sich  von  diesem  wieder 
überreden.  Kurz  vor  der  entscheidung  kommt  es  Blifil  sehr 
zu  statten,  dass  er  AUworthy  von  dem  duell  erzählen  kann, 
in  dem  Tom  jemanden  getötet  haben  soll:  das  ist  auch  die 
hauptstütze  Thomhüls,  der  BurcheU  plötzUch  gar  nicht  mehr 
so  schuldig  erscheint,  weü  er  ja  dem  Zweikampf  ausgewichen 
ist.  Gerechtigkeitsliebe  und  herzensgute  verzögern  die  lösung 
im  Tom  Jones  wie  im  Vicar,  AUworthy  und  Burchell  wollen 
nicht  auf  blosse  anschuldigungen  hin  ihre  neffen  verdammen, 
von  denen  sie  bisher  eine  so  hohe  meinung  gehabt  haben. 
Frühere  bekannte  bemühen  sich  nun  um  die  gefangenen:  im 
Tom  Jones  ist  es  Nightingale,  im  Vicar  Jenkinson.  Sie  be- 
kommen heraus,  dass  der  verwundete  gar  nicht  in  lebensgefahr 
ist.  Die  helfershelfer  der  beiden  schurken,  der  advokat 
Dowling  hier  und  dort  die  diener  ThornhiUs  geben  ihre  herren 
preis,  als  sie  sehen,  dass  alles  verloren  ist.  AUworthy  und 
Burchell  erfahren  mit  entsetzen  die  Wahrheit.  Heftig  ist  der 
zom  dieser  vielgetäuschten  gegen  BUfil  und  Thornhill,  die, 
nachdem  sie  ausgespielt  haben,  nicht  etwa  bereuen,  sondern 
in  eine  widerliche  demut  verfallen. 

Zuletzt  kommt  noch  eine  Überraschung,  die  aber  in  beiden 


156  WILLI  FISCHER, 

romanen  verschieden  sein  muss:  hier  wird  Toms  gebnrt,  dort 
Oliviens  heirat  entdeckt.  Allworthy  und  Burchell  wenden 
natürlich  nun  Tom  und  Georg  ihre  gunst  zu  und  treten  fftr 
die  heirat  mit  Sophia  und  Arabella  ein,  sie  selbst  übernehmen 
es,  die  mädchen  über  Ihre  vornehmen  bewerber  aufzuklären. 
Auch  die  väter  ändern  ihre  frühere  ansieht  und  zwar  ganz 
plötzlich,  ohne  jeden  Übergang,  und  sind  mit  der  vorgeschla- 
genen neuen  partie  einverstanden.  Die  beiden  oheime  machen 
sich  zuletzt  noch  einen  kleinen  scherz:  Allworthy  bietet  mit 
verstelltem  ernst  Sophien  einen  seiner  verwandten  an,  womit 
er  Tom  meint,  dessen  Verwandtschaft  mit  ihm  aber  Sophia 
noch  unbekannt  ist.  Natürlich  weist  sie  ihn  entschieden 
zurück.  So  schlägt  Burchell  seiner  Sophia  den  Jenkinson  vor, 
für  den  diese  sich  ganz  entsetzt  bedankt.  Blifll  und  Thomhill 
werden  auf  bitten  der  vorher  von  ihnen  bedrängten  wenigstens 
nicht  ganz  hilflos  ins  elend  gejagt,  und  es  herrscht  eitel  freude 
und  glück. 

Deutlicher  als  hier  kann  eine  entlehnung  wohl  kaum  sein. 
Um  das  recht  scharf  hervortreten  zu  lassen,  gestatte  man  mir, 
die  hauptpunkte  noch  einmal  hervorzuheben.  Ich  erzähle  kurz 
die  fabel  des  Vicar  of  Wakefield,  soweit  sie  hier  in  betracht 
kommt  und  füge  in  klammern  die  entsprechenden  namen  aus 
Tom  Jones  hinzu.  Liest  man  diese  statt  jener,  so  hat  man 
den  hauptinhalt  des  Fieldingschen  romans. 

Georg  (Tom)  liebt  die  reiche  Arabella  (Sophia),  die  seine 
liebe  erwidert.  Deren  vater,  Wilmot  (Western),  will  Georg 
(Tom)  nicht,  weil  er  arm  ist.  Der  unglückliche  freier  geht 
in  die  weite  weit.  Darauf  bewirbt  sich  um  das  mädchen 
Thomhill  (Blifil),  der  neffe  des  landedelmanns  Burchell  (All- 
worthy). Er  wird  unterstützt  vom  vater  Mr.  Wilmot  (Mr, 
Western),  von  der  tante  Mrs.  Arnold  (Mrs.  Western),  schliess- 
lich auch  vom  onkel  Burchell  (Allworthy),  der  des  neffen 
wahren  Charakter  nicht  kennt.  Arabella  (Sophia)  aber  liebt 
ihn  nicht,  ihre  Zuneigung  gehört  noch  immer  Georg  (Tom). 
Diese  liebenden  treffen  einmal  bei  gelegenheit  eines  Schauspiels 
zufällig  zusammen,  ohne  dass  ihre  sache  dadurch  gefördert 
wii'd.  Georg  (Tom)  wird  bei  Burchell  (Allworthy)  und  Ara- 
bella (Sophia)  verläumdet.  Thomhill  (Blifil)  versucht  ihn  aus 
dem  wege  zu  räumen.  Durch  ein  duell,  bei  dem  er  überfallen 
wird,  kommt  Georg  (Tom)  ins  gefängnis,   Thomhill  (Blifil) 


OOLDSIOTHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  157 

bringt  falsche  zeugen  gegen  ihn,  um  ihn  sicher  loszuwerden 
und  er  scheint  dem  tode  verfallen  zu  sein.  Aber  ein  freund 
beweist,  dass  der  im  duell  verwundete,  der  für  tot  ausgegeben 
wurde,  nur  wenig  verletzt  ist.  Die  gewandtheit  Thornhills 
(Blifils)  verzögert  die  entdeckung  seiner  Schurkerei  eine  Zeit- 
lang, schliesslich  aber  werden  Burchell  (Allworthy)  die  äugen 
geöffnet.  Er  giebt  seinen  neffen  völlig  auf  und  tritt  für  die 
heirat  zwischen  Arabella  (Sophia)  und  Georg  (Tom)  ein,  mit 
der  dann  sofort  auch  Wilmot  (Western)  einverstanden  ist. 

Soweit  es  also  die  äusserlich  verschiedenen  Verhältnisse 
nur  irgend  erlaubten,  hat  Goldsmith  die  handlung  des  Tom 
Jones  nachgeahmt.  Nicht  nur  alle  grossen  züge  sind  getreu 
wiedergegeben,  sondern  auch  die  charakteristischsten  einzel- 
heiten,  so,  dass  die  mädchen  sich  bei  der  tante  aufhalten,  die 
im  duell  verwundeten  fälschlich  für  tot  erklärt  werden,  dass 
die  beiden  schurken  nach  der  entdeckung  sich  so  widerlich 
kriechend  benehmen,  dass  sich  zuletzt  der  onkel  einen  so  eigen- 
artigen scherz  macht  und  vieles  andre. 

Ich  begnüge  mich  jedoch  vorläufig  mit  der  feststellung 
dieser  thatsachen,  ohne  weitere  kritik  zu  üben  und  komme 
nun  nach  der  darlegung  der  Identität  der  handlung  zu  den 
einzelnen  personen. 

Der  ausgangspunkt  ist  natürlich  Tom  Jones,  Goldsmiths 
Georg.  Tom  ist  eine  mit  der  grössten  liebe  gezeichnete  gestalt, 
in  der  Fielding  sich  selbst  porträtierte.  In  ihr  ist  seine 
ganze  lebensanschauung  verkörpert,  all  seine  lebensweisheit 
zusammengefasst.  Goldsmith  war  freilich  eine  etwas  ähnliche 
natur,  doch  war  er  ohne  den  freien,  heitern  mut  Fieldings, 
er  hätte  eine  figur  wie  Tom  alias  Georg  aus  sich  selbst  heraus 
nie  schaffen  können.  Für  Tom  und  Georg  ist  dieser  frische 
unternehmungslustige  sinn  bezeichnend.  Sie  sind  beide  noch 
jung  und  lebhaften  temperaments,  leicht  hastig  und  aufbrausend, 
aber  nur  aus  ihrer  rechtlichkeit  heraus,  die  sie  gegen  jedes 
unrecht  partei  ergreifen  heisst,  ohne  die  folgen  zu  bedenken. 
Nie  aber  mischt  sich  bosheit  darein;  begehen  sie  einen  fehler, 
so  geschieht  es  aus  Unbesonnenheit  und  jugendlicher  Über- 
eilung, nicht  aus  verwerflichen  motiven.  Sie  sind  harmlos  und 
leichtgläubig,  dankbar  und  versöhnlich.  Sie  kennen  keine 
furcht,  weder  vor  einem  kämpfe  noch  vor  einem  schmählichen 
tode.    Von  beiden  wird  erwähnt,  dass  sie  ausserordentlich 


158  WILLI  FISCHER, 

hübsch  sind  und  zwar  werden  sie  so  gerade  in  dem  augen- 
blick  geschildert,  als  sie  das  gefängnis  verlassen  haben  und 
zuerst  wieder  schmuck  gekleidet  sind.  Ihre  liebe  ist  andrer 
art  als  die  Thomhills  und  Burchells,  sie  stehen  gesellschaftlich 
etwas  unter  dem  mädchen  und  erringen  es  erst  nach  langen 
kämpfen:  es  kann  kein  zweifei  sein,  dass  diese  liebe  die  an- 
sprechendere ist,  um  soviel  sympathischer,  als  uns  Fielding 
Richardson  gegenüber  erscheint. 

Toms  Sophia  ist  im  Vicar  of  Wakefield  schlecht  wegge- 
kommen. Arabella  Wilmot  ist  so  abgeblasst,  dass  man  bei 
ihr  von  irgendwelchem  Charakter  kaum  reden  kann.  Ich 
werde  später  auf  sie  zurückkommen. 

Von  grösster  Wichtigkeit  sind  dagegen  die  gestalten  von 
neffe  und  onkel.  Thomhill  ist  in  seinem  Verhältnis  zu  Georg, 
Miss  Wilmot  und  Burchell  völlig  gleich  Blifil. »)  Hierher 
stammt  der  zug  in  seinem  Charakter,  der  zu  Lovelace  nicht 
passt:  die  heuchelei.  Der  Blifll  in  ihm  ist  es,  der  Burchell 
systematisch  hintergeht,  der  Arabella  um  des  geldes  willen 
heiraten  will  und  Georg  verläumdet,  der  ihn  erbarmungslos 
dem  tode  preisgiebt,  um  seine  zwecke  zu  erreichen.  Hierher 
stammt  die  rafflniertheit ,  mit  der  er  sich  sofort  fasst,  als  er 
schon  entdeckt  zu  sein  scheint,  die  Schlauheit,  mit  der  er  sich 
herausredet,  endlich  die  niedrige  Zerknirschung,  als  alles  ver- 
loren ist.  Am  charakteristischsten  ist  das  Verhältnis  zum 
onkel. 

Burchell  ist  das  getreue  abbild  Allworthys.  2)  Das  ist 
wieder  ein  echt  Fieldingscher  Charakter.  Ein  einfacher,  herzens- 
guter mann,  von  der  reinsten  redlichkeit  beseelt,  dabei  kein 
menschenkenner,  so  dass  es  Blifll  leicht  wird,  ihn  zu  betrügen. 
Diese  beiden  flguren,  der  ehrenfeste  treffliche  onkel  und  der 
hinterlistige,  heuchleiische  neffe  in  ihren  beziehungen  zu 
einander  gehören  zu  den  vorzüglichsten,  die  je  geschaffen 
sind  und  diesen  ohne  das  geringste  verdienst  übernommenen 
gestalten  verdankt  Goldsmith  viel  von  seinem  erfolg.  In 
Allworthy  und  Blifll  stehen  sich  zwei  weiten  gegenüber,  fremd 


>)  Ueber  die  Verschmelzung  von  Lovelace  und  ßlifil  — ►  Thomhül  vgl. 
später. 

*)  Ueber  die  Verschmelzung  von  Grandison  und  Allworthy  — ►  Burchell 
vgl.  später. 


GOLDSMITHS  VICAB  OF  WAKEFIELD,  159 

und  unvereinbar,  aber  doch  neben  einander  vorhanden,  wie  es 
im  leben  jeden  tag  zu  beobachten  ist.  Es  kann  Allworthy 
und  Burchell  gar  nicht  einfallen,  je  an  ihrer  neffen  ehren- 
haftigkeit  zu  zweifeln,  wie  sollten  sie  auch  auf  einen  so 
wunderlichen  gedanken  kommen?  Ohne  es  zu  ahnen,  werden 
sie  willenlose  Werkzeuge  der  plane  jener,  die  erst  im  aller- 
letzten augenblick  scheitern.  Als  die  entdeckung  kommt,  ist 
ihr  schmerz  und  zorn  ausserordentlich,  und  wir  begreifen  sehr 
gut,  dass  sie  die  Verbrecher  ohne  gnade  aus  dem  hause  jagen 
wollen  und  sich  nur  mit  mühe  besänftigen  lassen.  Allworthy 
und  Blifil,  mochten  sie  gut  oder  schlecht  reproduziert  werden, 
sie  mussten  unbedingt  wirken. 

Ueber  Wilmot -Western  habe  ich  hier  nicht  viel  zu  sagen. 
Man  erfährt  von  seinem  Charakter  nur,  dass  er  geldgierig 
ist,  was  zu  Western  stimmt.  Seine  handlungsweise  ist  da- 
gegen nur  zu  verstehen,  wenn  man  immer  Western  dabei  vor 
äugen  hat. 

Ebensowenig  worte  genügen  über  Mrs.  Arnold.  Ich  sagte 
früher,  dass  die  Arnolds  die  Wilsons  aus  Joseph  Andrews 
vertreten.  Mit  Mrs.  Arnold  ist  dann  die  Mrs.  Western  und 
Lady  Bellaston  verquickt  worden,  weshalb  sie  gesellschaftlich 
etwas  höher  gestellt  werden  musste  als  die  Wilsons,  ohne 
dass  diese  gestalt  bedeutung  oder  interesse  beanspruchen 
könnte.  ^ 

Abgesehen  von  der  haupthandlung  finden  wir  auch  in 
Tom  Jones  einige  kleinigkeiten,  die  Goldsmith  benutzt  hat. 

So  ist  die  bekannte  scene  im  Vicar,  wie  der  pfarrer  mit 
einem  haushofmeister ,  der  sich  für  den  herm  ausgiebt,  zu- 
sammentrifft (XIX  90) ,  vielleicht  veranlasst  durch  eine  ähn- 
liche im  Tom  Jones  (Tauchnitz- ausgäbe  II  169).  Hier  über- 
rascht Nightingale  seinen  diener,  der  mit  einigen  andern 
zusammen  während  seiner  abwesenheit  in  seinem  zimmer 
schmaust  und  zecht. 

Georg  erzählt  einmal  (XX  97),  eines  tags,  als  er  in  London 
ohne  hil&mittel  ratlos  auf  einer  bank  gesessen  habe,  sei  er 
plötzlich  von  einem  alten  bekannten  aus  seiner  universitäts- 
zeit  angesprochen  worden.  Dieser,  nämlich  Thomhill,  habe 
ihn  in  seinen  dienst  genommen  und  ihm  eine  wenig  ehrenvolle 
beschäftigung  zugewiesen.  Im  Tom  Jones  erzählt  der  mann 
vom  berge  eine  ähnliche  episode  aus  seinem  Wanderleben  (1 400). 


160  WILLI  FISCHER, 

Er  sei  einst  in  London  ganz  verzweifelt  gewesen,  da  habe  ihn 
unerwartet  ein  alter  universitätsfreund  angeredet,  der  ihm 
zwar  geholfen  habe,  aber  ebenfalls  in  recht  zweifelhafter  weise. 

Das  sind  natürlich  nur  kleinigkeiten ,  aber  die  einzelnen 
umstände  sind  so  bezeichnend,  dass  ich  an  beeinflussung  glaube. 

Ich  habe  früher  gezeigt,  dass  die  rührende  kindergestalt 
des  kleinen  Dick  von  unserm  dichter  nicht  selbständig  ge- 
schaffen worden  ist.  Auch  hierbei  muss  man  wieder  sagen, 
dass  solche  figui^en  ganz  und  gar  Fieldingisch  sind.  Im  Joseph 
Andrews,  im  Tom  Jones  und  in  der  Amelia,  überall  kommen 
solche  reizende  kinderscenen  vor.  Man  vergleiche  etwa  die 
folgende  (11  228)  mit  denen  im  Vicar  of  Wakefield :  In  der 
familie  der  frau  Miller  herrscht  grosses  Unglück.  Tom  be- 
schäftigt sich  mit  der  kleinen  Betsy  und  fragt  sie,  ob  sie  sich 
vor  dem  sterben  fürchte.  „Yes",  answered  she,  „I  was  always 
afraid  to  die,  because  I  must  have  left  my  mamma,  and  my 
sister;  but  I  am  not  afraid  of  going  anywhere  with  those 
I  love".  Als  die  beiden  kleinen  des  pfarrers  bei  ihm  im  ge- 
fängnis  schlafen  sollen  (XXVI 132),  fragt  er  sie,  ob  sie  sich 
vielleicht  fürchteten  hier  zu  bleiben.  „No,  papa",  says  Dick, 
„I  am  not  afraid  to  lie  anywhere  where  you  are*^.  „And  I**, 
says  Bill,  „love  every  place  best  that  my  papa  is  in".  Man 
hat  die  kleinen  lieblinge  des  vaters  mit  recht  bewundert,  aber 
man  sieht,  auch  wenn  man  eine  direkte  beeinflussung  bestreitet, 
ein  besondres  verdienst  hat  Goldsmith  nicht  daran,  Fielding 
hatte  längst  gleich  schönes  erdacht. 

Forster  (I  314)  hat  die  kerkerpredigt  des  pfarrers  be- 
sonders gerühmt  als  erstes  beispiel  dafür,  dass  das  gefängnis 
als  etwas  andres  betrachtet  wird  denn  als  eingang  zum  galgen. 
Er  sagt,  Goldsmith  habe  zuerst  die  Insassen  eines  gef&ng- 
nisses  als  menschen  angesehn,  als  wesen,  die  es  verdienten, 
dass  man  sich  um  sie  bemühe.  Es  liegt  mir  fem,  jener 
kerkerscene  ihr  verdienst  bestreiten  zu  wollen,  denn  es  ist 
wirklich  vorhanden,  dass  aber  Goldsmith  zuerst  derartiges  ge- 
dacht, das  ist  nicht  richtig.  Tom  Jones  verzeiht  sogar  einem 
strassenräuber  (II 149),  worüber  der  pedantische  Partridge  ent- 
setzt ist,  in  der  Amelia  hatte  sich  Fielding  über  das  willkttr- 
liche  treiben  der  richter  beklagt  und  die  unglücklichen  opfer 
geschildert,  ferner  Smollet  in  Roderick  Bandom,  Peregrine 
Pickle  und  vor  allem  in  Sil*  Lancelot  Greaves. 


GOLDSMITHS  VICAR  OP  WAKEFIELD.  161 

Die  entlehnung  aus  Tom  Jones  ist  die  bedeutendste  aller. 
Im  anschluss  an  Georg  und  seine  geliebte  übernahm  Goldsmith 
eine  reihe  andrer  wichtiger  personen  und  weiter  mit  der  lösung 
des  Tom  Jones  die  seines  Vicar  of  Wakefield. 

Goldsmith  hat  auch  aus  andern  werken,  als  den  bisher 
erwähnten,  denen  er  seine  hauptpersonen  und  haupthandlungen 
entnahm,  kleinigkeiten  benutzt.  Da  er  gerade  in  unbedeu- 
tendem mancherlei  eignes  hat,  so  ist  es  nicht  immer  leicht 
zu  sagen,  ob  dies  oder  jenes  originell  ist  oder  nicht.  Es  ist 
aber  auch  nicht  so  wichtig  wie  das  andere  und  immerhin 
giebt  es  einiges,  das  angeführt  werden  muss.  Zweifelhaftes 
will  ich  mich  bemühen  auszulassen  und  nur  erwähnen,  was 
nach  meiner  ansieht  als  entlehnung  wahrscheinlich  ist. 

Ich  habe  zunächst  von  dem  bereits  genannten  pfarrer 
Harrison  in  der  Amelia  zu  sprechen.  Ich  betone  noch  einmal, 
dass  er  eine  Wiederholung  des  Adams  ist,  doch  ohne  dessen 
komische  selten.  Man  könnte  Primrose  eiaen  Adams  mit  der 
nuance  Harrison  nennen.  Harrison  ist  gleichfalls  der  Schützer 
eines  jungen  paares  und  wohnt  wie  Primrose  in  einer  idyllischen 
gegend,  sein  haus  nennt  er  sein  irdisches  paradies  (buch  II, 
kap.  12).  Aufopfernd  sorgt  er  für  seine  gemeinde  und  ist 
allgemein  beliebt.  Er  preist  ausdrücklich  das  landleben, 
empfiehlt  es  seinen  Schützlingen,  und  diese  finden  völlige  be- 
friedigung  darin.  Zweifellos  war  das  Goldsmith  gegenwärtig, 
eine  kleinigkeit  zeugt  dafür.  Wie  im  Vicar  of  Wakefield 
(X  43)  die  familie  wider  Primroses  willen  auf  den  beiden 
ackergäulen  zur  kirche  reitet,  so  fährt  kapitän  Booth  einmal 
mit  seiner  familie  im  kutschwagen  und  bespannt  ihn  mit  zwei 
ackerpferden.  Auch  hier  erregt  das  den  lebhaften  tadel  des 
pfarrers. 

Später  verliebt  sich  ein  oberst  James,  der  sich  Booth 
gegenüber  als  freund  ausgiebt,  in  Amelia.  Um  freie  Bahn 
zu  haben,  will  er  Booth  dadurch  entfernen,  dass  er  ihm  eine 
kapit ausstelle  in  Westindien  verschafft.  Durch  dasselbe  mittel 
aber  will  ja  Thornhill  Georg  aus  dem  wege  räumen.  Man 
erinnert  sich,  dass  Lord  Fellamar  Tom  pressen  lassen  will: 
Goldsmith  passte  dieses  mittel  nicht,  weil  Thornhill  nicht 
gewaltsam  vorgehen  kann,  denn  gerade  in  dieser  zeit  ist  er 
immer  mit  Primrose  zusammen.    Da  in  der  Amelia  eine  ganz 

AngUa.    N.F.    XUI.  ±± 


162  WILLI  FISCHER, 

ähnliclie  Situation  vorlag,  so  kam  Goldsniith  darauf,  dieses 
motiv  zu  übernehmen.  Wie  Primrose  und  Georg  dabei  fest 
an  Thomhills  gute  absiebten  glauben,  so  auch  Harrison  und 
Booth  an  die  aufrichtigkeit  des  James. 

Das  Steckenpferd  Primroses,  die  monogamie,  war  gleich- 
falls schon  litterarisch  verwertet  worden.  In  der  Amelia 
kommt  ein  pf arrer  vor  (VII  2) ,  der  religiöse  zweifei  darüber 
gehabt  hat ,  und  seine  tochter ,  Mrs.  ßennet  (VI  7) ,  ist  eine 
eifrige  Verfechterin  seiner  ansieht. 

Der  kleine  söhn  Booths  und  Ameliens  heisst  Bill  und 
auch  hier  findet  sich  eine  prächtige  kinderscene  (IX  2)  der 
art,  dass  das  kind  die  liebe  zu  seinem  vater  zeigt,  als  dieser 
im  gefängnis  ist.  Man  könnte  vielleicht  einfach  sagen,  dass, 
wie  der  kleine  Dick  aus  Joseph  Andrews  stammt,  so  Bill  ans 
Amelia  und  angesichts  der  sonstigen  entlehnungen  Goldsmiths 
ist  das  sehr  möglich.  Doch  ich  will  auf  solche  kleinigkeiten 
nicht  zuviel  gewicht  legen  und  nur  wiederholen,  dass  von 
einem  selbständigen  verdienst  Goldsmiths  hinsichtlich  der 
beiden  kindergestalten  keine  rede  sein  kann. 

Was  Thornhill  angeht,  so  habe  ich  hier  nachzutragen, 
dass  er,  wie  er  überhaupt  von  schlechten  menschen  aUerhand 
eigenschaften  übernommen  hat,  sicherlich  auch  von  Smolletts 
Ferdinand  Count  Fathom  beeinflusst  ist.  Thornhill  hat  von 
ihm  seine  erbarmungslosigkeit  gegen  die  verführten  mädchen 
und  seine  feigheit.  Hierher  stammt  auch  das  motiv  der  tot- 
erklärung  Oliviens.  Ferdinand  Count  Fathom  verfolgt  Mo- 
nimia,  die  von  ihren  freunden,  um  sie  vor  ihm  zu  schützen, 
für  tot  ausgegeben  wird  (kap.  63),  dann  aber,  als  die  ge&hr 
vorüber  ist,  plötzlich  gesund  wieder  auftritt.  In  unserm  roman 
wird  Olivia  für  tot  erkläi-t,  um  Thornhills  rachsucht  die  spitze 
abzubrechen  (XXVin  143) ;  als  dieser  unschädlich  gemacht  ist> 
taucht  sie  wieder  auf. 

Wie  so  eine  reihe  von  Schurken  auf  die  schildemng 
Thornhills  \virkten,  so  hat  auf  Burchell  wohl  Smolletts  Sir 
Lancelot  Greaves  einfluss  gehabt.  Dieser  zeigt  sich  in  dem 
romantischen  umherwandern  Burchells,  das  ein  reflex  der  noch 
viel  romantischeren  Donquixotterien  Lancelot  Greaves  ist 

Ich  komme  nun  zu  einer  reihe  von  motiven,  die  vor 
Goldsmith  ausserordentlich  oft  verwandt  worden  sind.  Georg 
erzählt  unter  anderm  von  den  erfahrungen,  die  er  mit  einem 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKKFIELD.  163 

grossen  herrn  gemacht  hat  (XX  99/100).  Es  kommt  gar  nicht 
darauf  an,  ob  Goldsmith  selbst  solche  erfahmngen  gesammelt 
hat  oder  nicht,  er  durfte  etwas  so  abgedroschnes  auf  .keinen 
fall  wiederbringen !  Fielding  und  Smollett  haben  solche  scenen 
mehrfach  geschildert.  Der  verlauf  ist  etwa  folgender:  der 
hilfebedürftige  geht  zu  dem  grossen  herrn,  dem  er  empfohlen 
ist  und  von  dem  er  alles  erwartet.  Doch  es  macht  ungeahnte 
Schwierigkeiten,  zu  ihm  zu  gelangen,  er  muss  zuvor  alle  diener 
bestechen.  Grelingt  es  ihm  schliesslich,  den  edlen  zu  sehen, 
so  fertigt  ihn  dieser  entweder  kurz  ab,  oder  er  giebt  ihm 
Versprechungen,  die  nie  erfüllt  werden.  —  So  stellt  es  Grold- 
smith  dar,  so  hatten  es  Fielding  im  Joseph  Andrews  und  der 
Amelia,  Smollett  in  Eoderick  Random  und  Peregrine  Pickle 
gethan.  Man  vergleiche  etwa  Amelia  VII  5  oder  Roderick 
Random  XV  und  man  wird  von  der  ähnlichkeit  überrascht  sein. 

In  Georgs  erzählung  spielt  weiter  eine  rolle  die  erwähnung 
falscher  kunstkenner  und  angeblicher  dichter  und  des  elends 
wahrer  dichter  (XX  95,  96,  97,  104).  Auch  das  war  vorher 
ausführlich  behandelt  worden,  besonders  von  Fielding  im  Joseph 
Andrews  (TII 10)  in  den  personen  des  Schauspielers  und  des 
dichters,  von  Smollett  in  Roderick  Random  (kap.  62  ff.)  in  dem 
dichter  Melopoyn,  im  Peregrine  durch  das  auftreten  des  doktors 
und  des  maiers  (kap.  42  ff.),  die  der  held  in  Frankreich  trifft 
und  der  gesellschaft  von  autoren  (93  ff.). 

Noch  auffälliger  ist  die  beeinflussung  Goldsmiths  bei  der 
gefängnisscene.  Solche  scenen  kommen  besonders  vor  in  Ro- 
derick Random,  Peregrine  Pickle,  Amelia,  Ferdinand  Count 
Fathom  und  Jonathan  Wild.  Zumeist  ist  es  so,  dass  die  ein- 
kerkerung  des  beiden  wegen  einer  geldschuld  seine  letzte 
Prüfung  ist,  und  dass  mit  der  befreiung  zugleich  der  konflikt 
sich  löst.  Die  erste  beobachtung ,  die  der  neuankömmling 
macht,  ist,  dass  wunderbarer  weise  die  gefangenen  alle  lustig 
und  ausgelassen  sind,  während  er  das  gegenteil  erwartet  hat. 
Er  muss  dann  einen  teil  seines  geldes  oder  was  er  sonst  hat, 
zum  Willkomm  herausgeben.  Bald  tritt  jemand  auf  ihn  zu, 
der  manchmal  sogar  ein  früherer  bekannter  ist,  ihn  mit  grosser 
freundlichkeit  begrüsst  und  dazu  beiträgt,  dem  beiden  das 
leben  im  gefängnis  erträglich  zu  machen. 

Smollett  und  Fielding  hatten  diese  art  von  scenen  bereits 
ausgebildet,  und  Goldsmith  übernahm  sie  ganz  getreu.    Wenn 

11* 


164  WILLI  FISCHER, 

man  hintereinander  die  romane  der  Vorgänger  Groldsmiths  liest, 
dann  ist  einem  diese  scene  so  gelänfig,  dass  man  genau  vor- 
hersagen kann ,  was  geschieht ,  als  Primrose  (XXV  129)  das 
gefängnis  betritt. 

Das  führt  mich  auf  Jenkinson,  den  der  pfarrer  hier  trifft, 
Ein  direktes  vorbild  für  ihn  giebt  es  nicht  und  doch  ist  er 
nicht  ganz  Goldsmiths  eigen.  Es  sind  in  dieser  gestalt  drei 
andre  vereinigt: 

1.  die  eines  gewöhnlichen  gauners,  als  den  sich  Jenkinson 

zuerst  zeigt; 

2.  die  des  mannes,  den  der  held  im  gefängnis  antrifft; 

3.  die  des  helfershelfers  eines  vornehmen  Wüstlings. 

Für  die  erste  figur  waren  vor  Goldsmith  sehr  viel  Vertreter 
da,  wiederum  bei  Fielding  und  Smollett.  Ich  erinnere  hier 
nur  an  eine  scene  in  Roderick  Random  (kap.  X).  Da  begrüsst 
ein  Schulmeister,  ein  alter,  anscheinend  ehrwürdiger  mann  mit 
langem  grauem  haar,  dem  seine  tochter  als  helferin  dient, 
Roderick  und  seinen  genossen  lateinisch,  flösst  ihnen  grosse 
ehrfurcht  ein  und  betrügt  die  dadurch  geköderten  jämmerlich 
mit  der  rechnung.  Hiermit  vergleiche  man  die  art,  in  der 
Jenkinson  Primrose  betrügt  (XIV).  Auch  er  erweckt  durch 
scheinbare  gelehrsamkeit  vertrauen,  auch  er  hat  einen  jungen 
menschen  als  helfer  und  trägt  einen  langen  weissen  hart,  der 
ehrerbietung  fordert. 

Ueber  die  zweite  figur  habe  ich  schon  gesprochen-  Ich 
möchte  nur  auf  Ferdinand  Count  Fathom  verweisen,  dem 
(XXXIX),  als  er  ins  gefängnis  kommt,  jemand  entgegentritt 
und  ihn  mit  klassischen  floskeln  bewillkommnet,  sowie  auf 
Roderick  Random  (LXI),  der  den  Beau  Jackson,  einen  alten 
bekannten  zweifelhaften  Charakters  im  gefängnis  wieder  findet. 

Zu  nummer  drei  ist  zu  sagen,  dass  in  jedem  roman 
Richardsons  ein  mann  vorkommt,  der  zuerst  dem  Wüstling  be- 
hilflich ist,  das  betreffende  mädchen  zu  verführen.  Das  ist  in 
der  Pamela  Arnold,  in  Klarissa  Joseph,  im  Grandison  Wilson. 
Keiner  von  diesen  ist  eigentlich  ein  schlechter  mensch,  daioun 
folgt  nach  der  that  bald  die  reue:  dem  entspricht  in  der 
hauptsache  die  rolle,  die  Jenkinson  Thornhill  und  Olivia  gegen- 
über spielt. 

Den  ersten  anstoss  für  diese  gestalt  aber  scheint  mir  ein 
gewisser  Robinson  in  der  Amelia  gegeben  zu  haben.    Das  ist 


60LDSM1THS  VICAB  OF  WAKEFIELD.  165 

ein  Spieler,  aber  ein  gutmütiger  mensch,  dem  es  wie  Jenkinson 
eben  an  sittlicher  kraft  gefehlt  hat.  Er  ist  Booth  im  gefängnis 
durch  seine  freundlichkeit  willkommen  (I  3),  entspricht  also 
der  nummer  zwei.  Später  (XII 6)  stellt  sich  unerwartet  heraus, 
dass  er  beteiligt  gewesen  ist  bei  der  Unterschlagung  von 
Ameliens  vermögen.  Er  selbst  gesteht  alles,  giebt  seine  mit- 
schuldigen preis  und  befreit  so  Booth  aus  aller  not.  Die 
ähnlichkeit  ist  unverkennbar:  ein  liebenswürdiger  betrüger, 
der  zuletzt  die  opfer  seines  schlimmsten  betrugs  glücklich 
macht.  So  rettet  ja  Jenkinson  das  vermögen  Arabellens  und 
Olivien  obendrein.  Dieser  zug  Robinsons  würde  etwa  zu 
nummer  drei  stimmen.  Rechnen  wir  hinzu,  dass  Robinson  zu 
auf ang  (I  5)  anscheinend  Booth  betrügt ,  so  wären  in  dieser 
person  die  drei  wesentlichen  punkte  vereinigt.  Das  eine  ist 
jedenfalls  ersichtlich,  dass  Goldsmith  den  Jenkinson  nicht  fi-ei 
erfunden  hat.    Wie  er  ihm  geglückt  ist,  darüber  später. 

Primrose  büsst  bekanntlich  sein  geld  ein  und  erhält  es 
erst  zuletzt  unerwartet  zurück:  Peregrine  Pickle  ergeht  es 
genau  so  (CI).  Bei  dieser  kleinigkeit  scheint  mir  die  beein- 
flussung  sicher,  der  zug  ist  aber  zu  unbedeutend,  als  dass  man 
die  entlehnung  scharf  beweisen  könnte,  es  wäre  auch  der  mühe 
nicht  wert. 

Für  die  berühmte  predigt  des  pfarrers  ist  kein  vorbild 
vorhanden.  Nur  der  Vollständigkeit  halber  möchte  ich  er- 
wähnen, dass  im  Roderick  Random  (LXI)  ein  Schauspieler  den 
gefangenen  lehrreiche  vortrage  hält,  allerdings  gegen  eine 
kleine  entschädigung.  Es  ist  ein  einfältiger,  guter  mensch, 
der  den  unglücklichen  manchen  dienst  leistet.  Im  Peregrine 
Pickle  wird  ein  pfarrer  genannt  (XCVlll),  der  sich  im  ge- 
fängnis wohlthätig  zeigt.  Auf  alle  fälle  bleibt  Goldsmith  das 
verdienst  dieser  predigt  ungeschmälert. 

Politische  kannegiessereien  wie  die  des  haushofmeisters 
(XIX),  waren  bei  Fielding  und  SmoUett  ein  sehr  beliebter 
gegenständ  ergötzlicher  satire. 

Die  dichter,  die  einen  pfarrer  auftreten  lassen,  haben  eine 
besondre  Vorliebe  dafür,  diesen  zum  beiden  oder  zur  heldin 
in  das  Verhältnis  des  lehrers  zu  setzen.  Sie  wollen  dadurch 
zeigen,  bis  zu  welchem  grade  der  Vollkommenheit  ein  unschul- 
diger mensch  durch  die  lehren  eines  wahrhaft  guten  manne» 
gebracht  werden  kann.    So  hat  Adams  Joseph  Andrews  unter- 


166  WILLI  FISCHER. 

richtet  und  dr.  Bartlett  Grandison,  zuletzt  auch  Miss  Byron, 
so  vor  allem  dr.  Lewen  die  Klarissa  und  Harrison  Amelia. 
Gern  wird  immer  wieder  besonders  das  Verhältnis  zwischen 
dem  gütigen,  allbeliebten  geistlichen  und  dem  reinen  mädchen 
oder  weibe  hervorgehoben.  Bei  Goldsmith  erfahren  wir  nichts 
darüber,  dass  Primrose  Arabella,  das  einzige  mädchen  ausser- 
halb seiner  familie,  das  einzige  also,  das  gemäss  den  Vorbildern 
in  frage  kommen  könnte,  erzogen  habe:  da  ganz  plötzlich 
(XIX  91  und  XXXI 167)  wird  sie  seine  Schülerin  genannt, 
deren  geist  unter  seiner  leitung  gebildet  sei.  Diese  erwäh- 
nung  ist  weder  begründet  noch  nötig:  aber  so  vollkommen 
lebte  Goldsmith  in  dem,  was  er  gelesen,  dass  es  ihm  ganz 
selbstverständlich  erschien,  dass  Arabella  des  pfarrers  Schülerin 
sein  musste.  Das  ist  wieder  sehr  unbedeutend,  aber  ich  glaube, 
es  kann  nichts  bezeichnenderes  geben. 

Zum  schluss  will  ich  noch  ganz  nebenbei  bemerken,  dass, 
wenn  im  Vicar  of  Wakefield  öfter  geschichten  erzählt  und 
lieder  gesungen  werden,  dies  bei  Eichardson,  Fielding  und 
Smollett  durchaus  üblich  ist  und  Goldsmith  also  auch  in  dieser 
hinsieht  im  alten  gleise  sich  bewegt. 

Am  ende  dieses  ersten  teils  meiner  arbeit  will  ich  nun 
die  gefundenen  ergebnisse  zusammenstellen. 

Die  hauptgestalt  unseres  Werkes,  der  landprediger  Primrose, 
ist  in  der  hauptsache  gleich  dem  pfarrer  Adams,  mit 
einigen  durch  die  Verhältnisse  bedingten  änderungen. 

Moses  ist  zwar  eine  neuschöpfung  Goldsmiths,  aber  nur  eine 

Verjüngung  Adams. 
Deborah,  die  pfarrerin,  ist  frau  Adams.  Ihre  rolle  ist  natur- 

gemäss  etwas  grösser,  da  sie  von  anfang  an  handelnd 

auftritt,  ihr  Charakter  weicht  nirgends  vom  vorbilde  ab. 
Dick  und  Bill   treten  nicht  viel  hervor  und  sind  ohne 

eignen  wert. 
Olivia  hat  züge  von  Pamela  und  Klarissa,  entspricht  keinem 

Vorbild  ganz. 
Sophia  ist  Miss  Byron. 
Georg  ist  Tom  Jones. 

Thornhill  ist  eine  zusammenschweissung  von  Lovelace  und 
Blifil. 


GOLDSMITHS  VICAB  OF  WAKEFIELD.  167 

Burchell  eine  Vereinigung  von  Grandison  und  AUworthy. 
Arabella  ist  Sophia  Western,  aber  stark  abgeblasst. 

Von  nebenpersonen  ist  noch  zu  erwähnen: 

Mr.  Wilraot,  ein  schwacher  reflex  von  Mr.  Western, 

Die  Arnolds  sind  die  Wilsons  aus  Joseph  Andrews,  ausserdem 

Mrs.  Arnolds  entspricht  Mrs.  Western  und  zum  teil  Lady 
Bellaston. 

Mr.  Williams  ist  Williams  aus  der  Pamela. 

Mr.  und  Mrs.  Symmonds  =  Mr.  und  Mrs.  Tow-wouse. 

Lady  Blarney  =  Lady  Lawrance. 

Miss  Skeggs  ==  Miss  Montague. 

Jenkinson  ist  aus  verschiedenen  personen  zusammenge- 
flossen. 

Die  handlung  des  Vicars  besteht  aus  drei  haupthandlungen, 
die  geeint  sind  durch  die  person  des  pfarrers.  Die  erste  ist 
die  zwischen  Thornhill  und  Olivia,  mit  wenigen  zügen  aus 
Pamela,  in  der  hauptsache  aber  ein  getreues  abbild  der  zwi- 
schen Lovelace  und  Klarissa. 

Die  zweite  handlung  spielt  zwischen  Burchell  und  Sophia 
and  entspricht  der  zwischen  Grandison  und  Miss  Byron. 

Die  dritte  endlich  zwischen  Georg  und  Arabella  ist  gleich 
der  zwischen  Tom  Jones  und  Sophia  Western.  Sie  ist  die 
verzweigteste  und  bringt  wichtige  nebenhandlungen  mit  sich, 
die  zwischen  Burchell  und  Thornhill,  Burchell  und  Georg, 
Thornhill  und  Greorg. 

Neben  all  diesen  handlungen  läuft  das  thun  des  pfarrers, 
der  bei  jeder  beteiligt  ist  und  mit  jeder  der  handelnden  per- 
sonen in  berührung  kommt. 

Durchweg  zeigt  sich  das  bestreben,  möglichst  viel  unter- 
haltendes auf  die  hauptpersonen  zu  vereinigen.  Was  ein 
schlechter  mensch  gethan,  wird  auf  den  schlechten  menschen 
des  romans  übertragen,  was  gute  thun,  auf  den  guten  menschen, 
besonders  natürlich,  wenn  an  eine  gestalt  angeknüpft  werden 
kann,  die  an  sich  schon  einer  des  Vicars  ähnelte.  Etwas  der- 
artiges ist  uns  ja  nichts  fremdes,  wir  können  etwa  die  alt- 
fi-anzösischen  Chansons  de  Geste  zum  vergleich  heranziehen, 
wo  auch  einem  besonders  beliebten  beiden  im  laufe  der  zeit 
die  thaten  vieler  andern  zugeschrieben  wurden,  so  etwa  dem 


168  WILLI  FISCHER, 

berühmten  Wilhelm  von  Orange  die  vieler  andrer  Wilhelme. 
Ich  will  diese  methode  noch  einmal  kurz  illustrieren. 

Blifil  hat  Tom  Jones  viel  unrecht  gethan,  solange  er  mit 
ihm  zusammen  im  hause  Allworthys  war.  Nachdem  Tom 
einmal  fort  ist,  kann  ihm  der  tugendsame  neffe  nicht  mehr 
schaden.  Wenn  aber  später  ein  Lord  Fellamar  auftritt,  der 
ebenfalls,  weil  er  Sophien  haben  möchte,  sich  gegen  Tom 
feindselig  verhält  und  Goldsmith  die  interessanten  vorfalle, 
die  sich  hier  ergeben,  verwerten  wollte,  so  musste  es  not- 
wendig Thomhill  sein,  der  des  Lords  Schurkereien  aufgebürdet 
bekam.  Das  duell,  das  im  Tom  Jones  von  einer  nebenperson 
ausgeht,  wird  hier  direkt  mit  Thomhill  in  Verbindung  ge- 
bracht. Wird  Tom  dabei  von  Fellamars  Schergen  überfallen, 
so  muss  das  wieder  Thornhill  übernehmen:  wenn  nun  aber 
der  Lord  sein  unrecht  einsieht,  also  von  der  schlechten  zur 
guten  Seite  übergeht  und  Tom  aus  dem  gefängnis  befreit,  so 
fällt  das  im  Vicar  of  Wakefield  natürlich  Burchell  zu. 

So  ist  es  noch  in  sehr  vielen  fällen.  Doch  es  ist  nicht 
nötig,  weiter  ins  einzelne  zu  gehen,  kurz,  alles  mögliche 
interessante,  das  Goldsmith  gelesen,  stopfte  er  in  sein  buch 
hinein.  Wahrhaft  eine  Verkörperung  dieses  prinzips  ist  Jen- 
kinson,  in  dem  so  ziemlich  alles  gute,  das  in  den  andern 
romanen  über  derartige  zweifelhafte  existenzen  gesagt  worden 
war,  zusammengefasst  ist. 

Blicken  wir  jetzt  zurück,  so  sehen  wir  vor  nnsern  äugen 
ein  ganz  überraschendes  Schauspiel.  Einer  der  glänzendsten 
und  erfolgreichsten  dichter  der  weit,  dessen  roman,  in  alle 
kultursprachen  und  meist  mehr  als  einmal  übersetzt,  neben 
Defoes  Bx)binson  Crusoe  der  bekannteste  englische  roman  über- 
haupt geworden  ist,  entpuppt  sich  als  einer,  der  in  unerhörter 
weise  überlegenen  Vorgängern  ihre  vorzüglichsten  gestalten 
und  handlungen  entlehnt  hat,  der  diese  Vorgänger  wenigstens 
für  die  grosse  masse  der  gebildeten  vollständig  verdunkelt  und 
allein  den  platz  in  der  sonne  behalten  hat.  Er  hat  weder  eine 
figur  geschaffen  noch  eine  handlung  erdacht,  als  eigen  bleibt 
ihm  nichts  als  der  nachbar  Flamborough  und  seine  töchter, 
dann  viele  kleinigkeiten,  die  sehr  ergötzlich  und  vortrefflich, 
aber  doch  eben  nur  kleinigkeiten  sind!  Dabei  beruht  seine 
so  ausserordentliche  beliebtheit  fast  ausschliesslich  auf  diesem 
roman,  seine  selbständigen  werke  haben  zumeist  das  Schicksal 


GOLDSMITHS  VICAE  OF  WAKEFIELD.  169 

derer  seiner  Vorgänger  geteilt !  Angesichts  solcher  thatsachen 
liegt  ein  scharfes  urteil  nahe,  dennoch  wollen  wir  vorläufig 
jede  kiitik  unterlassen  und  den  dichter  erst  noch  in  andrer 
weise  prüfen. 

Wenn  man  übrigens  meinen  sollte,  die  Übereinstimmung 
sei  ja  hier  und  dort  nicht  ganz  vollkommen,  so  ist  das  sehr 
richtig.  Aber  es  liegt  mir  durchaus  fern,  etwa  ein  System 
aufbauen,  eine  theorie  durchführen  zu  wollen  und  somit  alles 
zu  meinem  zwecke  passende  darzulegen,  entgegenstehendes  zu 
ignorieren  oder  zu  gunsten  der  theorie  zu  verdrehen,  ich  habe 
einfach  die  wirklichen  Verhältnisse  aus  dem  Vicar  of  Wake- 
field  herausgelesen !  Es  ist  einleuchtend,  dass  angesichts  einer 
so  vielfach  veränderten  gruppierung  des  Stoffs,  wie  sie  hier 
nötig  war,  es  selbst  bei  der  denkbar  grössten  Unselbständig- 
keit ein  wunder  wäre,  wenn  nicht  kleinigkeiten  sich  geändert 
hätten,  manches  hinzugekommen,  andres  weggelassen  wäre. 
Natürlich  wird  jeder,  der  sich  mit  einem  gegenständ  befasst, 
allerlei  gedanken  darüber  haben,  wie  viel  mehr  ein  dichter 
wie  Goldsmith,  in  dessen  Innern  manches  von  dem  über- 
nommenen lebhaften  anklang  fand !  Darum  habe  ich  mehrfach 
darauf  hingewiesen,  dass  dies  und  das  bei  Goldsmith  der  quelle 
gegenüber  änderungen  zeige,  auch  wo  ich  es  nicht  notwendig 
zu  sagen  brauchte:  es  handelt  sich  eben  gar  nicht  um  eine 
herabsetzung  unseres  dichters,  sondern  um  seine  richtige  be- 
urteilung. 

II. 

Im  zweiten  teile  dieser  arbeit  will  ich  nach  erledigung 
einiger  sehr  wichtiger  punkte,  nämlich  der  darlegung  der  ent- 
stehung  des  romans  und  Goldsmiths  arbeitsweise ,  sowie  der 
erklärung  der  ausserordentlichen  Wirkung,  die  er  geübt,  zu 
einer  kritik  Goldsmiths  als  romanschriftsteller  gelangen. 

Seit  1757  war  unser  dichter  mit  litterarischen  arbeiten 
beschäftigt,  freilich  anfangs  nur  mit  lohnschreibereien  für 
Grif  fiths,  später  machte  er  sich  selbständig.  Alber  welch  eine 
traurige  existenz  hatte  er  dabei!  Er  lebte  buchstäblich  von 
der  band  in  den  mund,  kam  nie  über  die  sorge  ums  tägliche 
brot  hinaus.  Sein  hauptziel  war  immer  und  musste  es  sein, 
etwas  zu  schreiben,  was  ihn  aus  der  not  reissen  würde.    Schon 


170  WILLI  FISCHER, 

früher  in  der  Schweiz  hatte  er  seinen  Traveller  begonnen, 
der  1764  fertig  wurde,  aber  es  war  klar,  dass  ihm  das  koi'ze 
gedieht  nicht  entscheidend  würde  nützen  können.  Wenn  er 
daran  dachte,  wie  Kichardson,  Fielding,  SmoUett  und  gerade 
in  diesen  tagen  Sterne  mit  ihren  romanen  so  grossen  erfolg 
gehabt  hatten,  wie  zum  beispiel  Fielding  allein  für  seine 
Amelia  1000  £  bekommen  hatte,  wie  nahe  lag  da  der  gedanke, 
gleichfalls  mit  einem  roman  sein  glück  zu  versuchen,  so  fremd 
ihm  dies  gebiet  auch  war!  In  seiner  Jugend  hatte  er  verse 
gemacht,  auch  einmal  ein  trauerspiel  geschrieben,  auf  der  reise 
den  Traveller  angefangen  und  viele  Essays  verfasst,  nur  an 
einen  roman  hatte  er  nie  gedacht,  die  not  erst  brachte  ihn 
dazu.  Natürlich  kannte  er  die  werke  seiner  Vorgänger  sehr 
gut,  manchmal  hatt«  ihn  ihre  lektüre  über  sein  trauriges  los 
getröstet.  Von  all  den  gestalten,  die  er  da  gefunden,  war 
ihm  keine  sympathischer  gewesen  als  die  des  pfarrers  Adams. 
Sie  erinnerte  ihn  unwillkürlich  an  seinen  vater  und  an  seinen 
bruder  Heinrich  in  der  irischen  heimat.  Wenn  er  an  das 
Vaterhaus  oder  an  das  ruhige  leben  seines  bruders  dachte 
und  damit  das  sorgenvolle  dasein  verglich,  das  er  seit  jähren 
führte,  so  musste  ihm  dies  als  verfehlt  erscheinen  und  die 
Sehnsucht  nach  dem  stillen  frieden  des  landlebens  in  ihm 
wach  werden.  So  schwebte  ihm  Adams  vor,  ohne  dass  er  ihn 
wirklich  als  diese  Fieldingsche  gestalt  erkannte,  in  der  Um- 
gebung, die  er  bei  den  Wilsons  gesehen  und  bewundert  hatte, 
er  schien  ihm  so  vertraut  und  verwandt,  dass  er  die  kraft  in 
sich  fühlte,  einen  solchen  mann,  in  einer  solchen  Umgebung 
darzustellen.  Es  waren  ja  seine  Jugenderinnerungen,  sein 
heimliches  sehnen  und  träumen,  das  was  er  als  trost  und  Zu- 
flucht vor  der  weit,  die  ihn  abstiess,  in  seiner  brüst  trug,  sein 
eigenstes  und  bestes  konnte  er  hinein  verweben. 

Das  war  sein  ausgangspunkt ,  bis  hierher  fühlte  er  sich 
der  aufgäbe  gewachsen,  aber  er  hatte  damit  noch  keinen 
roman.  Er  musste  die  landschaft  mit  menschen  bevölkern  und 
die  menschen  durch  eine  handlung  verknüpfen.  Da  er  aus 
sich  selbst  heraus  dafür  nichts  geben  konnte,  so  kamen  ihm 
seine  lieblingsgestalten  ins  gedächtnis,  für  die  er  sich  oft  be- 
geistert, die  das  entzücken  der  ganzen  zeit  waren,  Lovelace 
und  Klarissa,  Grandison  und  Miss  Byron,  Tom  Jones  und  Sophia 
Western,  AUworthy  und  Blifil.    Goldsmith  ahnte  nicht,  dass 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  171 

sie  gar  nicht  sein  eigentum  seien,  sie  ergaben  sich  ja  so  leicht 
und  natürlich,  er  glaubte  sie  frei  zu  schaffen,  alles  kam  ihm 
zugeflogen,  er  konnte  gar  nicht  anders,  als  den  Thomhill 
gerade  in  dies  bestimmte  Verhältnis  zur  Olivia  setzen,  es 
schien  wie  gegeben,  dass  Burchell  und  Thomhill  so  eigenartig 
zu  einander  standen,  denn  diese  dinge  waren  ihm  völlig  ge- 
läufig. Das  gab  dann  eine  wahre  idealf amilie ,  deren  glieder 
lauter  wunderbar  berühmte  personen  und  unserm  dichter  so 
vertraut  und  lieb  waren,  dass  er  der  prosaischen  veranlassung 
zu  seinem  ronian  ungeachtet  doch  mit  ganzem  herzen  bei  der 
arbeit  war. 

Für  die  beurteilung  Goldsmiths  kommt  es  nun  noch  darauf 
an,  was  er  aus  dem  übernommenen  zu  machen  verstanden  hat. 

Es  leuchtet  ein,  dass  Goldsmith  trotz  oder  vielmehr  eben 
wegen  seiner  Unselbständigkeit  eine  ernste  aufgäbe  vor  sich 
hatte,  er  musste  unbedingt  versuchen,  das  von  überall  her 
zusammengeborgte  zu  einem  harmonischen  ganzen  zu  ver- 
einigen. 

Ich  habe  gezeigt,  dass  es  in  der  hauptsache  drei  hand- 
lungen  sind,  die  er  entlehnte, 

1.  die  zwischen  Lovelace  und  Klarissa, 

2.  die  zwischen  Grandison  und  Miss  Byron, 

3.  die  zwischen  Tom  Jones  und  Sophia  Western. 

Hierbei  stellte  sich  nun  etwas  sehr  unangenehmes  heraus. 
In  der  ersten  handlung  kommt  nämlich  ein  junger  landedel- 
mann  vor,  der  ein  Wüstling  schlimmster  sorte  ist,  in  der 
zweiten  ein  ein  klein  wenig  älterer  junger  besitzer,  ein  muster 
aller  tugenden :  die  dritte  aber  brachte  noch  einen  alten,  ganz 
vortrefflichen  landedelmann  und  seinen  ganz  schlechten  neffen. 
Nun  war  es  aber  doch  ganz  unmöglich,  in  dei-selben  gegend 
drei  oder  gar  vier  gutsherrn  nebeneinander  auftreten  zu  lassen, 
denn  die  pfarrersleute  kommen  nicht  aus  ihrem  kirchspiel 
heraus,  sie  können  nur  mit  einem  patron  zu  thun  haben! 

So  ergab  sich  mit  zwingender  notwendigkeit  eine  Ver- 
schmelzung: da  im  ganzen  zwei  gute  und  zwei  schlechte 
männer  da  sind,  so  musst^n  die  beiden  guten  zu  einer  person 
gemacht  werden  und  die  beiden  schlechten  zu  einer  andern! 
Also  wurde  der  etwas  ältere  gute  mensch  in  2.  zugleich  der 


172  WILLI  FISCHER, 

gute  onkel  in  3.,  der  etwas  jüngere  schlechte  in  1.  zugleich 
der  böse  neffe  in  3. 

So  erklärt  es  sich,  dass  Burchell  in  sich  Grandison  und 
Allworthy,  Thornhill  aber  Lovelace  und  Blifll  enthält.  Es 
fragt  sich  nun,  wie  diese  Verschmelzung  gelungen  ist. 

Was  zuerst  Thornhill  angeht,  so  scheint  er  nicht  übel 
geraten.  Aber  es  ergiebt  sich  ein  wahrhaftes  ungeheuer,  gegen 
das  Lovelace  wie  ein  engel  erscheint.  Thornhill  hat  ja,  wie 
ich  gezeigt  habe,  auch  von  andern  schlechte*  eigenschaften 
übernommen  und  das  hat  einige  Verwirrung  erzeugt.  Lovelace 
verführt  zwar  mädchen,  aber  er  lässt  sie  nachher  nicht  ganz 
hilflos,  er  giebt  ihnen  wenigstens  unterhalt.  Thornhill  thut 
das  nicht,  es  wird  öfter  (III 12;  XXI 109)  erwähnt,  dass  er 
alle  verführten  mädchen  erbarmungslos  ins  elend  jagt:  da 
passt  es  nicht  recht,  wenn  wir  erfahren,  dass  auch  er  zwei 
dimen  als  damen  verkleidet  hat,  ganz  wie  Lovelace.  Dieser 
freilich  hat  solche  von  ihm  abhängigen  geschöpfe,  er  mnss 
sich  gerade  bei  der  rolle,  die  sie  spielen,  fest  auf  sie  verlassen 
können,  aber  Thornliill  liat  ja  gar  keine  in  seinem  dienst. 
Noch  weiter  aber:  Lovelace  hält  ein  haus  mit  dimen,  wenn 
das  aber  auch  von  Thornhill  berichtet  wird  (XXI 113),  dem- 
selben, der  alle  mädchen  mitleidlos  dem  elend  preisgiebt,  so 
ist  das  ja  etwas  ganz  undenkbares !  Man  sieht  deutlich,  dass 
Goldsmith  hier  immer  Lovelace  vor  sich  hatte  und  darüber 
ganz  vergass,  dass  er  doch  Thornhill  einige  eigenschaften  ge- 
geben hatte,  die  gerade  diesen  zug  unmöglich  machten. 

AVenn  wir  den  ausgang  der  Klarissa  und  des  Tom  Jones 
mit  dem  des  Vicar  of  Wakefield  vergleichen,  so  fällt  auf,  dass 
weder  Lovelace  noch  Blifil  wahrhaft  bereuen  und  zum  frieden 
gelangen,  dass  aber  Thornhill  verziehen  und  er,  das  sagt  die 
andeutung  am  schluss  (XXXII 179)  ganz  bestimmt,  zuletzt 
wieder  in  gnaden  angenommen  wird.  Es  wäre  verfehlt,  hier 
etwa  von  der  grösseren  menschlichkeit  und  der  christlichen 
gesinnung  Goldsmiths  zu  sprechen.  Auch  in  Ferdinand  Count 
Fathom  wird  freilich  diesem  schurken  verziehen,  aber  das  ist 
hier  viel  plausibler  gemacht  und  berührt  duixhaus  wohlthuend. 
Das  Thornhill  verziehen  wird,  könnte  man  ein  zurückschrecken 
vor  einem  konflikt,  vor  einem  grellen  ausklang  nennen, ^der 
doch  unbedingt  nötig  war.  Lovelace  und  Blifil  werden  nicht 
gerettet,  Thornhill,  der  beider  Schlechtigkeit  in  sich  vereint, 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  173 

wird  es.  Man  stelle  sich  doch  einmal  vor,  wem  Olivia  eigent- 
lich verzeiht,  wer  der  mann  ist,  den  sie  noch  immer  liebt  und 
mit  dem  sie  zusammenleben  will.  Sie  verzeiht  also  einem 
menschen  von  rohem  Charakter,  der  durch  und  durch  falsch, 
herzlos  und  feig  ist,  der  vieler  unschuldiger  mädchen  existenzen 
für  immer  vernichtet  hat,  Schuldner  im  gefängnis  zugrunde- 
gehen lässt,  der  sie  selbst,  die  fest  auf  ihn  vertraut,  elend 
betrogen  und  ohne  gnade  dem  untergange  ausgesetzt  hat,  der 
ihrem  bruder  die  braut  abwendig  gemacht,  sein  vertrauen 
getäuscht  und  ihn  schliesslich  kalten  blutes  fast  zu  einem 
schmählichen,  unverdienten  tode  gebracht  hat,  der  ihren  alten 
vater  erbarmungslos  hat  in  den  kerker  werfen  lassen,  der 
nach  all  diesem  ihre  Schwester  aus  woUust  hat  schänden 
wollen,  der  auch  zuletzt  noch  seine  ganze  Verwerflichkeit  zeigt 
und  trotzt,  weil  er  Arabellens  vermögen  zu  haben  glaubt  und 
als  alles  verloren  ist,  in  widerliche  kriecherei  verfällt!  Das 
ein  solches  Scheusal  einen  guten  ausgang  nimmt,  wäre  wahr- 
haft unsittlich,  wenn  es  sich  nicht  sehr  einfach  erklärte :  auch 
hier  schwebte  Goldsmith  eben  nur  Lovelace  vor,  von  dem  ja 
einst  die  schönen  leserinnen  gewünscht  hatten,  dass  er  gerettet 
werden  möchte  und  diesem  Lovelace  verzieh  unser  dichter, 
nicht  Thornhül! 

Durch  die  zusammendrängung  (Thornhül  allein  führt  ja 
an  schandthaten  aus,  was  in  den  vorlagen  eine  ganze  reihe 
von  bösewichtern  thut,  deren  jeder  schon  ein  reichliches 
quantum  Schlechtigkeit  hat)  ist  ausserdem  eine  überaus  grosse 
unWahrscheinlichkeit  entstanden.  Dass  es  zum  beispiel  Thorn- 
hill  sein  muss,  der  mit  Georgs  früherer  braut  zusammenkommt 
und  sie  heiraten  will  und  dass  derselbe  nach  all  dem  leid, 
das  er  der  pfarrerfamilie  angethan  hat,  auch  noch  die  andre 
tochter  raubt,  das  ist  wirklich  nicht  mehr  zu  glauben.  Jeden- 
falls sieht  man  jetzt  ganz  deutlich,  woher  diese  grosse  un- 
wahrscheinlichkeit  stammt. 

Wir  können  also  Thornhül  nicht  als  eine  durchaus  ge- 
lungene gestalt  bezeichnen. 

Weit  schwieriger  war  die  Verschmelzung  von  Grandison 
und  Allworthy.  Natürlich  mussten  beide,  um  dieses  verfahren 
zu  ermöglichen,  viele  züge  gemeinsam  haben,  die  die  grundlage 
für  BurcheU  gaben.  Die  hauptunterschiede  sind,  dass  AUworthy 
ein  alter  mann  ist,  Grandison  aber  ein  junger,  der  selbst  noch 


174  WILLI  FI8CHRR, 

als  liebhaber  auftritt  und  dass  AUworthy,  arglos  und  leicht- 
gläubig, seinen  neffen  nicht  durchschaut,  was  einem  Grandison 
nie  hätte  passieren  können. 

Grandison  ist  26  jähre  alt,  Bui-chell  noch  nicht  30,  ein 
wenig  älter  musste  er  gemacht  werden.  Er  ist  also  der  onkel 
Thonihills,  der  ein  alter  von  höchstens  22  jähren  hat:  dieses 
Verhältnis,  das  an  sich  sehr  möglich  ist,  ist  gewiss  nicht  das, 
was  wir  erwarten,  wenn  wir  von  onkel  und  neffen  sprechen 
und  wäre  nicht  Burchells  alter  wiederholt  angegeben,  so  würde 
man  ihn  nach  seinem  auftreten  sicher  für  älter  halten. 

In  der  that  hat  Goldsmith  die  entstehende  Schwierigkeit 
nicht  immer  lösen  können.  Wenn  Burchell  (m  14)  davon 
spricht,  dass  seine  leidenschaften  stark  gewesen  seien  als  er 
jung  war,  so  ist  das  für  einen  mann  von  noch  nicht  30  jähren 
lächerlich!  Ferner  ist  die  art,  in  der  Burchell  Georg  wegen 
des  duells  tadelt,  nur  zu  verstehen,  wenn  man  dabei  bedenkt, 
dass  in  Wirklichkeit  der  alte  AUworthy  zu  Tom  spricht :  denn 
hier  (XXX  159)  redet  der  dreissigjährige  den  ältesten  söhn 
des  pfarrers  mit  „unthinking  boy^^  an!  Am  schlagendsten 
aber  ist  folgende  stelle  (Tom  Jones  II  411):  als  Blifils  wahrer 
Charakter  entdeckt  wird,  da  spricht  AUworthy  entsetzt  von 
ihm  als  „that  wicked  viper  which  I  have  so  long  noorished 
in  my  bosom".  Das  ist  sehr  verständlich,  er  hat  ihn  wirklich 
an  seiner  brüst  aufgezogen.  Was  soll  man  aber  dazu  sagen, 
wenn  Goldsmith  Burchell  in  demselben  falle  in  wörtlicher 
nachahmung  inbezug  auf  Thomhill  sagen  lässt  (XXXI 165) : 
„AVhat  a  viper  have  I  been  fostering  in  my  bosom!"?  Als 
Thornliill  geboren  wui-de,  war  Burchell  etwa  acht  jähre  alt. 

Goldsmitli  hat  also  auch  diese  Verschmelzung  nicht  glatt 
durchgeführt.  Eigentlich  sind  ja  solche  versehen  schon  ein 
wenig  stark,  aber  welch  eine  dichtung  gäbe  es  wohl,  in  der 
sich  nicht  dieser  oder  jener  kleine  Widerspruch  fände.  Es 
wäre  pedantisch,  darauf  viel  gewicht  legen  und  Goldsmith 
verurteilen  zu  wollen. 

Die  zusammenschweissung  der  drei  handlungen  brachte 
aber  noch  eine  andre  Schwierigkeit  mit  sich,  gegen  die  die 
bisherigen  völlig  zurücktreten.  Die  dritte  hatte,  wie  ich  oben 
ausgeführt  habe,  den  dichter  gezwungen,  die  beiden  liebhaber 
aus  1.  und  2.  in  das  Verhältnis  von  neffen  und  onkel  zu  setzen. 
Da  nun  die  beiden  mädchen  aus  derselben  famiUe  Ueben,  aber 


GOLDSMITHS  VICAE  OF  WAKEPIELD.  175 

ihrem  Charakter  nach  antipoden  und  todfeinde  sind,  denn  der 
eine  ist  ganz  schlecht,  der  andre  ganz  gut,  so  ergab  sich 
mit  denkbar  schärfster  konsequenz,  dass  der  gute 
von  den  absiebten  des  bösen  nichts  wissen  darf! 

(Die  Sachlage  war  eine  ganz  andre  geworden  als  im  Tom 
Jones,  denn  dort  beschränkt  sich  ßlifils  Schlechtigkeit  auf  das 
Verhältnis  zu  Tom  und  die  art,  in  der  AUworthy  getäuscht 
wird,  ist  die  natürlichste,  die  man  sich  denken  kann.) 

Wie  aber  war  das  möglich  zu  machen?  Beide  leben  in 
derselben  gegend,  die  der  eine  mit  seinen  frevelthaten ,  der 
andre  mit  seiner  wohlthätigkeit  erfüllt,  beide  gehen  in  der- 
selben familie  aus  und  ein,  mit  der  dieser  es  so  gut  meint, 
die  jener  elend  machen  will! 

Man  sieht,  welch  eine  schlimme  läge  sich  hier  für  Gold- 
smith herausgebildet  hatte.  Die  not  war  um  so  grösser,  als 
dies  gerade  der  springende  punkt  des  ganzen  romans  ist.  In 
diesem  punkte  hängt  ja  alles!  Werden  die  beiden  liebhaber 
nicht  auseinandergehalten,  so  hört  die  handlung  auf  ehe 
sie  angefangen  hat.  Dann  bleiben  die  verschiednen  hand- 
lungen  ohne  Verbindung  nebeneinander  stehen,  wie  in  den 
werken,  aus  denen  sie  stammen,  dann  kann  natürlich  Thomhill 
Olivia  gar  nicht  entführen,  ihren  vater  nicht  ins  gefängnis 
werfen  lassen,  Georg  kann  sein  mannigfaches  missgeschick 
nicht  erleben,  Sophia  nicht  geraubt  werden  —  kurz,  dann  ist 
nichts  von  dem  möglich,  was  thatsächlich  geschieht. 

Hierauf  also  musste  Goldsmith  sein  hauptaugenmerk 
richten,  hier  musste  er  zeigen,  was  er  aus  sich  selbst  bieten 
konnte,  hier,  wo  er  nichts  entlehnen  konnte. 

So  verfiel  er  auf  das  mittel  der  Verkleidung  des  älteren 
Thornhill,  der  darum  als  Burchell  auftritt,  befördert  gewiss 
ausserdem  durch  das  Vorbild  des  Sir  Lancelot  Greaves.  Nur 
nebenbei  will  ich  erwähnen,  dass  die  einführung  einer  Ver- 
kleidung in  den  lustspielen  der  zeit  durchaus  üblich  war, 
dies  motiv  ist  ja  überhaupt  uralt  und  abgebraucht.  Oft  ist 
Goldsmith  wegen  dieses  so  einfachen  und  doch  so  wirksamen 
mittels  gelobt  worden,  doch  man  erkennt,  man  hat  ihm  da 
mehr  ehre  erwiesen  als  er  verdiente:  denn  gerade  seine  Un- 
selbständigkeit, gerade  sein  zusammenborgen  von  überall 
her  versetzten  ihn  in  die  Zwangslage,  die  Verkleidung  anzu- 
wenden. 


176  WILLI  FISCHER, 

Alles  kommt  nun  darauf  an,  wie  Goldsmith  die  Verklei- 
dung durchgeführt  hat,  ob  sie  das  richtige  mittel  war.  Hettner 
hat  in  seiner  englischen  litteraturgeschichte  darauf  hinge- 
wiesen, wie  unwahrscheinlich  es  doch  sei,  dass  Burchell  und 
Thomhill  nie  im  hause  des  pfarrers  zusammenträfen.  Dass 
eben  ist  ja  die  Schwierigkeit,  die  sich  herausstellte,  die  Gold- 
smith vermeiden  musste!  Da  nun  Hettner  ganz  gewiss  recht 
hat,  da  unser  dichter  trotz  seiner  bem  Übungen,  die  gefährliche 
klippe  zu  umschiffen,  eine  unwahrscheinlichkeit  zurückgelassen 
hat,  so  scheint  es  von  vornherein,  dass  sein  mittel  doch  nicht 
ganz  genügt  hat. 

Es  ist  wirklich  eine  recht  heikle  sache,  dass  an  diesem 
punkte  etwas  unwahrscheinliches  vorhanden  ist,  da  keiner 
dringender  der  Wahrscheinlichkeit  bedurft  hätte.  Gestehen 
wir  aber  trotzdem  einmal  dem  Verfasser  das  recht  zu,  auch 
unwahrscheinlich  zu  sein,  die  möglichkeit,  dass  onkel  und 
neffe  zufälligerweise  im  hause  Primroses  nicht  zusammen- 
kommen, ist  ja  nicht  zu  bestreiten  und  halten  wir  uns  an 
diese  möglichkeit.  Nur  eine  direkte  undenkbarkeit  wäre  ver- 
nichtend für  den  roman.    Prüfen  wir  ihn  daraufhin. 

Als  Thomhill  die  beiden  töchter  des  pfarrers  durch  ver- 
kleidete dirnen  nach  London  bringen  will,  wird  dieser  plan 
bekanntlich  durch  Burchells  brief  (XV  64)  vereitelt,  den  ich 
seiner  Wichtigkeit  halber  hier  abdrucken  muss: 

„Ladies, 

The  bearer  will  sufficiently  satisfy  you  as  to  the  person  from  whom 
this  coiues;  one,  at  least,  the  friend  of  iunocence,  and  ready  to  preyent 
its  being  seduced.  I  am  informed  for  a  truth,  that  you  have  some  in- 
ten tion  of  bringing  two  young  ladies  to  town,  whom  I  have  some 
knowledge  of,  uuder  the  character  of  companions.  As  I  wonld  neither 
have  simplicity  imposed  upon,  nor  yirtue  contaminated ,  I  muBt  offer  it 
as  my  opiuion,  that  the  impropriety  of  such  a  step  will  be  attended 
with  dangerous  consequences.  It  has  never  been  my  way  to  treat  the 
infamous  or  the  lewd  with  severity;  nor  shonld  I  now  have  taken  this 
method  of  explaining  myself,  or  reproving  folly,  did  it  not  aim  at  gailt. 
Take,  therefore,  the  admonition  of  a  friend,  and  serioosly  reflect  on 
the  consequences  of  introducing  infamy  and  vice  into  retreats  where 
peace  and  innocence  have  hitherto  resided." 

Dieser  brief  wird  nach  Thomhill  Castle  geschickt  und 
hat  die  gewünschte  Wirkung ,  da  man  am  Überbringer  den 
absender  erkennt.    Hieraus  geht  unwiderleglich  hervor,  dass 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  177 

1.  Burchell    weiss,    dass    die    beiden    dirnen    von 

seinem  neffen  benutzt  worden  sind,  dass  dieser 
also  die  denkbar  gemeinsten  absiebten  gegen 
die  pfarrerstöchter  hat  und 

2.  Thornhill  sehr  gut  weiss,  dass  sein  onkel  seine 

ganze  Verworfenheit  erkannt  hat! 

Da  also  die  beiden  sich  nun  kennen,  verliert  die  Ver- 
kleidung ihren  zweck,  der  vorher  erwähnte  fall  tritt  ein:  die 
gesamte  handlung  des  Vicar  of  Wakefield  ist  auf 
etwas  unmöglichem  aufgebaut! 

.Das  war  Goldsmiths  eigen,  das  war  es,  was  er  aus  sich 
selbst  heraus  leisten  konnte.  Das  urteil  über  den  Vicar  of 
Wakefield  als  roman  ist  hiermit  gesprochen. 

Es  findet  sich  übrigens  noch  eine  andre  stelle,  aus  der 
die  entdeckung  sich  ergeben  musste.  Im  achten  kapitel  (37) 
kommt  Burchell  mit  Thornhills  kaplan  zusammen.  Dass  der 
kaplan  des  neffen  den  onkel  nicht  kennt,  ist  ausgeschlossen. 
Gerade  bei  dieser  gelegenheit  zeigt  Sophia  ihre  neigung  zu 
Burchell,  Thornhill  musste  also  erfahren,  wie  sein  onkel  mit 
dieser  familie  stand  und  sich  hüten,  ihm  die  geliebte  zu  rauben. 
Jedoch  hätte  Burchell  Thornhill  schon  erkennen  müssen,  ehe 
überhaupt  Primrose  in  die  gegend  kam.  Er  hat  allerdings 
die  leichtgläubigkeit  Allworthys,  und  so  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  er  den  neffen  nicht  durchschaut,  der  neben  ihm  lebt. 
Ällworthy  kommt  ja  kaum  aus  seinem  hause  heraus  und  kann 
von  den  Schlechtigkeiten  Blifils,  der  stets  um  ihn  ist,  nichts 
erfahren,  um  so  weniger,  als  die  weit  gar  nichts  weiss  von 
dieser  Schlechtigkeit,  die  sich  ja  nur  auf  den  abwesenden  Tom 
erstreckt,  der  sich  nicht  verteidigen  kann.  Aber  in  Thornhill 
steckt  ja  auch  Lovelace  und  das  ändert  die  Sachlage,  denn 
Lovelaces  thaten  sind  überall  bekannt.  Immerhin  hätte  es 
noch  angehen  mögen,  wenn  Burchell  einfach  Ällworthy  wäre, 
aber  er  ist  ja  auch  Grandison,  bleibt  also  durchaus  nicht 
innerhalb  seiner  vier  wände  und  tritt  obendrein  verkleidet 
auf!  Es  wird  wiederholt  (HI  12;  XXI  109)  gesagt,  dass 
Thornhill  alle  farmerstöchter  verführe  und  allgemein  verhasst 
sei.  Das  erfährt  der  pfarrer  ohne  sich  darum  zu  bemühen, 
ebensogut  wie  jedermann  und  Burchell,  der  verkleidet  im 
ganzen  land  umherzieht  und  überall  hilft,  der  sollte  nie  ein 

▲ngUft.   N.  F.   xin.  12 


178  WILLI  F18CHBB, 

solches  mädchen  gefunden  haben,  nie  mit  einem  entrfisteten 
vater  oder  überhaupt  mit  irgend  jemand  der  davon  weiss  (und 
wer  wüsste  es  nicht  ?),  gesprochen  haben  ?  Die  ganze  gegend 
hallt  wieder  von  den  thaten  jenes  Schurken  und  Burchell  er- 
führe es  nicht?    Das  ist  absolut  ausgeschlossen! 

Goldsniiths  gerühmtes  mittel,  die  Verkleidung,  sollte  über 
eine  Schwierigkeit  hinweghelfen  und  dieses  selbe  mittel  be- 
wirkt eine  andre,  von  ihm  gar  nicht  bemerkte  Schwierigkeit, 
für  die  es  keine  lösung  giebt. 

Nur  nebenbei  brauche  ich  zu  erwähnen,  dass  die  bewohner 
des  landes  sicher  vielfach  mit  dem  älteren  Thornhill  zusammen- 
treffen und  ihn  also  auch  als  Burchell  bald  erkennen  müssen. 

Die  handlung  geht  aber  ruhig  weiter,  als  ob  der  oheim 
keine  ahnung  hat.  Wenn  Hettner  fragt,  warum  denn  Burchell 
nur  alle  schändlichkeiten  des  neffen  zulasse  nnd  kein  macht- 
wort  spreche,  das  alles  lösen  würde,  so  verkennt  er,  dass  eben 
bei  Goldsmith  die  Aktion  fortbesteht,  fortbestehen  muss,  dass 
Burchell  von  Thomhills  wahrem  Charakter  nichts  weiss.  Er 
darf  ja  nach  dem  vorbild  nichts  davon  wissen,  der  unterschied 
ist  nur  der,  dass  die  täuschung  AUworthys  verständlich  und 
erklärlich,  bei  Burchell  aber  unmöglich  ist.  Wenn  Allworthy 
von  der  gerechtigkeitsliebe  Blifils  überzeugt  ist,  so  ist  das 
ganz  natürlich,  er  kann  \\irklich  nicht  anders  denken,  wenn 
aber  Burchell  entsprechend  von  seinem  neffen  sagt  (XXXI 165), 
er  habe  immer  an  seine  rechtlichkeit  geglaubt,  so  ist  das 
lächerlich.  Im  Tom  Jones  bleibt  der  onkel  auch  gegen  allerlei 
Verdächtigungen  Blifils  taub,  folglich  muss  es  mit  ihm  auch 
im  Vicar  of  Wakefield  so  sein.  Das  führt  zu  der  unglaub- 
lichen absurdität,  dass  Burchell  in  der  schlussscene  (XXXI 163/4), 
als  er  das  unglück  Oliviens  und  des  pfarrers  bereits  kennt 
und  gegen  Thornhill  aufgebracht  ist,  sich  durch  redensarten 
des  neffen,  die  nichts  sagen  und  nichts  abstreiten  können, 
plötzlich  wieder  überzeugen  lässt,  jener  habe  gar  nicht  unrecht 
gehandelt!  Jetzt  müsste  wahrlich  die  entscheidung  fallen, 
aber  es  darf  ja  nach  Tom  Jones  noch  nicht  geschehen,  sie 
muss  durchaus  verzögert  werden,  wenn  auch  auf  kosten  aller 
denkbarkeit. 

Ich  betone  noch  einmal:  um  die  handlung  möglich  zu 
machen,  muss  Goldsmith  die  Aktion  fest  aufrecht  erhalten, 
dass  Burchell  seinen  neffen  nicht  durchschaut.    Und  nun  lese 


GOLDSMITHS  VICAK  OP  WAKEPIELD.  179 

man  die  scene  im  21.  kapitel  (112),  in  der  Olivia  Primrose 
ihre  erlebnisse  berichtet:  auf  die  ansieht,  Burchell  sei  ihr 
entführer,  erwidert  sie:  „My  dear  papa,  you  labour  under  a 
Strange  mistake;  Mr.  Burchell  never  attempted  to  deceive  me. 
Instead  of  that,  he  took  every  opportunity  of  privately 
admonishing  me  against  the  artifices  of  Mr.  Thorn- 
hill,  who,  I  now  find,  was  even  worse  than  he  repre- 
sented  him!"  Also  Burchell  hat  Olivien  vor  seinem  neffen 
gewarnt  und  ihn  als  sehr  schlecht  geschildert !  Er  kennt  ihn 
ja  also  sehr  gut! 

Das  ist  eine  konzession  an  den  gesunden  menschenver- 
stand,  Goldsmith  fühlte  wohl,  dass  es  unmöglich  sei,  Burchell 
in  Unkenntnis  zu  lassen  und  trotzdem  geht  auch  von  hier 
alles  so  weiter,  als  ob  er  auch  nicht  die  leiseste  ahnung 
hätte.  Man  sieht,  ein  grösserer  Wirrwarr,  ein  wüsteres 
durcheinander  ist  kaum  denkbar,  da  hört  wirklich  alles  auf. 

Alles  somit,  was  mit  der  Verschmelzung  zusammenhängt, 
ist  Goldsmith  missglückt,  nicht  nur  ist  eine  Verknüpfung  der 
handlungen  selbst  nicht  erfolgt,  sondern  es  ist  auch  innerhalb 
der  wichtigen  personen  Thomhills  und  Burchells  keine  har- 
monie  hergestellt.  Das  letzte  ist  besonders  zu  bedauern,  denn 
wenn  es  auch  klar  ist,  dass  schon  der  Lovelace  allein,  der  in 
Thornhill  steckt,  sich  nicht  mit  seinem  vorbilde  bei  Richardson 
messen  kann,  so  ist  es  ebenso  einleuchtend,  dass  der  Grandison 
in  Burchell  eher  gewonnen  als  verloren  hat.  Ich  habe  darauf 
hingewiesen,  dass  Burchell  ganz  Grandisons  Charakter  hat  und 
doch  wirkt  er  nicht  abstossend  oder  lächerlich  wie  dieser.  Es 
zeigt  sich  hier  eben,  welche  Wirkung  diese  gestalt  auch  heute 
noch  üben  könnte,  wenn  man  sie  nicht  erst  mühsam  aus  vielen 
dicken  bänden  herausholen  müsste  und  sie  nicht  so  unerträg- 
lich tendenziös  wäre.  Dass  sie  im  Vicar  of  Wakefield  wirkt, 
ist  nicht  ganz  Goldsmiths  verdienst,  es  liegt  zum  grossen  teil 
daran,  dass  sie  hier  mehr  zur  geltung  kommt,  dass  sie  über- 
haupt erst  zeigen  kann,  was  gutes  an  ihr  ist,  wenn  man  sie 
nicht  in  der  entsetzlichen  weise  Richardsons  in  den  Vorder- 
grund stellt. 

Aehnlich  ist  es  mit  Olivia  und  besonders  Sophia.  Olivia 
freilich  hat  Goldsmith  ohne  not  von  Klarissen  ziemlich  ent- 
fernt Sie  ist  so  ausserordentlich  kokett  (XVII  73) ,  dass  sie 
uns  eigentlich  nicht  mehr  sympathisch  ist     Sie  setzt  alles 

12* 


180  WILLI  FISCHER, 

daran,  den  Wüstling  Thornhill  zu  gewinnen,  ohne  an  seinem 
Charakter  den  geringsten  anstoss  zu  nehmen.  Von  ihr  wird 
gesagt  (I  6),  sie  wünsche  viele  liebhaber,  dabei  zeigt  ihr  ver- 
halten gegen  ihren  liebhaber  vor  und  besonders  nach  der 
entführung;  dass  sie  doch  auch  innig  empfinden  kann,  was  bei 
einer  wirklichen  kokette  (und  sie  wird  direkt  so  genannt 
XVII  73)  nicht  anzunehmen  wäre :  hier  blickt  eben  einmal  die 
Klarissa  durch.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  Goldsmith  sie  so 
oberflächlich  dargestellt  hat,  ist  rein  zufällig,  einer  augen- 
blicklichen laune  folgend.  Dieses  unachtsame  und  unklare  in 
Goldsmiths  arbeitsweise  zeigt  sich  gleich  noch  viel  deutlicher. 
Olivia  wird  mit  Thornhill  zum  scheine  getraut  (XXI 113). 
Da  ist  es  doch  aber  ganz  wunderbar,  dass  sie  erzählt,  sie 
habe  die  ungiltigkeit  der  Zeremonie  gekannt!  Das  ist  etwas 
rätselhaftes  und  Goldsmith  selbst  hätte  dies  rätsei  nicht  lösen 
können.  Wenn  sie  die  ungiltigkeit  kennt  und  sie  giebt  doch 
Thornhill  die  rechte,  die  nur  eine  giltige  tranung  ihm  ver- 
schaffen sollte,  dann  ist  sie  eine  dirne,  weiter  nichts.  Aber, 
da  sie  es  weiss,  warum  lässt  sie  die  zwecklose  feierlichkeit 
überhaupt  vollziehen  ?  Wie  kann  sie  so  völlig  auf  Thomhills 
aufrichtigkeit  vertrauen,  wenn  sie  sieht,  welches  gaukelspiel 
er  treibt?  Eine  antwort  hierauf  giebt  es  nicht,  das  ganze 
ist  eine  Unbedachtsamkeit  Goldsmiths,  der  diese  worte  schnell 
niederschrieb,  ohne  zu  bedenken,  was  er  damit  gesagt  hatte. 
Aber  selbst  das  ist  nicht  das  schlimmste  versehen,  das 
unserm  dichter  mit  Olivien  passiert  ist.  Ich  sagte  schon 
früher,  dass  in  der  lösung  des  Vicar  of  Wakefield,  die  natOr- 
lich  auch  die  lösung  der  handlung  zwischen  Lovelace  nnd 
Klaiissa,  Grandison  und  Miss  Byron  enthalten  muss,  statt  der 
entdeckung  der  eitern  Toms  eine  andere  Überraschung  gegeben 
wurde,  da  ja  hier  Georg  der  pfarrerssohn  ist.  Goldsmith  liess 
dafür  die  giltigkeit  der  heirat  Oliviens  herauskommen,  wo- 
durch zugleich  Arabellens  vermögen  gerettet  wurde.  Wenn 
man  versucht,  sich  des  dichters  gedankengang  dabei  klar  zu 
machen,  so  würde  man  selbstverständlich  davon  überzengt 
sein,  er  habe  etwa  so  gedacht:  „Olivia  wird,  wie  sie  glaubt, 
zum  schein  mit  Thornhill  verheii-atet.  Diese  sogenannte  schein- 
heirat  ist  aber  in  Wirklichkeit  eine  giltige  und  es  ist  äusserst 
effektvoll,  wenn  ich  erst  am  Schlüsse  ganz  plötzlich  die  Wahr- 
heit an  den  tag  kommen  lasse.''    Es  scheint  unmöglich  anders 


GOLDSHITHS  VIGAR  OF  WAKEEIELD.  181 

ZU  denken:  die  poetische  gerechtigkeit  verlangt  Oliviens 
restaurierung  und  da  nach  der  auffassung  der  zeit  die  heirat 
alles  gut  macht,  so  muss  sie  wirklich  verheiratet  sein. 

Dennoch  ist  diese  ansieht  nicht  richtig.  Goldsmith  liess 
das  mädchen  thatsächlich  zum  schein  verheiraten,  er  beab- 
sichtigte nichts  andres,  als  dass  die  heirat  eine  täuschung  sein 
sollte!  Zuletzt  aber  kam  ihm  plötzlich  der  gedanke,  dass  es 
nötig  sei,  auch  Olivien  glücklich  zu  machen  und  so  musste 
Jenkinson  verkünden,  sie  sei  gesetzmässig  verheiratet! 

Nach  dem,  was  ich  bisher  über  Goldsmiths  arbeitsweise 
gesagt  habe,  wird  man  vielleicht  diese  behauptung  wenigstens 
nicht  für  ganz  unverständlich  halten,  auch  wenn  ich  sie  nicht 
bewiese.  Ich  will  aber  den  beweis  nicht  schuldig  bleiben. 
Jenkinson  erzählt  (XXXI  173),  Thornhill  habe  ihn  beauftragt, 
einen  falschen  priester  und  einen  falschen  trauschein  zu  be- 
sorgen, er  aber  habe  einen  richtigen  priester  und  einen  rich- 
tigen schein  gebracht.  Man  wird  zugeben,  dass  es  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  sich  Thornhill  nicht  genau  erkundigt,  von 
wem  er  sich  trauen  lässt,  dass  er  nicht  einen  dazu  nimmt, 
den  er  gut  kennt,  umsomehr,  als  er  diese  täuschung  schon 
öfter  ausgeführt  hat,  doch  wir  wollen  kein  gewicht  darauf 
legen.  Im  21.  kapitel  (113)  erzählt  Olivia,  sie  sei  mit  Thorn- 
hill getraut  worden  von  demselben  priester,  der  ihn 
schon  in  derselben  weise  mit  sechs  oder  acht  andern 
frauen  verheiratet  habe!  Also  wie  zu  erwarten  stand, 
der  priester  ist  ein  helfershelfer  des  neffen  und  steht  schon 
lange  in  seinen  diensten,  er  ist  thatsächlich  ein  falscher!  Es 
ist  also  unmöglich,  dass  Oliviens  heirat  giltig  ist.  Arabella 
bekommt  also  auch  ihr  vermögen  nicht  zurück,  in  Wirklichkeit 
siegt  also  Thornhill  vollständig.  Wir  sehen  wiederum,  die 
eine  kleinigkeit,  die  Goldsmith  erfinden  muss,  verdirbt  ihm 
vieles  andre,  die  lösung  des  Vicar  of  Wakefield  ist  dadurch 
undenkbar  gemacht. 

Besser  ist  Sophia  geglückt.  Miss  Byron  nimmt  im  Gran- 
dison  eine  hervorragende  Stellung  ein,  sie  gefällt  uns  auch 
ganz  gut,  aber  wir  können  uns  nicht  recht  für  sie  erwärmen. 
Sie  ist  nicht  mit  der  liebe  gezeichnet  wie  Klarissa,  sie  erlebt 
nicht  viel  und  ist  eine  Richardsonsche  figur  im  schlechten 
sinne,  das  heisst,  eine  durchaus  langweilige  person.  Sophia 
hat  vor  ihr  keinen  wesentlichen  vorzug  und  steht  trotzdem 


182  WILLI  FISCHER, 

viel  höher:  weniger  geben  als  Richardson,  bedeutet  hier  in 
Wirklichkeit  mehr  geben.  Das  ruhige,  liebenswürdige  wesen 
der  Miss  Byron  wird  allmählich  unausstehlich,  bei  Sophia 
wirkt  es  anmutend  und  wohlthuend.  Sie  ist  von  den  mädchen- 
gestalten des  Vicar  of  Wakefield  bei  weitem  die  sympathischste, 
sie  steht  uns  menschlich  am  nächsten.  Ohne  ein  kleines  ver- 
sehen geht  es  freilich  auch  hier  nicht  ab.  Zu  den  ergötz- 
lichsten Schilderungen  gehört  die  der  eitelkeit  der  beiden 
mädchen.  Bei  der  Verschiedenheit  der  Charaktere  Oliviens 
und  Sophiens  aber  wäre  es  unbedingt  nötig  gewesen,  die  beiden 
hier  zu  trennen.  Schwierigkeiten  hätte  das  wohl  gemacht^ 
es  hätte  vielleicht  auch  weniger  gewirkt,  aber  es  ist  not- 
wendig. Denn  Sophia,  die  fast  ein  engel  an  Weisheit  genannt 
wird,  die  Thornhill  verachtet,  diese  Sophia  wird  sich  doch 
nicht  für  ihn  putzen,  alles  thun  ihm  zu  gefallen,  umsoweniger, 
als  sie  ja  Burchell  liebt!  Für  Olivien  passt  das  alles,  für 
Sophien  durchaus  nicht. 

Von  den  vier  personen  aus  Richardson  sind  also  Thornhill 
und  Olivia  Goldsmith  missglückt :  Lovelace  und  Klarissa  waren 
eben  Richardsons  meisterschöpfungen  und  hier  war  Goldsmith 
seiner  aufgäbe  nicht  gewachsen.  Thornhill  schadete  ausserdem 
noch  die  Verschmelzung  mit  Blifil.  Miss  Byron  und  Grrandison 
aber,  zwei  schwächere  leistungen,  kommen  bei  Goldsmith  erst 
recht  zur  geltung,  die  bei  Burchell  leider  wieder  durch  ver- 
mengung mit  Allworthy  getrübt  wird.  Immerhin  braucht  man 
mit  den  bearbeitungen  Richardsonscher  Charaktere  wenigstens 
nicht  ganz  unzufrieden  zu  sein. 

Rein  theoretisch  lässt  sich  nun  schon  sagen,  dass  es  bei 
den  Fieldingschen  gestalten  anders  sein  muss.  Denn  Fielding 
sagt  kein  tiberflüssiges  wort,  die  kürzung  kann  hier  nur  schaden. 
Dass  Blifil  und  Allworthy  bei  Goldsmith  in  Thornhill  und 
Burchell  ganz  unmöglich  geworden  sind,  habe  ich  gezeigt 
Hat  hier  wieder  die  Verschmelzung  mitgewirkt,  so  müssen  sich 
mängel  ganz  besonders  deutlich  herausstellen  bei  den  rein 
Fieldingschen  figuren. 

Von  Primrose  allein  müssen  wir  dabei  absehen,  er  tritt 
ja  bei  Goldsmith  noch  mehr  hervor  als  in  der  vorläge.  Er 
ist  zwar  als  ganzes  völlig  unselbständig,  aber  doch  ist  seine 
rolle  vortrefflich  durchgeführt.  Ich  habe  ihn  ja  im  ersten 
teil  ausführlich  geschildert  und  möchte  von  dem,  was  Goldsmith 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  183 

eignes  an  ihm  hat,  hier  nur  noch  einmal  an  die  ergreifende 
kerkerpredigt  erinnern,  die  so  natürlich  aus  der  Situation  ent- 
springt und  den  Charakter  des  pfarrers  in  seiner  reinsten 
menschlichkeit  erkennen  lässt.  Absichtlich  jedoch  gehe  ich 
in  diesem  zusammenhange  nicht  auf  eine  anzahl  grober  Ver- 
stösse ein,  die  Goldsmith  leider  auch  hier  nicht  hat  vermeiden 
können,  um  nicht  den  eindruck  zu  erwecken,  als  sei  doch 
eigentlich  an  Primrose  recht  viel  verfehlt.  Diese  Verstösse 
beziehen  sich  zum  teil  auf  äussere  ereignisse,  aber  auch  wo 
sie  andrer  art  sind,  können  sie  uns  seinen  aus  vielen  präch- 
tigen Worten  und  kleinen  scenen  hell  hervorstrahlenden  reinen 
Charakter  nicht  trüben. 

Dagegen  lässt  sich  nicht  behaupten,  dass  etwa  Georg  mit 
Tom  Jones  wetteifern  könnte.  Denn  Georg  kann  nicht  die 
ihm  gebührende  Stellung  einnehmen,  dazu  ist  kein  räum  vor- 
handen, Goldsmith  musste  ja  eine  reihe  von  handlungen  immer 
zugleich  führen.  Handelt  also  Georg  auch  wie  Tom,  hat  er 
auch  denselben  Charakter,  er  ^virkt  doch  nicht  entfernt  wie 
jener.  Zu  anfang  weiss  man  gar  nicht,  ob  er  je  etwas  andres 
werden  soll  als  eine  nebenperson,  für  lange  zeit  ist  er  völlig 
verschwunden.  Für  alle  mängel  soll  dann  seine  berühmte  er- 
zählung  entschädigen.    Betrachten  wir  die  einmal  näher. 

Georg  geht  nach  Toms  muster  in  die  weite  weit.  Hier 
bot  sich  für  Goldsmith  eine  vortreffliche  gelegenheit,  etwas 
eignes  anzubringen  und  so  bietet  die  erzählung,  wenn  auch 
manches  übernommene  sich  darein  mischt,  in  der  hauptsache 
wolil  des  dichters  eigne,  poetisch  verklärte  reiseerlebnisse. 
Hierher  also,  sozusagen  mitten  in  den  Tom  Jones  hinein,  stellt 
Goldsmith  etwas  selbständiges.  Wie  hat  er  das  eingeflochten? 
Tom  ist  bei  weitem  kein  jähr  auf  der  reise,  Georg  dagegen, 
da  er  ja  in  verschiedne  fremde  länder  kommt,  muss  länger 
fort  sein  und  die  zeit  wird  denn  auch  (XIX  91)  auf  fast  drei 
jähre  angegeben.  Diese  drei  jähre  liegen  also  zwischen  seiner 
abreise  (III 12)  und  dem  zusammentreffen  mit  seinem  vater 
(XIX  91/2).  Es  wird  gewiss  jedermann  überraschen  zu  er- 
fahren, dass  der  Vicar  of  Wakefield  sich  über  mehr  als  drei 
jähre  erstrecken  soll,  rechnen  wir  also  nach,  ob  das  richtig  ist. 

Auf  Seite  12  erfahren  wir,  dass  die  familie  wenige  tage 
nach  Georg  aufbricht,  reichlich  gerechnet  also  eine  woche. 
Der  weg  ist  70  meilen  lang,  am  ersten  tage  werden  40  davon 


184  WILLI  FISCHER, 

zurückgelegt,  die  ganze  reise  dauert  also  zwei  tage.  Sie  muss 
ende  sommer  angetreten  worden  sein,  anfang  herbst  folgt  das 
zusammentreffen  mit  Thornhill  (V  20  ff.).  Bei  dessen  Charakter 
ist  es  selbstverständlich,  dass  er  die  schönen  pfarrerstöchter 
sehr  bald  entdeckt,  um  so  mehr,  als  er  nur  wenige  meilen 
(m  12)  vom  pfarrer  entfernt  wohnt.  (In  Wirklichkeit  müsste 
das  in  den  allerersten  tagen  geschehen,  denn  man  muss  doch 
eigentlich  erwarten,  dass  sich  Primrose  seinem  neuen  patron 
vorstellt,  das  aber  hat  Goldsmith  ganz  vergessen.)  Rechnen 
wir  wieder  reichlich,  so  vergehen  bis  zur  bekanntschaft  mit 
dem  jungen  herrn  vier  wochen.  Die  zeit  bis  zur  entfühnmg 
beträgt  weiter  allerhöchstens  zwei  monate.  Dann  folgt  des 
pfarrers  reise  und  bis  zum  zusammentreffen  mit  den  Arnolds 
und  Georg  sind  es  ziemlich  genau  vier  wochen.  Dass  die 
rechnung  richtig  ist,  ergiebt  sich  obendrein  daraus,  dass  bald 
nachher  (XXIV  126)  erwähnt  wird,  es  sei  winter.  Zählen 
wir  nun  zusammen  und  runden  wir  stark  nach  oben  ab,  so 
zeigt  sich:  zwischen  Georgs  aufbruch  und  dem  ende 
seiner  Irrfahrt  liegen  allerhöchstens  fünf  monate! 

Die  reise  Georgs  ist  also  ebenfalls  nnmöglich! 
Es  handelt  sich  nicht  um  einen  kleinen  chronologischen  fehler: 
Goldsmith  wollte  wieder  einmal  etwas  eignes  geben  und  war 
gänzlich  ausser  stände,  das  in  den  Zusammenhang  zu  bringen, 
hier  wich  er  einmal  von  der  vorläge  ab,  weil  das  auch  gar 
zu  nahe  lag,  und  sofort  beging  er  einen  schweren  fehler. 

Sonst  ist  die  erzählung  recht  hübsch,  daran  ändern  auch 
versehen  wie  das  folgende  nichts. 

Goldsmith  war  für  kurze  zeit  erzieher  eines  jungen  mannes 
gewesen,  mit  dem  er  schlechte  erfahrungen  gemacht  hatte: 
dasselbe  lässt  er  nun  Georg  von  sich  einzahlen.  Sein  Zögling 
ist  (XX  105)  „noch  nicht  21",  das  heisst  doch,  beinahe  21. 
Georg  aber  ist  höchstens  22  jähre  alt  und  einem  manne  von 
22  wird  man  die  beaufsichtigung  eines  einundzwanzigjährigen 
wohl  nicht  anvertrauen. 

Tom  Jones  ist  mit  Blifil  zusammen  aufgewachsen,  sie 
müssen  einander  also  gut  kennen.  Wie  aber  sollte  Georg  mit 
Thornhill  zusammenkommen?  Auch  das  musste  Goldsmith 
möglich  machen :  G^org  tritt  in  Thornhills  dienst  und  wird  als 
sein  universitätsfi-eund  dargestellt  (XX  97) ! 

Aber  dieses  verzweifelte  auskunftsmittel   ist  nicht  gut: 


G0LDSMITH8  VICAR  OF  WAKEFIELD.  185 

Georg  hätte  ja  nun  jenen  gründlich  kennen  müssen,  denn  es 
ist  klar,  einem  vertrauten  Jugendfreunde  hätten  Thomhills 
leidenschaften  und  laster  nicht  verborgen  bleiben  können.  Er 
hätte  ihm  also  nie  vertrauen  können,  vor  allem  hätte  er  doch 
seinen  vater  vor  der  abreise  vor  dem  gutsherrn  gewarnt.  Es 
ist  schon  undenkbar,  dass  Georg,  dieser  gute  söhn,  während 
der  Universitätsjahre  nie  daheim  von  seinem  busenfreunde  er- 
zählt hat ,  so  dass  der  pf arrer  (XX  99)  ganz  überrascht  ist 
zu  hören,  dass  Georg  Thornhill  kennt.  Freilich,  alle  die  not- 
wendigen konsequenzen  jener  bekanntschaft  duiiten  nicht  ge- 
zogen werden,  sonst  konnte  die  handlung  nicht  wie  im  vorbild 
verlaufen.  Man  sieht,  wo  immer  Goldsmith  ändern  muss,  da 
entsteht  heillose  Verwirrung. 

Am  schlimmsten  tritt  das  bei  den  Wilmots  zu  tage.  Im 
Tom  Jones  kann  aus  der  heirat  zwischen  dem  beiden  und 
Sophien  nichts  werden,  weil  Western  von  einem  armen  men- 
schen nichts  wissen  will.  Im  Vicar  of  Wakefield  wird  das 
etwas  anders  dargestellt,  weil  Georg  kein  findling,  sondern 
ein  pfarrerssohn  ist.  Arabellens  vater,  Wilmot,  ist  ein  guter 
freund  Primroses.  Die  hochzeit  steht  unmittelbar  bevor,  da 
wird  sie  plötzlich  abgebrochen  (II 10).  Warum  —  das  erfahren 
wir  eigentlich  nicht.  Denn  der  pfarrer  verliert  zwar  sein 
vermögen  (II  9),  aber  es  wird  ausdrücklich  gesagt  (II 10),  dass 
Wilmot  schon  vorher  bereit  gewesen  sei,  die  partie  aufzugeben. 
Also  wohl  wegen  des  Streits  über  monogamie,  etwas  andres 
bleibt  nicht  übrig.  Kurz  vor  der  hochzeit  streiten  Primrose 
und  Wilmot  über  diese  frage.  Jener  hat  sie  in  einem  neuen 
buche  behandelt,  das  er  dem  freunde  zeigt;  dabei  erfährt  er 
zu  seiner  Überraschung,  dass  dieser  der  entgegengesetzten 
meinung  anhängt,  weil  er  sich  um  die  vierte  frau  bewirbt! 
Nun  überlege  man:  Primrose  ist  völlig  in  seine  ansieht  ver- 
rannt und  dafür  begeistert  und  er  sollte  nie  mit  seinem  alten 
freunde  über  dies  ihm  so  naheliegende  thema  gesprochen  haben? 
Das  ist  unmöglich!  Wilmot  bewirbt  sich  um  die  vierte  frau 
und  Primrose  sollte  ihm  nie  vorher  bei  der  zweiten  oder 
dritten  Vorstellungen  gemacht  haben?  Das  ist  ganz  und  gar 
unmöglich ! 

Dieser  zug  ist  natürlich  wieder  im  augenblick  erfunden 
und  niedergeschrieben,  ohne  alle  Überlegung,  von  der  vierten 
frau,  die  er  doch  auch  endlich  heiraten  müsste,  erfährt  man 


186  WILM  FISCHER, 

nichte  wieder.  Auch  dieser  fall  ist  typisch:  Goldsmith  will 
einen  Vorgang  etwas  anders  begründen,  als  es  in  der  vorlag 
geschehen  ist  und  vermag  keinen  plaosibeln  grund  anzugeben. 
Dass  ihm  aber  unter  Wilmot  immer  Western  vorschwebte  und 
der  wahre  grund  Georgs  armut  ist,  dass  erfahren  wir  in  der 
schlussscene  (XXXI 171).  Da  wirft  nämlich  Burchell  dem 
alten  Wilmot  seine  „immoderate .  passion  for  wealth"  vor. 
Unmässige  geldgier?  Davon  weiss  man  ja  noch  gar  nichts! 
Man  weiss  es  aber,  wenn  man  bedenkt,  dass  Western  das  Vor- 
bild war.  Dieser  ist  hier  sehr,  sehr  schlecht  weggekommen: 
er  hat  ein  entscheidendes  wort  mitzusprechen  und  übt  anf  die 
entwicklung  der  handlung  einen  sehr  bedeutenden  einfluss^ 
dennoch  existiert  von  ihm  im  Vicar  of  Wakefield  eigentlich 
nur  der  name,  der  mann  selbst  kommt  kaum  vor  und  das  ist 
bei  seiner  Wichtigkeit  ein  schwerer  fehler.  Der  vergleich  mit 
Western,  diesem  im  gründe  gutmütigen,  aber  rohen  landjnnker, 
der  uns  gewisse  kreise  jener  tage  so  lebendig  verkörpert,  fällt 
für  Goldsmith  sehr  demütigend  aus. 

Westems  tochter  Sophia  liebt  Tom  und  widersetzt  sich 
ihrem  vater:  von  Arabellen  erfahren  wir  bei  der  lösung  des 
Verhältnisses  überhaupt  nichts.  Sie  scheint  viel  zu  dulden 
(II 10),  gerade  wie  Sophia,  aber  sie  widersetzt  sich  wohl  nicht. 
Da  sie  Georg  wirklich  liebt,  ist  das  unverständlich.  Es  wird 
aber  noch  unbegreiflicher,  als  am  schluss  (XXXI 171)  Wilmot 
sagt,  er  habe  ihrer  neigung  nie  zwang  angethan !  Ja,  warum 
in  aller  weit  ging  dann  die  Verlobung  auseinander:  die  jungen 
leute  lieben  sich  innig,  die  beiden  väter  haben  nichts  dagegen, 
also  warum? 

Zu  verstehen  ist  auch  dies  nur,  wenn  man  an  Sophia 
Western  denkt.  Arabella  ist  ebenfalls  von  ihrem  vater  ge- 
zwungen worden  und  hat  sich  fügen  müssen.  Goldsmith  konnte 
natürlich  keine  lange  leidensgeschichte  des  mädchens  bringen, 
aber  er  sagte  nicht  einmal  das  nötigste.  —  Später  beim  zu- 
sammentreffen der  liebenden  (XIX  92)  benimmt  sich  Arabella 
so,  wie  nur  jemand  es  tliun  kann,  der  über  alles  mass  ver- 
liebt ist.  Sie  liebt  also  Georg  noch  mit  aller  leidenschaft ! 
Warum,  da  sie  mehrere  heiratsanträge  abgeschlagen,  schenkt 
sie  plötzlich  den  Bewerbungen  Thornhills  gehör?  Sie,  ihr 
vater,  taute  und  onkel  gehören  auch  zu  jenen  unschuldigen, 
braven   menschen,    die    den   gi*össten   halunken    für    einen 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  187 

engel  halten,  denn  sie  haben  keine  ahnung  von  Thornhills 
cliarakter. 

Die  Verwirrung  wird  aber  noch  grösser.  Arabella  hört 
Georgs  erzählung  mit  an,  aus  der  Thornhills  niedrigkeit  und 
f eigheit  aufs  deutlichste  hervorgeht :  das  müsste  auf  jedes  ver- 
nünftige mädchen  wirken,  auf  sie  aber  darf  es  keinen  einfluss 
haben,  sie  könnte  ja  sonst  Georg  gleich  heiraten  und  es  wäre 
die  im  original  vorgeschriebene  Verwicklung  nicht  möglich. 
Wenn  sie  etwa  Thornhill  liebte,  so  wäre  es  verständlich,  dass 
sie  sich  nicht  abbringen  liesse,  aber  sie  liebt  ftin  durchaus 
nicht.  Soweit  freilich  durfte  Goldsmith  ihre  naivität  auf 
keinen  fall  treiben,  dass  sie  eine  so  hohe  meinung  von  ihm 
hat  zu  glauben  (XXXI 163),  er  sei  ins  gefängnis  gegangen, 
um  dort  elend  zu  lindem!  Also  die  erzählung  Georgs,  dieser 
selbständige  einschub  Goldsmiths,  an  sich  schon  unmöglich, 
bringt  ausserdem  noch  die  haupthandlung  um  den  letzten  rest 
von  Wahrscheinlichkeit.  Einige  male  (XXXI 168, 169  mitte) 
ward  geheimnisvoll  gesagt,  sie  habe  ihr  versprechen  gebrochen, 
woraus  man  freiwilligen  abfall  schliessen  müsste,  der  freilich 
auch  nicht  zu  verstehen  ist,  da  sie  Georg  inbrünstig  liebt. 
Einmal  (169  oben)  wird  gesagt,  sie  habe  ihr  versprechen  ei-st 
für  nichtig  angesehen,  als  Thornhill  ihr  vorgeredet,  Georg  sei 
verheiratet.  Sie  hat  sich  aber  doch  längst  von  ihm  zurück- 
gezogen! Was  soll  man  nun  erst  sagen,  wenn  es  (XXI 109) 
heisst,  dass  Georg  seine  liebste,  das  bedeutet  hier,  die  die  ihn 
liebt,  zurücklasse?  Hier  sieht  es  also  so  aus,  als  sei  sie  noch 
seine  braut  und  er  lasse  sie  im  stich! 

Auch  hier  ist  ein  widerspruchsvolles  durcheinander  ent- 
standen, aus  dem  kein  mensch  sich  herausfinden  kann,  wenn 
er  nicht  das  original  im  äuge  hat.  Es  ist  ein  wahrer  Jammer 
zu  sehen,  was  aus  Sophia  Western  geworden  ist.  Dieses 
frische,  prächtige  mädchen  mit  seinem  zärtlichen  und  doch 
auch  weltklugen  herzen,  mit  seiner  bewundernswerten  that- 
kraft  und  entschlossenheit ,  wer  sollte  es  in  Ai-abella  Wilmot 
wiedererkennen?  Ein  wesen  ohne  fleisch  und  blut,  verschwom- 
men und  schattenhaft,  giebt  uns  Goldsmith  statt  jener  gestalt, 
die  uns  greifbar,  wie  das  warme  leben  selbst  entgegentritt. 
Diese  verballhornung  ist  noch  weit  mehr  zu  bedaueni  als  die 
Westerns. 

Betrachten  wir  nun  die  lösung  unseres  romans,  so  muss 


188  WILLI  FISCHER, 

ich  zunächst  wiederholen,  dass  sie  ganz  die  des  Tom  Jones  ist^ 
aber  natürlich  muss  auch  die  lösung  der  beiden  andern  hand- 
lungen  eingeschlossen  werden.  Dadurch  ist  eine  überaus  grosse 
un Wahrscheinlichkeit  entstanden,  die  Goldsmith  selbst  fühlte: 
er  fügt  nämlich  (XXXI 167)  eine  betrachtung  über  den  zofall 
ein,  die  uns,  da  wir  die  wahre  Ursache  aller  dieser  „Zufällig- 
keiten" kennen,  etwas  lächerlich  berührt.  Ich  habe  auch 
schon  gesagt,  dass  Olivia  in  Wirklichkeit  nicht  mit  Thomhill 
verheiratet  ist,  also  Arabella  ihre  mitgift  nicht  zurückerhält, 
wodurch  di^  lösung  aufhcirt  lösung  zu  sein.  Ausserdem  hat 
sich  Goldsmith  zum  schluss  zu  einer  groben  taktlosigkeit  ver- 
leiten lassen. 

Am  Schlüsse  von  Tom  Jones  (II  415  f.)  macht  sich  All- 
worthy,  wie  ich  schon  erwähnte,  einen  scherz.  Er  hat  eben 
erfahren,  dass  Tom  sein  neffe  ist  und  schlägt  Sophien  vor, 
einen  seiner  verwandten  zu  heiraten.  Diese  ahnt  nicht,  wen 
er  meint  und  weist  sein  anerbieten,  so  eifrig  es  auch  gemacht 
wird,  zurück. 

Dieses  spässchen  hat  Goldsmith  gleichfalls  angebracht 
(XXXI 175/6),  so  getreu  es  möglich  war.  Mit  Arabellen  ging 
es  nicht  an,  wohl  aber  mit  Sophien,  die  als  einzige  un  ver- 
gebene übrigbleibt.  Burchell  schlägt  ihr  vor,  sie  solle  Jenkinson 
heiraten!  Als  das  bestürzte  mädchen  ihn  ausschlägt,  wird 
er  immer  dringender  und  verursacht  der  ärmsten  wahres 
entsetzen. 

Man  vergleiche  diese  beiden  scenen :  den  guten  AUworthy, 
der  einen  harmlosen,  liebenswürdigen  scherz  macht  und  Burchell, 
der  diese  unglaubliche  roheit  begeht,  die  zu  seinem  Charakter 
natürlich  gar  nicht  passt.  Man  bedenke  nur,  er  bietet  diesem 
trefflichsten  der  drei  mädchen  einen  notorischen  betrüger  und 
kuppler  an!  Und  zwar  seinem  mädchen,  das  er  liebt!  Ver- 
schlimmert wird  die  sache  noch  dadurch,  dass  er  gesellschaft- 
lich so  hoch  über  Sophien  steht  und  sich  gegen  eine  tiefer 
stehende  um  so  weniger  eine  solche  unzartheit  schlimmster 
art  erlauben  durfte.  Er  weiss,  dass  sie  ihn  liebt,  ihr  vater 
hat  sie  ihm  angeboten  und  öffentlich  treibt  er  mit  ihr  in 
dieser  weise  spott !  Nebenbei,  warum  muss  Jenkinson  die  de- 
mütigung  einer  so  schroffen  abweisung  werden  ?  Warum  muss 
Sophia  ihm  sagen,  sie  möchte  lieber  sterben  als  ihn  nehmen? 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD,  189 

Das  ist  keine  ermunterung  für  ihn,  auf  dem  kaum  betretenen 
rechten  wege  fortzuschreiten. 

Ich  habe  diese  scene  hervorgehoben,  um  zu  zeigen,  wie 
kritiklos  Goldsmith  zuweilen  entlehnt  hat.  Auch  in  eignem 
hat  er  manchmal  einen  wunderlichen  mangel  an  feingefühl 
gezeigt. 

Zu  anfang  des  24.  kapitels  findet  sich  eine  kleine  episode, 
die  sich  besonders  durch  glänzenden  stil  auszeichnet  und  die 
darum  Irving  in  seiner  biographie  Goldsmiths  (kap.  XVII)  und 
nach  ihm  Laun  (Oliver  Goldsmith.  Berlin  1876.  S.  154)  als 
eine  der  schönsten  abgedruckt  hat.  Da  sie  kurz  ist,  möge 
man  mir  erlauben,  sie  hier  zu  wiederholen: 

The  next  moming  the  sun  arose  with  peculiar  wanuth  for  the 
scason;  so  that  we  agreed  to  breakfast  together  on  the  honeysuckle  bank; 
where,  while  we  säte,  my  youngest  daughter,  at  my  request,  joined  her 
voice  to  the  concert  on  the  trees  about  us.  It  was  in  this  place  my 
poor  Olivia  first  met  her  sedncer,  and  every  object  served  to  recaU  her 
sadness.  But  that  melancholy  which  is  excited  by  objects  of  pleasure, 
or  inspired  by  sounds  of  harmony,  soothes  the  heart  instead  of  corroding 
it.  Her  mother,  too,  upon  this  occasion,  feit  a  pleasing  distress,  and 
wept,  and  loved  her  danghter  as  before.  "Do,  my  pretty  OliTia",  cried 
she,  "let  US  have  that  little  melancholy  air  your  papa  was  so  fond  of; 
yonr  sister  Sophy  has  already  obliged  us.  Do,  child :  it  will  please  your 
old  father".  She  complied  in  a  manner  so  exquisitely  pathetic  as 
moved  me. 

When  loTely  woman  stoops  to  folly, 

And  finds,  to  late,  that  men  betray, 
What  charm  can  soothe  her  melancholy, 

What  art  can  wash  her  goilt  away? 

The  only  art  her  guilt  to  cover, 

To  hide  her  shame  from  every  eye 
To  give  repentance  to  her  lover. 

And  wring  bis  bosom,  —  is  to  die. 

Man  wird  ohne  weiteres  anerkennen,  dass  eine  edlere 
einfachheit  und  rührendere  empfindsamkeit  der  spräche  sich 
kaum  denken  lässt.  Nun  vergegenwärtige  man  sich  die  läge 
Oliviens.  Sie  ist  verführt  zurückgekehrt.  Sie  hat  ihren  froh- 
sinn  nicht  wiedergewonnen,  sie  ist  immer  still  und  sucht  die 
einsamkeit,  sodass  ihre  eitern  von  mitleid  und  heimlicher  sorge 
erfüllt  sind:  und  in  dieser  läge,  da  lässt  ihre  mutter,  ihre 
mutter,  das  mädchen  ein  lied  singen,  das  lehrt,  ein  mädchen 
in  ihrer  läge  könne  nichts  bessres  thun,  als  in  den  tod  gehen! 


190  WILLI  FISCHER, 

Mag  das  fiir  möglich  halten,  wer  seiner  eignen  mntter  so  etwas 
zutraut,  ich  halte  es  für  widernatürlich  und  undenkbar.  Wie 
ganz  anders  hätte  es  gewirkt,  wenn  Olivia  etwa  vorher,  im 
glück,  das  lied  gesungen  hätte  und  sich  jetzt  daran  erinnerte ! 

Dies  beispiel  ist  ein  interessanter  beleg  dafür,  wie  glän- 
zende äusserlichkeiten  über  innere  Unwahrheit  hinwegtäuschen 
können. 

Ich  übergehe  nun  eine  ganze  lange  reihe  von  Wider- 
sprüchen, die  zu  unbedeutend  sind,  um  angeführt  zu  werden 
und  will  nur  noch  einiges  wesentliche  erwähnen. 

Ich  habe  gesagt,  dass  Primrose  nach  dem  muster  Adams 
auch  eine  reise  unternimmt,  auf  der  er  mancherlei  erlebt. 
Adams  will  einen  Verleger  für  seine  predigten  suchen,  Primrose 
seine  tochter  Olivia  zurückbringen.  Dies  ist  aber  nur  ein 
scheingrund,  die  wahre  Ursache  ist  keine  andre,  als  dass  Adams 
eine  reise  macht,  die  musste,  koste  was  es  wolle,  auch  im 
Vicar  of  Wakefield  verv\^ertet  werden!  Adams  Unternehmung 
stellt  sich  bald  als  zwecklos  heraus,  da  er  all  sein  geld  für 
Joseph  Andrews  ausgiebt  und  seine  predigten  zudem  vergessen 
hat.  Kaum  ist  die  reise  begonnen,  so  kehrt  er  auch  zurück 
und  seine  abenteuer  erlebt  er  jetzt  erst.  Primrose  hat  ja  nun 
einen  andern  grund,  er  will  Olivien  und  ihren  Verführer  finden, 
wo  sie  auch  sind  {XVII  80) :  „I  will  pursue  her  wherever  she 
is,  and,  though  I  cannot  save  her  from  shame,  I  may  prevent 
the  continuance  of  iniquity." 

Adams  giebt  aus  triftigen  gründen  die  reise  bald  auf, 
daraus  ist  mit  Sicherheit  zu  schliessen,  dass  Primrose  dasselbe 
thun  wird.  Aber  wie  wäre  das  möglich  ?  Man  sieht  ja  doch, 
dass  er  den  festesten  entschluss  gefasst  hat,  nicht  zu  ruhen, 
bis  er  sie  gefunden ?0    Goldsmith  kennt  keine  Schwierigkeit: 


^)  Ich  bemerke,  dass  Dickens  dieses  motiv  wiederholt 
aufgenommen  und  ganz  besonders  in  seinem  David  Copperfield 
ihm  die  grossartige  ausgestaltnng  gegeben  hat,  deren  es  wert 
ist,  Tor  der  Goldsmiths  schwache  kraft  zurückschrak.  Klein 
Em'ly,  Steerforth  und  der  alte  Peggotty  sind  es,  um  die  es 
sich  handelt.  Steerforth  entspricht  Thornhilly  aber  er  ist 
uns  weit  näher  gerückt  und  verständlich  gemacht,  er  ist 
viel  mehr  Lovelace  als  Blifil.  Er  verführt  Klein  £m*ly, 
eine  durchgeistigte  Olivia  und  lässt  sie  dann  schmählich  im 
Stiche.    Der  alte  Peggotty,  eine  prächtige,  unsres  pfarrers 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  191 

der  pfarrer  legt  eine  anzahl  meilen  zurück  und  sieht  auf  der 
rennbahn  Burchell,  den  er  für  den  entführer  hält.  Statt  aber 
auf  ihn  loszugehen,  lässt  er  ihn  nihig  verschwinden :  und  jetzt 
heisst  es  plötzlich  (XVIII  82) :  „I  now  reflected,  that  it  would 
be  to  no  purpose  to  continue  my  pursuit  farther."  Aber  in 
aller  weit,  warum  denn  nicht  ?  Es  ist  ja  noch  gar  nichts  ge- 
schehen, er  hat  noch  gar  keine  anstrengungen  gemacht !  Frei- 
lich, hätte  er  die  Verfolgung  fortgesetzt,  dann  hätten  sich 
irgendwelche  neue  Situationen  ergeben  müssen,  die  Goldsmith 
nicht  aus  Joseph  Andrews  entnehmen  konnte.  Darum  durfte 
sie  nicht  weiter  dauern,  darum  kehrt  Primrose  plötzlich  um. 
Aber  man  wird  zugeben,  es  giebt  keine  bequemere  und  leicht- 
fertigere art  der  motivierung !  Goldsmith  weicht  unwillkürlich 
vor  der  Schwierigkeit  zurück  und  lässt  den  pfarrer  Olivia 
ganz  zufällig  in  einem  gasthaus  finden  (XXI 111),  nur  weil 
Adams  in  dieser  weise  mit  Joseph  zusammenkommt.  Er  be- 
merkt gar  nicht  den  grossen  unterschied,  der  darin  besteht, 
dass  Adams  Joseph  ungewollt  trifft,  Primrose  Olivien  aber 
sozusagen  absichtlich  zufällig  finden  muss  und  wie  ungeschickt 
und  unkünstlerisch  das  ist. 

Die  leichtgläubigkeit  des  pfarrers  geht  manchmal  zu  weit. 
Dass  er  Burchell  lange  zeit  für  den  entführer  halten  kann, 
ist  nicht  recht  glaublich,  geradezu  Wahnsinn  aber  ist  es,  wenn 
zu  anfang  des  14.  kapitels  (57)  gesagt  wird,  Thomhill  habe 
sich  gütig  erboten,  das  benehmen  der  beiden  pfarrerstöchter 
selbst  zu  überwachen !  So  unf asslich  verblendet  kann  ein  ver- 
nünftiger mensch  nicht  sein,  das  benehmen  zweier  trefflicher 
töchter  von  einem  jungen  manne  beaufsichtigen  zu  lassen,  der 
ihm  als  ruchloser  Wüstling  bekannt  ist! 

würdige  gestalt,  zieht  dann  wie  dieser  aus,  sein  kind  zu 
suchen.  Sogar  die  art,  wie  er  sie  endlich  findet,  ist  ziem- 
lich getreu  übernommen:  er  muss  sie  wie  Primrose  Olivien 
aus  den  händen  eines  keifenden  weibes  befreien.  Schliess- 
lich wird  auch  EmMys  leiden  ähnlich  geschildert  wie  das 
Klarissens  und  Oliviens.  Zu  beachten  ist  auch,  dass  Dickens 
mit  richtigem  gefühl  Steerforth  hat  zugrunde  gehen  lassen, 
wie  Richardson  Lovelace  und  Fielding  Blifil.  So  zweifellos 
Dickens  hier  entlehnt  hat,  so  bedeutend  ist  doch  das  ver- 
dienst seiner  darstellung  und  gerade  die  behandlung  dieses 
motives  zeigt  klar  die  unendliche  Überlegenheit  von  Dickens 
über  Qoldsmith. 


192  WILLI  FISCHER, 

Die  leute  der  gegend,  in  der  Primrose  wohnt,  leben  wie 
im  goldnen  Zeitalter  (IV  17).  Entfernt  von  der  Stadt,  haben 
sie  noch  die  ursprüngliche  einfachheit  der  Sitten  und  wissen 
kaum,  dass  mässigkeit  eine  tugend  ist.  —  Auch  hier  hat  Gk)ld- 
smith  eine  kleinigkeit  übersehen:  diese  einfachheit  und  ur- 
sprünglichkeit  herrscht  in  einer  gegend,  in  der  fast  alle  farmers- 
töchter  von  Thomhill  verführt  worden  sind,  in  einer  gegend^ 
die  von  hass  erfüllt  ist  gegen  dieses  ungeheuer?  Das  ist 
ausgeschlossen ! 

Jenkinson  ist  im  allgemeinen  gelungen,  nur  passt  es  nicht 
recht,  dass  er  Thornhill  öfter  bei  seinen  entführungen  behilflich 
gewesen  ist  und  zwar  im  gegensatz  zu  den  entsprechenden 
Richardsonschen  figuren  mit  dem  vollen  bewusstsein,  dass  ein 
verbrechen  verübt  wird.  Jenkinson  ist  trotz  seiner  betrfigereien 
ein  mensch,  den  man  gern  hat,  aber  dieser  Charakter  des 
liebenswürdigen  gauners  ist  unvereinbar  mit  dem  eines  men- 
schen, der  kalten  blutes  ein  unschuldiges  mädchen  ins  ver- 
derben stürzen  kann.  Dass  er  Thornhill  inbezug  auf  seine 
trauung  aus  eigennutz  hintergeht  (XXXI 173),  zeugt  gleich- 
falls nicht  für  wahrhafte  gutmütigkeit,  wie  sie  Jenkinson  nach 
Goldsmiths  absieht  doch  haben  soll.  Seine  leichtfertigkeit  hat 
dem  dichter  hier  wieder  einen  streich  gespielt.  Zudem  ist  der 
betrug,  den  Jenkinson  gegen  Primrose  verübt  (XIV  59),  zwar 
sehr  ergötzlich,  aber  nicht  gut  möglich.  Denn  der  pfarrer 
kommt  ganz  zufällig  durch  einen  amtsgenossen  in  ein  Wirts- 
haus, beide  werden  in  ein  kleines  hinterzimmer  geführt  Dort 
sitzt  Jenkinson  schon  in  seiner  Verkleidung,  sein  helfershelfer 
kommt  herein  und  das  gaunerstück  wird  mit  unnötiger  Um- 
ständlichkeit vollführt.  Das  alles  ist  jedoch  nur  möglich,  wenn 
Primrose  erwartet  worden  ist.  Die  ganze  methode  muss  vorher 
abgekartet  worden  sein  und  sie  ist  gerade  auf  unsem  pfarrer 
zugeschnitten.  Jenkinson  aber  konnte  nicht  wissen,  dass  dieser, 
den  er  nicht  einmal  kennt,  zum  Jahrmarkt  kam,  noch  weniger, 
ob  er  nicht  vielleicht  sein  pferd  schnell  loswerden  würde  und 
am  wenigsten,  dass  er  gerade  in  diese  schenke  kommen  wfirde. 

Ich  möchte  weiter  noch  darüber  sprechen,  ob  Körting  mit 
seiner  ohne  gründe  aufgestellten  behauptung  recht  hat,  der 
Vicar  of  Wakefield  sei  unsittlich  (Grundriss  der  G^eschichte 
der  engl.  Litt.  3.  Aufl.  1899.  S.  316).  Goethes  urteil  spricht 
dagegen,  er  erklärt  ihn  für  rein  christlich.    Im  ganzen  ist  dss 


GOLDSMITHS  VICAB  OP  WAKEFIELD.  193 

richtig,  aber  rein  christlich  ist  fast  jeder  der  vorhergehenden 
romane  auch:  überall  siegt  nach  manchem  leiden  das  gute 
über  das  böse. 

Betrachtet  man  unsern  roman  genauer  und  hält  man  sich 
streng  an  den  Wortlaut,  so  wird  man  nicht  umhin  können, 
vieles  thatsächlich  für  unsittlich  zu  erklären. 

Als  zuerst  (HI  12)  ein  gastwirt  der  pfarrersfamilie  erzählt, 
welch  ein  Wüstling  Thomhill  sei,  da  erfährt  man  mit  staunen, 
welche  Wirkung  dieser  bericht  auf  die  töchter  hat,  „whose 
features  seemed  to  brighten  with  the  expectation  of  an  ap- 
proaching  triumph"!  Die  pfarrerin  freut  sich  nicht  weniger: 
^nor  was  my  wife  less  pleased  and  confident  of  their  allure- 
ments  and  virtue!" 

Man  pflegt  SmoUett  von  der  reihe  von  dichtem,  mit  denen 
wir  es  hier  zu  thun  haben,  den  unmoralischsten  zu  nennen  und 
unsittlichkeit  ist  ihm  heute  wie  früher  vorgeworfen  worden, 
aber  auch  bei  SmoUett  ist  der  ruf  eines  Wüstlings  einem  manne 
in  den  äugen  der  heldin  stets  schädlich,  wenn  nicht  ein  ab- 
solutes hindernis,  man  denke  nur  an  Peregrine  Pickle  und 
seine  Emilia !  Von  Fielding  oder  gar  Richardson  brauche  ich 
nichts  zu  sagen,  dem  Vicar  of  Wakefield  blieb  es  vorbehalten, 
einen  rekord  aufzustellen.  Hier  verliert  Thornhül  nicht,  nein, 
sein  ruf  nützt  ihm  sehr,  er  erscheint  den  mädchen  begehrens- 
werter! Das  also  sind  die  tugendhaften  pf arrerstöchter ,  das 
ist  ihre  gerühmte  erziehung!  Statt  sich  voll  absehen  von 
ihm  zu  wenden,  beschliessen  sie  ihn  zu  erobern  und  zwar  die 
sanfte  Sophia  ebenso  wie  die  stolze  Olivia.  Da  eben  auch 
Thornhills  treulosigkeit  erwähnt  worden  ist,  so  versteht  man 
gar  nicht,  was  die  mädchen  eigentlich  bei  ihm  erreichen  wollen, 
sie  wissen  ja  doch,  was  ihnen  bevorsteht,  wenn  sie  sich  mit 
ihm  einlassen.  Die  brave  mutter  aber,  sie  vertraut  nicht 
weniger  auf  ihrer  töchter  reize!  In  der  that,  ich  kann  mir 
nichts,  weder  einen  gedanken,  noch  ein  wort  oder  eine  hand- 
lung  vorstellen,  das  ihn  höherem  grade  unsittlich  wäre  als  die 
freude  der  töchter  und  der  mutter. 

Nun,  wenigstens  Primrose  selbst  scheint  auf  anderm  Stand- 
punkte zu  stehen,  er  ist  nicht  erfreut.  Als  die  mutter  und 
Olivia  glauben,  Thomhill  werde  diese  heiraten,  da  hat  er 
schwere  bedenken  gegen  ihn  (VII  30).  Aber  welches  sind  diese 
bedenken  ?   Natürlich  seine  unsittlichkeit  ?   Weit  gefehlt,  seine 

AngU*     N.  7.    XIII.  13 


194  WILLI  FISCHER, 

religiöse  freidenkerei !  Man  en^'äge,  was  das  besagt:  der 
pfarrer  kann  schwanken,  ob  der  gutsherr  freigeist  ist  oder 
nicht,  obwohl  er  seine  ruchlosigkeit  kennt.  Er  sorgt  sich  auch 
etwas  wegen  seiner  Unbeständigkeit,  seine  masslose  Sinnlichkeit 
und  herzlosigkeit  aber  verschlägt  ihm  nichts,  nur  seine  irreli- 
giosität !  Also,  heuchelt  er  frömmigkeit  (um  etwas  andres  als 
heuchelei  kann  es  sich  bei  Thomhill  nicht  handeln),  dann  kann 
er  ein  schurke  sein!  Standesungleichheit  führt  der  pfarrer 
wohl  auch  gegen  ihn  ins  feld,  nur  seine  unsittlichkeit  nicht. 

Man  denke  weiter :  Primrose  wünscht  durchaus  nicht,  dass 
Sophia  Burchell  heirate,  weil  dieser  arm  ist  und  das  seinige 
nicht  zu  rate  zu  halten  verstanden  hat.  Er  wirft  ihm  (VI  26) 
seine  leichtsinnige  Jugend  vor,  trotzdem  er  sich  allem  anschein 
nach  gebessert  hat:  aber  er  wirft  ihm  den  leichtsinn  nur  vor, 
weil  er  arm  ist.  Denn  Thomhills  betragen  ist  viel  schlimmer 
als  das  Burchells,  da  er  aber  noch  immer  reich,  das  heisst, 
eine  gute  partie  ist,  so  wird  ihm  das  nicht  als  nachteil  an- 
gerechnet. Bei  allem  aber  hat  der  arme  Burchell  Sophien 
das  leben  gerettet. 

Als  Thomhill  mit  den  ;,damen"  (IX  39)  beim  pfarrer  zu 
besuch  ist,  hat  er  die  stirn,  ihm  inbezug  auf  Olivia  einen  ganz 
gemeinen  Vorschlag  zu  machen.  Das  muss  Primrose  natürlich 
rügen.  Aber  er  bereut  sogleich  seine  wärme,  als  jener  seine 
Worte  andei-s  auslegt,  freilich  nicht  gerade  einleuchtend:  mit 
dieser  entschuldigung  ist  der  pfarrer  völlig  zufrieden,  obwohl 
sie,  wenn  sie  nicht  unmoralisch  ist,  doch  ein  recht  offenherziges 
eingeständnis  seiner  noblen  passionen  enthält. 

Ich  brauche  nicht  zu  betonen,  dass  sich  all  diese  zfige 
nicht  mit  Primroses  Charakter  vertragen. 

Ich  muss  dann  hier  noch  an  Oliviens  kenntnis  der  schein- 
trauung  und  an  Thomhills  ausgang  erinnern,  beides  ist  ja 
vom  sittlichen  Standpunkte  aus  recht  anfechtbar. 

Lässt  sich  nun  auf  grund  aller  dieser  thatsachen  die 
schwere  beschuldigung,  die  Körting  ausgesprochen  hat,  recht- 
fertigen? Ich  glaube  zunächst  nicht,  dass  schon  viele  leser 
diese  „unsittlichen^^  stellen  bemerkt  haben,  jedenfalls  muss  es 
von  vornherein  wahrhaft  als  Ironie  erscheinen,  dass  gerade 
Goldsmith  jener  Vorwurf  gemacht  wird.  Richardsons  ewige 
tugendpredigten  könnten,  scheint  mir,  auf  manche  die  ent- 
gegengesetzte Wirkung  haben,  seine  heldinnen  sprechen  so  oft^ 


GOLDSMITHS  VICAE  OV  WAKEFIBLD.  195 

mit  einer  so  intimen  kenntnis  von  dingen,  die  nicht  geschehen 
sollten,  dass  ein  vorsichtiger  pädagog  wohl  fürchten  könnte, 
sie  möchten  eher  reiz  als  absehen  erwecken.  Lassen  sich  aber 
selbst  gegen  Richardson  einwendungen  machen,  so  ist  das  bei 
Fielding,  SmoUett  und  Sterne  in  ungleich  höherem  masse  der 
fall.  Jeder  unbefangne  wird  mir  zugeben,  dass  zwischen  diesen 
vier  dichtem  und  Goldsmith  ein  ganz  wesentlicher  unterschied 
vorhanden  ist:  im  ganzen  Vicar  of  Wakefiel d  findet  sich  auch 
nicht  eine  scene,  die  unser  heutiges  sittliches  empfinden  offenbar 
beleidigt,  die  uns  gleich  beim  ersten  lesen  abstösst.  In  andern 
Schriften  unsers  dichters,  etwa  im  Weltbürger,  erinnert  wohl 
manches  an  den  ton  SmoUetts,  aber  wir  haben  es  hier  nicht 
damit  zu  thun.  Ebenso  gleichgiltig  ist  es,  ob  das  fehlen  grober 
verletzender  stellen  in  diesem  roman  absieht  oder  blosser  zufall 
ist,  uns  gehen  nur  die  paar  punkte  an,  die  ich  oben  angeführt 
habe.  Wie  wir  Oliviens  kenntnis  der  scheintrauung  und  Thom- 
hills  rettung  zu  beurteilen  haben,  dass  daran  nichts  unmora- 
lisches ist,  habe  ich  schon  fi'üher  gezeigt.  Mit  dem  übrigen 
aber  ist  es  genau  so. 

Gewiss  ist  das  verhalten  der  töchter  gegen  den  jungen 
gutsherrn  recht  wunderlich,  aber  man  denke  sich  doch  einmal 
in  Goldsmiths  läge.  Es  war  durchaus  notwendig,  Thomhill 
mit  der  pfarrerfamilie  bekannt  zu  machen,  ebenso  notwendig 
wie  dass  Burchell  hier  verkehrte.  Der  pfarrer  muss  ihn  auch 
aufnehmen,  seinem  eignen  patron,  mochte  er  der  schlechteste 
mensch  sein,  konnte  er  doch  nicht  gleich  anfangs  die  thür 
weisen.  Nun  sollte  auch  wieder  der  gegensatz  zwischen  Prim- 
rose und  den  frauen  hervorgehoben  werden,  dieser  harmlose 
kleine  familienzwist  sollte  ergötzlich  wirken,  wie  alle  andern 
es  thun  und  so  beachtete  der  dichter  nicht,  dass  er  etwas  zu 
weit  ging.  Goldsmith  selbst  würde  wohl  zugegeben  haben, 
dass  seine  Schilderung  für  Sophien  gar  nicht  passt  und  so  sicher, 
wie  er  sich  hierbei  versehen  hat,  so  sicher  ist  das  ganze  nichts 
als  ein  versehen.  Wenn  endlich  der  pfarrer  Burchell  nicht 
zum  Schwiegersohne  wünscht,  weil  er  arm  ist,  so  sollte  das 
nur  eine  kleine  weltliche  schwäche  sein,  die  er  übrigens  zum 
schluss  wieder  völlig  gutmacht,  indem  er  seine  tochter  jenem 
freiwillig  anträgt. 

Diese  wenigen  stellen  bilden  eben  auch  einen  beitrag  zu 
dem  kapitel  von  Goldsmiths  Unachtsamkeit,  weiter  nichts.    Wir 

13* 


196  WILLI  FISCHER, 

dürfen  nicht  nach  dem  buchstaben  urteilen,  wir  thäten  ihm 
unrecht.  Goldsmith  war  eine  durchaus  sittliche  persönlichkeit: 
sein  leben  zeigt  oft  unbegreiflichen  leichtsinn,  aber  nichts 
unmoralisches  hat  sich  nachweisen  lassen.  Enthält  also  der 
Vicar  of  ^^''akefield  dem  Wortlaute  nach  einiges,  das  so  genannt 
werden  muss,  so  ist  das  nicht  beabsichtigt. 

Zum  Schlüsse  erlaube  mau  mir  noch  eine  kleinigkeit  an- 
zuführen, die  ich  eigentlich  als  gar  zu  unbedeutend  weglassen 
wollte,  die  mir  aber  jetzt  wichtig  genug  erscheint,  weil  sie 
ein  geradezu  klassisches  beispiel  für  des  dichters  oberflächliche 
arbeitsweise  bietet.  Warum  hat  er  seinem  buche  den  titel 
Vicar  of  Wakefield  gegeben?  Natürlich  weil  der  vicar  in 
Wakefield  wohnt  und  die  hauptereignisse  sich  hier  abspielen, 
sollte  man  meinen.  Liest  man  was  Goethe  über  unsem  roman 
sagt,  so  ergiebt  sich  mit  vollster  bestimmtheit,  dass  er  dieser 
ansieht  war,  wurde  ihm  doch  Sesenheim  ein  neues  Wakefield. 
Ueberhaupt  hat  doch  gewiss  nie  jemand  daran  gezweifelt,  dass 
dieser  ort  der  Schauplatz  der  erzählung,  besonders  aber  des 
köstlichen  idylls  im  ersten  teile  ist,  zudem  war  ja  auch  Gold- 
smith selbst  davon  überzeugt.    Ist  das  aber  wirklich  so? 

Allerdings  wird  uns  die  familie  zuerst  in  Wakefield  vor- 
geführt, aber,  und  das  hat  der  Verfasser  später  ganz  vergessen, 
schon  zu  beginn  des  dritten  kapitels  (12  oben)  zieht  sie  nach 
einem  weit  entfernten  dörfchen.  Dieser  umzug  ist  nun  gar 
nicht  recht  begi'ündet,  Goldsmith  hat  ihn  nur  geschehen  lassen 
in  erinnerung  daran,  dass  sein  eigner  vater  einst  von  Pallas 
nach  Lissoy  zog,  was  für  die  veimögensverhältnisse  des  hanses 
von  grosser  bedeutung  wurde.  Im  Vicar  of  Wakefield  aber 
wird  der  umzug  ganz  unverständlich,  wenn  wir  hören,  dass 
die  einkünfte  aus  der  neuen  pfarre  nur  15  if  betragen,  während 
doch  die  alte  wenigstens  35  £  brachte !  Wenn  ein  mann  mit 
grosser  familie  eben  sein  bedeutendes  vermögen  fast  ganz  ver- 
loren hat  und  dadurch  in  not  gerät,  so  wird  er  doch  diese  not 
unmöglich  dadurch  vergi'össern,  dass  er  eine  leidlich  bezahlte 
Stellung  frei^ällig  mit  einer  um  mehr  als  die  hälfte  schlech- 
teren vertauscht !  Doch  das  ganz  nebenbei,  die  hauptsache  ist, 
dass  der  ort  Wakefield  schon  auf  der  neunten  seite  des  buches 
für  immer  verlassen  wird,  also  überhaupt  nur  fiüchtig  erw&hnt 
wird.  Sowohl  die  eigentliche  Schilderung  des  beschaulichen 
lebens  im  pfarrhause  als  die  gesamte  handlung  folgt  erst  nach 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  197 

dem  Wegzüge,  geht  weit  von  diesem  orte  vor  sich,  also  — 
der  Vicar  of  Wakefield  spielt  gar  nicht  in  Wake- 
field! 

Wenn  wir  zusammenfassen,  so  ergiebt  sich,  dass  Gold- 
smith nicht  nur  so  gut  wie  alle  personen  und  handlungen 
entlehnt,  dass  er  sie  auch  mit  einem  ausserordentlichen  Un- 
geschick bearbeitet  hat.  Die  ganze  handlung  ist  unmöglich 
gemacht,  vielfach  hat  ihn  das  vorbild  zu  schweren  fehlem 
und  taktlosigkeiten  veranlasst,  wo  er  etwas  eignes  anbringen 
wollte,  da  ist  es  meist  auf  kosten  aller  denkbarkeit  geschehen. 
Es  ist  ganz  unglaublich  und  ganz  unerhört,  wie  Goldsmith 
verfährt.  Er  erzählt  irgend  etwas  interessantes,  ganz  unbe- 
kümmert darum,  dass  er  eben  etwas  andres  gesagt  hat,  was 
dieses  ausschliesst.  Diese  groben  Widersprüche  und  Inkonse- 
quenzen finden  sich  so  häufig,  wie  wohl  in  keinem  roman  der 
weit.  Der  Vicar  of  Wakefield  kann  gar  nicht  als  ganzes 
beurteilt  werden,  was  daran  zu  schätzen  bleibt,  das  sind 
in  der  hauptsache  kleine  scenen,  treffliche  bemerkungen  und 
dergleichen.  Ich  verspare  mir  das  endgiltige  urteil  noch  für 
kurze  zeit,  aber  ich  glaube  jedenfalls  der  nach  den  ausfüh- 
rungen  des  ersten  teils  dieser  arbeit  vielleicht  naheliegenden 
ansieht  vorgebeugt  zu  haben:  „Ja,  Goldsmith  hat  zwar  sehr 
\äel  übernommen,  aber  er  hat  auch  etwas  daraus  gemacht, 
er  war  weit  geschickter  als  alle  seine  Vorgänger!"  Ein  sol- 
ches urteil  lässt  sich  nicht  aufrecht  erhalten.  So  sehr  jeder 
dichter  nur  zu  verstehen  ist  als  nachfolger  seiner  Vorgänger, 
soviel  jeder  diesen  verdankt,  es  muss  hier  doch  ein  unterschied 
gemacht  werden.  Wenn  Goethe  den  Fauststoff  in  der  haupt- 
sache  im  Faustbuche  vorfand,  so  wird  ihm  niemand  den  Vor- 
wurf der  Unselbständigkeit  machen,  er  schuf  eben  aus  blossem 
material  ein  kunstwerk.  Bei  Goldsmith  aber  handelt  es  sich 
nicht  um  ein  gemeingut,  das  benutzen  durfte  wer  wollte:  die 
werke,  aus  denen  er  vielfach  sklavisch  treu  entnahm,  sind 
kein  rohes  material,  sondern  ganz  vortreffliche  und  bedeutende 
Schöpfungen  grosser  dichter,  und  das,  was  er  daraus  gemacht 
hat,  ist  durchaus  kein  völliges  kunstwerk, 

Angesichts  der  grossen  Unselbständigkeit  Goldsmiths  und 
seines  grossen  Ungeschicks  di-ängt  sich  uns  die  frage  auf :  wie 
ist  es  erklärlich,  dass  der  Vic^ir  of  Wakefield  einen  so  überaus 


198  WILLI  FISCHER, 

grossen  erfolg  gehabt  hat,  dass  er  auch  heute  noch  jedem 
gebildeten  bekannt  ist,  während  Richardson,  Fielding  und 
SmoUett  meist  nur  noch  vom  fachman  gelesen  werden? 

Goldsmith  hatte  von  vornherein  einen  gewaltigen  vorteil 
vor  seinen  Vorgängern  voraus. 

Richardson  war  mit  ausgesprochner  tendenz  an  die  Öffent- 
lichkeit getreten.  Alles  künstlerische  lag  ihm  zunächst  fem, 
und  wenn  trotzdem  seine  romane  zum  teil  wirkliche  knnst- 
werke  sind,  so  hat  eben  sein  dichterischer  genius  die  zwar 
löbliche,  aber  doch  höchst  unpoetische  und  hausbackne  absieht 
des  moralisierens  überwältigt  und  zui'ückgedrängt.  Der  vor- 
treffliche mensch  in  ihm,  seine  ehrliche  entrüstung  über  die 
zustände  der  zeit  war  der  grösste  feind  des  künstlers:  dämm 
vergessen  wir  heute  über  seiner  schulmeisterei  ganz,  dass  er 
doch  ein  bedeutender  dichter  war. 

Fielding  war  ebenso  von  tendenziösen  absiebten  beschwert. 
Er  trat  ja  als  romanschriftsteller  überhaupt  nur  auf,  um 
Richardson  zu  parodieren  und  es  Hesse  sich  zeigen,  wie  sehr 
ihm  diese  absichtlichkeit  schadete. 

SmoUett  und  Sterne  endlich  machen  aus  ihrer  satirischen 
absieht  kein  hehl,  bei  SmoUett  ist  sie  scharf  und  zuweilen 
sehr  unangenehm  ausgeprägt  und  macht  ihn  heute  für  weitere 
kreise  ungeniessbar. 

Diese  tendenzen,  die  allerdings  immer  der  ausdrack  einer 
entschiednen ,  zielbewussten  persönUchkeit  waren,  haben  den 
dichtem  grossen  nachteil  gebracht:  über  den  ein^  wurde  in 
leichtlebigen  kreisen  nur  gelacht,  an  den  andern  nahmen  prüde 
oder  bestimmte  stände  und  kreise  anstoss.  Jeder  von  ihnen 
musste  naturgemäss  heftige  gegner  finden,  ihre  anerkennung 
war  nicht  allgemein,  weil  es  immer  eine  partei  gab,  die  sich 
abgestossen  fühlte. 

Welche  tendenz  hatte  nun  Goldsmith?  Wenn  man  nicht 
etwa  von  einer  pekuniären  tendenz  reden  wUl,  so  hatte  er 
keine!  Er  gab  wohl  einen  schüchternen  seitenhieb  auf  die 
grossen  oder  auf  die  kritikaster,  er  spielte  auf  manche  fibel- 
stände an,  aber  das  war  bei  ihm  ganz  nebensache,  es  war 
auch  ziemlich  haimlos,  seine  Vorgänger  hatten  das  viel  nach- 
drücklicher und  besser  gethan.  Er  stiess  niemand  vor  den 
köpf:  er  wollte  nicht  moralisieren,  niemand  parodieren  und 
keine  satire  üben.    Man  rechne  ihm  das  nicht  gar  zu  hoch 


GOLDSBOTHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  199 

an :  Goldsmith  schrieb  ja  seinen  roman  nicht  aus  innerem  an- 
triebe, sozusagen  der  stimme  seines  genius  gehorchend,  aus 
einer  machtvollen  persönlichkeit  heraus,  sondern  er  schrieb 
um  geld  zu  verdienen,  darum  konnte  und  durfte  er  keinen 
anstoss  erregen.  Er  war  aber  auch  zu  versöhnlich  und  duldsam, 
um  ohne  besondre  veranlassung  irgend  etwas  scharf  zu  kriti- 
sieren, um  gegen  etwas  oder  jemand  entschlossen  front  zu 
machen  und  das  kam  ihm  zu  statten,  er  war  allen  gerecht. 

Gehen  wir  nun  auf  sein  werk  ein,  so  musste  vor  allem 
der  pfarrer  Primrose  unwiderstehlich  wirken.  Freilich  war 
er  seinem  Charakter  nach  ganz  Adams,  aber  es  gab  manche 
scene,  die  Goldsmith  mit  meisterschaft  darstellte.  Besonders 
jedoch  war  Adams  im  Joseph  Andrews  gar  nicht  so  sehr 
mittelpunkt  des  ganzen  gewesen,  weil  Fieldings  tendenz  es 
verlangte,  dass  Joseph  zum  beiden  gemacht  wurde,  trotzdem 
die  wirkliche  hauptperson  Adams  war.  Goldsmith,  der  Fiel- 
dings tendenz  nicht  hatte,  setzte  naturgemäss  Primrose  in  den 
Vordergrund  und  jetzt  erst  kam  diese  gestalt  zu  der  gebüh- 
renden geltung.  Er  hat  sie,  ich  möchte  sagen  popularisiert, 
aber  popularisiert  im  besten  sinne  des  worts.  Diesen  Charakter 
darzustellen  und  auszumalen,  dazu  reichte  Goldsmiths  kraft, 
er  konnte  auch  an  seinen  vater  denken  und  bewegte  sich  in 
bekanntem  kreise.  Auch  manche  köstliche  scene,  die  er  viel- 
leicht einmal  erlebt  oder  gehört  hatte,  verwob  er  hinein,  mit 
der  liebenswürdigen  grazie,  die  ihm  eigen  war. 

Dazu  kam  das  milieu,  in  das  er  den  pfarrer  versetzt  hatte. 
Wieder  war  die  anregung  von  Fielding  ausgegangen,  aber 
noch  mehr  als  bei  Primrose  hatte  hier  Goldsmith  eignes  ge- 
geben. Ich  sagte  schon,  die  Schilderung  des  lebens  der 
pfarrei-sleute  war  die  des  Vaterhauses  in  Irland,  so  wie 
erinnerung  und  Sehnsucht  es  idealisiert  hatten.  Bei  Fiel- 
ding drängen  sich  immer  wieder  andre  ereignisse  dazwischen, 
nirgends  war  dies  idyllische  treiben  so  unmittelbar  zu  tage 
getreten. 

Aber  der  Vicar  of  Wakefield  hatte  noch  andre  wirksame 
Vorzüge: 

Der  englische  roman  der  letzten  25  jähre  hatte  eine  reihe 
von  gestalten  geschaffen,  die  nicht  vergehen  können.  Da  gab 
es  einen  Adams,  der  allgemeines  entzücken  erregt,  eine  Kla- 
rissa,  an  der  man  sich  begeistert,  die  alle  weit  gerührt  hatte, 


200  WILLI  FISCHER, 

einen  Lovelace,  dessen  geschick  man  bald  mit  absehen,  bald 
mit  heimlichem  bedanern,  stets  aber  mit  gespanntestem  Inter- 
esse verfolgt  hatte,  einen  Grandison,  von  dem  holde  damen 
mit  wachsender  bewnnderung  nnd  stillem  wünschen  lasen, 
einen  Allworthy,  der  jedes  redlich  denkenden  herz  gewann 
und  einen  Blifil,  gegen  den  man  sich  in  tugendsamer  entrüstung 
ergangen,  da  war  endlich  Tom  Jones  mit  seiner  Sophia,  die 
für  alle  nicht  puritanischen  kreise  das  muster  eines  liebes- 
paares  bildeten.  So  hatte  das  litteraturfreundliche  publikum 
jener  tage  nacheinander  eine  reihe  von  genüssen  gehabt,  wie 
sie  nicht  jeder  zeit  beschieden  sind. 

Groldsmith  aber  —  der  trug  nichts  dazu  bei,  er  hatte 
keine  gestalt  geschaffen,  sondern  er  nahm  alles  dies  beste 
und  bleibendste  der  andern  und  vereinigte  es  in  seinem  werke ! 
Es  war  eine  wunderbar  reiche  entwicklung,  die  vor  ihm  lag, 
mehrere  grosse  dichter  hatten  zusammengewirkt,  der  eine  hatte 
dies,  der  andere  das  beigetragen,  aber  alle  diese  herrlichen 
gestalten  und  motive  hätte  nie  ein  mensch  auf  ein  mal  schaffen 
können.  Im  Vicar  of  Wakefield  aber  hatte  man  nicht  einen 
Adams  allein,  man  fand  auch  Lovelace  und  Klarissen,  Gran- 
dison und  Miss  Byron,  Allworthy  und  Blifil,  Tom  Jones  und 
Sophien,  die  prächtigsten  motive  und  scenen,  die  die  früheren 
ausgebildet,  die  üblichen  klagen  der  zeit,  die  sicher  anklang 
fanden,  hier  war  Richardson,  Fielding  und  SmoUett  zugleich, 
kurz,  das  gesamte  litterarische  ergebnis  einer  gan- 
zen fruchtbaren  periode  war  hier  in  einem  buche 
vereinigt! 

Um  auf  eins  besonders  hinzuweisen,  welch  eine  reizvolle 
abwechslung  ergab  sich  hier  in  der  Schilderung  der  drei  liebes- 
paare :  ein  Wüstling,  der  ein  gutes,  aber  etwas  eitles  mädchen 
liebt,  das  sich  von  ihm  bethören  und  entführen  lässt,  ein  ge- 
reifter mann,  der  ein  mädchen  sucht,  das  ihn  um  seines  Innern 
wertes  willen  liebt  und  der  ein  liebenswürdiges,  bescheidnes 
wesen  nach  seinem  wünsche  findet  und  es  glücklich  macht, 
dazu  ein  armer  pf arrerssohn ,  der  ein  reiches  mädchen  liebt 
und  es  nach  Irrfahrten  und  kämpfen  erringt. 

Welches  andre  werk  hätte  da  wohl  mit  dem  Vicar  of 
Wakefield  wetteifern  können  ?  Hier  drängt  sich  die  fesselndste 
handlung  so,  dass  der  leser  gar  nicht  zur  besinnung  kommt, 
er  kann  die  verwickelten  ereignisse  nicht  verfolgen  und  glaubt 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  201 

darum  dem  dichter,  es  müsse  alles  so  sein  wie  er  sagt  (wer 
sollte  auch  von  vornherein  so  unerhörte  Widersprüche  erwarten!), 
sodass  er  über  den  angenehmen  Überraschungen  alle  fehler 
übersieht.  Selbst  die  grossen  unwahrscheinlichkeiten  entdeckt 
man  nicht  gleich,  wenn  man  nicht  mit  der  absieht  liest,  gründ- 
lich über  den  Zusammenhang  nachzudenken.  Man  kommt  nicht 
aus  der  Spannung  heraus,  man  giebt  sich  willenlos  dem  ein- 
druck  hin. 

Wenn  an  Wahrscheinlichkeit  und  tiefe  die  andern  romane 
viel  vor  dem  Vicar  voraus  hatten,  so  wurde  dieser  vorteil 
mehr  als  wett  gemacht  durch  einen  weiteren  des  landpredigers : 
Richardson  ganz  besonders,  in  geringerem  masse  Fielding, 
SmoUett  und  Sterne  hatten  dicke  bände  geschrieben,  die  man 
wohl  zur  zeit  las,  wo  ein  neuer  roman  ein  ereignis  war,  die 
aber  späteren  geschlechtern  viel  zu  umfangreich  waren.  Gold- 
smith dagegen,  weil  er  nicht  viel  zu  sagen  hatte,  schrieb  ein 
dünnes  bändchen,  das  man  in  wenig  stunden  lesen  kann  und 
das  darum  auch  immer  wieder  gelesen  wird!  Dieser  punkt 
ist  durchaus  nicht  zu  unterschätzen.  So  wenig  künstlerisch 
eine  beurteilung  nach  dem  umfang  ist,  eine  so  bedeutende 
rolle  spielt  sie  in  Wirklichkeit  und  mir  scheint,  als  ob  gerade 
die  berühmtesten  und  auf  die  dauer  gelesensten  bücher  immer 
recht  dünn  gewesen  seien  (natürlich  abgesehen  von  solchen 
wie  dem  Don  Quixote,  von  dem  jeder  redet,  den  aber  wenige 
lesen). 

Ein  kleiner  band,  der  das  beste  bot,  was  25  jähre  her- 
vorgebracht hatten,  wen  hätte  das  nicht  entzücken  sollen? 
Dazu  rechne  man  die  wunderbarste  gäbe  Goldsmiths,  den  be- 
zaubernden Stil,  der  uns  heute  ebenso  entzückt  wie  einst  die 
Zeitgenossen  und  der  auch  so  viel  beigetragen,  das  man  die 
fehler  nicht  bemerkte,  man  rechne  dazu  die  abwesenheit  von 
gröberen  anstössigen  stellen  (ausser  den  erwähnten  kleinigkeiten, 
die  man  unwillkürlich  richtig  eingeschätzt,  das  heisst  übersehen 
hat)  und  man  wird  begreifen,  dass  der  Vicar  of  Wakefield 
seinen  beispiellosen  erfolg  hatte.  Man  begreift  auch,  dass  der 
erfolg  gerade  im  auslande,  wo  man  die  Vorgänger  weniger 
kannte,  so  gross  sein  musste,  man  versteht  so  auch  den  ein- 
druck  auf  den  jungen  Goethe,  der  unsern  roman  ja  als  den 
ersten  modernen  englischen  kennen  lernte.  Es  kann  nur 
wenige  werke  geben,  bei  denen  der  zauber  des  ersten  ein- 


202  WILLI  FISCHER, 

drucks  (und  den  kann  man  beim  Vicar  of  Wakefield  sogar 
mehrmals  haben!)  so  sehr  die  kritik  entwaffnet. 

Bei  dieser  betrachtung  wird  unwillkürlich  ein  wünsch 
rege:  wie  schön  wäre  es,  wenn  dieses  verfahren,  dass  ein 
geistreicher  Schriftsteller  eine  ganze  periode  in  einem  werke 
vereinigt,  völlig  geglückt  wäre,  wenn  wir  ein  festes  ge- 
schlossnes  ganzes  ohne  Unmöglichkeiten  und  un Wahrscheinlich- 
keiten hätten! 

Wir  würden  dem  Verfasser  zwar  auch  dann  keine  schöpfe- 
rische kraft  zuschreiben  können,  aber  wir  hätten  dann  ein 
wirkliches  kunstwerk  dieser  wunderbaren  gattung,  die  der 
Vicar  of  Wakefield  vertritt. 

Es  bleibt  uns  nur  noch  die  letzte  wichtige  frage  zu  er- 
örtern: wie  haben  wir  Goldsmith  nach  allem  zu  beurteilen? 

Ich  habe  gesagt,  dass  die  absieht  geld  zu  verdienen  den 
Vicar  of  Wakefield  veranlasst  hat.  Ich  habe  weiter  gesagt, 
dass  keine  rede  davon  sein  kann,  Goldsmith  den  Vorwurf  des 
Plagiats  zu  machen.  Natürlich  müssen  wir  annehmen,  und 
diese  annähme  ist  über  allen  zweifei  erhaben,  dass  er  mit  den 
werken  seiner  Vorgänger  völlig  vertraut  war.  Die  entstehung 
unsres  romans  wäre  nicht  zu  begreifen,  wenn  wii*  uns  etwa 
vorstellten,  der  dichter  hätte  die  Pamela,  Joseph  Andrews, 
Klarissa,  Tom  Jones  und  Grandison  vor  sich  auf  dem  Schreib- 
tisch liegen  gehabt  und  dann  mit  klarem  bewusstsein  den 
Vicar  of  Wakefield  daraus  zusammengestellt.  Ein  solches  vor- 
haben wäre  ganz  ungeheuerlich  gewesen,  hätte  solche  Schwierig- 
keiten geboten,  dass  Goldsmith  sich  am  wenigsten  daran  ge- 
wagt hätte.  Vor  allem  müssten  wir  dann  auf  eine  erstaunlich 
grosse  berechnende  kaltblütigkeit  schliessen  und,  um  die  be- 
wahrung  des  gefährlichen  geheimnisses  zu  verstehen,  auf  eine 
so  vollkommne  Selbstbeherrschung,  wie  sie  bei  Goldsmith  mehr 
als  bei  jedem  andern  undenkbar  war.  Es  wäre  dann  auch 
ausgeschlossen ,  dass  er  bei  der  entlehnung  des  Mr.  Williams 
aus  Pamela  und  des  kleinen  Dick  aus  Joseph  Andrews  sogar 
die  namen  beibehalten  hätte.  Ich  halte  es  für  ganz  sicher,  dass 
die  eigenartige,  zwar  sehr  mangelhafte  zusammenschweissung, 
die  doch  für  einen  leser,  der  nicht  gerade  die  philologische 
sonde  anlegt,  ganz  gut  gelungen  erscheint,  nur  unbewusst 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  203 

möglich  sein  konnte  in  einem  köpfe,  in  dem  alle  einzelnen 
elemente  nebeneinander  vorhanden  waren. 

Dagegen  ist  es  sicher,  dass  er  von  den  vielen  Widersprüchen 
seines  romans  mindestens  eine  ahnung  gehabt  hat,  wie  aus  der 
vorrede  klar  hervorgeht :  „There  are  an  hundred  f aults  in  this 
Thing",  sagte  er,  „and  an  hundred  things  might  be  said  to 
prove  them  beauties.  But  it  is  needless."  Goldsmith  giebt 
also  zu,  dass  viele  fehler  vorhanden  seien.  Die  könnte  man 
wohl  auch  als  Schönheiten  auslegen,  etwas  schönes  haben  sie 
fast  immer  an  sich,  aber,  meint  er,  die  Spitzfindigkeit,  aus 
fehlem  Schönheiten  zu  machen,  hat  gar  keinen  zweck,  die 
fehler  sind  wirklich  da.    Darauf  jedoch  kommt  es  auch  nicht  an! 

Man  sollte  nun  meinen,  es  sei  doch  gerade  sehr  wesent- 
lich, keine  groben  versehen  in  einem  roman  zu  haben,  aber 
Goldsmith  fährt  fort :  „ A  book  may  be  amusing  with  numerous 
errors,  or  it  may  be  very  dull  without  a  Single  absurdity." 
Das  giebt  uns  die  lösung  für  seine  anschauung :  ob  der  roman 
fehler  hat  oder  nicht,  das  ist  nebensächlich,  wenn  er  nur 
unterhaltend  ist!  Also  etwas  unterhaltendes  wollte  er 
schreiben,  etwas,  was  dem  publikum  gefiel,  was  ihm  geld  ein- 
brachte [  Das  ist  ja  auch  klar,  ein  wahrer  dichter  würde  ein 
aus  rein  künstlerischen  motiven  begonnenes  werk  doch  nicht 
in  die  weit  hinausgeschickt  haben  mit  so  und  sovielen  wider- 
sprächen der  schlimmsten  art,  ganz  abgesehen  von  der  Un- 
selbständigkeit! Goldsmith  dagegen  konnte  es  nicht  besser 
machen,  aber  er  wollte  auch  nicht,  er  war  schon  so  zufrieden 
mit  dem  was  er  geleistet,  denn  es  war  unterhaltend,  wie  ers 
haben  wollte.  Wenn  noch  jemand  zweifelt,  dass  es  Gold- 
smith nur  am  geldverdienen  lag,  so  mag  unser  dichter  selbst 
sprechen.  Ein  dr.  Farr  machte  ihn  auf  einige  flüchtigkeiten 
im  Vicar  aufmerksam,  worauf  Goldsmith  ihm  sagte,  er  habe 
sie  nicht  etwa  aus  Zeitmangel  nicht  gebessert,  sondern  aus 
einem  andern  gründe:  „He  (der  buchhändler  Newberry)  gave 
me  £  60  f or  the  copy ;  and  had  I  made  it  ever  so  perf ect  or 
correct,  I  should  not  have  had  a  Shilling  more."  (!)  (Forster 
1 311).  Von  diesem  Standpunkte  aus  brauchte  er  wirklich 
nicht  unzufrieden  zu  sein,  denn  der  Vicar  of  Wakefleld  bietet 
unendlich  mehr  als  gewöhnliche  unterhaltungslektüre. 

Wollen  wir  nun  zu  einem  urteil  über  Goldsmith  gelangen, 
so  drängt  sich  folgende  Überlegung  auf :  Goldsmith  hat  keinen 


204  WILLI  FISCHER, 

einzigen  Charakter  geschaffen,  nur  Primrose  hat  er  vortrefflich 
weiter  ausgemalt,  er  hat  keine  einzige  handlung  erfunden,  er 
hat  also  nichts  geleistet  auf  dem  gebiet,  das  gerade  das  wesen 
des  romans  ausmacht  —  Goldsmith  ist  überhaupt  kein 
romanschriftsteller! 

Wäre  er  einer,  dann  hätte  er  nie  so  unerhört  unselbständig 
sein,  nie  so  unverantwortliche  fehler  begehen  können,  er  hätte 
nie  eine  so  kleinlaute  vorrede  schreiben,  darauf  verweisen 
können,  er  wolle  nur  unterhalten! 

Seine  befähigung  lag  eben  gar  nicht  auf  diesem  gebiet, 
ausser  einem  glänzenden  stil  und  gutem  willen  brachte  er 
nichts  dazu  mit. 

Richardson,  Fielding  und  SmoUett,  die  wahrhafte  roman- 
dichter waren,  haben  sich  nicht  begnügt,  einen  roman  zu 
schreiben,  weil  sie  vieles  zu  sagen  hatten  und  die  kraft  es 
auszusprechen  in  sich  spürten.  Ueberhaupt,  welcher  grosse 
romandichter  (meines  Wissens  nur  etwa  Manzoni  ausgenommen) 
wäre  je  damit  zufrieden  gewesen,  nur  ein  einziges  kurzes 
werk  zu  schreiben  ?  So  wenig  ein  dramatiker  nur  ein  drama, 
ein  lyriker  nur  ein  gedieht  macht,  so  wenig  schreibt  ein 
romanschriftsteller  nui*  einen  roman!  Auf  das  erstlingswerk, 
den  ersten  schüchternen  versuch  des  genius,  folgt  notwendig 
ein  zweites,  wie  auf  Richardsons  Pamela  die  Klarissa,  auf 
Joseph  Andrews  der  Tom  Jones,  auf  Roderick  Random  Pere- 
grine  Pickle  und  auf  Sternes  ersten  band  eine  lange  reihe 
andrer  folgte.  Wäre  das  nicht  auch  für  Goldsmith  das  na- 
türliche und  gegebene  gewesen?  Es  kommt  nicht  darauf  an, 
ob  ein  solches  verfahren  immer  wünschenswert  ist,  jedenfalls 
ist  es  eine  thatsache. 

Der  Vicar  of  Wakefield  hatte  sofort  einen  bedeutenden 
erfolg,  wenn  Goldsmith  nur  60  guineas  dafür  bekam,  so  lag 
es  nui*  daran,  dass  der  roman  vor  dem  Traveller  verkauft 
worden  war.  Nun  erwäge  man,  dass  Goldsmith  auch  nach 
dem  Vicar  eine  ganze  reüie  von  lohnarbeiten  machte,  weil  er 
aus  der  geldnot  nicht  herauskam,  so  eine  gedichtsammlung, 
eine  römische,  englische,  griechische  und  eine  naturgeschichte, 
dazu  noch  vieles  andre:  was,  so  fragt  man  sich  staunend, 
hätte  ihm  näher  gelegen,  als  einen  zweiten  roman  zu  schreiben, 
der  dem  jetzt  berühmten  soviel  geld  einbringen  musste  ?  Aber 
Goldsmith  that  es  nicht. 


GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIELD.  205 

Wer  sich  durchaus  nicht  überzeugen  lassen  will,  wird 
sagen:  „Goldsmith  hatte  eben  Selbstkritik  genug,  um  seinen 
rühm  nicht  aufs  spiel  zu  setzen!"  Nun,  Goldsmiths  Charakter 
lag  nichts  ferner  als  Selbstkritik,  er  hatte  eine  recht  reich- 
liche dosis  eitelkeit,  ausserdem  haben  auch  sehr,  sehr  viele 
besonnene  dichter  nicht  die  Selbstkritik  gehabt,  um  einzu- 
sehen, wann  sie  aufhören  müssten  zu  schreiben.  Schliesslich 
aber  darf  man  gar  nicht  erwarten,  dass  hier  Selbstkritik  nötig 
gewesen  sei.  Soll  man  nicht  von  einem  so  ausserordentlich 
erfolgreichen  und  berühmten  romandichter,  der  doch  eigentlich 
ein  hervorragendes  talent  haben  musste,  annehmen  dürfen,  er 
habe  auch  die  kraft  zu  einem  zweiten  roman? 

Ein  Zufall  hat  es  gewollt,  dass  wir  einen  unwiderleglichen 
beweis  für  die  richtigkeit  meiner  behauptung  besitzen.  Wenn 
ich  vorhin  einfach  sagte,  Goldsmith  habe  nie  einen  zweiten 
roman  geschrieben,  so  habe  ich  mich  nicht  genau  ausgedrückt. 
El'  hatte  nämlich  einmal,  ich  nehme  an,  bald  nach  1766, 
unüberlegter  w^eise  Newberry  versprochen,  noch  eine  erzäh- 
lung  nach  art  des  Vicar  of  Wakefield  zu  schreiben!  Jahre 
vergingen,  ehe  Goldsmith  auch  nur  den  versuch  einer  einlösung 
des  Versprechens  machte.  1772  that  er  es  endlich  und  übergab 
dem  buchhändler  die  paar  kapitel,  die  er  fertig  hatte.  Dieser 
Verleger  aber,  der  von  einem  berühmten  manne  wie  Goldsmith 
so  ziemlich  alles  nahm,  schickte  ihm  das  manuskript  als  un- 
brauchbar zurück!  Es  war  nämlich  nichts  andres  als  eine 
prosaerzählung  seines  Good-natured  Man!  Wenn  Forster 
(11  238)  meint,  ein  französisches  buch,  das  gleich  nach  Gold- 
smiths tode  erschien  unter  dem  titel  „Histoire  de  Frangois 
Wills,  ou  le  Triomphe  de  la  Bienfaisance,  par  Tauteur  du  Mi- 
nistre  de  Wakefield"  könne  mit  Goldsmith  nichts  zu  thun 
haben,  weil  es  unter  aller  kritik  sei,  so  ist  er  in  grossem 
irrtum,  denn  dass  Goldsmiths  zweiter  „roman"  sehr  schlecht 
sein  musste,  ist  aus  der  Zurückweisung  durch  Newberry  deutlich 
genug  ZU  sehen.  Ob  nun  das  französische  buch  wirklich  den 
anfang  jenes  verlorenen  Goldsmiths  enthielt,  ist  für  uns  un- 
wesentlich, die  hauptsache  ist,  dass  klar  hervortritt  Goldsmiths 
Unfähigkeit  einen  neuen  roman  zu  schreiben. 

Man  vergegenwärtige  sich  was  das  heisst:  der  Verfasser 
des  berühmtesten  englischen  romans  ist,  obwohl  es  gilt,  ein 
versprechen  einzulösen,  obwohl  er  die  sichere  aussieht  auf 


206  WILLI  FISCHER, 

grosse  einnahmen  vor  äugen  hat,  einfach  nicht  im  stände,  auch 
nur  ein  einigermassen  lesbares  zweites  werk  dieser  gattung 
zu  schreiben!  Sollte  es  in  der  gesamten  weltlitteratur  noch 
ein  beispiel  für  einen  ähnlichen  fall  geben?  Goldsmith  hat 
natürlich  auch  nirgend  anderswo  versucht,  seinen  „roman"  unter- 
zubringen, er  täuschte  sich  wohl  selbst  nicht  über  seinen  wert, 
und  so  ist  er  spurlos  im  meere  der  Vergessenheit  versunken. 

Und  wir  wissen  warum?  Goldsmith  war  eben  kein 
romanschriftsteller,  um  den  Vicar  of  Wakefield  zu  schreiben, 
hatte  er  überall  anleihen  machen  müssen  und  doch  keine 
ordentliche  handlung  zustande  gebracht,  woher  hätte  er  den 
Stoff  zu  einem  zweiten  roman  nehmen  sollen?  Alle  von 
andern  geschaffnen  gestalten,  die  ihm  vertraut  waren,  alle 
motive  hatte  er  schon  verwertet,  dazu  das,  was  er  selbst 
geben  konnte. 

Da  er  schlechterdings  nichts  erfinden  konnte,  so  musste 
ihm  dieser  weg  für  immer  verschlossen  bleiben.  Ich  darf 
in  diesem  zusammenhange  noch  an  sein  grosses  formtalent 
erinnern,  dass  vor  allem  bewirkte,  dass  noch  etwas  leidliches 
herauskam.  Seine  geschichtskompilationen ,  seine  naturge- 
schichte  haben  einen  unwiderstehlichen  reiz,  obwohl  Gold- 
smith weder  historiker  noch  naturforscher  war,  obwohl  er 
in  diesen  fächern  nicht  einmal  die  allernötigsten  kenntnisse 
besass.  Der  zauber  seines  stils  aber  ist  so  gewaltig,  dass 
auch  diese  werke  mit  genuss  zu  lesen  sind! 

Bekannt  sind  die  worte,  die  sein  freund  Samuel  Johnson 
inbezug  auf  seine  naturgeschichte  sagte:  „Goldsmith  will  give 
US  a  very  flne  book  upon  the  subject,  but  if  he  can  distinguish 
a  cow  from  a  horse,  that,  I  belle ve,  may  be  the  extent  of 
his  knowledge  of  natural  history." 

Halten  wir  den  Goldsmith,  den  wir  aus  dem  Vicar  of 
Wakefield  kennen,  zusammen  mit  dem,  als  den  ihn  seine  bio- 
graphen  schildern,  so  sehen  wir  deutlich,  dass  es  sich  um 
dieselbe  merkwürdige  persönlichkeit  handelt.  Was  uns  hier 
in  seinem  wesen  überrascht  hat,  das  finden  wir  in  seinem 
leben  in  hundert  beispielen  wieder.  Er  hatte  ebenso  wenig 
die  kraft  zu  einer  vernünftigen,  einheitlichen  lebensweise  wie 
zur  darstellung  einer  künstlerisch  geschlossnen  handlung,  er 
vermochte  es  eben  nicht,  irgend  etwas  längere  zeit  hindurch 
logisch  und  konsequent  durchzuführen. 


OOLDSBaTHS  VICAR  OP  WAKEPIELD.  207 

Die  merkwürdige  Unbedachtsamkeit,  die  ihn  so  viele  ver- 
sehen begehen  Hess,  zeigt  sich  besonders  auffallend  in  folgender 
episode:  Er  wird  im  klub  gefragt,  was  er  mit  dem  letzten 
Worte  der  ersten  zeile  seines  Traveller  meine: 

„Remote,  unfriended,  melancholy,  slow,^ 

Er  meine  wohl  langsamkeit  der  bewegung?  Goldsmith  ant- 
wortet: „Ja!"  Johnson  aber,  der  dabei  sitzt,  ruft:  „Nein, 
das  meinten  Sie  nicht,  Sie  meinten  jene  Schlaffheit  des  geistes, 
die  einen  in  der  einsamkeit  befällt."  „Ah,"  sagt  Goldsmith, 
„das  wars,  was  ich  meinte!" 

Das  wunderbarste  in  seinem  wesen  aber  enthüllt  uns 
ein  andres  wort  Johnsons:  „He  has  the  art  of  compiling, 
and  of  saying  everything  he  has  to  say  in  a  pleasing  manner." 
„Er  versteht  die  kunst  zu  kompilieren!"  Das  ist  der 
springende  punkt,  daran  hat  man  auch  bei  seinem  Vicar  of 
Wakefield  zu  denken! 

Der  Vicar  of  Wakefield  muss  betrachtet  werden  als  eine 
kompilation,  freilich  ganz  eigner  art.  Er  ist  ein  erzeugnis 
der  not,  wie  seine  andern  kompilationen.  So  wenig  der 
dichter  historiker  oder  naturforscher  war,  so  wenig  war  er 
romanschriftsteller.  Was  uns  dabei  so  seltsam  anmutet,  ist, 
dass  wir  zwar  wissenschaftliche  auszüge  und  kompilationen 
ganz  gewöhnt  sind,  nicht  aber  diese  einzig  dastehende  gattung 
von  kompilation.  Dass  jemand  an  einem  Vorgänger  ein 
plagiat  begeht,  ist  uns  nicht  fi^emd,  wohl  aber,  dass  ein 
dichter  aus  einer  reihe  bedeutender  werke  das  beste  aus- 
liest, dies  mit  mancherlei  eignem  ausgestattet,  in  andrer 
gruppierung  und  in  einer  entzückenden  spräche  uns  dann 
•  als  ein  scheinbar  ganz  neues  darbietet.  Ganz  fremd  ist  es 
uns,  dass  bei  so  unerhörter  Unselbständigkeit,  bei  so  unglaub- 
lichen mangeln  dennoch  bedeutende  Vorzüge  gefunden  werden, 
Vorzüge,  die  auf  uns  wirken  werden,  auch  nun  wir  den  Ver- 
fasser gründlich  kennen. 

Wir  kommen  hier  nicht  aus  mit  den  landläufigen  ur- 
teilen, wir  können  nicht,  wenn  wir  alles  nachteilige  klar  vor 
äugen  haben,  sagen:  das  ist  ein  mach  werk,  wir  können  eben- 
sowenig, wenn  wir  an  die  Schönheiten  denken,  sagen:  es 
ist  ein  kunstwerk.  Zu  einer  richtigen  Würdigung  gelangen 
wir,  wenn  wir  beides  zugleich  betrachten,  licht-  und  schatten- 


208         WILLI  FISCHER,  GOLDSMITHS  VICAR  OF  WAKEFIBLD. 

Seiten.  Goldsmith  ist  kein  romanschriftsteller  (er  selbst 
erhob  ja  anfänglich  wohl  kaum  ansprach  darauf,  er  wollte 
nur  unterhalten!),  darum  war  sein  werk  in  gewissem  sinne 
eine  verirrung,  aber  eine  verirrang,  für  die  wir  ihm  dankbar 
sein  müssen.  Fordern  ^ir  doch  von  ihm  nicht,  was  er 
nicht  geben  konnte,  machen  wir  ihm  nicht  zum  Vorwurf,  dass 
er  auf  einem  gebiete  nicht  viel  leistete,  auf  dem  seine  fähig- 
keiten  nicht  lagen. 

Das  grosse  im  Vicar  of  Wakefield  ist  das,  was  übrig 
bleibt,  wenn  wir  ihn  nicht  mehr  als  roman  betrachten.  Die 
prächtigen  lyrischen  einlagen,  viele  köstliche  kleine  züge, 
die  uns  immer  aufs  neue  erfreuen  und  rühren  werden,  vor 
allem  aber  die  einzig  schöne  schilderang  des  lebens  und 
treibens  der  pfarrerfamilie  in  den  ersten  kapiteln,  die  für 
alle  Zeiten  ein  muster  bleiben  und  nie  ihren  wert  verlieren 
wird  —  das  ist  das  grosse  im  Vicar  of  Wakefield,  das  ist 
das  grosse  in  Goldsmith  überhaupt!  Was  er  wirklich  leisten 
konnte,  das  zeigt  sich  hier  aufs  glänzendste  und  es  ist  das- 
selbe, was  seinen  Traveller  und  sein  Deserted  Village  wahr- 
haft bedeutend  macht.  Das  ist  das  bleibende,  das  Goldsmith 
der  weit  geschenkt  hat,  worin  allein  wir  ihn  beurteilen 
dürfen  und  dabei  kommt  er  nicht  zu  kurz.  So  wenig  wir 
ihn  nach  seinen  andern  kompilationen  als  historiker  und 
naturforscher  beurteilen  können,  so  wenig  gerecht  wäre  eine 
kiitik  nach  dem  Vicar  of  Wakefield  als  roman.  Vergleichen 
wir  ihn  nicht  länger  mit  dichtem  von  so  verschiedner  be- 
gabung,  wie  den  romanschriftstellern  Richardson,  Fielding, 
Smollett  und  auch  Sterne,  vergleichen  wir  ihn  mit  seines- 
gleichen! Von  den  englischen  dichtern  aber,  die  die  so 
schwierige  und  undankbare  gattung  der  beschreibenden  und 
idyllischen  dichtung  gepflegt  haben,  von  denen  ist  keiner 
grösser  als  Goldsmith. 

Halle  a/S.  Willi  Fischer. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY. 


I.    Text. 

Von  den  geistlichen  spielen,  die  die  handwerkerzünfte  von 
Coventry  jährlich  am  fronleichnamsfeste  aufführten,  sind  uns 
leider  nur  zwei  erhalten  geblieben,  nämlicli:  1.  das  welhnachts- 
spiel  der  tuchscherer  und  Schneider,  2.  das  hier  neu  gedruckte 
der  weber,  das  zwei  bedeutende  ereignisse  aus  der  kindheits- 
geschichte  Jesu  umfasst.  Während  das  erstere  bereits  dreimal 
veröffentlicht  ist,  nämlich  zuerst  in  Thom.  Sharp's  Dissertation 
on  the  Pageants  or  Dramatic  Mysteries  anciently  performed  at 
Coventry,  Co.  1825,  p.  83  ff.,  sodann  in  Will.  Marriott's  Collection 
of  English  Miracle- Plays  or  Mysteries,  Basel  1838,  p.  59ff., 
und  neuerdings  in  J.  M.  Manly's  Specimens  of  the  Pre-Shak- 
sperean  Drama,  vol.  I,  Boston  1897,  p.  120  ff.,  liegt  das  andere 
bisher  nur  in  dem  druck  Sharp's:  The  Presentaiion  in  the 
Temple,  A  Pageant,  as  originally  represented  by  the  Corporation 
of  Weavers  in  Coventry,  Now  first  printed  from  the  Books  of 
the  Company.  With  a  Prefatory  Notice.  Edinburgh:  Printed 
for  the  Abbotsford  Club.  M.DCCC.XXXVI,  vor.  Da  diese 
ausgäbe  den  meisten  fachgenossen  wohl  nur  schwer,  wenn 
überhaupt  zugänglich  sein  dürfte,  entschloss  ich  mich  zu  einem 
neudrucke,  der  hoffentlich  auch  bei  dem  jetzt  wieder  erwachten 
Interesse  für  das  ältere  englische  drama  nicht  unwillkommen 
ist.  Eine  coUation  der  handschrift  vorzunehmen,  war  leider 
nicht  mehr  möglich,  da  diese  im  jähre  1879  in  Birmingham 
verbrannt  ist.  9    Ich  musste  mich  daher  damit  begnügen,  den 


»)  Vgl.  York  Plays,  ed.  L.  Toulmin  Smith,  Oxford  1885,  8.  LXVII. 
▲ngiu.  N.  F.  xm.  14 


210  F.  HOLTHAÜSEN, 

text  Sharps  wiederzugeben,  habe  dabei  aber  moderne  inter- 
punktion  eingeführt  (Sh.  hat  gar  keine),  die  abkurzungen  auf- 
gelöst und*^clurch  kursivdruck  kenntlich  gemacht,  die  verse  und 
Strophen  numeriert  und  endlich  in  einer  anzahl  von  fällen  die 
mängel  der  Überlieferung  zu  heilen  gesucht,  wenn  eine  besserung 
nahe  lag  und  einigermassen  sicher  schien.  Alle  von  Sharp 
oder  mi];»eingesetzten  ergänzungen  sind  in  eckige  klammem 
eingeschlossen  worden ;  dabei  habe  ich  die  wenigen  schon  von 
Sh.  vorgeschlagenen  in  den  fussnoten,  die  überhaupt  alle  ab- 
weichungen  von  der  edüw  pvincepä  verzeichnen,  ausdrücklich 
als  sein  geistiges  eigentum  hervorgehoben.  Manche  Strophen 
sind  aber  so  hoffnungslos  verderbt,  dass  eine  herstellung  des 
Originals  ausgeschlossen  scheint. 

Die  hs.  stammt,  wie  die  notiz  am  ende  besagt,  aus  dem 
jähre  1534,  und  zwar  von  Robert  Croo.  Seine  Orthographie 
ist  eigentümlich  und  erschwert  im  anfang  wohl  das  Verständnis 
einiger  worte :  er  setzt  häufig  e  für  i  (z.  b.  natevete  =  nativity), 
ey  für  e  (z.  b.  eyver  =  ever),  ivo  für  o  (z.  b.  wöld,  whome  = 
old,  home) ;  wo  auslautendes  -e  für  jetziges  schriftenglisches  -y 
die  lesung  und  erkennung  eines  wertes  erschwert,  resp.  dessen 
Verwechslung  mit  einem  ähnlichen  nahe  legt,  habe  ich  zur 
erleichterung  der  lektüre  e  geschrieben,  z.  b.  Mari,  whole  =f 
Mary,  holy.  Die  Seitenzahlen  des  Sharpschen  druckes  stehen 
in  eckigen  klammern  am  rande ;  die  lat.  citate  habe  ich  durch 
kursivdruck  ausgezeichnet. 

Eine  darstellung  der  spräche  und  metrik,  der  quellen  und 
des  Stiles  der  dichtung  nebst  erklärenden  anmerkungen  soll 
später  in  dieser  Zeitschrift  folgen.  Ich  bemerke  hier  nur,  dass 
von  B  V.  91  ab  unser  stück  dem  entsprechenden  XX.  des 
Yorker  cyclus  (s.  156  ff.)  resp.  dem  XVIEL  der  sogenannten 
Towneley  Plays  (gedruckt  ib.  s.  158  unten  ff.)  bald  mehr,  bald 
weniger  getreu  folgt,  was  für  die  textkritik  natürlich  von 
Wichtigkeit  ist,  und  verweise  im  übrigen  auf  die  bemer- 
kungen  Ten  Brinks  in  seiner  Geschichte  der  englischen  Litte- 
ratur  II,  292  ff. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  211 

THE  WEAVERS'  PAGEANT. 
[A.  Darstellung  Jesu  im  Tempel.J 

Profeta  frimus.  [s.  31] 

1.  Grett  astronomars,  now  awake, 
Ye  fam«.9  fatheres  of  felosofy! 

And  in-to  the  oreient  reyspecte  ye  take, 
Where  neuis  and  strangis  be  cum  of  lately, 
Affennyng  the  seying  of  old  profecie:  5 

Thatt  a  star  [of  JacobJ  schuld  apere 
Apon  the  hyll  of  Wawse  among  lius  here! 

Profeta  11. 

2.  Ye  brethur  all,  then  be  of  good  chere, 

For  those  tythings  makyth  my  hart  ful  lyght! 

We  haue  desiiid  many  a  yere,  10 

Of  thatt  Star  to  haue  a  syght, 

And  spesschalli  of  that  kyng  of  myght, 

Of  whose  cumyng  we  haue  playne  warnyng 

Be  this  same  star  aftur  profettis  desarnyng.       [32] 

3.  Yet  furthur  I  pm[y]  you,  for  my  larnyng  15 
Lett  luis  have  sum  com[m]unecacion 

Of  this  Star  be  old  prö[g]nostefying, 
How  hit  aperid,  and  under  whatt  fassion! 

Profeta  I. 

4.  Sir,  aftur  a  stränge  deformacion, 

As  be  a[u]torite  reyherse  I  can;  20 

For  this  same  stai*  be  interpretacion 

Syngnefyth  the  natevet6  of  a  man, 

As  the  profett  Bala[a]m 

In  his  text  af[f]armyth  right  well, 

Seying:  'Orietur  Stella  ex  Jacob,  et  exsurget  honw  de 

Israel '  25 

5.  He  seyd,  of  Jacobe  a  star  schuld  springe, 
\V[h]yche  syngnefyith  only  this  same  kynge, 
Thatt  amongist  us  now  ys  cuwi. 

And  as  towchyng  the  letter  folloyng: 

'Et  i2)se  dominabitur  omni  generSLcione/  30 

1  astronemars  Sh.      2  ye]  youre.  felosefy.     9  inwyth.     14  desernyng. 
IG  hawe.       comenecacion.       18  aperie  (cf.  95).       22  syngnefyn. 


212  F.  HOLTHAUSEN, 

Profeta  ü. 

6.  Sir,  here  ma[y]  be  mo^äd  a  question 
Of  this  nobull  prince  of  soo  hi  degree, 

The  \v|h]yclie  of  all  men  schall  haue  domeneon; 
Undur  what  maner  borne  he  schuld  be? 

Profeta  I. 
Ase  ye  schall  here,  right  wonderfull[e]  35 

Be  devine  powar  of  a  virgene  pure, 
A[fjfarmyng  the  profeci  agenst  all  nature.  [33] 

Profeta  II. 

7.  Where  fynde  you  pat  in  wholl6  scripture 
Before  pro[g]nostefide  this  to  be  done? 

Profeta  I. 
Isaee  the  profett  wrytith  füll  sure:  40 

'Ecce  vir go  condpiet,  [et]  pariet  filium!' 
Thefn]  seyd  Isayee,  answeyring  to  pat  question: 
A  man  schuld  spryng  here  in  Isaraell, 
*Et  vocabitMY  nomen  eins  EmanueU 

Profeta  II. 

8.  Yett  haue  I  grett  marvel,  how  thatt  men  schuld  teil,    45- 
Man  beyng  here  but  a  mortall  creature, 

Off  soche  strangis,  before  the[y]  feil. 

Profeta  I. 
Be  devine  powar,  I  make  you  sure. 
Soo  to  subscrybe  in  wholl6  scripture, 
The  sprete  of  profece  to  them  was  sent, 
And  yett  them-selfe  wyst  not,  whatt  yt  ment. 

Profeta  IL 

9.  Now  laude  be  unto  hym,  )?at  soche  knoleyge  sent 
Unto  hus  wreychis  of  pore  symplecet6, 
Where[as]  he  ys  Lord  and  God  omnipotent,        [34] 

In  thys  hys  wyll  to  make  hus  prev6!  55 

Profeta  I. 
Did  nott  ]>ai  profett-man  Malach^ 
Resite  unto  hus  on  this  same  wyse, 
That  the  sun  of  lyff  schall  spring  and  arise? 

I^ach  41  steht  bei  Sh.  der  vers:  Balaam  seyng  of  the  heyymly  wyase- 
dome.  42 f.  bei  Sh.  umgestellt.  45  bei  Sh.  in  zwei  Zeilen.  ißt  bei 
Sh.  umgestellt.       49  f.  bei  Sh.  umgestellt. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  213 

10.  W[h]yche  cawsid  Isaee,  to  cast  up  his  iees 

Toward  heyvin  with  all  his  inward  syght,  60 

Seying:  ^Grood  Lord,  a[f]farmyng  thy  promes, 

Send  downe  to  hus  this  wonly  sun  off  myght, 

Huse  to  reystore  unto  owre  right 

Owt  of  deserte,  fi'om  the  hard  stone, 

Reycomfordyng  ]>i  doghtur  dwyllyng  in  Sion!'  65 

11.  Also  Jarem6,  thatt  whoUe  monn, 

Seyd,  in  heyvin  Grod  schuld  make  seede, 

A  greyne  off  Davith,  thatt  now  ys  cum, 

W[h]yche  eyver  in  gracjrs  shall  spring  and  spreyde 

And  kepe  Juda  owt  off  drede  70 

And  also  Isaraell  sett  in  surenes, 

And  he  schall  make  jugementis  of  rightwesenes. 

Profeta  IL 

12.  I  wonder,  to  here  you  this  expres 
Be  a[u]ctoris  hi  this  worthe  mysterö, 

And  spesschalle  of  this  virtu  rightwessenes,  75 

Where  hit  schal  be  usid,  and  in  whatt  part6. 

Profeta  I. 

13.  Apon  the  yavthe  bothe  with  hy  and  loo  degre. 
And  Rightwessenes  men  schall  hym  call,  [35] 
When  he  schall  cum  to  sit  in  the  see 

Of  kyng  Davit[h],  pat  most  riall;  80 

And  per  schall  he  before  the  pristis  all 
Of  Juda  and  Leyv6  be  his  powar  device, 
WitJi  new  insence  to  do  sacrefyce 

14.  To  God  aboue  for  the  gi-ett  offence 

Of  the  peple,  and  for  [their]  yngnorance  [hi]  85 

WitÄ  the[ilre  offeringe  to  make  reycompence 

For  the  lenage  of  Adamt«  progeny. 

This  schall  this  childe  by  theym  free 

From  all  the  offencis,  thatt  J?e[y]  haue  done, 

Be  cruell  deyth  and  bitter  passion.  90 

Profeta  ü. 

15.  God  Sir,  yett  und[e]r  prötestacion, 
Owre  feyth  thereby  for  to  incresse, 

66  Jaramo.       80  riall  of  all.       83  nev.       91  produstadon. 


214  F.  HOLTHAUSEN, 

Of  ihis  Star  lett  hus  haue  reylacion, 

Yff  hit  wold  pleyse  you  for  to  expresse, 

How  hitt  aperid,  and  undur  whatt  fassion.  95 

Profeta  I. 

WttA  diuei-s  streym/5  of  grett  brightnes, 
16.  A  child  l'erin  of  flagrant  swetnes, 

W[h]yche  apon  his  ba[c]ke  a  Crosse  did  beyre; 

And  of  an  eygull  hit  bare  the  lykenes, 

Beytyng  his  Tvyngis  iuto  the  ejTe,  100 

A  voise  there-in  off  lang[ag]e  feyre, 

Thatt  wasse  hard  throgli-owt  the  cuntrey, 

Seyinge:  'Xatus  est  nohis  \Ji\odie  rex  Judeoriim,'  et    [oGJ 

cetera, 
Profeta  II. 
K.  Of  a  farthur  declaracion  I  wold  you  praye, 

Whatt  trybus  the[y]  were,  and  in  whatt  pa>-te,  105 

The  ver6  date,  and  whatt  maner  a  wey 

They  haue  made  probate  of  this  p>öfec6? 

Profeta  I. 
IS.  And  thatt  schall  I  scho  you  right  ey vedently : 

The  grett  lordis  of  the  land  of  Caldy 

Fowndid  twelve  masturs  of  astronomy,  110 

For  to  se  this  star  a[p]pere. 

And  when  these  masturs  were  eylecte, 

On  the  hill  of  Wawse  pe\i]r  wache  thefyj  kepte, 

And  the[y]  all  togedder  neuer  sclepte 

Above  IX«  yere.  115 

Profeta  IL 

And  dide  thefyj  soo  longe  wache  [onj  ]>at  hill? 

Profeta  I. 
Ye,  truly,  tyll  hit  was  this  kyngis  will, 
This  seyd  i>rofec6  for  to  fullfyll, 
Thatt  Strange  star  to  send  them  there. 
If,  Whereof  the|yj  had  intellegence,  120 

That  aftur  the  darkenes  of  the  nyght 
In  the  day  hit  schone  soo  bright. 


$41  bei  Sh,  umgestellt         101  woise.  feyfe.         103  oddie.    cetera] 
IOC  were.       110  asestronemy.       115  abowe.       119  there]  tili. 


DAS  SPIEL  DER  WEBEB  VON  COVENTRY.  215 

Thatt,  when  the  sun  and  the  stare 

In  the  yejre  togeythur  warre,  [37] 

Betwyxt  them  wasse  lyttuU  or  non  dyfference.  125 

20.  And  soo  this  stare  wasse  a  serveture, 
And  unto  III  kyngis  a  playn  cundeture 
Unto  tlie  mancion  of  a  virgin  pure. 

Profeta  ü. 
But  ar  you  sure  for  whatt  intent? 

Profeta  I. 
Forsothe  to  Bedlem  streyght  the[y]  went,  130 

Whereasse  the[yj  offurd  to  this  childe  reuerent 
WitÄ  grett  omage  a  famt^s  present: 
The  fürst  wasse  gold  as  most  myght6  kyng, 
The  seycond  wasse  myr  asse  prist  of  pristis  beyng, 
The  thryd  wasse  insence  in  tokyning  of  byriing.       135 

Profeta  II. 
Yet  wold  I  kno  the  cawse  spesschally, 
Whatt  movid  these  kyngis  to  cum  so  hastely, 
And  whedur  the[yj  cam  oopun  or  prevy? 

Profeta  I. 

21.  The  Star  broght  them  throgh  eyuere  cuntre. 

And  eyuer,  as  the[y]  cam  oopunly,  140 

They  dide  inquere  of  those  newis; 
Eyuer  the[y]  axid:  ^Where  ys  he, 
Thatt  ys  bome,  for  to  be 
The  kyng  of  Juys?' 

22.  Therefore  lett  hus  wttÄ  all  delegence  145 
Unto  pat  chyld  geve  honowre  and  reyuerence,    [38] 
And  thatt  we  ma[y]  cum  unto  his  presence, 

To  haue  fruyssion  of  his  hi  deyit6! 

And,  brothur,  I  thanke  you  of  youre  pacyence, 

For  now  att  thys  tyme  departe  wyll  wee.  150 

Profeta  11. 
Now,  brothur,  for  youre  swete  sentence 
Att  all  tymes  welcum  to  me! 

23.  Loo,  fi-yndis  [dere],  there  may  you  see, 
How  God  in  man  workith  alwey. 

135  byrring.        141  nevis.        143  f.  bei  Sh.  als  eine  zeile  gedr. 


216  F.  HOLTHAÜSEN, 

Now  all  we,  pat  bis  servandis  be,  155 

Hathe  grett  cawse  in  hym  to  joie, 

W[h]yclie  sendyth  hus  knoleyge,  the  truth  to  sey; 

And  he  soo  meraculosly  wyrkyng  perwith, 

Thatt  of  all  seycrettis  we  wyte  \>e  ver6  pyth. 

24.  Wherefore  moche  cawse  haue  we,  to  make  myrth,     160 
When  we  reymembur  the  gloreose  birthe 

Of  this  virgyns  sun: 

He,  the  seconde  person  in  the  trenet6, 

Eyquall  with  bis  fathur  in  deyit6, 

Und[e]r  the  curteyne  of  owre  [hjumanete  165 

For  hus  wold  man  becuw. 

25.  Wherefore  here  I  exs[h]orte  you  all, 
Thatt  in  this  place  here  assembulde  be, 
Unto  this  chylde  for  merc6  cawU, 

W[h]yche  schall  reydeme  us  apon  a  tre,  170 

And  thatt  gloreose  blys  thatt  we  nia[yj  see, 
W[h]yche  he  hathe  ordp[i]nide  for  all  men 
In  bis  selesteall  place  to  be,  [39] 

In  secula  seculornm,    amen, 

Here  Semeon  intrythe  and  the  last  profett  gothe  owtt. 

Semeon. 

26.  The  seylesteall  soferent,  owi-e  hy  Gode  et(?rnall,         175 
W[h]yche  of  this  mervelus  world  ys  J?e  fowndatur, 
Create[dJ  the  hy  heyvyns,  his  one  see  empere[a]ll, 
With  sun,  mone  and  staris  for  the  sky  and  mattur. 
And  al  for  the  sustenance  of  owre  [hjumayne  nature 
With  fysche,  fowle,  best  and  ejnere  othur  thyng,       180 
Undur  hus  to  haue  J?e  naturall  cowrs  and  beyng. 

27.  Yett  owre  formcre  parence  at  the  begynnyng 
Throgh  dyssobeyd[i]ence  had  a  grevose  fawU 
From  the  hy  pales  and  blys  eyuerlastyng 

Doune  into  \äle  and  meserabuU  mundall  (?).  185 

For  the  w[h]yche  transgression  all  we  ar  now  mortall, 
Thatt  before  wasse  infynite  for  eyuer  to  remayne, 
And  now  schall  take  }>'end  be  deyth  and  cruell  payne. 


159  wryte.   were.        165  And  und[e]r.       177  And  create.       178  for] 
por.        185  vüe]  wale. 


DAS  SPIEL  DER  WBBEK  VON  COVENTEY.  217 

28.  W[hjyche  grevnse  sorro  ofte  dothe  me  constrayne, 
Inwardly  to  syghe  and  byttur  teyris  to  wepe,  190 
Tyll  thatt  I  reymembur  the  grett  comforde  ageyne 

Of  anceant  jw-ofettis  wetÄ  l>e[ijr  sentens  swete, 
Whose  fructUM5  syence  of  pröfownde  larnyng  depe 
In  the[i]re  awturs  a[p]perith  to  hus  right  manefestly, 
Of  Isaee,  Sebbellam,  Bala[a]m  and  Malache.  195 

29.  0  lorde  of  lordis,  in  hart  beseke  I  the, 

Of  this  infinite  worke  to  send  me  the  tru  lyght, 

Truly  to  expownde  this  seyde  wholl6  profec6, 

And  also  of  that  kyng  that  I  ma[y]  haue  a  syght,   [40] 

The  w[hjyche  be  reydemcion  schall  hus  all  reyles,     200 
At  whose  cumyng  the  tru  ounc[t]ion  of  Juda  schall  seyse. 

30.  Now,  lord,  fullfyll  thatt  hy  tyme  of  pes, 
For  age  dra[w]ith  me  fast  apon! 

Fayne  wold  I  see  thatt  wholl6  of  whoUenes, 

Or  this  mortall  lyff  fro  me  were  gone.  205 

Now,  lorde,  ase  thow  aii;  iij  in  won, 

Grant  me  grace,  yff  thatt  thy  wyl  [hit]  be, 

In  my  nold  age  that  syght  for  to  see! 

31.  Then  at  thy  wyll,  lorde,  fayne  wolde  I  be, 

Yff  thow  soche  grace  woldist  me  sende,  210 

To  loove  the,  lorde,  with  all  [hjumelyte, 

And  soo  of  my  lyff  then  to  make  an  ende. 

Yett,  lorde,  J?i  gi-ace  to  me  now  extende! 

Suffur  me  rathur  yett  to  lyve  in  peyne, 

Then  to  dy,  or  thatt  I  thatt  solam  syght  haue  seyne!  215 

Her6  An[n]e  cumyth  in  to  Semeon  and  seythe: 

An[n]e. 

32.  0  sufferent  Semeon,  mth  all  solemnetö, 

Thatt  of  owre  gloreose  tempuU  hath  pe  gouemance, 

WttÄ  all  dew  reuerance  here  beseke  I  the, 

)?i[n]  olde  frynde  in  Gode  to  haue  in  reymewburance, 

The  w[h]yche  hathe  tarrid  be  a  long  contenuance     220 

For  the  comyng  of  pe  right  Messee, 

W[h]yche  hathe  byn  promysid  unto  hus  be  profece. 


189  grevise.         218  dev. 


218  F.  HOLTHAÜSEN, 

33.  0  lorde,  thogh  pat  I  be  nothynge  worth6, 

To  see  the  fassion  of  \>i  most  presseose  pyctore, 

Yett,  lorde,  acsepte  me  of  \>i  grett  marce,         [41]    225 

Asse  thy  pore  servand  and  feythfull  creature! 

To  se  the,  lorde,  yff  \>at  I  myght  be  sure, 

No  lenger  on  grownd  wold  I  reyquere, 

In  this  mortall  lyff  to  conteneu  here. 

Simeon. 

34.  0  feythefuU  frynde  and  louer  dere,  230 
To  you  this  text  ofte  haue  I  tolde, 

That  the  lyght  of  Leyve  amonge  us  here 

In  Isaraell  schuld  be  boght  and  sold, 

Asse  aunceant  profettis  hereof  hathe  told, 

That  in  this  lande  here  he  schuld  make  surenes,       235 

And  he  to  be  cawlid  the  Kyng  of  Pes. 

35.  Asse  Isaee  hymselfe  herein  to  wyttnes: 
'In  fade  populor}xm\  this  did  he  sey, 

*Ctim  venerit  sanctus  sanctornm,  cessabit  unctio  vestra'  ; 
And  soo,  when  oure  ryght  blöd  schall  seyse,  240 

Moche  vertu  and  grace  then  schall  incresse 
With  hy  jugementis  of  rightwessenes 
Amongest  hus  evyn  here  in  Isaraell. 

An[n]e. 

36.  Yff  thatt  I  myght  abyde  pat  dey, 

Thatt  wholl6  off  whoUeis  for  to  see,  245 

W[h]yche  thatt  I  haue  desyrid  allwey, 

In  this  worlde  [so]  well  were  me! 

Now,  lord,  and  yff  thy  wyll  hit  be, 

Grant  me  my  hoope  longe  lokid  fore! 

Then  joie  nor  welthe  kepe  I  no  more.  [42]    250 

Simeon. 

37.  Now,  An[n]e,  systur  and  dere  fiynde, 
Lett  hus  bothe  with  a  whol6  intent 
In  thys  tru  feyth  owre  lyvis  yend, 
Lawdyng  thatt  lorde,  w[h]yche  ys  omnipotent! 
Wherefore  I  thynke  hyt  füll  expedyent,  255 
In  conteniall  preyai*  for  to  indure, 

To  kno  perhy  his  graceose  plesure. 


255  eipeydent. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  219 

An[n]e. 

38.  0  sofferent  Semeon,  pi  famw^  consell 
Inwardely  gladyth  me  in  my  hart; 

No  thyng  contentyth  my  mynd  soo  well,  260 

Wherefore  at  ]>is  tyme  wol  we  departe. 

Simeon. 
Now,  An[n]e,  sytli  pat  ye  wol  lience,  [I]  rede 
Unto  tlie  tempull  [to  go]  mHi  all  spede, 

39.  Owre  lordis  wyll  for  to  abyde. 

That  lord  of  lordis  be  thy  gyde,  265 

And  sende  the  pat,  w[li]yche  thow  lovist  most; 
Bothe  heyle  and  böte  for  the  provide, 
Where-eyuer  thow  goo  in  any  cost! 

Aii[n]e  goes  out. 

40.  Fryndis,  now  ys  hit  tyme  to  prey, 

Before  that  I  my  rest  do  take;  270 

My  custome  hathe  yt  byn  alwey, 

Asse  longe  ase  eyuer  I  am  awake,  [43] 

Intersession  unto  that  lorde  to  make, 

Of  hym  to  obteyne  all  my  reyquest. 


41.  Now,  lorde,  that  madist  all  thjmg  of  noght,  275 
Both  hevyn  and  hell  and  eyuere  creatui'e, 

Asse  thow  knoist  myn  inwarde  thoght, 

Reycomforde  [me],  when  hit  ys  thy  plesure! 

For  I  do  covett  no  more  treysure, 

Then  the  tyme  of  thy  natevetö  280 

Wit/i  my  mortall  yeeis  thatt  I  myght  se. 

42.  But  asse  thow  wolt,  lorde,  all  thyng  mnst  be, 
And  reysun  hit  ys,  thatt  hit  be  soo; 

My  wyll  perto  schall  ejner  agre: 

My  whollö  desyre  now  dost  pon  kno.  285 

Or  thatt  I  unto  slepe  do  goo, 

I  commytt  my  warkis  with  all  the  s/rcutwstance 

Wholly  unto  thy  lawis  and  ordonance. 

There  Semeon  settys  hym  doone  to  rest,  ase  hit  were, 
and  the  AngeU  seythe  to  hym: 

262  3ede. 


220  F.  H0LTHAÜ8EN, 

Angell  I. 

43.  Semeon,  of  thy  rest  awake! 

Owre  lorde  in  heyvyn,  he  sendyth  the  gretyng  290 

Of  my  message  with  the  for  to  make, 

With  the,  hys  frind,  a  solame  metyng. 

Hys  blessid  bod6  unto  thi  kepyng 

WrtÄin  schort  tyme  schal  be  broght. 

And  here  in  thy  tempuU  thow  schalte  be  soght        295 

Semeon.  [44] 

44.  Lorde,  whence  cam  this  solam  noyse, 
That  awoke  me  here  soo  suddenly? 
My  spretis  perwith  did  soo  reyjoyse, 
Thatt  no  lenger  slepe  cowlde  I. 

Me  thoght,  he  seyde  right  perfettly,  300 

Thatt  solam  sufferent  thatt  I  schulde  see, 
And  haue  hym  here  in  my  custod6. 

Angell  II. 

45.  Semeon,  thatt  lorde  in  trenete, 
Whom  thow  hast  desirid  to  see  alwey, 

At  thy  tempull  offurde  schal  be,  305 

Unto  thy  honde  this  same  dey. 

pertore  spede  in  all  thatt  thow  may, 

Thatt  the  tempull  in  ordur  be, 

Thys  prynce  to  reyseyve  with  all  [hjumelete! 

Semeon. 

46.  Now,  lorde  of  lordis,  thankis  be  to  the!  310 
These  gloreose  tythyngis,  pat  here  be  tolde, 

In  my  hart  soo  gladith  me, 

Thatt  I  am  lyghtar  a  M-folde, 

Then  eyuer  I  wasse  before. 

Therefore  wyll  I  [spede]  with  al  my  myght,  315 

To  se  my  tempull  soo  presseoosly  pyght, 

In  gorgi[u]s  araye  thatt  hyt  be  dyght, 

This  prynce  for  to  [h]onowre. 

There  Semeon  gothe  to  his  Clarks  and  seyth: 

47.  Now,  fryndis  all,  be  of  good  chere,  [45] 
And  to  owre  tempull  draw  we  nere!  320 


290  sendyght.  318  ownowre. 


DAS  SPIEL  DEB  WEBER  VON  COYENTBT.  221 

Soche  solam  newis  now  I  here, 

Thatt  all  my  spretis  dothe  glade: 

Thatt  babe  ys  borne  of  dyngnet6, 

Thatt  we  soo  long  liathe  desirid  to  see, 

Oure  lord  and  kyng,  [}?at]  most  myght6,  325 

Thatt  all  this  world  [hath]  made. 

Clarecw5. 
Now  blessid  mot  that  lord[ing]e  be, 
Thatt  dey  and  [hjowre,  thatt  we  schall  see 
His  gloreose  bodd6  in  trenet6, 
Thatt  flowre,  that  neuer  schall  fade!  330 

Semeon. 

48.  No  lenger,  Surs,  lett  us  abyde, 
But  to  the  tempuU  witÄ  all  spede, 

To  reyseve  the  saueowre  of  this  world  wyde, 

And  hym  to  serue  with  loue  and  drede! 

Now,  Sirs,  loke  thatt  ye  take  good  hede,  335 

To  wayte  and  serve  witA  all  delegence, 

His  grace  to  [hjonowre  witA  humble  reuerence! 

ClarecwÄ. 

49.  To  serue  a  prjmce  of  soche  magneffecens, 
Sir,  I  wasse  neuer  wont  there-to; 

Sythe  ye  perin  hathe  more  intellegence,  340 

Instructe  me,  Sir,  how  l>at  I  schuld  do. 

Lest  thatt  I  do  off  ende!  [46] 

For  rathur  then  I  wolde  hym  greive, 

Thatt  lord,  on  whom  I  do  beleve, 

Yett  had  I  leyuer  my-self  reymeve  345 

Unto  the  worldis  yende. 

Semeon. 

50.  Sith  thatt  ye  for  knoleyge  dothe  make  sute, 
Your  wyttis  the  bettur  do  I  reypute; 
Wit/i  humble  hartis  and  [ful]  meke 

Won  of  hus  must  holde  the  lyght,  350 

Ande  the  othur  the  sacrefyce, 
And  I  on  kneis,  asse  hyt  ys  right, 
The  offece  to  exsersyse 
Unto  thatt  babe  soo  swette. 


321  nevis.  337  ownowre. 


222  F.  HOLTHAUSEN, 

Clarecw5. 

51.  Then  hast  we,  this  alter  to  araye,  355 
And  clothis  off  [h]onowre  peron  to  laye, 

Ande  the  grownde  strew  we  with  flowris  gay, 
Thatt  of  oddur  swetely  smellis! 

Semeon. 
And  when  he  aprochis  nere  this  place, 
Syng  then  with  me,  thatt  conyng  hasse,  360 

And  the  othur  the  meyne  space 
For  joie  rynge  ye  the  bellis!  Cantani, 

There  Semeon  and  bis  Clarks  gothe  np  to  the  tempull,  and 
Gabereil  cumyth  to  the  tempull-dore  and  seyth: 

Gabereel.  [47] 

52.  Heyle,  Mare,  make  and  myld! 

The  YtrivL  in  the  schall  neyuer  fade. 

Heyle,  meydyn  and  thy  chylde,  365 

Thatt  all  this  world  [hath]  made! 

53.  Thy  seylesteall  fadur,  w[h]yche  ys  omnipotent, 
Of  his  ambassaye  hethur  hathe  me  sent 
Unto  the,  lad6  and  virgyn  reyuerent, 

With  thy  sun,  owre  heyviil-kynge,  370 

Unto  the  tempuU  thatt  J>ou  schalist  goo. 

And  t[w]o  whyt  turtuls  with  the  also, 

And  present  the  chyld  and  them  t[w]o. 

All  iij  of  them  in  offeryng! 

Spede  you  forth,  thatt  ye  were  gone,  375 

But  leyve  nott  J?e  wold  Josoff  at  whome! 

For  nedely,  lad6,  he  muste  be  won 

In  this  sacrefyce-doyng. 

Mar6. 

54.  With  hart  and  wyll  hit  schal  be  done 

In  pleysing  of  that  fathur  of  myght.  380 

Thyddur  wyll  I  bothe  hast61y  and  sone. 
And  take  [with]  me  my  child  soo  bryght. 

Gaberell. 

55.  Then  to  Josoff  goo  ye  füll  right. 
And  make  hym  prev6  of  this  case; 

376  ye. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  223 

Byd  hym  hast,  pat  he  were  dyght,  385 

To  gyd[e]  you  theddur  into  that  place! 

56.  Now  rest  well,  Mare,  witJi  moche  solas!  [48] 
For  I  must  thiddur,  asse  I  cam  froo. 

Marö. 
He,  thatt  ys  ande  eyuer  wasse, 

Be  thy  gyde,  where-euer  thow  goo,  390 

And  send  hus  all  [the  gift]  of  his  grace! 
I  pray  here  knelynge,  hit  ma[y]  be  soo! 

57.  Now  cum  heddur  to  me,  my  darlyng  dere, 
My  myrthe,  my  joie  and  al  my  chere, 

Swetter  then  eyuer  wasse  blossum  on  brere!  395 

Thy  swete  mowthe  now  wyll  I  kis. 

Now,  lorde  of  lordis,  be  owre  gide, 

Where-eyuer  we  walke  in  cuntreyis  wyde. 

And  these  t[wJo  turtuls  for  hus  pa-ovide, 

Off  them  thatt  we  do  nott  mys!  400 

Here  Mar6  goth  to  Josoff  and  seyis : 

58.  Rest  well,  Josoff,  my  spouse  soo  free! 

Josoff. 
Now  welcum,  Mar6,  dame,  what  sey  yee? 

Mare. 
Swet  newis,  husebond,  I  bryng  to  thee: 
The  angell  of  God  mih  me  hath  be, 
To  geve  hus  bothe  warnyng,  405 

Thatt  you  and  I  witA  a  wholl6  intent 
Aftur  the  law,  thatt  here  ys  ment, 
Schuld  in  the  tempull  owre  chyld  present. 
In  Jerusalem,  per  to  make  offeryng.  [49] 

Josoff. 

59.  Now,  Marö,  thatt  woll  I  neuer  deny,  410 
But  aftur  my  powar  for  to  apply; 

And  thatt  you  kno,  dame,  asse  well  asse  [I]: 
You  neuer  cawll,  but  I  am  reddy. 

Mar6. 
Now,  husebond,  ye  speyke  füll  gentyll6. 
J>erfore  loke,  Josoff,  and  ye  co[uJld  spy,  415 


403  neyifl. 


124  F.  HOLTHAÜSEN, 

T[w]o  turtyll-dovis  how  thatt  we  myght  cum  ny! 
For  ned61y  turtullis  off  er  must  we: 
Thatt  offeryng  fawlyth  for  owre  degre. 

Josoff. 

öO.  Nay,  nay,  Mar6,  thatt  wol  not  be: 

Myne  age  ys  soche,  I  ma[y]  nott  well  see.  420 

There  schall  noo  duffw^  be  soght  for  me, 
Alse  God  me  saue  [so  fre]! 

Mar6. 
Swette  Josoff,  fullfyll  ye  owre  lordis  bestes! 

Josoff. 

Why,  and  woldist  thu  haue  me  to  bunt  brid[d]is  nestes  ? 
I  pray  the  hartely,  dame,  leve  thosse  jestis,  425 

And  talke  of  thatt  wol  be! 
61.  For,  dame,  woU  I  neuer  wast  my  wyttis, 

To  wayte  or  pry,  where  the  wodkoc[k]e  syttis,    [50] 

Nor  to  jubbard  among  the  merle-pyttis, 

For  thatt  wasse  neyuer  my  gyse.  430 

Now  am  I  wold  and  ma[y]  not  well  goo, 

A  small  twygge  wold  me  ouerthroo; 

And  yche  were  wons  lyggyd  aloo, 

Füll  yll  then  schulde  I  ryse. 

Marfe. 
02.  Ye,  hardely,  Josoff,  do  nott  drede!  435 

Owre  lorde  wyll  quyte  right  well  youre  mede 
And  att  all  tyme^  be  youre  spede, 
And  furthur  you  in  youre  viage. 

Josoff. 

Ey,  dame,  ey,  God  helpe  hus  all! 

Me  thynke  youre  meymorr6  vere  small,  440 

On  mee  soo  whomly  eyuer  to  call: 

You  mynde  nothynge  myne  age. 

But  the  weykist  gothe  eyuer  to  the  walle. 

Therefore  go  thyself,  dame,  for  me  thow  schall, 

Y^'e,  or  ellis  get  the  a  neu  page!  445 


41G  dowis.  421  duffau«.  427  vast.  440  were. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRT.  225 

Mar6. 

63.  Husebande,  these  be  no  womens  dedis: 
Therefore,  Josoff,  ye  must  forthe  nedis, 
For  surely,  there  ys  no  reymedy. 

Josoff. 

64.  Noo  remedy  then,  but  I  must  goo? 

Now,  be  my  trowthe,  I  ma[y]  teil  you,  [51]    450 

Tliosse  tythingis  ar  but  cold. 

Then  nedis  muste,  thatt  nedis  schall, 

And  now  he,  thatt  ma[y]  worst  of  all, 

The  candyll  ys  lyke  to  holde. 

Mar6. 

65.  Now,  gentyll  Josoff,  when  wyll  ye  goo,  455 
To  make  an  ende  of  this  owre  jurney? 

Josoff. 

pat  shal  be,  or  I  haue  any  lust  thereto. 
And  thatt  dare  I  boldely  sey. 

66.  How  sey  ye,  all  this  cumpany, 

Thatt  be  weddid  asse  well  asse  I?  460 

I  wene,  pat  ye  suffur  moche  woo. 

For  he,  thatt  weddyth  a  yonge  thyng, 

Must  fullfyll  all  hir  byddyng, 

Or  eis  ma[y]  he  his  handis  wryng, 

Or  watur  his  iis,  when  he  wold  syng,  465 

And  thatt  all  you  do  knoo. 

Marö. 

67.  Why  sey  ye  soo,  Sil'?  ye  be  to  blame. 

Josoff. 

Dame,  all  this  cumpany  wyll  sey  the  same. 

Ys  ytt  not  soo?  speyke,  men,  for  schäme! 

Teil  you  the  trothe,  ase  you  well  con!  470 

For  the[y],  J>at  woll  nott  the[i]re  wyffis  plese,   [52] 

Ofte-tymeÄ  schall  suffur  moche  dysees. 

Therefore  I  holde  hym  well  at  es, 

Thatt  hathe  to  doo  w/t/j  non. 


457  thereta. 

AngU«.    N.F.    XIII.  15 


226  F.  HOLTHAÜSEN, 

Mare. 

68.  Leyre  off  these  gawdis,  for  my  love,  475 
And  goo  for  these  fowlys,  Sir,  I  you  pray! 

The  fadur  of  heyvin,  thatt  ys  above, 
Wyll  spede  you  well  in  youre  jurney. 

Josoff. 

69.  No  reymede,  but  I  must  foithe  nede? 

Now  owre  lord  grant  me,  well  for  to  spede!  480 

Loo,  feyre  wordis  füll  ofte  doth  leyde 

Men  cleyne  age[i]n  the[i]re  mynd. 

Now,  Lorde  God,  thow  sende  me  feyre  weddur, 

And  thatt  I  ma[y]  fynd  those  fowlis  togeddui-, 

Whytt  or  blake,  I  care  nott  wheddur,  485 

So  thatt  I  ma[y]  them  fynde! 

Mare. 

70.  Füll  well  schall  you  spede,  hard61y, 
Yff  thatt  ye  goo  abowt  hytt  wyllyngly. 

Josoff. 
Then  I  woll  goo  by  and  by, 

Thogh  hit  be  not  füll  hastfely;  490 

WitA  all  my  hart  I  wol  goo  spy. 

71.  Yff  any  be  in  my  wey,  [53] 
I  wyll  them  fynde,  and  I  may, 

Or  thatt  I  make  an  ende. 

Mar6. 
Now  that  lorde,  thatt  best  [so]  may,  495 

He  be  your  spede  in  youre  jurney, 
Ande  good  tythyngis  of  you  me  send! 

Josoff. 
Yea,  he,  thatt  hath  soche  on  on  hym  to  crave, 
He  schal  be  sure,  asse  God  me  save, 
Eyuer  the  worse  yend  of  the  staff  500 

To  haue  att  the  lattur  yend. 

Here  Josoff  gothe  from  Mar6  and  seyth: 

72.  I  wandur  abowt  myself  alone, 
Turtulis  or  dovis  can  I  non  see. 


475  lowe.  477  abowe.  490  Thoght.  492  f.  bei  Sh.  in  einer 
Zeile,  498  hatth.  crawe.  499  sawe.  501  to  haue  hinter  staff  Sh. 
503  dowis. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  227 

Now,  kyng  of  heyvin,  thow  amend  my  mone, 

For  I  tro,  I  seke  nott  where  the[y]  be!  505 

73.  My  myght,  my  strentli  ys  worne  fro  me, 
For  adge  I  am  waxiin  almost  blynd. 
Those  fowlys,  the[yj  ar  füll  far  fro  me, 
And  verie  yvill  for  me  to  fynde. 

74.  I  loke  fast  and  neuer  the  nere,  510 
My  wynd  for  feynt  ys  allmost  gone. 

Lord,  benedissete,  wliatt  make  I  here 
Among  these  heggis,  myself  alone? 

75.  For-wer6  I  ma[y]  no  lengur  stond; 

These  buskis,  the[y]  teyre  me  on  eyiiere  syde.  515 

Here  woll  I  sytt  apon  this  londe, 
Oure  lordis  wyll  for  to  abyde. 

Angell  I.  [54] 

76.  Aryse  up,  Josoff,  and  take  no  thoght! 

For  these  t[w]o  fowlys,  thatt  thow  hast  soght, 

Evyn  to  thy  hond  I  haue  them  broght,  520 

And  therefore  be  off  good  chere! 

Take  them  here  bothe  t[wJo, 

And  ageyne  to  Mar6,  thy  wyff,  thow  goo! 

Yn  all  the  hast  thatt  hit  be  doo, 

Thow  tarre  noo  lengur  here!  525 

Josoff. 

77.  0,  lawde  be  unto  thatt  lorde  soo  exsellent 
For  those  t[w]o  fowlis,  thatt  I  haue  soght! 
Fullfyllid  now  ys  myn  intent, 

My  hart  ys  evyn,  asse  hyt  wold  be  fthoght]. 

All  care  fro  me  ys  past,  530 

Now  thatt  Mar6,  my  wyff, 

These  birddis  had  [as  fast]! 

For  to  make  hir  hart  asse  blith, 

To  hir  wyll  I  in  hast. 

78.  Now  rest  well,  Mar6,  my  none  darlyng!  535 
Loo,  dame,  I  haue  done  thy  byddyng, 

And  broght  these  dovis  for  oui*e  offeryng: 
Here  be  the[y]  bothe  alyve. 

509  werie.     531  f.  als  eine  zeile  gedruckt.     533  blith]  glad.    537  dowis. 

15* 


228  F.  HOLTHAÜSEN, 

AVomon,  haue  them  in  thy  honde! 

I  am  füll  glade,  I  haue  [them]  fonde.  540 

Am  nott  I  a  good  husbonde? 

Ye,  dame,  soo  mot  I  thryve! 

Mare. 

79.  Now  the  fathur  of  heyvin,  that  ys  above, 

He  quyt  you,  Josoff,  for  this  dede!  [55] 

And  furthur  I  pray  you  for  my  love,  545 

Unto  the  tempull  lett  us  make  spede! 

Josoff. 

80.  Ey,  bloo  a  whyle,  dame,  I  the  pray, 
For  soft  and  ess61e  men  goo  far! 

I  haue  laburde  all  this  dey, 

Yett  am  I  ver6  lyttull  the  nar.  550 

I  tro,  thatt  I  schall  neyuer  be  war: 

Soo  füll  of  feyre  wordis  these  wemen  be, 

Thatt  men  thereto  must  nedis  agre. 

81.  And  therefore,  dame,  alse  mote  I  the, 

Aftur  my  labur  fayne  wolde  I  rest.  555 

Therefore  goo  thyselfe  thow  schalt  for  me, 

Or  tarr6  att  whome,  wheddur  pon  thynkist  beste. 

Mar6. 

82.  Na[y],  swet  husebond,  ye  do  well  kno, 
To  goo  alone  ys  not  for  me. 

Wherefore,  good  Sir,  I  pray  you  soo,  560 

Thatt  I  ma[y]  haue  your  cumpany! 

Josoff. 

83.  Loo,  fryndis  [dere],  here  ma[y]  you  knoo, 
The  maner  of  my  wyff  ys  soo, 

Thatt  witA  hyr  nedis  must  I  goo, 

Wheddur  I  wyll  or  nyll.  565 

Now,  ys  nott  this  a  cumbrus  lyff? 

Loo,  Sirs,  whatt  ytt  ys  to  haue  a  wyff!  [56] 

Yett  had  [I]  leyuer,  nor  to  lyve  in  stryff, 

Apply  evyn  to  hir  wyll. 

84.  For  syth  pat  here  ys  no  remedfe,  570 
Take  up  youre  chylde,  I  sey,  Marö, 


543  abowe.       545  lowe.       554  alsoo.       566  cuffibus. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VOK  COVENTRY.  229 

And  walke  we  togedur  feyr  and  ess616! 

And  soo,  to  stynt  all  stryve, 

I  woU  trusse  up  thys  gere: 

For  I  se  well,  I  must  hit  beyre.  575 

At  Jerusalem  I  wold  all  we  were, 

Also  mote  I  thryve! 

Mar6. 

85.  There  schall  we  be,  when  God  [it]  wyll; 
For  at  bis  plesure  all  thyng  must  be. 

Josoff. 
Dame,  and  thatt  ys  bothe  reysun  and  skill.  580 

Sett  forward  then,  and  lett  me  see! 

Angell  n. 

86.  Awake,  Semeon,  and  drede  the  noght. 
In  all  the  hast,  thatt  eyuer  mafy]  be, 

And  reyseyve  that  lord,  thatt  all  hathe  \^T0ght, 

WitA  hym  bis  modur  Mar6!  585 

Make  spede,  Semeon,  pat  thow  were  dyght, 

To  reyseyve  thatt  chyld  with  all  thy  myght! 

Now  schalt  thow  see  the  blessidist  syght, 

Thatt  eyuer  thow  didist  see. 

Semeon.  [57] 

87.  0  lord  of  lordis,  this  solam  noyse  590 
From  the  maker  of  heyvln  and  hell, 

My  hart  therewttÄ  soo  dide  reyjoise, 

Thatt  the  myrthe  peroft  can  noo  tong  teil, 

Nor  band  wttA  pen  subscrybe! 

I  thanke  pat  lorde  and  kyng  of  myght,  595 

Thogh  all  my  lust  throgh  age  be  worne, 

Thatt  I  schall  see  this  gloreose  syght. 

Blessid  be  the  [h]owre,  thatt  thow  wast  bome, 

This  dey  J>at  eyuer  I  do  abide! 

88.  Now  to  reyseve  this  Kjmg  of  Pes,  600 
Thatt  owt  of  dangyr  schall  hus  reles! 

Owre  hy  (?)  merrettis  schall  he  incres 

In  joiye  abundantly. 

For  here  kepe  I  no  more  blis, 

573  strywe.       574  And  I  woll.       57C  ye.       577  alse. 


230  F.  HOLTHAUSEN, 

But  thatt  he  [mej  merke  for  won  of  his;  605 

And  then,  whan  his  swete  wyll  [hitj  ys, 
Am  I  evyn  redde  to  dy. 

89.  Now,  Clarkis,  cum  forth  and  do  your  offes, 
And  this  awter  hastfely  pat  ye  aray! 

For  here  schal  be  the  solamyst  sacrefyce,  610 

Thatt  eyuer  wasse  seyne  in  Juda. 

90.  Make  sure,  fiyndis,  in  all  thatt  ye  may, 
Thatt  ordur  be  hade  in  eyuere  place! 

ClarecuÄ. 
Now  l?at  lord  of  lordis,  thatt  best  may, 
To  do  oure  deuteis,  he  grant  us  grace!  615 

And  for  to  plese  hyra  to  his  paye,  [58j 

Sey  al  you:  'Deo  gracias!' 

91.  Loo,  mastur,  [now]  bothe  man  and  place 
Be  all  redde  at  your  byddyng. 

Seraeon. 
Then,  Surs,  cum  forthe  [with  meJ  apase,  620 

And  rayrrele  the  bellis  ryng! 

92.  An[n]e  systur,  goo  ye  [alse]  wM  me, 

For  to  reyseyve  thatt  pnnce  of  [h]onowre, 
And  hym  to  welcum  reuerently, 

Ase  of  this  world  lorde  and  governowre!  625 

An[n]e. 

93.  Now,  fathur  Semeon,  I  am  obedyent, 
Youi'e  gmceose  pleysure  for  to  obbey. 

To  scrve  thatt  lorde,  w[h]yche  ys  omnipotent, 
Lett  US  goo  mete  hym  on  the  wey! 

ClarecH^. 
94-.  Mastur,  now  ar  the  bellis  rong,  680 

And  redde  att  liond  ys  eyuere  thyng. 

Semeon. 
Then  lett  me  see,  with  hart  ayid  tonge 
How  myrrely  thatt  ye  can  syng!  Cautant. 

Here  the[y]  cum  doune  wttA  a  prossession  to  mete  them. 

Mare. 
95.  Heyle,  suffurent  Semeon  so  good! 

My  semely  sun  here  I  bryng  to  the,  635 

612  in]  amJ.         02G  obeydeut.  633  f.  pressessioii  Sh. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  231 

To  offur  hym  up  in  flesche  and  blöde, 
Ase  be  the  law  he  oght  to  be. 

Semeon. 

96.  Now,  wholl6  Mar6  and  Josoff  also, 
Ye  be  ryght  welcum  unto  this  place! 

For  off  God  ar  ye  blessid  bothe  t[w]o,  640 

Thatt  hath  you  gro[u]ndid  in  soche  grace. 

97.  And  ye,  Josoff,  of  soo  grett  age, 
Thatt  soche  a  bab6  forth  can  bryng, 

In  whom  all  owre  reydemcion  dothe  hyng, 
And  off  this  worlde  ys  lorde  and  kyng!  645 

This  wase  a  graceose  mareage. 

Josoff. 

98.  Now,  gentill  bysschope,  I  the  pray, 

Evyn  the  verrö  truth  thow  woldist  me  sey: 
Ys  nott  this  a  prettö  bewey, 

Asse  eyuer  thow  hast  knone?  650 

Now  be  hym,  J>at  made  both  heyvin  and  hell, 
This  lyttiül  myte  I  love  as  well, 
Asse  thogh  he  were  myn  oone. 

Mar6. 

99.  Reyseyre  [him],  Semeon,  wt-tA  good  chere! 

The  law,  [hit]  wyll,  hit  schall  so  be;  655 

For  w[h]yche  cawse  I  bryng  hym  here: 
Here  in  thi  hondis  take  hym  the! 

Semeon. 

100.  Now  welcum,  lord,  unto  my  band,  [60] 
Now  welcum,  prynce,  unto  this  place, 

Welcum,  owre  saveowre  sufferant,  660 

Welcum,  the  grownd[elr  of  owre  groce, 
Welcum,  owre  joie,  owre  myrthe, 
Welcum,  owre  graceose  gouernowre, 
Welcum  to  huse,  thatt  heyvinly  flowre! 
Now  blessid  be  the  dey  and  fhjowre,  665 

[Child],  of  thy  gloreose  byrthe! 

An[n]e. 

101.  Now  welcum,  kyng  of  kyngis  all, 
Now  welcum,  maker  of  all  mankynd, 

652  lowe.        660  sufferent  saweowre.        662  welcum  owre  myrthe. 


232  P.  HOLTHAÜSBN, 

Welcum  to  hus,  bothe  grett  and  small! 

Good  lord,  thy  sarvandis  now  haue  in  mynd,  670 

That  longe  hath  levid  here 

In  clen[n]es  pure  witAowt  offence, 

WitA  grett  desyris  for  to  be  hence! 

But  now  the  syght  of  thy  presence 

Hath  amendid  all  owre  chere.  675 

Clarecw5. 

102.  Now  welcum,  lord,  unto  all  hus, 

Thi  none  tru  servandis,  ase  reysun  ys! 


Welcuw,  owre  God  and  kyng  of  blys, 

Owre  lorde,  longe  lokid  fore! 

All  the  profettis,  thatt  of  the  spake,  680 

Seyd,  thow  schuldist  for  owre  sake 

Fleysche  and  blöd  of  a  meydyn  take,  [61] 

Owre  joy[e]s  to  reystore. 

Semeon. 

103.  On,  on  w/tA  me,  my  fryndis  dere, 

WitA  this  chylde  thatt  we  haue  here,  685 

Of  this  worlde  the  lanterne  clere, 

Of  whom  all  lyght  schall  spryng! 

WVtA  hoole  hartis  now  lett  hus  praee! 

Thatt  [h]owre  and  tyme  now  blesse  we  may, 

pat  ejner  we  abode  J>e  dey  690 

Of  this  chyldis  comynge!  CantanL 

Here  Semeon  goth  to  the  awtere  wttÄ  pe  chyld  in  hys 

armes  and  seyth: 

104.  Now  art  thow  cuw/,  lorde,  to  my  hande, 
Thogh  thatt  1  onworthe  were. 

Yett,  lorde,  forgeve  J>i  pore  servande, 

^p  ^p  ^p  ^p 

[Mar6.] 

105.  Whyle  the  weddur  ys  soo  feyi'e.  695 
And  I  woll  cum  aftur,  asse  I  may, 

For  now  att  whome  I  wolde  we  weyre! 


692  honde.        G94  scrwande.    Hiernach  fehlte  ein  blatt  im  Ms. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  233 

Josoff. 
To  goo  before  now  I  woll  asaye, 
Thogh  thatt  my  fotemanschipe  be  not  füll  gaye. 
I  pray,  God  spede  us  in  oure  jurney!  [62]    700 

For  I  schall  be  wer6,  or  thatt  I  cum  there. 

There  Mar6  and  Josoff  departis  owt  of  the  npper  parte 

of  the  pagand. 

Semeon. 

106.  Loo,  fryndis,  how  God  for  us  hathe  wroght, 
And  schode  hymself  here  at  this  tyde! 
Blessid  mot  he  be  in  word  and  thoght, 

[The]  myghtefttll  maker  of  thy[sj  world  wyde!  705 

107.  I  wasse  lame  of  fote  and  hond, 

And  now  am  whole,  ase  ye  ma[yj  see; 

I  thanke  thatt  [hi]  lorde  of  his  sond, 

And  eyuer  his  servande  wyll  I  be, 

Thatt  lorde  soo  moche  of  myght.  710 

Now  lorde  of  lordis,  that  hath  no  pere, 

\V[h]yche  att  this  tyme  wase  offurd  here, 

Sende  you  all  the  fruyss[iJon  clere 

Of  his  heyvinly  mancion  soo  bryght! 

ClarecwÄ. 

108.  And  of  owre  mys  he  amend  us,  715 
And  fiom  owre  foys  [he]  defend  us. 

And  [to]  his  hy  trone  he  send  us, 
In  secuta  sectilorma!    Änven, 

Here  gothe  Semeou  and  his  Clarkis  out  of  tlic  tempuli. 


[B.  Jesus  bei  den  Schriftgelehrten.] 

Josoff. 
1.  Now,  Mar6,  my  wyff,  here  present, 

Unto  [God]  myche  bondon,  dame,  ar  we,  [63] 

Thatt  soo  goodly  a  chylde  here  hath  us  sent; 
In  this  World  a  feyrear  }per  can[n]ott  be. 

699  fet€-.         705  thys  Sh.         706  hand. 


234  F.  HOLTHAUSEN, 

Mar6. 
I  thanke  pat  lord  omnipotent,  5 

For  yt  dothe  me  good,  hym  for  to  see. 
\Mierefore,  Josoff,  I  wold,  he  went 
Unto  Jerusalem  wrtA  you  and  me. 

2.  For  now  he  ys  XII  yere  of  age, 

Füll  well  reyconid  yt  ma[y]  be;  10 

Of  lymys  he  waxith  feyre  and  large, 
And  moche  he  desyrith  cumpan6. 

Josoff. 
Now,  dame,  he  ys  a  prette  page, 
And,  as  ye  sey,  füll  well  cum  on. 
I  kno  non  soche  on  of  hys  age;  15 

I  pm[y]  God  make  hym  a  right  good  mon. 

Mar6. 

3.  Now,  Jesus,  my  son,  mth  you  whatt  chere? 
Whatt  m[y]rthe  make  ye,  chyld,  this  dey? 
Thow  art  he,  thatt  I  love  most  derer 

My  joie,  my  myrthe,  and  all  my  pley!  20 

Jesus. 
I  thanke  you,  my  modur,  in  all  thatt  I  may. 
And  at  youre  hand,  [lo],  I  am  here, 
To  do  you  serves  bothe  nyght  and  dey,  [64] 

And  reddy  alwey,  to  make  you  chere. 

Josoff. 

i.  lioo,  fryndis  [dere],  here  doth  apere,  25 

Yt  ys  eyrly  scharp,  thatt  wol  be  thonie! 
How  glad  he  ys,  his  mod[e]r  to  pleyse, 
And  eyuer  hathe  bjn,  syth  he  wasse  borne! 
I^hogh  thatt  my  uthe  frome  me  be  worne, 
Yet  in  his  dedis  I  have  moche  joie:  30 

For  in  feythe,  he  woU  preve  a  prette  bwey. 

5.  Owni,  my  sun,  well  mot  thriv[e]  yee! 

Thow  schalt  to  Jerusalem  w/tA  \>\  modur  and  me, 

Swm  goodly  syghtis,  sun,  for  to  see 

Apon  this  owTe  festevall  dey.  35 


17  Jfiu.  18  myrthe  Sh.  24  rydde.  Auf  v.  24  folgt  der  von  Sh, 
eingeklammerte  vers:  Now  Gods  blyssyng  haue  yon  mid  myne.  31  evin 
a  prette.       32  yeej  thee.       35  festefawll. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTUY.  235 

Mar6. 
Now  truly,  Josoff,  as  ye  sey, 
And  merely  for  to  pas[s]e  forthe  pe  wey, 

6.  Sum  virtuos  cumpany  I  wold  we  had! 

Josoff. 
Dame,  I  kepe  noo  moo  but  evjm  this  lad; 
For  you  nor  I  can[n]ot  be  sade  40 

Thatt  dey,  pat  we  hym  see. 
Mary,  you  kno,  thatt  I  am  olde 
And  in  cnwpany  can[n]ot  be  soo  bolde, 
Asse  I  wasse  wont  to  be.  [05 1 

7.  Therefore,  Mai'e,  leyde  ye  the  wey,  45 
And  essely  lett  us  togedd[e]r  goo, 

Thogh  yt  be  far  furth  on  the  dey! 
Yett  all  be  owre  fryndis,  I  dare  wel  sey, 
And  neuer  a  won  owre  foo. 

Mar6. 

8.  Now  God  wold  thatt,  w[h]yche  best  may  [rede]!  50 
And,  gentyll  Josoff,  lett  us  goo! 

Be  the  hand  the  chylde  wyll  I  leyde: 
I  trust  the  bettur  for  to  spede, 
Ande  ye,  Josoff,  alsoo. 

Josoff. 

9.  Ye,  hard61y,  dame,  lett  hym  goo  [fre],  55 
And,  [Mar6],  be  nothyng  afrayde! 

For  the  best  foteman  of  hus  thre. 
In  good  feyth,  dame,  thatt  ys  hee, 
Yff  he  were  well  asayde. 

Jesus. 
10.  I  am  füll  redde  w/tA  you  to  goo,  60 

At  your  bydding,  in  weyle  and  woo, 
And  to  do  you  serves  bothe  t[w]o 
In  hart  witA  all  mekenes. 
Cum  on,  my  mothur,  and  dred  ye  noght. 
And  on  your  jumey,  ase  you  oght!  65 

The  fadur  of  heyvin,  pat  all  hat[h]  wroght. 
He  kepe  you  from  dystres!  [66J 

Auf  V.  38  folgt  der  vers :  Ye  dame,  God  shal  be  owre  gyde.        oO  hold. 
54  yo.  GG  hath  Sh, 


236  F.  HOLTHAÜSEN, 

Josoft 

11.  Now,  thys  ys  wytt61e  sayde  and  wall! 
Now,  lord,  when  I  to  mynde  do  call, 

In  uthe,  when  I  was  verre  small,  70 

Many  winturs  agone: 

Lord  God,  benedicite, 

Yong  chyldur  now  more  wyser  be, 

Nor  wase  then  an  olde  mon. 

Mar6. 

12.  Now  welcum  be  owre  lordis  sond!  75 
Therefore  cum  on,  gentyll  husbond! 

The  sytte  ys  evyn  at  owre  honde; 
Good  cumpany  there  ma[y]  we  fynd. 

Josoff. 

Ey  ey,  dame,  in  feyth,  I  can  noo  more: 

My  leggis  byn  wer6,  my  fete  be  soore;  80 

That  man,  thatt  can[n]ot  goo  before, 

Nedis  must  cum  behynd. 

There  thefy]  all  goo  up  to  the  awter,  and  Jesus  before. 

pe[j]  syng  an  antam. 

13.  Now,  Mar6,  my  wyff,  cum  hethur  to  me! 
All  thyng  ys  done,  ase  yt  schulde  be, 

And  serves  song  füll  sollamle  85 

For  Ulis  owre  festevall  dey. 

Mare.  [67] 

Now,  liuseband,  then  lett  us  iij 

Make  the  hast,  pat  [made]  ma[y]  be, 

Whom  to  goo  with  cumpane, 

To  bryng  us  on  the  wey!  90 

There  the[y]  goo  do[u]ne  into  the  for-pagauil,  and 

Jesus  steylyth  awey. 

Josoff. 

14.  Mare,  my  spretis  be  ravisschid  cleyne 
And  clerely  cast  owt  off  all  woo 

WttÄ  these  solam  syghtys,  thatt  we  haue  seyne 
In  yondur  tempuU,  pat  we  cam  froo. 


68  wall]  wyll.       70  werre.       86  festefawU. 


DAS  SPI£L  DEE  WEBER  VON  COVENTRY.  237 

Mar6. 
Now  serten,  Josoff,  you  wolde  not  wene,  95 

Whatt  myrthe  I  maJce  witÄowt[en]  woo, 
Thatt  my  chylde  mth  hus  hathe  bene 
And  those  solam  syghtis  seyne  alsoo! 

Josoff. 

15.  Then  homwarde,  Mar6,  lett  us  hye, 

Whyle  thatt  we  haue  the  lyght  off  pe  day!  100 

For  you  haue  eyuer  lovid  cumpany: 
For  yt  dothe  schorttun  well  youre  wey. 
Yett  in  good  [h]owre,  we  ma[y]  bothe  sey, 
For  othur  did  we  nejner  fynde. 

Mar6. 
Alas,  Josoff,  and  well-awey!  105 

Now  haue  we  lefte  owre  chyld  behynd!  [68] 

Josoff. 

16.  Whatt?   Mar6,  I  sey,  amend  thy  chere! 
Pardy,  dame,  he  dothe  but,  as  othur  done: 
Chyldur  togedur  woll  draw  nere. 

He  woll,  I  warrand,  ouertake  us  sone.  110 

Mar6. 

17.  Ouertake  us  sone,  quoth  a?  nay,  sertes,  na[y]! 
Whatt  nede  you  me  soche  talis  to  teil? 

He  ys  gon  sum  othur  wey, 

Or  serten,  Josoff,  he  ys  not  well. 

Josoff. 
Dame,  he  ys  nott  far  awey;  115 

From  US  no  man  wyll  hym  wyle. 

Mar6. 
Hyt  helpyth  not,  Josoff,  soche  wordis  to  sey; 
My  chylde  ys  gone,  alas  the  whyle! 

Josoff. 

18.  We  schall  haue  [hym],  dame,  or  hit  be  longe, 

Yff  we  serche  well  yondur  sytte:  120 

Sum  chyldur  there  he  ys  amonge, 
Or  el[ljis,  surely,  whomwarde  ys  he. 


99  hye]  goo.         119  hym  8h, 


238  F.  nOLTHAUSEN, 

Mar6. 
Off  sorro  now  schal  be  my  songe, 
My  cliylde  ageyne  tyll  I  ma[y]  see.  [69] 

Josoff. 

19.  Dame,  of  bis  welfare  I  wold  be  glade,  125 
And  of  the  othur  I  wolde  be  woo. 

Therefore,  Marfe,  no  more  be  sade, 
But  age[i]ne  to  the  sytte  lett  us  goo! 

Mar6. 

20.  Make  hast,  Josoff,  thatt  we  were  there! 

For  had  I  neuer  more  lust  thereto.  130 

Ba[c]ke  aga[i]ne  lett  us  reypeyre! 
For  thatt  ys  best  for  us  to  do. 

Here  Mar6  and  Josofif  goth  downe  into  the  tempuU-warde. 

Doctor  I. 

21.  Now,  lordjTigis,  lystun  to  me  a  whyle, 
W[h]yche  hathe  the  lawis  undur  honde! 

And  thatt  no  man  fawU  in  soche  pereil,  135 

Age[i]nst  any  artyccuU  for  to  stond! 
For  the  com[m]en  Statute  of  this  londe 
WoU,  that  all  soche  personys  schulde  be  tane 
And  in  the  face  of  [pe]  peple  ooponly  slayne. 

Doctor  n. 

22.  E,  and  the  othur  wholl6  decryis  ageyne,  140 
W[h]yche  unto  Moyses  wonly  wasse  sent. 

In  tabulis  of  ston  only  to  reymayne 

Undur  an  hy  and  streyte  cuwmandement. 

W[h]yche  at  thys  tyme  we  thynke  conven[i]ent,    [70] 

There  apon  to  holde  dyssepu[ta]ssions  here  145 

Be  politike  syence  of  clarge  clere. 

Doctor  in. 

23.  Wherefore,  all  peple,  now  draw  nere. 
And  in  this  place  geve  your  at[t]endence ! 
How  ye  schuld  lyve  here,  ma[y]  you  lere, 
Ac[c]ordyng  unto  your  al[l]eygence.  150 
For  yt  ys  well  knone  unto  thys  presence, 

129  Ueberschrift:  Josoff  Sh.        136  stand.         137  lande.         145  dys- 
sepyssions.       146  polatike. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY.  239 

Thatt  doctoris  we  ar  and  of  hy  degre, 
AnA  haue  the  lawis  in  custode. 

Doctor  I. 
34.  Ley  forth  youre  reysonis!  now  lett  me  see, 

How  lawe[sj  of  leygence  oght  to  be  lade,  155 

W[h]yche  of  the  Ebruys  subscribyd  be 

With  othur  of  Moyses,  thatt  now  ys  hade! 

To  contend  herein  I  wold  be  glade 

Amonge  the  peple  here  man^festly, 

And  the  truthe  [werej  expoundid  to  them  oopinly.     160 

JesMs, 

25.  Lordis,  moche  love  witA  you  be  lent, 
And  pes  be  amonge  this  cumpany! 

Doctor  m. 
Sun,  awe[y]  I  wold  thow  went, 
For  othur  haft  in  band  haue  wee. 

Doctor  n.  [71] 

Chylde,  who-soo-eyuer  the  hyddur  sent,  105 

The[y]  were  not  wyse,  thus  warne  I  the: 
For  we  haue  othur  talis  to  tent, 
Then  with  chyldur  bordyng  to  bee. 

Doctor  I. 

26.  Good  sun,  thow  art  to  yonge,  to  larne 

The  hy  mystere  of  Mosees  law;  170 

Thy  reysun  can[n]ot  yt  desarne, 

For  thy  wyttys  [arj  not  worthe  a  strawe. 

And  no  mervell,  thogh  thow  schuldist  be  rawe, 

In  soche  hy  poyntis  for  to  be  reysonjmg: 

For  of  age  art  thow  a  ver6  yonglyng.  175 

Jesus, 
E,  surs,  whatt-soo-eyuer  to  me  you  sey, 
Me  nedith  not  of  you  to  lerne  nothyng. 

Doctor  n. 

27.  This  bess6  bweye,  [proud]  of  his  tong. 

All  secrettis  surely  he  thynkith  he  kna[w]is. 

Doctor  ni. 
Nay  serten,  sun,  thow  art  to  yonge,  180 

Be  clarg6  clere  to  kno  owre  lawis. 


161  lowe.        164  hast  Sh.       171  deseme.       179  knois. 


240  F.  HOLTHAUSEN, 

Jesxis. 

28.  Ye  doctoris  all,  thatt  be  present, 

Suffyce  and  muse  no  more  off  me!  [72] 

For  off  your  lawis  the  wholl  intent, 

Nothyng  peroU  ys  hyde  froo  me:  185 

For  in  those  placls  haue  I  be, 

Wliere  all  [y]owre  lawis  fürst  were  wroght 

[Doctor  IL] 
Cum,  sett  the  here,  and  we  schall  see! 
For  sarten,  sur,  soo  semys  yt  noght. 

There  the  Doctoris  settyth  Cryst  among  them. 

29.  Now,  were  yt  nott  a  wondrus  thyng,  190 
Thys  chylde  owre  reysuns  pat  he  schuld  reyche? 

And  yett  he  seyth,  he  hath  a  felyng, 
Owre  lawis  truly  for  to  teyche. 

Jesus. 
Syris,  the  whool6  goste  in  me  hath  lyght, 
Thatt  my  powar  ys  to  preyche;  195 

And  of  the  Godhed,  most  of  myght, 
Most  pcrfettly  here  ma[y]  I  teyche. 

Doctor  ni. 

30.  Whense  cani  thys  chylde,  I  marvell  soore, 
Thatt  speykyth  to  us  this  mystecally? 

Jesus. 
Surs,  I  wasse  all  you  before,  200 

And  aftur  you  age[i]n  schal  be. 

Doctor  I.  [73] 

äl.  Surs,  ys  nott  this  a  wondrus  thjmg. 

And  also  a  moche  more  mervell? 

How  be  yt,  surely,  in  his  workyng 

The  actis  thereof  ma[y]  foUo  right  well.  205 

For  ase  Dauith  in  his  salme  dothe  teil 

Be  chyldur  yong,  seyng  of  them: 

'Ex  ore  infandum  et  lactancium  perfecisti  laudefn.' 
32.  Of  chyldurs  mo[u]this,  ye  kno  right  well, 

God  hath  performyde  [him]  loving.  210 


188  Ueberschr.  van  Sh,  ergänzt.        190  wondurs.        199  myatecawlly. 
202  wondurs. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  TON  GOVENTBT.  241 

But  of  soch  on  hard  I  neuer  teil, 
He  beyng  but  soo  yong  a  thyng. 

33.  Yett,  sun,  sum-whatt  thow  schuldest  haue  let, 
In  this  place  here  to  speyke  so  large; 

Where  nobull  doctors  togeddur  are  met,  215 

There  chyldurs  wordis  ar  at  no  Charge. 

34.  For  sure,  yff  thow  woldist  neuer  so  fayne 
Labur  thi  wyttis,  to  lerne  owre  lawe, 
Yett  art  thow  nodur  of  myght  nor  majme, 

To  perseyve  thatt,  ase  a  clark  mafy]  kna[w]e.  220 

Jesus. 
My  wordis  in  noo  wyse  wole  I  reyfrayne, 
The  trowthe  thereby  for  to  debarre; 
I  woU  them  prove  bothe  platt  and  plajme 
Be  youre  one  lawis,  and  neuer  arre. 

Doctor  n. 

35.  Mastur[s]  all,  whatt  ma[y]  this  meyne?  225 
I  wondur  soore,  how  t^^is  can  be;                       |74J 
Soo  yong  a  chylde  haue  I  nott  sejme, 

W?tA  clarkis  to  talke  soo  con[n]3mgl6. 

Doctor  m. 

36.  Ase  wyde  in  wor[l]de,  asse  eyuer  I  went, 

Saw  I  neyuer  non  soche  before;  230 

But  I  troo,  amon[g]st  us  he  be  sent, 
To  be  the  saluer  of  owre  sore. 

Jesus. 
Suris,  I  woll  prove  be  a[uJctoris  evedent 
H[i]ar  myster^is,  pan  eyuer  you  red  or  saw. 

Doctor  I. 
Sey,  sun,  w[h]yche  wasse  the  fürst  cowmanderaent,    235 
Thatt  wasse  subscribyd  in  Moses  lawe? 

Jesus. 

37.  Sythe  all  you  masturs  togethur  be  sett 
And  youre  bokys  here  leyde  on  breyde, 
Ley  forthe  youre  reysunis,  and  do  nott  lett, 

How  right  thatt  ye  can  rede!  240 


220  knoe.       222  trawthe.       225  Maaton  Sh. 
absu».  n.  f.  xin.  16 


i4ä  F.  H0LTHAÜ8EN, 

Doctor  n. 
JS.  1  rede,  this  is  the  fürst  byddyng, 
W"[li]yche  Moses  dyd  teche  us  untill: 
FiU'st  honor  God  aboue  all  thyng, 
WftA  all  thy  hartt  and  all  thy  wyll, 
Aud  asse  thy  seif  love  thy  neybur,  [75]    245 

And  in  noo  wyse  to  do  hym  yll. 

Jesus, 
tS^  Ye  nede  noo  nodur  bokis  to  bryng, 
Hut  these  t[wJo  pwjoitis  for  to  insew, 
In  whome  the  whoie  e[f]fecte  dothe  hynge 
Of  all  [y]owre  lawis,  bothe  olde  and  new.  250 

Doctor  m. 
Syth  he  these  t[w]o,  son,  hath  the  schoide, 
Teil  me  the  othur,  chylde,  I  the  pra[y]! 

JesMs, 

40,  The  thryd  beddith  the,  in  any  wey 
Thatt  of  thy  labur  thow  sqjiuldyst  reste 

And  truly  kepe  thy  Sabett-day,  255 

Thy  seife,  pi  servande,  and  thy  best. 

[The  fourthe  beddith  }?e,  alderbest] 

Thy  fathur  and  mothur  for  to  honowre, 

And  when  pe[i]r  goodis  ar  decrest, 

With  all  thy  myght  thow  schuldist  them  succure.      260 

41.  The  tytte  cuiwmandythe,  for  any  reygur 
Man  nor  woman  pat  pn  schuldist  kyll. 
To  fle  adultr^  ys  anothur, 

And  all,  thatt  towchis  any  yll. 
4*i.  The  \ijth  seyis,  thow  schuldyst  nott  steyle  265 

Thy  neyburis  goodis  more  nor  les. 

The  viij/Ä  forbyddyth  the,  to  cownsayle 

Or  to  bere  any  fawls  wyttnes.  [76] 

43.  The  ix^A  forbyddyth,  othys  grett 

In  any  wise  J^u  schuldist  nott  sweyre.  270 

The  last  wold,  )'u  schuldist  no[t]  covett 

Thy  neybuins  goodis,  hyni  to  impere. 

And  this  Mosees  amonge  us  here 


241  is|  in.       242  teche]  rede.       248  insev.       249  afecte.       250  iie^- 
2l>8  bare,   wyttines.        272  apere. 


DAS  8PI£L  DER  WEBER  VON  COVENTRT.  243 

Hathe  declarid,  ]>ai  we  schulde  ken, 

How  to  kepe  these  commandementis  X.  275 

Doctor  I. 

44.  Beholde,  owre  lawis  how  he  dothe  expownde, 
Thatt  neuer  larny[d]  on  boke  to  rede! 
Then  all  we  he  ys  moche  more  profownde 
In  all  trowthis,  yff  we  take  hede. 

Doctor  n. 

45.  Brother,  lett  hym  goo  his  weyis!  280 
For  yff  {>is  abrode  were  knone  perfettly, 

The  peple  wolde  geve  him  more  prefijse 
Then  us  docturs,  for  all  owre  clarg6. 

Doctor  in. 

46.  Ye,  fryndis  bothe,  sythe  yt  ys  soo. 

He  knois  mo  farthur  of  owre  lore.  285 

But  asse  he  cam,  soo  let  hym  goo, 
For  with  us  he  schall  medyll  no  more! 

There  cumy th  Josoff  and  Mar6  sekyug  \>e  chylde,  and  Mar6  seyth : 

Mare. 

47.  A,  dere  Josoff,  whatt  ys  youre  redde? 

Of  my  grett  dolor  noo  böte  ma[y]  bee;  |77] 

My  hart  ys  heyv6  as  any  leyd,  290 

My  chylde  agejme  tyll  I  ma[y]  see. 

We  haue  hym  soght  in  many  a  stede, 

Up  and  downe  these  dejds  III, 

And  wheythur  that  he  be  quyke  or  ded, 

I  do  not  kno  thatt;  woo  ys  me!  295 

Josoff. 

48.  In  sorro  wasse  there  neyuer  man  more, 
But  momyng  ma[y]  nott  ytt  amend. 
Mar6,  wyff,  lett  us  therefore 

Take  the  groce,  that  God  woU  send! 

49.  Yff  chyldurs  cumpany  he  haue  coght,  300 
Abowt  yondur  tempuU  he  ys  füll  ryght. 

Mar6. 
A,  Josoff,  I  see  that  I  haue  soght! 
In  this  worlde  wasse  neuer  soche  a  syght! 


274  ken]  lere.       279  trawthis.       283  us]  we.       285  mo]  no. 

16* 


244  F.  H0LTHAÜ8EN, 

See,  husebond,  where  he  syttyth  aloft 

Amonge  yondur  masturs  soo  moche  off  myght!  305 

Josoff. 
Now  blessid  be  he,  thatt  hethur  us  bi-oght! 
For  now  in  hart  I  am  füll  lyght. 

Mar6. 

50.  Josoff,  ye  kno  the  ordur  well, 

Goo  ye  and  feyche  youre  chylde  and  myne! 

Now  I  see  hym  owt  of  all  petyll,  [78]    310 

Whom  he  schall  with  us  go  hjme. 

Josoff. 

Ey,  Mar6,  wyff,  ye  kno  ryght  well, 

Asse  I  haue  tolde  you  many  a  tyme, 

WitA  men  of  myght  durst  I  nejuer  mell. 

Loo,  dame,  how  the[y]  sytt  in  the[ijre  furis  fyn!        315 

Mar6. 

51.  To  them,  youre  arand  for  to  sey! 
Therein,  Josoff,  per  ys  no  perell; 
The[y]  haue  reygardid  you  alwey 
Because  of  age,  this  wott  I  well. 

Josoff. 
To  them,  wyff,  whatt  schulde  I  sey?  320 

In  feythe,  I  do  nott  knoo  füll  wele. 
Surely,  I  schall  be  schamyde  to  dey, 
For  I  can[n]e  nothur  croke  nor  knele. 

Mar6. 

52.  Then  goo  we  theddur  bothe  t[wJo 

To  them,  pat  sytt  soo  worthe  in  wedel  325 

Yff  ye  woU  not  the  arrande  doo, 
No  rejrmedy,  but  I  must  nede. 

Josoff. 

E[y],  dame,  goo  teil  them  pi  tale  fürst, 

For  lyke  p\x  art,  to  do  thatt  dede!  [79] 

I  wold  teil  mjme,  and  I  durst,  330 

Also  6od  me  spede! 


306  he]  hym.       311  go  hyne]  ageyne.       328  troke  Sh. 


DAS  SPIEL  BEB  WEBER  VON  COVEKTBT.  245 

Mar6. 
58.  A,  Jesus,  Jesus,  my  sun  soo  swetel 
Thy  goojmg  froo  me  soo  suddenly 
Hathe  cawsid  us  bothe,  for  to  wepe 
With  byttur  teyris  abundantly.  335 

Thyn  olde  fathur  here  and  I 
For  thy  sake,  sun,  hathe  lykyd  füll  yll; 
Owre  yis,  the[y]  were  but  seldum  dry, 
But  now,  thatt  we  ar  cum  the  tyll. 

JesvLs. 

54.  Modur,  why  did  you  seke  me  soo?  340 
Hyt  hathe  byn  oft  seyde  you  untill: 

My  fathurs  wyll  for  well  or  woo 
In  eyu6r[yj  pwynt  I  must  fullfyll. 

Mar6. 
Sun,  these  talis,  thatt  you  me  teil, 
Ase  yet  I  can[n]ot  understond.  345 

But  my  hart,  this  kno  I  well, 
Ys  ver6  glade,  I  haue  the  fonde. 

Doctor  I. 

55.  Now  truly,  dame,  no  mervell  ys, 
Thogh  thow  in  haft  were  füll  woo, 

To  lose  soche  a  chylde  asse  this.  [80]    350 

How  long,  wyff,  hathe  he  byn  thee  froo? 

Mar6. 
Syr,  yt  ys  now  these  dayis  m, 
Syth  pat  he  departid  fürst  fro  me. 
I  am  füll  [glade],  here  hym  to  see 
Alyve  witAowt[en]  woo.  355 

Jesus. 

56.  Now  farewell,  masturs  of  myght  and  mayne! 
For  wttA  my  modur  now  must  I  nede, 

For  to  reycomford  hyr  ageyne, 

W[h]yche  soo  longe  for  me  hath  levid  in  drede. 


341  unto  you.         342  f.  My  fathurs  wyU  I  must  folUyll  |  In  eyuf r 
pwynt  for  weU  or  woo.       345  -stand.       347  were.       354  glade  Sh. 


246  F.  H0LTHAÜ8BN, 

Doctor  I. 
Now  thatt  lorde  of  lordis  be  thy  spede,  360 

Where-eyuer  thow  goo  in  any  ehest! 
But  yff  thow  wolt  tarr6,  thow  schalt  not  nede, 
Any  more  to  put  thy  frjmdis  to  quest. 

Doctor  ni. 

57.  How  seyst  thow,  fathur,  for  thy  goo[d]  wyll? 

Wolt  thow  grant  \>i  help  there-tyll,  365 

Awey  thatt  he  do  not  goo? 

Josoff. 
Noo,  Sir,  in  good  feyth,  pat  I  nyll, 
Noi'  neyuer  forgoo  hym  be  my  wyll, 
Nodur  for  frynde  nor  foo.  [81] 

A  long  whyle  we  haue  hym  myst,  370 

And  gone  he  wasse,  or  thatt  I  wyst. 
But  hade  I  hym  wonis  be  the  fyst, 
He  schall  noo  more  doo  soo! 

Mar6. 

58.  Now,  lordyngis,  of  your  curtesse, 

Do  ye  nott  wyll  my  chylde  fi^o  me!  375 

For  witA  my  wyll  yt  schall  nott  be, 
Whyle  thatt  owre  lyvis  last. 

Doctor  I. 
Then  yt  ys  noo  böte,  for  to  intreyte: 
Thy  chylde  I  see,  I  can[n]ot  gete. 
I  tro  yt  be  but  wast  to  speyke;  380 

Thatt  tyme,  I  thynke,  ys  past. 

Jesus. 

59.  Now,  lordyngis  all,  witÄ  youre  lysence, 
Good  tyme  yt  ys,  thatt  we  were  hence. 
I  thanke  [you]  of  youre  hy  sap[ijence, 

Thatt  I  witÄ  you  haue  hade.  385 

Doctor  II. 
Now,  sun,  when  eyner  thow  cuwyst  pis  wey, 
Be  bold  of  hus,  I  the  praye! 


361  qnost  Sh.         362  schult.         363  cost.         364  seyhst.   good  Sh, 
375  Do]  De.         384  you  Sh. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRT,  247 

Yff  thow  to  age  lyve  may, 
Thy  fryndis  ma[y]  be  füll  glade. 

Mar6.  [82] 

ftO.  Now  farewell,  lordis  of  hy  degre!  390 

I  take  my  leyve  at  you  all  three. 
Thatt  lorde,  thatt  ys  in  trenet6, 
He  kepe  you  all  from  care! 

Josoff. 
And  for  the  fjmdyng  of  this  oure  sun 
In  heyvynis  blysse  thatt  ye  ma[y]  wone,  395 


And  yeve  you  well  to  fare! 
61  •  Now  cum  on,  Mar6,  witA  myrrö  chere, 
And  brynge  youre  chyld  with  you  here! 
At  Nazarethe  now  I  wold,  wee  weyre. 

Mar6. 
Sir,  in  good  tyme  wee  schall  cum  there:  400 

The  wey  and  weddur  and  all  ys  feyre, 
Whereoff  am  I  right  fayne. 

Josoff. 
In  this  place  whyle  we  ar  here, 
Loke,  thatt  we  haue  all  owre  gere, 
Thatt  we  cum  nott  agayne!  405 

Mar6. 
62.  Josoff,  husebonde,  we  mys[s]e  nothyng 


But  at  youre  wyll  lett  us  be  gooyng, 

Asse  fast  ase  eyuer  we  con! 

Ande  now  att  all  this  cumpany 

My  leyve  I  take,  and  pat  füll  humbly:  [83]    410 

Unto  thatt  lorde  most  myghty 

Now  I  betake  you,  eyuerfe  mon. 

Josoff. 
63.  Now  farewell,  my  fryndis  all! 

For  I  must  goo,  whatt  eyuer  befall. 

Nedis  must,  pai  nedis  schall:  415 

Be  me  here  may  you  kno. 

395  ye]  we.        408  can. 


248  F.  H0LTHAÜ8EN, 

A,  thatt  all  you  ma[y]  use  thatt  weyis, 

At  all  tyme^  youre  wyvis  to  pleyse! 

Then  schall  you  avoide  moche  dysees. 

6od  grant,  thatt  you  ma[y]  do  soo!  420 

Doctor  I. 
64.  Now,  ye  lordis,  thatt  hathe  the  lawis  to  leyde, 
Marke  well  the  wordis,  thatt  hathe  byn  seyde 
Be  yondur  chylde  of  wysedome  grett, 
W[h]yche  at  this  tyme  amonge  us  here 
Declarid  owre  lawis  be  clarge  clere,  425 

W[h]yche  be  his  actis  dothe  apere, 
Thatt  of  6od  he  ys  eylecte! 

Doctor  n. 
fto.  Now  surely,  yt  can  no  nothur  be: 
For  he  ys  nott  levyng,  pat  eyner  see 
Soch  hy  knoleyge  of  exsel[ljenc6  430 

In  soo  tendur  uthe. 

For  in  owre  moste  hyist  dysspu[taJcioni8 
To  them  he  gave  tru  solussionys,  [84] 

And  also  made  exposysionis 
Ac[c]ordyng  to  the  truthe.  435 

Doctor  in. 
ftft.  Ys  not  thys  a  wondrus  case, 

Thatt  pis  yonge  chylde  soche  knolege  hase? 

Now  surely,  he  hath  a  spesschall  groce, 

Soo  hy  dowtis  desamyng, 

Thatt  we,  w[hjyche  nobuU  docturs  be,  440 

And  gi^aduatis  gret  of  antequet^, 

Now  on  this  place  wttÄ  infanc6 

Ageyne  ar  sett  to  lamyng. 

Doctor  I. 
67.  Now,  bredur  bothe,  be  my  consell 

These  myghtt6  matters  you  sett  on  syde,  445 

And  in  avoidyng  of  more  perell, 
Thatt  here  apon  myght  betyde! 


419  awoide.  432  dysspecionis.  438  gawe.  solyssionys.  436  wondurs 
438  spoBschall.  439  desernyng.  441  gradndis.  of  old  antequete.  442  And 
now.   with  yonge.        444  brodur. 


DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COYENTBY.  249 

Therefore  lett  us  no  lengar  abyde, 

In  these  cawsis  for  to  contende! 

For  this  dey  ys  almost  at  an  yende.  450 

Doctor  n. 

68.  Now,  brethur  bothe,  syth  yt  ys  soo, 
Ase  ver6  nature  dothe  me  compell, 
Here  my  trowthe  I  plyght  you  t[w]o, 
In  hart  for  euyer  with  you  to  dwell. 

Doctor  m.     .  [85] 

69.  Now,  masturs  all,  be  won  assent  455 
All  owre  matters  reyjurnyd  be, 

Tyll  thatt  a  dey  of  argament 

Ma[y]  be  apwjmtyd  indy£ferentl6, 

Where  you  [teche]  all  the  com[m]enalt6. 

You  ma[y]  departe  on  this  condyssion,  460 

Thatt  ye  at[t]ende  at  the  next  monyssion. 

Doctor  I. 

70.  Now,  fryndis,  tochyng  owre  festevall  dey, 
Ys  there  oght  eis,  pat  I  ma[y]  sey? 

Doctor  IL 
No  more  now,  bute  evyn  awey! 
For  the  nyght  drawls  fast  apon.  465 

Doctor  ni. 
And  of  youre  cumpany  I  wold  you  pm[y|. 
And  here  I  take  my  leve  at  eyuarfe  mon. 


T[h]ys  matter  nevly  translate  be  Robert  Croo  in  the  yere 
of  oure  Lorde  God  MVxxxiiij**,  then  beyng  meyre  Mastur 
Palmar  beddar,  and  Rychard  Smythe  an[d]  [Herre]  Pyxley 
masturs  of  the  Wey  wars.  thys  boke  yendide  the  seycond  day 
of  Marche  in  [pe]  yere  above  seyde. ') 


Thomas  Mawdycke.      [86] 
1.  Re Joyce,  rejoyce,  all  that  here  be! 

The  Angell  these  tythyng[s]  hath  browght, 


459  Where  all  you.        462  festefall. 
')  Die  ergämungen  von  8h, 


250     F.  H0LTHAU8EN,  DAS  SPIEL  DER  WEBER  VON  COVENTRY. 

That  Simion,  before  he  dye, 

Shalle  se  the  Lorde,  w[hjtch  all  hathe  wrowght. 

3.  Wherefore  now  let  us  all  prepare, 
Ower  temple  that  yn  order  be! 
For  he  hathe  put  awey  owre  care, 
The  seconde  persone  in  trinitye. 

Bychard, 

3.  Beholde,  how  hit  ys  come  to  pas[sje, 
That  manye  yeres  before  was  tolde, 
How  i>at  Christ,  owre  ryght  Messyas, 
By  Jwdas  scholde  be  bowght  and  solde! 

4.  For  owre  offence  he  man  became, 
His  fathers  wrathe  to  pacyfye, 
And  after  mekely,  as  a  lamb, 
Upon  the  cros[s]e  there  dyd  he  dye. 

5.  0  Lorde,  as  pu.  hast  bowght  ns  all, 
And  suffryd  at  Mownt  Callverye, 
Recownfort  ns,  bothe  gret  and  small, 
That  yn  thy  trewth  we  lyve  and  dye! 

James  HewyL 


5,  1  %md  3  VLs]  ytM. 


Kiel,  Dezember  1901.  F.  Holthausen. 


CHAUCER  AS  A  CHARACTER  IN  FICTION. 


The  Student  of  the  English  novel  now  and  then  runs 
,cross  an  imitation  of  Chaucer's  felicitous  device  for  connecting 
,  series  of  stories.  As  an  example  not  too  remote,  may  be 
ited  The  Canterbury  Tales  (5  vols.  Lond.  1797—1805)  of 
larriet  and  Sopliia  Lee,  consisting  of  twelve  stories  told  by  a 
ompany  snow-bound  at  a  Canterbury  inn.  The  powerful  tale 
elated  by  the  German  traveller  and  called  "Kruitzner"  was 
he  delight  of  Lord  Byron,  who  dramatized  it  under  the  title 
f  "Werner".  The  coUection  as  a  whole  was  also  populär  in 
ts  owTi  time  and  it  kept  a  place  with  the  reading  public 
own  to  the  middle  of  the  nineteenth  Century.  And  now  just 
bis  last  year  (1901),  Maurice  Hewlett  has  ventured  upon 
Jew  Canterbury  Tales,  six  little  novels  marvellously  well 
old  by  a  Company  of  pilgrims  on  the  way  from  Winchester 

0  the  shrine  of  Thomas  ä  Becket.  CoUections  of  prose  tales 
hus  bound  together  in  the  Chaucerian  manner  are  not  rare 

1  English  literature.  What  is  rare  is  the  introduction  of 
Ihaucer  himself  as  one  of  the  characters.  This  however  has 
een  done,  and  the  curious  instance  that  I  am  to  describe, 
rill  be  of  interest,  I  trust,  to  Chaucer  students.  Chaucer  in 
ction  is  a  field  not  yet  exploited. 

In  1790,  James  White,  a  graduate  of  Trinity  College, 
)ublin,  published  at  Dublin  an  historical  romance  entitled 
^he  Adventures  of  John  of  Gaunt,  Duke  of  Lancaster 

2  vols.  12  mo.).  The  manuscript  (so  says  the  introduction)  was 
ompiled  in  Latin  "by  friar  Hildebrand,  a  Cistercian,  at  the 
eslre,  and  under  the  auspices  of  Geoffrey  Chaucer,  that 
leasant  poet,  for  the  use  of  his  neighbour  the  lord  abbot  of 
leading".    Disco vered  by  James  White,  as  he  was  wandering 


252  WILBUR  L.  CBOSS, 

through  "the  mins  of  an  ancient  castle  well  known  to  have 
been  a  residence  of  Geoffrey  Chaucer",  it  was  turned  into 
English  for  the  edification  of  the  general  public.  The  ad- 
ventures  are  related  by  John  of  Gaunt  to  Lord  Edmund 
Mortimer,  who  as  the  result  of  a  mishap  in  a  toumament  is 
confined  to  his  Castle.  The  Duke  of  Lancaster  Visits  "his 
valiant  kinsman"  every  day  and  reels  off  a  section  of  the 
narrative.  The  romance  is  thus  whimsically  divided  into 
"Visits"  instead  of  chapters.  And  now  for  the  story.  Four 
of  the  sons  of  Edward  III.,  viz.,  Edward  the  Prince  of  Wales 
known  as  the  Black  Prince,  John  of  Gaunt,  the  Duke  of  York, 
and  the  Duke  of  Gloucester,  all  in  disguised  armour,  set  out 
from  Windsor  for  Warwick  castle.  They  have  not  gone  far 
before  they  overtake  Owen  Glendower,  who  is  on  his  way 
from  tlie  English  court  to  his  castle  on  the  river  Dee.  He 
easily  persuades  them  to  tum  away  from  Warwick  to  the 
royal  castle  of  Carnarvon  that  they  may  be  present  at  a 
"gorgeous  toumament"  to  be  presided  over  there  by  the 
Countess  of  Salisbury  —  her  of  the  beautiful  garter  —  and 
many  fair  damsels  under  her  protection,  including  Ermenilda, 
daughter  to  the  Earl  of  Warwick  and  "fairest  of  the  fair", 
with  whom  the  Black  Prince  is  desperately  in  love.  The 
knights  proceed,  touching  at  Woodstock  for  breakfast  with 
Chaucer.  The  poet  who  had  never  visited  the  "romantic  prin- 
cipality"  of  Wales  was  desirous  of  taking  part  in  the  expe- 
dition.  His  fellowship  was  most  agreeable.  Now  foUows  on 
the  road  to  Wales  a  series  of  adventures,  the  most  notable  of 
which  is  the  capture  of  the  party  by  a  band  of  merry  outlaws. 
They  escape  and  reach  Carnarvon  castle  just  in  time  for  the 
magnificent  ball  given  by  the  Countess  of  Salisbury  and  the 
toumament  on  the  following  moming.  The  Black  Prince, 
discovering  that  the  fair  Ermenilda  loves  another,  magnani- 
mously  resigns  her,  and  proceeds  with  his  Company.  They 
Visit  the  Isle  of  Man  to  liberate  the  lords  and  ladies  held  in 
vile  servitude  there  by  a  monstrous  caitiff,  and  then  they  go 
on  by  way  of  Carlisle  to  Netherby,  where  a  sharp  batüe  is 
fought  against  the  Scots.  After  the  victory,  Chaucer  repairs 
to  Donington  castle,  of  which  he  had  lately  become  possessor, 
and  the  Black  Prince  retums  to  the  South  to  die  of  a 
"malignant  distemper". 


CHAUCER  AS  A  CHABACTBR  IN  FICTION.  253 

Throughout  the  narrative,  Chaucer  is  represented  as  leamed, 
hospitable,  and  shrewd.  When  his  visitors  arrived  in  early 
morning  at  Woodstock,  "Geoffrey  was  still  abed".  He  soon 
however  made  his  appearance  and  welcomed  them  with  courtesy 
and  respect.  "The  board  was  quickly  loaded  with  invigorating 
viands,  and  witty  discourse  went  round.  Breakfast  concluded, 
the  bard,  at  my  [John  of  Gaunt'sJ  desire,  recited  some  frag- 
ments  of  a  yet  unfinished  lay,  the  title  of  which  was  'The 
House  of  Farne'.  Our  attention  was  not  ill  bestowed;  the 
production  was  excellent,  and  the  Black  Prince,  who  loved  to 
give  merit  its  due  praise,  was  the  foreinost  to  applaud  the 
invention  and  the  skill  which  Chaucer  had  displayed  in  that 
diverting  and  instructive  poem.  Yet  he  could  not  help  observing 
that,  in  some  parts,  the  lines  were  incorrect  as  to  metre." 
While  Chaucer  stepped  out  to  have  "his  best  palfrey"  made 
ready  for  the  joumey  into  Wales,  his  guests  looked  over  his 
books,  "which,  being  ranged  with  regularity  on  shelves,  and 
clad  in  vellum,  were  equally  of  use  and  omament  in  the 
parlour  of  the  poet.  There  lay  invaluable  copies  of  histories 
(transcribed  with  great  art  and  beauty)  which  treated  of  the 
exploits  of  the  ancient  Greeks  and  Romans,  many  Saxon  poems 
also,  many  ballads  of  the  Troubadours;  the  novels  of  his  co- 
temporary  Giovanni  Bocaccio,  and  the  incomparable  sonnets 
of  the  celebrated  Petrarch.  These  two  writers  were  personally 
known  to  Geoffrey,  who  in  his  travels  had  met  them  at  the  courts 
of  the  Italian  princes.  Of  books  of  chivalry  he  possessed  a 
precious  störe.  Owen  Glendower  searched  for  the  history  of 
king  Arthur,  affirming  with  a  loud  voice,  and  with  vigorous 
gesture,  that  no  hero  of  antiquity,  or  of  modern  days,  could 
be  justly  compared  to  the  British  worthy".  When  the  ad- 
venturers  were  afterward  beset  with  difficulties  on  their  ex- 
pedition,  they  invariably  tumed  to  Chaucer,  who  was  always 
ready  with  most  prudent  counsel.  Through  his  craft  they 
escaped  from  the  merry  outlaws  without  loss  of  blood,  and 
rescued  from  the  tyrant  of  the  Isle  of  Man  the  "majestic  and 
angelic  damsels"  who  had  been  set  to  the  most  menial  Services. 

New  Haven,  Ct.,  U.  S.  T.  Wilbub  L.  Cboss. 


EACH—HAVE;  A  SCISSORS. 


Prof.  Alphonso  Smith  stellt  an  die  spitze  seiner  erörtenmg 
A  Note  on  the  Concord  of  Collectives  and  Indefinites 
in  English  (Anglia,  bd.  XXIII,  heft  2,  s.  242)  die  Panische 
begriffsbestimmnng  des  kollektivnms  nnd  knüpft  daran  die  frage, 
wie  es  komme,  dass  manche  sprachen,  besonders  das  Englische, 
die  pronomina  nnd  verbalformen,  welche  sich  auf  ein  solches 
beziehen,  in  den  plural  setzen,  und  giebt  dann,  Fitzedward 
HaH's  versuch,  den  Wohlklang  dabei  beteiligt  zu  sehen,  zurück- 
weisend, die  naheliegende  und  natürliche  erklärung,  dass  die 
Vorstellung  der  mehrheit,  die  im  koUektivum  trotz  dessen 
singularischer  form,  bestehen  bleibe,  leicht  wieder  übermächtig 
werde;  "but  as  it  begins  to  share  in  tlie  activity  of  the  sentence, 
and  as  attention  becomes  more  and  more  centred  upon  it^  dis- 
integration  sets  in.  It  escapes  from  the  thraldom  of  its  Singular 
form,  and  its  dependencies  all  become  plural".  Dann  wirft 
er  die  frage  auf,  ^why  do  we  not  sometimes  find  a  change 
from  plural  to  Singular  in  the  concord  of  these  words  ?  Why 
is  it  always  from  singular  to  plural?"  Diese  stelle  enthält 
so  wie  sie  ist,  eine  Unklarheit.  Ein  kollektivum,  dessen  wesen 
es  ist,  äusserlich  ein  singular  zu  sein,  kann,  wenn  es  sozu- 
sagen auseinanderfällt,  natürlich  nur  zum  plural  werden  oder 
besser,  syntaktisch  als  solches  behandelt  werden ;  es  kann  also 
euch,  everybody,  euch  man  nur  anfangen,  so  viel  zu  gelten, 
wie  all  mm.  An  einem  Sammelbegriff  kann  sich  nur  dieser 
eine  Vorgang  vollziehen,  der  fortschritt  von  der  einheit  zur 
mehrheit.  Denn  wenn  man  das  kollektivum  dann  wieder 
streng  als  singular  behandelte,  so  träte  ja  nur  der  ursprüng- 
liche und  von  der  logik  gebotene  zustand  ein.  Dies  kann 
A.  Smith  also  nicht  gemeint  haben.    Ich  habe  mir  vielmehr 


G.  KRUEGEB,   EÄCH—HAVE;  A  SOI880R8,  255 

erlaubt,    seine   frage   "warum   kommt  im  Englischen  nicht 
auch  der  umgekehrte  fall  vor,  dass  Wörter,  die  der  form  nach 
plural  sind,    allmählich  zu  singularen  werden?"   in  dem 
einzig  möglichen  sinn  aufzufassen.    Und  da  habe  ich  mich  dann 
bemüht  aufzuzeigen,  dass  er  thatsächlich  vorhanden  ist  und 
auf  grund  desselben  psychologischen  geschehens  sich  vollzieht, 
indem  nämlich  hier  die  Vorstellung  von  der  mehrheit  erblasst 
und  sich  die  der  einheit  an  ihre  stelle  schiebt.    Ich  glaube, 
damit  die  einzige  richtige  auffassung  seiner  frage  getroffen 
zu  haben,  und  tiberlasse  die  entscheidung  dartiber  ihm,  der 
darüber  ein  besserer  richter  ist,  als  herr  Wilson,  dem  offenbar 
nicht  gelungen  ist,  einzusehen,  was  ich  mit  meiner  ergänzung 
zu  Smith's  note  beabsichtigte.     Der  satz  "If  we  foUow  the 
collective  a  little  further  into  the  sentence  or  paragraph,  we 
shall  find  that  is  breaks  up  into  its  constituent  parts",  sagt 
genau  das,  was  vorher  und  nachher  gesagt  worden  ist,  die 
auflösung    des   Sammelbegriffs    in   seine    bestandteile.     Herr 
Wilson  hat  offenbar  den  ganzen  sinn   der  frage  nicht  ver- 
standen, in  folge  dessen  kann  mir  auch  sein  urteil,  ob  meine 
bemerkungen  bedeutungslos   sind,   gleichgültig  bleiben.     Er 
hätte   so  freundlich  sein  sollen,   zu  bezeichnen,  was  davon 
"must  fall  to  the  ground".    Etwa  die  feststellung  meinerseits, 
dass   pluralische   Wörter   doch   i.  e.  zu  singularen   werden? 
Das  muss,  mit  seiner  erlaubnis,  stehen  bleiben. 

Eine  gerade  zu  kühne  behauptung  ist  die,  dass  "their 
ose  as  Singulars  (von  Wörtern  wie  glass-tvorks,  harraclcsy  hellows) 
]&  not  brought  about  by  any  transition".  Das  rätsei,  wie 
ein  plural  ohne  Übergang,  ohne  änderung  des  vorstellungs- 
inhalts  zum  Singular  sich  wandeln  soll,  mag  man  sich  von 
herm  Wilson  lösen  lassen.  Die  erklärung,  die  er  zum  besten 
giebt,  dass  sie  vielleicht  deshalb  als  singulare  gebraucht  werden, 
weil  sie  ohne  rücksicht  auf  die  form  wirkliche  singulare  an 
bedeutung  sind,  "  hello ws,  for  instance,  meaning  one  thing  and 
not  a  collection  of  things",  ist  so  richtig  wie  onkel  Bräsigs 
"dass  die  grosse  armut  von  der  grossen  poverteh  kommt". 
Dazu  war  doch  wohl  ein  Übergang  nötig?  Und  zwar  genau 
so  "a  transition  in  concord",  wie  dort,  nur  umgekehrt.  None 
—  are  und  the  gas-works-is  sind  vollkommen  analoge  Vorgänge ; 
das  vorheiTschende  siegt.  Ganz  dunkel  bleibt  mir  "the  de- 
pendencies  of  glass-works  would  surely  become  plural,  granted 


256  G.  KBÜEGER,    EACH—HAVB;  A  aCiaSORS, 

that  it  had  been  nsed  as  a  singnlar.  In  an  answer  to  the 
question  *  Where  is  the  glass  works?'  the  pronoun  wonld  most 
naturally  be  they".  Für  viele  Engländer  ist  nach  meiner 
beobachtung  es  "das  natürlichste",  sich  mit  it  darauf  zu  be- 
ziehen. Wir  haben  hier  eben  ein  gebiet  sehr  schwankenden 
Sprachgebrauchs;  der  eine  empfindet  mehr  die  äussere  plura- 
lische form,  der  andere  mehr  die  sachliche  einheit  Herr 
Wilson  würde  sich  meinen  dank  verdient  haben,  wenn  er  statt 
seiner  zur  sache  nichts  beitragenden  krittelei  beitrage  dazu 
geliefert,  wie  ich  sie  erbat:  eine  auskunft  über  alle  möglich- 
keiten,  denen  diese  plurale  syntaktisch  ausgesetzt  sind  und 
wie  sich  das  Sprachgefühl  der  gebildeten  dazu  verhält.  Eng- 
länder habe  ich  schon  genug  darüber  befragt  —  ihre,  sehr 
verschieden  ausgefallenen  antworten  zeigen  ganz  klar,  dass 
hier  jtavxa  gtl.  Nun  hätte  ich  gerne  auch  noch  amerikanische 
stimmen  gehört. 

Berlin.  G.  Krueger. 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZUNG. 


Während  bis  vor  kurzem  die  beschäftigung  mit  der  alt- 
englischen  Übersetzung  von  Bedas  kirchengeschichte  durch  den 
mangel  eines  handlichen  textes  recht  erschwert  wurde,  ist 
nunmehr  durch  die  ausgaben  von  Miller  und  Schipper  der  zur 
erforschung   dieses    hochinteressanten  denkmaLs  erforderliche 
apparat  in   bequemster  weise   zugänglich    gemacht   worden. 
Zugleich  ist   uns   als  hülfsmittel   zur  vergleichung  mit  dem 
original  und  zur  belehrung   über   historische  fragen,  sonvie 
'realien'  mannigfachster  art,  Plummers  vorzügliche  commen- 
tierte  ausgäbe  des  lateinischen  textes  (Oxford  1896j  geschenkt 
worden,  welche  jedenfalls  auf  absehbare  zeit  als  die  mass- 
gebende wird  gelten  dürfen.    Ein  blick  in  diese  drei  werke 
zeigt  dass  die  behandlung  des  altenglischen  textes  hinter  der 
des  lateinischen  noch  weit  zurücksteht.     Schipper  hat  von 
vornherein  auf  die  herstellung  einer  kritischen  ausgäbe  ver- 
zichtet, und  die  von  ihm  bei  dem  abdruck  der  hss.  befolgten 
Prinzipien  sind  gewiss  nicht  einwandfrei.    Miller  hat  in  rich- 
tiger Würdigung  des  zuerst  von  Zupitza  klar  erkannten  hand- 
schriftenverhältnisses  die  Tanner-hs.  (T)  zu  gründe  gelegt  und 
die  lücken  derselben  nach  den  nächstbesten  hss.  ergänzt.    Auch 
eine  reihe  verständiger  emendationen  .sind  von  dem  englischen 
heransgeber  vorgenommen  worden,  wenngleich  derselbe      M 
im  ganzen  noch  etwas  zu  konservativ  und  im  einzelnen  m< 
immer  ganz  konsequent   verfahren  ist.     Dagegr^n  hat 
gänzlich  von  anmerkungen  abgesehen,  die  trotz  seiner  h 
reichen  einleitongen  durchaus  nicht  unnOtig  gewesen  i 
Schipper  hat  seinem  texte  zwar  vierzig  seiten  aniL-rr] 
beigegeben,  doch  sind  dieselben«  der  einrieb  tung  seiner  & 
gemäfis,  zum  grasen  teile  darauf  gerichtet,  eine  &nzi 
Amgom.  X.  V.  xzn.  17 


258  PR.  KLAEBER, 

nichtsnutzigen  lesarten  in  B  zu  beleuchten.  Es  bleibt  dem- 
nach noch  genug  zu  thun  übrig,  ehe  wir  mit  der  Bedaüber- 
setzung  als  einer  wirklich  bekannten  grosse  rechnen  dürfen, 
und  ein  beitrag  zum  Studium  des  textes  wird  nicht  äberflüssig 
erscheinen. 

Wir  erlauben  uns  hier  ein  paar  sätze  aus  einer  der  Modem 
Language  Association  of  America  (Central  Division)  auf  der 
Jahresversammlung  zu  Nashville,  Tenn.,  December  28,  1899 
vorgelegten  arbeit  zu  citieren  (vgl.  das  kurze  r6sum6  in  Public. 
of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America,  Vol.  XV,  Proceedings, 
pp.  LXXII  f.).  "So  far  little  has  been  done  in  the  way  of 
detailed  investigation.  Though  the  Alfredian  works,  as  a  whole, 
have  called  forth  quite  a  crop  of  German  doctoral  dissertations, 
there  is  only  one  devoted  exclusively  to  *  Bede ',  written  by  a 
pupil  of  Zupitza.  Further,  apart  from  Miller's  valuable  studies 
—  in  his  two  Introductions  and  his  monograph  on  the  *  Place 
Names'  — ,  and  a  number  of  more  or  less  incidental  observa- 
tions  by  various  scholars,  only  one  special  paper  on  cur  text, 
by  Dr.  Pearce,  has  been  made  public,  unfortunately  merely  in 
the  form  of  an  abstract  (Public,  of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of 
America ,  Vol.  VIII ,  Proceedings ,  pp.  VI  ff.).  How  much  un- 
certainty  still  prevails  regarding  the  mere  textual  Interpretation, 
is  evidenced  by  nearly  all  text-books  which  contain  specimens 
from  the  'Bede'.  What  is  needed,  then,  in  the  first  place,  is 
not  new  theories  and  speculations ,  but  patient  delving  into 
linguistic  details." 

Die  handschriften-  und  dialektfrage  betreffend,  schliessen 
wir  uns  im  wesentlichen  an  MUler  an.  Dass  der  Originaltext 
anglisches  gepräge  trug  und  in  den  verechiedenen  hss.  mehr 
oder  weniger  durchgreifend  in  südliche  mundart  umgeschrieben 
wurde,  darf  nicht  mehr  bezweifelt  werden.  Immerhin  bleibt 
auch  jetzt  noch  Sievers'  alter  satz  (Beitr.  IX  283)  zu  recht 
bestehen,  dass  die  spräche  des  Beda  in  mehr  als  einer  be- 
Ziehung  "so  viel  auffälliges  zeigt",  und  wir  behalten  uns 
eventuell  eine  zusammenfassende  Untersuchung  über  die  be- 
sondere Stellung  des  Beda  unter  den  altenglischen  denk- 
malern  vor.*) 

^)  Dem  obeu  erwähnten  aufsatz  entnehmen  wir  das  folgende:  "In 
Dr.  Miller's  opinion,  the  Anglian  colonng,  which  is  fonnd,  with  Tiiyisg 


ZUB  ALTENGLISCHEN  BEDACbERSETZUNG.  259 

Es  wird  sich  mehrfach  gelegenheit  bieten,  lexikalische 
eigentümlichkeiten  zu  besprechen,  unter  vergleichender  heran- 
ziehung  der  hauptmasse  der  uns  zugänglichen  litteratur.  Wie 
in  dem  genannten  Vortrag  von  uns  hervorgehoben  wurde, 
—  "The  vocabulary  of  our  text  is  characterized  on  the  one 
hand,  by  a  considerable  number  of  rare  words,  more  or  less 
distinctly  Anglian  vocables,  and  terms  of  poetical  flavor,  and 
on  the  other  hand,  by  '  unnatural  words '  (Sweet),  chiefly  Com- 
pounds and  derivatives  formed  in  close  imitation  of  the  Latin 
original.  The  former  class  justly  demands  our  primary  atten- 
tion. Several  words  belonging  here  have  already  been  pointed 
out  by  Miller,  a  few  others  have  been  incidentally  recorded 
by  Pearce,  Mather,  and  Helen  Bartlett.  But  the  percentage 
of  such  noteworthy  words  is  much  higher  than  seems  to  have 
been  hitherto  assumed."  Millers  liste  auffälliger  Vokabeln  — 
mit  ausschluss  einiger  unsicherer  oder  uns  nicht  einleuchtender 
fälle  —  umfasst  die  folgenden  worte:  ono;  ac  (fragepartikel)  ; 
in  (praeposition,  =  on)\  leoran;  fces\  *goian;  meorÖ,  —  F.  J. 
Mather  hat  ferner  auf  nemne  aufmerksam  gemacht  ('The  con- 
ditional  sentence  in  Anglo-Saxon ',  p.  80 ;  Mod.  Lang.  Notes  IX, 
coli.  152 ff.;  vgl.  Napier,  Mod.  Lang.  Notes  IX,  col.  318);  J.  W. 
Pearce  hat  das  'poetische'  dogor  und  rodor  hinzugefügt  (Public, 
of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America,  Vol.  VIII,  Proceedings, 
p.  VII);  Helen  Bartlett  hat  auf  den  gebrauch  von  sead  (gegen- 
über pytt)  und  esne  (=  seruus)  hingewiesen  ('The  metrical 
division  of  the  Paris  Psalter',  Baltimore  1896,  pp.  14ff.).  *) 

intensity,  all  through  the  text,  has  to  be  looked  upon  as  a  survival  rather 
than  scribal  Innovation.  But  a  marked  hesitation  to  accept  this  view  is 
still  to  be  met  with.  It  is  argued  in  conservative  quarters  that  the  original 
MS.  may,  after  all,  have  been  written  in  Alfredian  WS.  and  later  been 
transformed  by  Anglian  scribes,  perhaps  generations  of  such;  and  the 
parallel  case  of  Alfred's  translation  of  Boethius  could  have  been  quoted, 
which  is  now  considered  to  have  passed  through  the  hands  of  Kentish 
copyists  and  thus  to  have  lost  its  W^S.  purity.  Still  it  is  only  fair  to  insist 
Qpon  the  fact  that  all  internal  MS.  evidence  points  the  other  way,  and  it 
is  for  the  opposing  party  to  bring  forth  proof  of  that  WS.  original.  — 
Particnlarly  instructive  are  those  cases  in  which  discrepancies  between  the 
dififerent  MSS.,  notably  obvious  scribal  blunders,  enable  ns  to  settle  the 
archetypal  reading  beyond  the  possibility  of  doubt.  Numerous  Anglian 
forms  and  Anglian  words  are  thus  established  as  unquestionably  original." 
^)  Hein  lautliche  (oder  flexivische)  besonderheiten  sind  davon  zu 
trennen,  wie  ceniic  (--=  *angelicus'),  frecemes,  praet.  kort  (Miller).    wi(g)bed 

17* 


260  FB.  KLAEBEB, 

Selbstveretändlich  ist  bei  der  beurteilung  des  Wort- 
schatzes eine  gewisse  reserve  geboten,  und  manche  aufstellangen 
werden  nur  als  vorläufig  richtig  anzusehen  sein.  Einerseits 
die  lückenhaftigkeit  der  Überlieferung  und  die  Unsicherheit  in 
der  genauen  lokalisierung  nicht  weniger  denkmäler,  andrerseits 
doch  wieder  die  Schwierigkeit,  die  gesamte  veröffentlichte 
prosalitteratui*  durchzuarbeiten,  müssen  zur  vorsieht  mahnen. 
Es  ist  weiter  zu  bedenken,  dass  ein  wort,  das  etwa  als  spe- 
zifisch mercisch  oder  northumbrisch  zu  bezeichnen  wäre,  gleich- 
wohl auch  einmal  von  einem  Westsachsen  gebraucht  worden 
sein  kann;  war  ihm  dasselbe  nicht  eben  geläufig,  so  mag  es 
ihm  doch  nicht  unbekannt  gewesen  sein.  Dass  sich  ferner 
Prosaiker  gelegentlich  gern  poetischer  redensarten  oder  worte 
bedienten,  bedarf  keines  be weises.  Besonderes  gewicht  ist 
demnach  —  für  die  heimatsbestimmung  —  auf  die  häufigkeit 
im  gebrauch  der  betreffenden  Vokabeln  zu  legen.  Lieblings- 
worte des  Übersetzers  (bezw.  der  Übersetzer)  des  Beda,  wie 
nemne,  ono,  leoran,  lefnes,  semninga,  gen(ä),  sind  in  erster  linie 
in  betracht  zu  ziehen.*) 

Wir  lassen  ein  Verzeichnis  der  uns  bekannten  Schriften 
und  auf  Sätze  folgen,  welche  sich  mit  dem  Beda -texte  be- 
schäftigt haben. 

Anzeige  von  Millers  ausgäbe:  Pearce,  Mod.  Lang.  Notes 
Vn,  coli.  102  ff.  —  Anzeigen  von  Schippers  ausgäbe:  BtUbring, 
Anglia  Beiblatt  X  33  ff.;  Binz,  Engl.  Stud.  XXVH  122  ff.; 
Klaeber,  Journal  of  Gmc.  Philol.  II  384  ff. 

Thomas  Miller,  Place  Names  in  the  English  Bede  and  the 
the  Localisation  of  the  MSS. ,  1896  (QF  78).    Angezeigt  von 

(==  weofod)  (H.  Bartlett)  gehört  ebenso  wohl  in  die  lauüehre  wie  etwa 
heorod  (=  hired),  heorde  (=  hierde),  brey  (=  brsew),  etc.  —  rodar  (Pearce) 
in  424.20,  428.25  ist  nicht  überraschend,  da  es  im  physikalischen  sinne 
'Firmament*  gebraucht  wird,  vgl.  den  lat.  text;  Boeth.  125.31, 126.5,  etc.  — 
haiian  (Miller)  wird  auch  im  ws.  angetroifen:  Cura  Past.  173.  20;  -ElMc, 
Hom.  Cath.  I  250. 18  (übrigens  auch  OE.  Martyrology  (ed.  Herzfeld)  102.  22). 
—  leoran  kommt  ein  paar  mal  in  JSlfric's  Saints  vor:  Vol.  1150.  752,  761; 
52.  804  QUeorde);  11  352.  285  (geleorednysse).  (Oft  in  Dial.  Greg.  (Bibl.  der 
ags.  Prosa  V),  175.  8,  191. 18,  192.  8,  282. 11,  291.  22,  29a  16,  325.  27,  etc.) 
*)  "Surveying  our  lists,  we  would  say  that  of  the  relatively  greatest 
signiücance  is  the  habitual  ose  of  certain  words  of  recognized  Angliau 
Standing,  such  as  the  adverb  gen  (gena)y  which  is  met  with  on  nearly  evexy 
page*'  (aus  genanntem  Vortrag). 


zun  ALTEKGLTSCHEN  BEDAÜBERSETZUNG.  261 

Binz,  Z.  f.  d.  PMlol.  XXIX  414  ff.;  Hoops,  Literaturbl.  XVm 
226 ff.;  Pabst,  Anglia  Beiblatt  VH!  133  f. 

August  Schmidt,  Untersuchungen  zu  König  iElfreds  Beda- 
übersetzung.    Diss.  Berlin  1889. 

J.  W.  Pearce,  Did  King  Alfred  translate  the  Historia  Eccle- 
mastica  ?  (Public,  of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America,  Vol.  ViJi, 
Proceedings,  pp.  VI  ff.) 

Sievers ,  Beitr.  IX  285  f.  (anglische  Formen  im  Beda).  — 
(Eine  kurze  Übersicht  über  die  wichtigsten  sprachlichen  er- 
scheinungen  wurde  gegeben  in  den  von  uns  veröffentlichten  'Old 
English  historical  prose  texts'  (Minneapolis  1896),  pp.  63  ff.) 

Zur  dialektfrage  ist  natürlich  —  ausser  Sievers'  Gram- 
matik —  die  sämtliche  speziallitteratur  zu  rate  zu  ziehen. 
Doch  heben  wir  als  besonders  nützlich  hervor  die  arbeiten 
von  Zeuner  (Vesp.  Ps.),  Brown  (Rush.O,  Lindelöf  (Rit.);  Na- 
piers  Chad  (Anglia  X  131  ff.);  die  Glossare  von  Cook  (Lindisf. 
Go.)  und  Lindelöf  (Bush.  2);  R.Wolffs  Untersuchung  der  Laute 
in  den  kentischen  Urkunden,  Diss.  Heidelberg  1893. 

An  syntaktischen  Untersuchungen  sind  zu  erwähnen  — 
ausser  Wülfings  umfangreichem  Sammelwerke  — :  M.  Callaway, 
The  absolute  participle  in  Anglo-Saxon,  Baltimore  1889;  F.  J. 
Mather,  The  conditional  sentence  in  Anglo-Saxon,  Munich  1893; 
C.  Pessels,  The  present  and  past  periphrastic  tenses  in  Anglo- 
Saxon,  Strassburg  1896 ;  H.  M.  Beiden,  The  prepositions  m,  on, 
to,  for,  fore^  and  cet  in  Anglo-Saxon  prose,  Baltimore  1897. 
(J.  W.  Pearce,  The  regimen  of  wyröe  in  the  ^  Historia  Eccle- 
siastica ',  Mod.  Lang.  Notes  VI  1  ff.) 

[Im  begriff,  unseren  aufsatz  druckfertig  zu  machen,  werden 
wir  durch  M.  Deutschbeins  gründliche  arbeit  '  Dialektisches  in 
der  ags.  Uebersetzung  von  Bedas  Kirchengeschichte '  in  Beitr. 
XXVI,  2.  heft  überrascht.  Wir  sehen  uns  in  folge  dessen  ge- 
nötigt, manche  von  uns  seit  jahi^en  gesammelte  einzelangaben 
auszuscheiden.  Doch  halten  wir  es  nicht  für  angezeigt,  be- 
merkungen  über  lautliche  und  flexivische  erscheinungen  gänz- 
lich zu  unterdrücken.] 

Anmerkangen. 

Wir  citiereu  nach  Millers  ausgäbe  und  fügen  die  Zeilenzahl  von  Schippen 
text  (linke  spalte ,  d.  h.  hs.  0 ,  bezw.  Ca)  in  klammem  bei.  Es 
versteht  sich  demnach,  dass  der  Wortlaut  von  T  angeführt  wird, 


262  FR.  KLAEBER, 

sofern  wir  nicht  eine  andere  hs.  namhaft  machen.  (Bei  der  er- 
wähnnng  von  parallelstellen  ist  es  in  der  regel  genttgendi  ein&ch 
nach  Miller  zu  eitleren,  ohne  anf  etwaige  lücken  in  T  anfmerksam 
zu  machen.) 

Anf  Millers  neuenglische  Übersetzung  nehmen  wir  hier  und  da  bezug'; 
doch  sind  wir  keineswegs  darauf  ausgegangen,  Irrtümer  oder  on- 
genauigkeiten  derselben  zu  berichtigen,  zumal  Miller  yielleicht  gar 
nicht  die  absieht  hatte,  eine  durchaus  wortgetreue  Übertragung' 
zu  liefern. 

2.  1.  (Schi.  1.)  Ic  Beda  Cristes  J>eow  and  nuessepreost 
sende  gretan  Öone  leofastan  cyning  7  halettan  Ceoluulf.  7  ic 
Öe  sende  Jxet  spell ,  etc.  (Ca).  Diese  recht  auffällige  fttgong 
liesse  sich  als  eine  Vermischung  zweier  konstruktionen  erklären : 
/.  Ic  Beda  . . .  hate  gretan  . . .  Ceolwulf  (vgl.  den  anfang  von 
iElfreds  vorrede  zur  Cura  Past.),  oder  aber  —  im  munde  Bedas 
passender  —  einfach :  . .  grete  . .  (vgl.  den  anfang  von  iElfrics 
Sendschreiben  an  Wulf geat :  Ic  ^Ifric  dbhod  on  disum  Englis- 
cum  gewrite  /  freondlice  grete  mid  godes  gretinge  j  Wulfyet  cet 
Yltnandune;  in  vier  seiner  zahlreichen  vorreden  9  gebraucht 
iElfric  die  8.  person:  ^Ifric  gret),  und  2.  Ic  Beda  . . .  sende 
. . .  Ceolwulfe  gretinge  (vgl.  Beere  tide  eac  swylce  . .  Bonefatius 
papa  sende  Eadwini  gretinge  7  gewrit  Beda  124.  25). 

Natürlich  ist  der  infinitiv  nach  sendan  herkömmlich  in 
beispielen  wie  he  sende  Agtistinum  . . .  hodian  Godes  toord 
Ongoipeode  54.  30;  Ond  he  Öa  se  cyning  . . .  heo  sende  Godes 
Word  hodian  Eastseaxna  J)eode  226.  8. 

7  halettan  (in  B  fehlend,  von  Miller  fortgelassen)  war 
vielleicht  in  der  vorläge  als  korrektur  eingefügt  und  wurde 
in  Ca  an  falscher  stelle  in  den  text  gesetzt.  Dieselbe  Ver- 
bindung dieser  synonymen  verba  begegnet  180.  24  7  mid  hlide 
ondwleotan  hine  halette  7  grette ;  342.  27  J)a  stod  htm  sum  man 
cet  Purh  swefn  7  hine  halette  7  grette. 

Es  ist  freilich  auch  möglich,  dass  der  anfang  des  textes 
überhaupt  in  Unordnung  geraten  ist,  und  dass  sende  des  fol- 
genden Satzes  (7  ic  de  sende  Jxet  spell)  sich  unberechtigter- 
weise vor  gretan  eingeschlichen  hat.  B  setzt  erst  mit 
gretan  ein. 


^)  Am  bequemsten  zusammengestellt  in  '^Elfric,  a  new  Study  of  Mb 
Life  and  Writings'  by  Caroline  Louisa  White  (18d8),  chapterXIIL 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZüNG.  263 

2.  4.  (7.)  y  eac  on  ma  stowa  to  writanne  7  to  Ueranne 
(Ca).  Das  in  dieser  vorrede  sehr  frei  behandelte  lat.  original 
bietet  einfach :  ad  transscribendum ;  weiter  unten :  . . .  latius 
propalari.  —  Vgl.  aus  Alfreds  vorrede  zur  Cura  Past. :  JElfred 
kyning  . . .  heht  him  swelcra  md  brengan  hi  Öcere  bisene,  Öcet 
he  his  hiscepum  sendan  medhte  9. 13 ;  aus  dem  Beda :  . .  7  on 
bec  gesette,  seo  in  Pam  ilcan  mynstre  oÖ  pis  is  gehealden,  ond 
from  monegum  siÖÖan  oft  gehwider  emb  writen  wces  314  23 
(= a  multis  iam  sunt  circumquaque  transscripta). 

2.  7.  (13.)  ForÖon  pis  gewrit  oÖÖe  hit  göd  sagaÖ  be  godum 
mannum,  7  se  de  hit  gehyrep,  hs  onhyrep  ]>am,  oÖÖe  hit  yfel 
sagap  be  yfelum  mannum,  7  se  de  hit  gehyreÖ,  he  flyhÖ  P<Bt  7 
onscunaP;  for^on  hit  is  göd  godne  to  lierianne  7  y feine  to 
leanne,  p<et  se  gedeo  se  Pe  hit  gehyre;  gif  se  oder  nolde,  hu  wurÖ 
Ihe  elles  gekered  ?  (Ca)  Diesem  leitsatz  getreu,  kann  Beda  der 
historiker  späterhin  den  ausspruch  thun:  Ae  ic,  swa  swa 
soösagal  stcerwritere,  Pa  ping,  pe  be  him,  oÖÖe  purh  hine  ge- 
ivordene  wceron,  ic  awrat,  7  pa  ping  Pe  herunge  wyröe  wceron, 
ic  Jierede  206.  5,  und :  Beet  he  Pa  Eastran  on  hiora  rihttid  ne 
heold  . . .,  ic  no  ne  herige  206.  20.  Aehnlich  äussert  sich  der 
Chronist :  Bas  ping  we  habbaÖ  be  him  gewritene,  cegöer  ge  göde 
ge  yfelCy  p  Pa  godan  men  niman  cefter  peora  godnesse  7  for[f]leon 
mid  ealle  y  feinesse  A.  D.  1086  E.  —  Im  weiteren  sinne  könnten 
solche  Worte  als  mottos  für  nahezu  die  gesamte  ae.  litteratur 
gelten.  0 

Der  hörer  wird  dem  manne,  von  dem  die  geschichte  be- 
richtet, gegenübergestellt,  daher:  se  oder.  Dem  sinne  nach 
vergleicht  sich  gif  se  oder  nolde  etwa  mit  {pa  de  lifigende 
wceron  . .)  noht  Pon  sei  woldan  50.  5.  Doch  ist  syntaktisch 
gewiss  gePeon  zu  ergänzen  (vgl.  auch  Wülfing  11  26). 


0  Die  kunst  des  ^Vaters  der  englischen  Dichtung'  dient  ausschliess- 
lich dem  zwecke  religiöser  erweckung:  Beda  342.  9£f.,  16 ff.;  346. 15 ff.  {In 
eaüum  pcem  he  geortüice  gemde,  pat  he  men  aiuge  from  synna  lufan  7 
mdndceda,  7  to  lufan  7  to  geornfidnesse  awehte  godra  dceda.) 

Vgl.  Boeth.  (ed.  Sedgefield)  101.  10  Ne  fo  we  no  on  da  hisna  7  oti  Öa 
bispel  for  Öara  leasena  spella  lufan,  ac  forÖcemÖe  we  woldon  mid  gebecnan 
pa  Hodfcestnesse,  7  woldon  Öcet  hiticurde  to  nytte  Öam  geherendum;  ib.  118. 
25  ff. ;  ^Elfric,  Saints,  Vol.  n  58.  79  NimaÖ  eow  bysne  be  Öam ;  Blickl.  Hom. 
101.  5  f.  etc.  —  Wem  klingt  nicht  Uta  pu  pe  lar  be  pon  des  Beowulfliedes 
in  den  ohren? 


264  FR.  KLABBER, 

2.  13.  (24.)  forpon  Öe  God  to  cyninge  geceas,  pe  geda- 
fenaö  pine  peode  to  leeranne  (Ca).  Ein  gegenüber  der  recht 
allgemein  gehaltenen  lat.  version  (in  notitiam  . . .,  ob  generalis 
curam  salutis)  durch  klarheit  und  präcision  ausgezeichneter 
satz.  Es  liesse  sich  nicht  leicht  ein  citat  finden,  welches 
Alfreds  eigene  hohe  auffassung  von  seinem  königlichen  beruf 
als  erzieher  seines  yolkes  in  gleich  schlagender  weise  zum 
ausdruck  brächte.  Man  kann  sich  in  der  that  kaum  des  ge- 
dankens  erwehren,  dass  diese  fassung  der  stelle  vom  könig 
JElfred  inspiriert  sei.  Doch  es  liegt  nicht  in  unserer  absieht, 
die  verfasserfrage  in  diesem  zusammenhange  zu  erörtern.») 

2.  14.  (26.)  7  Pcet  Öy  l<es  tweoge  hwceÖer  pis  soÖ  sy  (Ca). 
B  1  p  Öe  Py  Ices  tweoge  etc.  (Schipper  druckt  7  pmtte  Py  kes.) 
In  B  ist  tweogan  unpersönlich  konstruiert  —  wie  es  scheint^ 
der  einzige  im  Beda  vorkommende  fall  (zahlreiche  andere  bei- 
spiele  in  B-T).  In  Ca  wird  persönliche  konstruktion  —  mit 
auslassung  des  Subjekts  —  anzunehmen  sein,  die  sich  mehr- 
fach belegen  lässt,  so  190. 21 ;  206. 19;  308. 26;  Wülfing  (1 386) 
lässt  es  unentschieden.  2) 

4.  1.  (49.)  . . .  oÖÖe  hine  to  me  sende,  oÖÖe  an  stafum 
awrat  7  me  sende  (Ca)  =  siue  litteris  mandata  siue  ipsius 
Nothelmi  uiua  uoce  referenda  transmisit.  B  . .  mid  seaftum  . . . 
Schippers  frage,  ob  seaft  mit  scep  gleichbedeutend  sei,  wird 
wohl  von  niemandem  bejaht  werden.  Wir  zweifeln  nicht 
daran,  dass  seaftum  für  steafum  steht.  Zwar  sind  die  'nor- 
malen' formen  dieses  häufigen  Wortes  im  Beda  herrschend,  so 
310. 10  stafum]  314.  23  stafum  (awrdt);  328.  6  stafas;  444.  26 
stafa\  doch  begegnet  auch  einmal  steafa  388.  30  T  (Schreiber  2) 
—  stafa  (stafena)  B  C  0  Ca.  Auch  findet  sich  in  den  verschie- 
denen hss.  eine  reihe  von  anderen  belegen  für  die  brechung 
des  a  durch  folgenden  dunkeln  vokal,  welche  ein  häufigeres 
vorkommen  derselben    in   der  urhs.   wahrscheinlich  machen. 


1)  Nur  verwahren  wir  aus  gegen  die  auslegung  dieser  bemerknng  in 
dem  sinne,  dass  könig  iElfred  als  Verfasser  der  ganzen  Bedaübenetznng,  so 
wie  dieselbe  uns  vorliegt,  anzusehen  sei.  Unsere  im  wesentlichen  an  Pearce 
sich  anschliessende  ansieht  ist  kurz  dargelegt  in  Public,  of  the  Mod.  Lang. 
Assoc.  of  America,  Vol.  XV,  Proceed.,  p.  LXXm. 

')  fne  nis  tweo  64. 10  =  dubium  non  est ;  sumum  fnontmm  cwom  m 
tweon  316. 18  =  quibusdam  uenisset  in  dubium. 


ZUR  ALTEKGLISCHEN  BEDAÜBERSETZUNG.  265 

Diese  brechung  (Sievers'  u-  und  o/a -umlaut,  §§101  ff.;  160) 
des  a,  wenn  auch  im  früh-kent.  nicht  unbekannt,  weist  auf 
das  mercische  Sprachgebiet,  d.  h.  in  erster  linie  auf  das  Ps.- 
mercische  (Zeuner  §  8, 11;  Brown  I  §  14;  Napier,  Chad,  p.  136; 
Zupitza,  Mercisches,  in  Z.  f.  d.  Alt.  XXXHI  54;  Wolff  §  13; 
Dieter,  Ueber  Sprache  und  Mundart  der  ältesten  englischen 
Denkmäler  §  19 ;  dazu  Bülbring,  Anglia  Beiblatt  IX  67,  anm.). 
Wir  haben  uns  die  folgenden  belege  angemerkt. 

gel)eafaö  88. 4  T  —  gepafad  BOCa  —  gepeafunge  224. 31  0 

—  gepafunge  TB  Ca  [vgl.  gedeafien,  geöeafunge  Vesp.  Ps.;  Vesp. 
Hy.  7.  55 ;  kent.  Urkunden,  s.  Sweet,  OET.,  p.  463]. 

gedeofanade  342.  18  T  —  gedafenade  (gedafenode)  BOCa 
[vgl.  gedeafenad,  gedeofenaff,  etc.  Vesp.  Ps.]. 

deagung  26.  24  Ca  —  dagung  B.  —  deagum  410.  30  Ca 

—  dagum  T  (Schreiber  5)  B  C  0. 

geseagone  216.  29  T   —  gesawene  B  [(<ge)s€gen,  (ge)s(Bgen  ^ 

sind  durchaus  die  gewöhnlichen  formen ,  so  2.  22 ,  4.  3 ,  4.  7, 
4.  22,  96.  4  etc.]. 

Peacan  264.24  TB  Ca,  wahrscheinlich  auch  ureprünglich 
in  0  [vgl.  horddeaca  Corp.  Gloss.  1999]. 

weacemim  354. 1,  7,  8  T  (Schreiber  2)  —  wcBCCum  BOCa. 

eatolice  240.  21  T  —  atoUic{e)  B  C  0  Ca  [eatol  Beow. 
2074;  2478]. 

Vielleicht  *beatiende  404.  1  ?  In  T  (Schreiber  4)  B  bati(gy 
ende,  doch  Ca  beotiende,  0  b,  otiende  (mit  rasur). 

gelieadrod  {geheaPorad)  328.  34  TO  —  gehaderod  BCa; 
hiaöoradon  364.  7  T  (Schreiber  3) ,  hedperedon  C,  heaporadon 
OCa,  preowodon  B  [vgl.  headeraÖ,  geheadorade  im  Boeth., 
s.  Sedgef. ;   mehrere  male  in  der  poesie].  *) 

andswearedon  28.  10  Ca  —  andswaredon  ß  [vgl.  ond- 
sweorede  Rush.*;  ondsweorede ,  etc.  Vesp.  Ps.;  andswearedc 
Chad]. 

efencecLsterwearan  62.  20  Ca  —  -waran  {'tvanim)  TBO 
[vgl.  helwearan,  etc.  Vesp.  Ps.;  hcelwearum  Zupitza,  Mer- 
cisches 674]. 

Lindesfearona  4.31  C  —  Lindisfarena('e)  CaB.  Lnndes- 
fearena  188.  24  TCa  —  Lind^sfarena  BO. 

^)  Ob  geUapadej  Chron.  A.  D.  449  A  einfacher  Schreibfehler  ist? 


266  FB.  KLAEBBB, 

Heagost€aldes(ea)  156.16  OCa  —  Agostaldes  T,  Hmge- 
stealdes  B. 

(Jxere)  Beadonescan  {dune)  54. 18  TB  Ca. 

[üeber  den  o/te-umlaut  von  a  hat  jetzt  Deatschbein  in 
§  26  seiner  arbeit  gehandelt.] 

4.  7.  (62.)  Swyde  fela  hi  me  scedon  fram  gehwylcum  bis- 
copum,  7  hwylcum  cyninga  tidtim  Eastseaxe  7  Westseaxe  7 
Eastengle  7  Noröanhumbre  poere  gife  onfengon  Oristes  geleafan 
(Ca)  =  . . .  a  quibus  praesulibus  uel  qnorum  tempore  regnm 

gratiam  euangelii  perceperint Dass  gehtoyh  an  dieser 

einzigen  stelle  als  *  fragendes  fürwort'  dient,  wie  Wälftng 
(I  431)  will,  ist  kaum  glaublich,  gehwylcum  ist  entweder  ver- 
schrieben für  hwylcum,^)  oder  (wenigstens  vom  abschreiber) 
im  sinne  von  *alle',  'alle  möglichen'  (s.  Schrader,  Studien  zur 
iElfricschen  Syntax  §  92)  gemeint. 

Die  Wiedergabe  des  lat.  textes  ist  in  der  ganzen  einlei- 
tenden partie  sehr  ungenau  und  stümperhaft. 

4,  10.  (68.)  Burh  Älbinus  swiöost  ic  geÖristUehte  fieet  ic 
dorste  pis  weorc  ongynnan  (Ca)  =  Denique  hortatu  praecipue 
ipsius  Albini,  ut  hoc  opus  aggredi  anderem,  prouocatus  som. 
Die  besonders  nachdrückliche  betonung  der  dem  Verfasser  zu 
teil  gewordenen  'ermutigung'  erinnert  uns  unwillkürlich  an 
den  bescheidenen  ton,  der  in  der  einleitung  zu  ^Elfreds  ge- 
setzen  angeschlagen  wird:  foröan  ic  ne  dorste  gedrisiUecan 
para  minra  awuht  fela  on  gewrit  settan,  etc.,  Einl.  49.  4;  auch 
an  die  charakteristische  wendung  in  der  vorrede  zur  Cura  Past. : 
(foröy  me  ÖyncÖ  betre,)  gif  iow  swce  dyncÖ  7.  6. 

Wenn  wir  derselben  bescheidenheit  in  ^Elfrics  Schriften 
begegnen  —  so  in  der  vorrede  zu  den  Hom.  Cath.  I :  for  pisum 
antimbre  ic  gedyrstlwhte ,  on  Gode  truwiende,  Pcet  ic  das  ge- 
setnysse  undergann;  im  anfang  von  De  Temporibus:  Ic  toolde 
ßöC;  9yf  i^  dorste,  gadrian  sum  gehwcede  andgyt  of  Öcere  bec 
pe  Beda  se  snotera  lareow  gesette  — ,  so  ist  dies  gewiss  zum 
teil  der  persönlichkeit  des  autors  zuzuschreiben  (vgl  C.  L. 
White,  iElfric,  p.  81),  zum  teil  aber  wohl  auf  rechnnng  des 
iElfredschen  vorbilde»  zu  setzen.  2) 


^)  geJiwylc  ist  wohl  einfach  versehen  in  0  Ca  für  gif  hwyh  76. 25. 
^)  Dass  .Elfreds  manier  zur  nachahmung  reizte^  ist  nicht  eu  besweifeln. 
Z.  b.  die  bekannnte  Vorbemerkung  zur  Übersetzung  der  Cura  Past :  ...  da 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZliNG.  267 

4.  26.  (99.)  mid  gescegene  unrim  geleaffulra  witena  (Ca) 
=  fideli  innumerorum  testium  . . .  adsertione.  So  hutan  oörum 
Iwssan  unrim  ceastra  26.  19  =  praeter  castella  innumera;  on 
unrim  godum  94. 18  =  innumeris  . . .  bonis.  Während  in  dem 
letzten  beispiel  allenfalls  eine  der  vielen  ungewöhnlichen  und 
unidiomatischen  kompositionen  des  Bedatextes  angenommen 
werden  kann  (vgl.  übrigens  unrimfolc  Cura  Past  51. 12),  so 
ist  in  den  beiden  ersten  belegen  offenbar  der  partitive  genitiv 
nach  dem  subst.  unrim  gebraucht  (vgl.  Pcet  rim  weox  Para 
leafsumra  150.  30 ;  letwuh  oöera  unrim  cewyrdleana  Romwara 
rices  30.  29;  234.  21)  und  letzteres  unflektiert  gelassen,  so  dass 
es  aus  der  konstruktion  fällt. 

Es  macht  den  eindruck,  als  ob  unrim  =  Mnnumerus'  in 
gedankenloser  weise  nach  analogie  von  rim  =  *  numerus'  ge- 
bildet ist. 

Das  adjekt.  unrim(e)  =  innumerabilis :  426.  1  mid  pa 
unriman  (B  üngerimedan)  mcengo  sweartra  gasta  =  innume- 
rabilis spirituum  deformium  multitudo ;  430.  9. 

4.  27.  (102.)  {P(Bt  we  .  .  .  geacsedon  . . .)  ne  let  ic  pcet 
unwriten  (Ca).  Vgl.  Alfreds  Ges.,  Einl.  49.  9  , . ,  pa  pe  me 
ryhtoste  Öuhton  ic  Pa  heron  gegaderode  7  Pa  odre  forlet 

4.  28.  (103.)  pcet  ic  he  Öam  halgan  fceder  CuSbyrhte  wrat 
oöde  on  pysse  hec  oööe  on  odre  Pa  dceda  his  lifes  (Ca)  =  ea, 
quae  de  sanctissimo  patre  et  antistite  Cudbercto  uel  in  hoc 
uolumine  uel  in  libello  gestorum  ipsius  conscripsi.  Es  scheint, 
dass  para  dceda  beabsichtigt  war.  Am  ursprünglichsten  sieht 
die  C- Version  aus :  oöde  on  pysse  hec  odde  on  odre  hec  his  dwda. 


Ottgan  ic  ongemang  oÖrum  misUcum  7  manigfecUdum  bisgum  Öises  kynertces 
da  hoc  wendan  on  Englisc  ....  hwüuni  word  he  worde,  hwilum  atidgtt 
of  amlgi[€]te  etc.  erscheint  in  sehr  ähnlicher  form  wieder  in  der  dem  Boeth. 
vorangestellten  vorrede;  auch  findet  sich  wenigstens  ein  anklang  daran  in 
/Elfrics  lat.  vorreden  zu  den  Hom.  Cath.  I,  Saints  I,  sowie  zum  Hirtenbrief 
für  Wulfstan  {nee  ubique  (ranstulimus  iierhum  ex  uerho,  sed  sensum  ex 
sensu,  Hom.  Cath.  II.  11 ;  etc.).  ^Elfrics  klage  in  seinen  einleitenden  be- 
merkiingen  zur  grammatik :  ....  Pcet  nan  englisc  preost  tve  cuöe  dihtan 
odÖe  asmeagean  anne  pistol  on  leden  erinnert  gleichfalls  an  ein  berühmtes 
muster  (Cura  Past.  3. 13  ff.).  Dass  auf  die  den  Dial.  Greg,  vorausgehende 
vorrede  der  Cotton-hs.  der  schluss  der  vorrede  zur  Cura  Past.  nicht  ohne 
einfluss  gewesen  ist,  ist  leicht  begreiflich,  (s.  auch  W.  Keller,  Die  littera- 
rischen Bestrebaugen  von  Worcester  in  angelsächsischer  Zeit,  p.  93.) 


268  FR.  KLAEBER, 

6.  3.  (1 16.)  otwite  (Ca).  B  odwite,  C  oöwite  (nach  Schipper 
odwite).  Vgl.  oteawu  Vesp.  HJ^  7.  38  (odeatves  ib.  6.  4) ;  oteatau 
etc.  oft  im  Vesp.  Ps. ;  oteiceö  Met.  Boeth.  13.  60 ;  otkof  Cura 
Past.  38. 16  C.  ot-  ist  wohl  als  kreuzung  von  od-  und  (Bt- 
aufzufassen  (Sweet,  Ags.  Beader'  §  46,  a;  doch  s.  Sievers  §  51 
u.  anm.;  Paul,  Beitr.  VI  191).  Die  verbalpraefixe  od-  und  eet- 
gehen  recht  häufig  ohne  bemerkbaren  bedeutungsunterschied 
neben  einander  her.  Z.  b.  Dial.  Greg.  129.  24  C  o^wat  —  H 
(etwat ;  Chron.  A .  D.  905  B  op^wde  —  C  (D)  cetywde ;  Cura 
Past.  39. 15  H  oöhof  —  ib.  113.  13  mthof]  Chron.  A.  D.  918  A 
nt  cetswummon ,  (A.  D.  915)  B  C  ut  wtswymman  fnihton  — 
(A.  D.  915)  D  nt  odsivymman  mihton,  —  Weitere  paare  dieser 
art  sind  a^t-,  odf-berstan;  wt-,  off-fkon;  (et-,  oÖ-Meapan;  cet-',  od- 
ieman;  cet-,  oö-trind<in;  wt-,  otf-feallan;  cet-,  oä-hregdan;  (et-, 
oö'beran ;  (et-,  oö-ferian ;  (Bt-,  oö-pringan,  u.  a.  m. 

6.  4,  (II.)  Be  gesetnysse  Breotene  odöe  Hibemia  Scotta 
edlandes  (Ca)  ^^  De  situ  Brittaniae  uel  Hibemiae.  24. 13  be 
life  7  fordfore  pa*s  artvuröan  hiscopes  WilfriÖes  =  de  uita 
uel  obitu  Vilfridi  episcopi.  In  beiden  fällen  bedeutet  uel 
*und'.  Dieser  gebrauch  von  uel  sowie  von  siue  lässt  sich  in 
unserm  lat.  texte  nicht  selten  belegen  (s.  auch  die  ausgäbe 
des  3.  und  4.  buches  von  Mayor  &  Lumby,  Index) ;  die  ae.  Über- 
setzung weist  dafür  gewöhnlich  ond  oder  ge  auf,  daneben 
auch  odöe.    Z.  b. 

a)  uixerit  uel  docuerit  =  Iwrde  7  bodade  20.27;  4.8; 
(aedificia)  puplica  uel  priuata  =^  (eal  Pas  getinibru  , , ,)  ge  Pa 
maran  gc  da  nuetran  352.  25 ;  uel  amicitia  uel  ferro  =  oöpa 
mid  freondscipe  odpa  mid  gefeohte  28.  26;  uel  —  uel:  ceghwasfer 
ge  mid  pa^yn  beotungmn  gebreged  ge  mid  p<em  geofum  gewemmed 
126.27. 

b)  prionim  gestis  siue  dictis  =^  ealdra  manna  cwidas  7 
d<eda  2.  6 ;  episcopos  siue  doctores  -^  biscopas  7  lareotoas  98. 
14;  et  ipse  rex  et  plurimi  de  plebe  siue  optimatibus  =  se 
seolfa  cyning  7  his  aldormen  7  monige  of  his  folce  250.  7 ;  in 
Hagustaldensi  siue  in  Lindisfarnensi  ecclesia  =  in  EagosUddes 
ea  7  in  Lindisfarona  ea  300.  8;  360.  31;  uitam  siue  doctiinam 
=  lif  ge  lare  446.  7;  apud  Scottos  siue  Pictos  =  ge  mid 
Scottum  ge  mid  Pehtum  152.  13. 

Interessant  ist  die  zweifache  Verwendung  von  oöde  in  der 
folgenden  stelle :  (stim  eorölie  de  . .  forlast^Ö,)  pcette  oÖ9e  broÖor 


ZUB  ALTENGLISCHEN  BEOA ÜBERSETZUNG.        269 

odpe  sweostor  odde  twegra  gehroÖra  beam  oÖÖe  twegea  gesweostra 
sunu  7  dohtor  gemengde  wceren  in  gesinscipe  70.  4  ^^  ut  siue 
frater  et  soror  seu  duorum  fratrum  germanonim  uel  duarum 
sororum  filius  et  filia  misceantur. 

Dieser  gebrauch  von  uel  und  siue  ist  jedenfalls  aus  der 
distributiven  bedeutung  herzuleiten  (s.  Plummer  II,  p.  82),  die 
ja  in  mehreren  der  genannten  fälle  noch  ziemUch  deutlich 
hervortritt.  Dieselbe  erklärung  wird  auf  ae.  oJäe  =  ^und' 
anzuwenden  sein.  >)  Zu  letzterem  erinnern  wir  noch  an  Beow. 
649,  2475 ;  Alfreds  Ges.,  Einl.  36  . . .  anfeald  hrcegl  hine  mid 
to  wreonne  7  to  werianne  E  —  ...  wreonne  oÖÖe  to  werianne 
GH;  ferner  Salom.  u.  Sat.  (ed.  Kemble)  p.  190,  45  saga  me  for 
hwylaim  pingum  deos  eoröe  awyrged  wocre,  oöÖe  eft  gebletsod. 
—  Ic  Öe  secge,  Jmrh  Adam  heo  wees  awyrged  .  .,  and  eft  heo 
wccs  gebletsod  Purh  Noe.  Der  distributive  sinn  findet  sich  noch 
stärker  ausgeprägt  in  Exod.  208  ff.  Uwfde  nydfara  nihtlangne 
fyrst,  I  Peak  Pe  him  on  healfa  gehwam  kettend  seomedon,  / 
mwgen  oÖÖe  nierestream. 

6.  6.  (I  154.).  ßast  se  cerra  Eomwara  casere  Gagius  lulius 
Breotene  gesohte  (Ca)  =  ut  Brittaniam  primus  Romanorum 
Gaius  lulius  adierit.  Zu  bessern:  ceresta  (so  BC).  cerra  ist 
offenbar  verschrieben  nach  {]>am)  cerran  (bigengum)  =  priscis 
(incolis)  in  der  vorhergehenden  zeile.  (Die  Übersetzung  ist 
natürlich  in  jedem  falle  fehlerhaft.) 

6,  14.  (I  221.)  ß(et  Seuerus  se  casere  onfeng  micelne  dcel 
Breotene,  7  ^one  mid  dice  tosceadde  (=  distinxerit)  fram  oörum 
unatemedum  fieodum  (Ca).  B  toscead,  —  160.  25  tosced  B 
{=  distabat),  toscosgde  Ca,  tose,  e,  d.  (korrigiert  aus  tosccegd)  0. 
Ob  aus  diesen  beiden  letzten  formen  auf  ein  verbum  Hoscecgan 
geschlossen  werden  darf  (B-T),  ist  doch  sehr  fraglich;  viel- 
leicht sind  dieselben  aus  tosceadde  (tosccedde??)  verderbt. 2) 
Das  für  6. 14  unzweifelhaft  gesicherte  schwache  prät.  wird 
sonst  nur  im  northumbr.  angetroffen  (Sievers  §  395 ,  anm.  4 ; 
Cooks  und  Lindelöfs  Glossar ;  Lindelöf,  Kit.  §  50,  2. 


^)  Bugge's  an&atz  in  Tidskrift  ist  uns  nicht  zugänglich. 

*)  Als  ähnliche  fehler  wären  zu  erwähnen  gecygde  on  geflite  48.  31 
Ca  statt  gectide  on(d)  geflite;  mceg  92.  4  C  u.  urspr.  B  für  mce;  vgl.  Napiers 
Holy  Eood-Tree  28. 15  iwo^jd  ==  masö. 


270  7R.  KLAEBER; 

Noch  ein  anderes  sonst  nur  ein  paar  mal  im  northunbr. 
gefundenes  schwaches  praet.  eines  reduplic.  verbmns  (LindelOfis 
Gloss.:  forleorte,  Lindelöf,  Kit.  §50:  gileortest)  ist  im  Beda 
belegt :  424. 9  forleorte  T  (Schreiber  5)  —  forlet  B  Ca,  forlet  0.») 

6.  31.  (I  570.)     Beet  ricsiendum   Gratiano   Maximus  se 
casere  wces  on  Breotone  acenned,  7  eft  mid  myde  weorede  ferde 
on  Gallia  rice  (Ca)   =   Ut  regnante  Gratiano  Mazimos  in 
Brittania  Imperator   creatus  cum  magno  exercitu   Galliam 
redierit  (Überschrift  zu  I,  c.  9).    Derselbe  Schnitzer  findet  sich 
in  der  Übersetzung  der  Überschrift  zu  I,  c.  11 :  Bast  ricsiendum 
Honorio  Gratianus  7  Constantius  w(eron  on  Breotene  acende 
6.  25  (Ca).    Pearce  (Public,  of  the  Mod.  Lang.  Assoc  of  America^ 
Vol.  VIII ,  Proceedings ,  p.  VIII)  nennt  dies  "  the  error  of  a 
beginner,  a  blimderer",  und  bemerkt  weiter:  "it  occors  twice 
also  in  the  bodj^  of  I,  8".     Es  ist  richtig,   dass  acenned  = 
creatus  zweimal  in  der  ae.  version  von  I,  c.  8  vorkommt,  nim-     - 
lieh  42. 16  und  42. 18;  jedoch  heisst  creatus  im  ersteren  falle    ^ 
^geboren',  im  letzteren  'erwählt'.     Diese  doppelte  bedeatong  ^ 
wird  den  Übersetzer  irregeführt  haben.  —  Dass  das  versehen    J 
auch  andern  Lateinern  begegnen  konnte,  sieht  man  ans  Chron.    - 
A.  D.  381 :  Her  Maximianus  se  casere  feng  to  rice,  he  wees  on     - 
Bretenlonde  geboren.    Der  Sachverhalt  ist  richtig  dargestellt 
worden  von  Aug.  Schmidt,  pp.  10;  45  f.  2) 

8.  12,  (I  843.)  gefaran  (Ca)  =  socios.  B  hat  die  gewöhn- 
liche form  geferan,  gefara  (Kluge ,  Nom.  Stammb.  §  16)  ist 
uns  sonst  nur  noch  aus  Rats.  80.  2  bekannt. 

10.  2  t.  (I  2355.)  adro/*  (Ca)  =  expulerit.  B  adraf.  Wir 
werden  berechtigt  sein,  gelegentliche  frühe  verdompfiing  des 
ä,  d.  h.  mindestens  annäherung  an  den  ^-laut  anzmiehmeiL 
Jedenfalls  wagen  wir  nicht,  über  die  o-schreibungen  samt  und 
sonders  den  Stab  zu  brechen;  sie  lassen  sich  in  den  verschie- 
densten hss.  nachweisen  und  scheinen  darauf  hin  zu  deuten, 
dass  die  Schreiber  sich  mitunter  gehen  Hessen  und  phonetisch 
schrieben.    Im  Beda  sind  uns  noch  on  42.  20  Ca  und  sorgiende 

*)  Zur  vergleichung  fuhren  wir  an  forleorte  (opt.  praet)  114.  21  C  — 
forlete  TB;  forkart  406.  12  T  (Schreiber  4)  —  forlet  BD,  foriä  Ca;  far- 
leorhta  116.  3  C  —  forlet  {pa  .  .  .)  TB;  forleort  112.  3  C  —  forki  TB. 

*)  Gros.  78.  6  JEfter  hm  ricsade  Darius  =  Post  hnnc  ....  Darini 
rex  creatus  est ;  ib.  274.  16  pa  gesetton  Eomane  II  caseras  =  dno  Lnpe* 
ratores  creati  sunt. 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAfjBERSETZUNO.  271 

(sorgienne,  sorhgedon)  54.  4  (86.  10,  164.  1)  aufgefallen  (s.  die 
betreffenden  anmerkungen) ;  ferner  das  adv.  ö  (Sweet,  Ags. 
Reader^  §  72:  "The  adverb  ä  appears  also  as  ö,  especially  in 
Angl."):  186.  32  TOCa  (B  otviht);  250.  9  TBOCa;  dazu  owe^' 
68.  25  TB  (0  dwer,  Ca  ahwcer)\  owern  336.  33  TO,  ower  B, 
ohwcpr  Ca;  nower  186.  16  TO,  nohwcer  B  Ca.  {nowiht,  noht, 
owiht,  oht,  etc.  sind  natürlich  nicht  weiter  bemerkenswert.) 
An  sonstigen  beispielen  sind  uns  zur  hand: 

Guöl.  1303  wccterpisa  for  /  snel  under  sorgum  (sicherlich 

-  sörgum\  vgl.  El.  1192  mearh  under  modgum).    Aus  anderen 

poetischen  denkmälern  (uach  Cosijn,  Beitr.  MII  570) :  D.  Vat. 

Lelir.  82  mon,  Gnom.  Ex.  197  mon  (—  man);  Gen.  2084  tvig- 

rode;  Beow.  302  sole,  2210  on. 

Cura  Fast.  227.  8  H  sorig  (C  sarig). 

Boeth.  42.  9  C  on  (B  an);  43. 16  B  on  (C  an);  78.  14  C 
on  (B  an);  26.  6  B  nonne;  34.  2  B  non;  34.  6  B  non, 

Solil.  (freilich  in  später  hs.):  woh;  und  (sehr  oft)  wot, 
wost  (s.  W.  H.  Hulme ,  Die  Sprache  der  ae.  Bearbeitung  der 
Soliloquien  Augustins  §  13). 

Chron.  A.  D.  879  A  on  (A.  D.  894  on?). 

Aus  Urkunden  von  Surrey  citiert  R.  Wolff  (p.  52)  one, 
stone,  thoten  (doch  wohl  aus  einer  späten  abschrift). 

Rush.  *  12.  44  aswopen  (Brown  I,  p.  69). 

Aus  verschiedenen  hss.  von  ^Ifrics  Grammatik  (abgesehen 
von  der  ganz  späten  hs.  W):  on  (5  mal),  godf  (Briül,  Die  ae. 
Latein  Grammatik  des  Jülfric  §  39). 

14.  20.  (in  1000.)  Bcetpcore  ylcan  stowe  myl  wiö  (Miller, 
Schipper  em.  nach  B;  Ca  stowe  mid)  fyre  wies  freomigende 
(Ca)  =  Ut  puluis  loci  illius  contra  ignem  ualuerit.  B  fremi- 
ende. 

a)  Die  Schreibung  eo  für  o  {—-  fromigende;  über  diese 
form  s.  anm.  zu  384.  22)  ist  gar  nicht  selten  anzutreffen. 
[S.  jetzt  auch  Deutschbein,  pp.  187;  203  f.] 

30.  28  Ca  freomlices;  260.  18  Ca  freom;  406.  29  Ca  freom- 
ung ;  436.  22  Ca  freomede  (korrektur  über  der  zeile) ;  dazu 
330.  22  Ca  feormade  (T  0  froniade).  [Vgl.  Vesp.  Ps.  (Zeuner 
§  8,  IV) :  freamlice,  freamsum,  freafnsumnisse.  —  Bugge,  Z.  f. 
d.  Philol.  IV  206 :  "es  wird  . . .  öfter  freom  statt  from  ge- 
schrieben".] 408.  3  0  seomod.  (14.  31  B  storm  (richtig)  — 
stream  Ca?) 


272  TB.  KLAEBER, 

26.  10  Ca  geweorht;  206.  4  Ca  wearhte]  346.  14  0  ge- 
weorhte ;  ferner  gedweolda,  gedweola,  dtoeoligendum,  s.  anm.  zu 
42.  12.  [Vgl.  Boeth.  39. 18  weorhte;  SoliL  (ed.  Hulme)  354.  3 
forweorht;  El.  311  gedtceolan.] 

160. 17  B  heorses, 

122. 19  0  heoldesta  [vgl.  Andr.  1578  smeoU] 

18. 11  Ca  Ueortfeorda  (B  Heortforda).  [Benet:  feonoyräe; 
leof,  s.  Logemans  Einl.  V  §  10.] ») 

Auch  eo  für  ö  ist  belegt.  48.  24  Ca  lileoöedon  (B  MoPedon); 
wegen  seotf  (=  söö)  s.  anm.  zu  60.  6;  110.  33  B  insweognesse 
(T  insuogennisse,  C  onswognesse) ;  26,  23  B  cefengleomung  (Ca 
cefenglommung.  Oder  war  der  vokal  verkürzt?  S.  N.  KD.  s.  v. 
*gloaming';  Trautmann,  KjTiewulf  74 f.  Allerdings  ist  unbe- 
rechtigte doppelschreibung  von  konsonanten  oft  genug  zu  be- 
merken; so  (nach  etymol.  langem  vokal)  216.  29  B  swettnesse; 
46.  20  Ca  forlccttan  (B  forleton) ;  48.  32  Ca  B  mannum;  50.  8  Ca 
mannes;  426. 25  T  (Schreiber  4)  fuUness  (BO  fulnes(s),  Ca/iiZne^); 
428.  9  T  (Schreiber  4)  füll  (B  0  Ca  fül).  (174.  7  T  0  Ca 
hwittra  —  hwitra  B.)  (Vgl.  Lindelöf,  Rit.,  p.  71;  E.  M.  Lea, 
The  Language  of  the  Northumbrian  Gloss  to  the  Gospel  of 
St.  Mark,  Anglia  XVI 133 ;  H.  Füchsel,  D.  Sprache  der  northumbr. 
Interlinearversion  zum  Johannes-EvangeUum,  Angl.  XXIV  57 ; 
Logemans  Benet,  Einl.  V  §  73.)  —  In  Dial.  Greg.  331.  14  in 
sumre  glomunge)    \eo  für  ö  auch  in  Benet  92.  8  geleohgenne,] 

Was  von  diesen  Schreibungen  zu  halten  ist,  lässt  sich 
schwer  sagen.  Einige  der  genannten  worte  sind  vielleicht  als 
verschrieben  zu  eliminieren,  z.  b.  Heortfeorda  18. 11  Ca;  (leop) 
geweörhte  346.  14  0;  zum  teil  mag  analogie  hineinspielen; 
immerhin  verdient  diese  erscheinung  im  äuge  behalten  zu 
werden. 

b)  niyl  (mit  Sicherheit)  nur  iu  B  nachgewiesen,  ist  allem 
anschein  nach  ajtas  Xtyof/srov.  Sonst  wird  puluis  durch  melde 
wiedergegeben,  178.6;  180.18,19,25;  182.1,4;  184.16,18; 
272.  8 ;  446.  17 ;  ausserdem  findet  sich  dust  374.  22  {pcet  his 
oder  lichoma  . .  .  wwre  . .  to  duste  geworden).  —  myl  ist  etwas 
besser  im  me.  bekannt  (Stratmann-Bradley,  s.  v.  ^  mul ') ;  es  ist 


^)  Die  nmgekehrte  Schreibung:  12.  5  Ca  Brottne;  30. 19  Ca  Brotone-f 
34.  27  B  geformode  (Ca  gefeormade). 


ZUR  ALTENOLISCHEK  BEDAÜBER8ETZUK6.  273 

ZU  niederl.  mul,  deutsch  müU,  muH  zu  stellen.    (Franck,  Ety- 
mol.  woordenboek,  s.  v.  '  mul '.) 

Von  anderen  der  hs.  B  eigentümlichen  Vokabeln  erwähnen 
wir  bei  dieser  gelegenheit:  ge^wif  204.  32  (sceafPan  T); 
(cynelicum)  smeaniettum  166/1  (mettum  TOCa);  myrgeleoÖ 
94. 12  (statt  hyrgenleod\  eine  der  nicht  ungewöhnlichen  lächer- 
lichen entstellungen  in  B).  —  Aus  0  Ca  schliessen  wir  an : 
sprytle  {sprytlan  acurfan  Miller  II,  p.  224,  Schipper  III  1907, 
-=  spönas  pweoton  T  204.  32);  aus  Ca:  seaht  (7  sib)  324.  27, 
—  ein  verhältnismässig  früher  beleg  dieses  lehnwortes. 

16.  13.  (ni  2714.)  cehta  micla  (Ca  mila\  B,  Miller:  micle\ 
7  twelf  bocland  (Ca)  =>  possessiones  et  territoria  (aus  der 
Überschrift  zu  III,  c.  24).  So  in  der  Übersetzung  des  kapitels : 
ond  swelce  eac  twelf  boclanda  (chte  234.  33  =  simul  et  XII 
possessiones  praediorum ;  Ond  eac  stvilce  pa  twelf  boclond  him 
gefreode  eorölices  compliades  ....  7  Ami  tveoruldspede  7  cehte 
forgeaf  ....  236.  23  =  donatis  insuper  XII  possessiunculis 
t^rrarum.  —  boclond  7  ahte  104.  28  =  territoria  ac  posses- 
siones. —  Vgl.  Oros.  224.  5  Homanum  to  boclande  geseald  = 
traditam  per  testamentum  Romanis  (Asiam).  (Ein  sehr  cha- 
rakteristischer beleg :  Wulfstan  260.  2  ff.) 

16.  21.  (ÜI  3213.)  on  Breotene  (Ca;  fehlt  in  B)  ist  wohl 
verschrieben  für  of  Breotene  (—  de  Brittania). 

20.  10.  (IV  2209.)  andweardan  J>am  cercebiscope  Theodore 
(Ca)  =  praesidente  archiepiscopo  Theodoro  (aus  der  Über- 
schrift zu  IV,  c.  17).  praesidente,  richtig  übersetzt  im  texte 
selbst  durch  foresittendum  {Theodore)  310.  20,  wurde  augen- 
scheinlich mit  praesente  verwechselt.  Eine  reihe  ganz  ähn- 
licher irrtümer  hat  Aug.  Schmidt,  pp.  44 f.,  namhaft  gemacht. 
Im  übrigen  ist  es  nicht  nötig,  auf  die  zahlreichen  versehen 
der  ae.  Übersetzung  einzugehen. 

20.  31.  (IV  4425.)  Beet  se  ylm  biscop  Cupbryht  his  forp- 
forc  da  ioweardan  Herebyrhto  pam  ancran  forescede  (Ca)  = 
üt  idem  iam  episcopus  obitum  suum  proxime  futurum  Heri- 
bercto  anchoretae  praedixerit.  Das  richtige  iowearde,  in  B 
erhalten,  wäre  in  den  text  zu  setzen.  Vgl.  130.  5  se  Öe  pyslice 
gife  7  swa  miete  soölice  Pe  toivearde  foreciviJ;  14.  31  Ca  Beet 
se  biscop  Aidan  pam  scypfarendum  pone  stomi  towardne  fore- 
scegde-,  200.21. 

AngUa.    N.F.    XIU.  18 


274  FR.  KLAEBEIL 

22,  19.  (V  747.)  swa  eft  his  ceflerfyligend  Ine  da  ylcan 
Pcerscwaldas para  ead'igra  apostola  estful  (B)  gesohte  (Ca)  =  sed 
et  successor  eius  Ini  eadem  beatorum  apostolorum  limina  de- 
uotus  adierit  (Überschrift  zu  V,  c.  7).  Im  texte  dieses  kapitels 
finden  wir  als  Übersetzung  desselb.en  lat.  ausdrucks:  . .  to  pcere 
eadigra  apostola  stowe  ferende  wces  406.  12;  404.  20. 

24.  12.  (V  2327.)  Bcette  Cynred  Mercna  cyning  7  Offa 
Eastsexna  cyning  on  munuclicum  hadum  to  Borne  becom,  7  Peer 
heora  lif  geendode ;  7  be  lifo  7  foröfore  pws  arwurÖan  biscopes 
WüfriÖes  (Ca).  Zu  lesen  beconton  (B  becöman);  geendodon 
(B  geendedon).  Die  Verderbnis  wird  dui'ch  den  gleichklang 
der  endung  -on  und  der  konjunktiqji  on  (=  ond,  s.  Millers 
Einl.  I,  pp.  XXVI  ff.)  hervorgerufen  sein. 

26.  1.  (I  12.)  litt  hafaÖ  fram  suödcele  Pa  masgpe  ongean, 
pe  mon  hatep  Gallia  Bellica  (Ca)  =  Habet  a  meri^e  Gralliam 
Belgicam.  Smith  schreibt  Belgica  (nach  C??).  Doch  ebenso 
heisst  es  Oros.  22.  22  pa  land  Pe  nian  hcet  Gallia  Bellica; 
ib.  24. 14. 

26.  6.  (I  19.)  Swylce  eac  peos  eorpe  is  berende  missenlicra 
fugela  7  scewihta,  7  fiscumwyllum  wasterum  7  wyllgespryngutn 
(Ca)  rrr:  sed  et  auium  ferax  terra  marique  generis  diuersi; 
fluuiis  quoque  multum  piscosis  ac  fontibus  praeclara  copiosis. 
Nach  Schipper  und  (wahrsch.)  Smith  liest  Ca  fiscwyllum ;  jeden- 
falls wäre  fiscumwyllum  als  einfacher  Schreibfehler  zu  ver- 
bessern; vgl.  7  hit  is  fiscwylle  7  fugolwylle  30.  9  Ca.  Zu 
wyllgespryngum  vgl.  Phoenix  109  of  pam  wilsuman  wyllge- 
spryngum.  —  Um  die  dative  in  die  struktur  des  satzes  ein- 
zufügen, ist  vor  denselben  welig  on  (vgl.  26.  3)  einzuschalten 
—  schon  Miller  hat  welig  vorgeschlagen  — ,  oder  auch  mcere 
on,  nach  30.  10  mcere  on  huntunge  heorta  7  rana  =  ceruorum 
caprearumque  uenatu  insignis.  Wülfings  erklärung  der  dative 
in  adverbialem  sinne  "zur  bezeichnung  des  ortes,  wo  etwas 
geschieht"  (1 144)  ist  schwer  zu  verstehen.  (Die  zu  62. 11 
besprochene  incongruenz  scheuen  wir  uns  in  diesem  falle  — 
nach  berende  \  —  anzunehmen.)  —  Ueber  die  lesart  von  B 
hat  sich  Schipper  verbreitet. 

28.  10.  (I  85.)  Andswearedon  Scottas,  Post  heora  land  ne 
wcere  to  Poss  mycel,  past  hi  mihion  twa  peode  gehabban  (Ca)  = 
Respondebant  Scotti,  quia  non  ambos  eos  caperet  insula.    Ein 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBEKSETZTJNQ.  275 

charakteristisches  beispiel  für  den  gebrauch  von  4eute'  statt 
^land'.*)  Aehnlich  z.  b.  Pas  land  syndon  Creca  leode  Oros. 
22.  11;  Ponne  is  sio  eastemeste  Peod  haten  Libia  Cirimacia 
ib.  24.  33.  Bezeichnend  ist  auch  pcer  hcefde  Cnut  sige  7  ge- 
fedht  Mm  eall  Engldland  mit  übergeschriebenem  vel  Peode 
Chron.  A.D.  1016  E;   vgl.  Sweets  bemerkung  zu  Ängel-cynn 

Deira 

Cura  Past.  3.  4;  Her  feng  to  Dearnericc  Osric  . , .  y  to  Bcern- 
icum  feng  JEMfriöes  sunu  Chron.  A.  D.  634  E.^)  —  mcegd 
*gens'  ist  ja  im  Beda  geradezu  terminus  technicus  für  ^pro- 
uincia',  z.  b.  52.  14,  112.24,  122.1,  122.9,  142.32,  152.7, 
152.  11  (in  pas  twa  mcegPa  NorPanhymbra  öeod  iu  geara 
todceled  wces  =  in  has  duas  prouincias  gens  Nordanhymbrorum 
antiquitus  diuisa  erat),  154.1,  158.24,  166.17,  170.14,  170.20, 
210.  8,  220.  6,  und  sonst  sehr  oft;  dazu  fram  Armoricano  pcere 
mcegepe  28.  4  Ca  =  de  tractu  Armoricano ;  eall  Breotone  cyn 
7  mcßgöe  164.  23  =  omnes  nationes  et  prouincias  Brittaniae. 
Zu  beachten:  in  Eastengla  m<Bgöe  210.  8  T  (=  ad  prouinciam 
Orientalium  . . .  Anglorum)  —  in  Eastengla  rice  7  mosgPe  B. 
—  Ond  he  pa  todcelde  in  twa  biscopscire  Westseaxna  mcegÖe 
170.3  =  diuidensque  in  duas  parochias  prouinciam.  3) 

28.  19.  (I  102.)  Ba  gepafedon  hi  dosre  arednesse,  7  him 
wif  sealdon,  Pcet  Öcer  seo  wise  on  tweon  cyme,  Pcet  hi  Öonne 
ma  of  pam  wifcynne  him  cyning  curan  Ponne  of  pam  wcepned- 
cynne  (Ca)  =  . . .  ea  solum  condicione  dare  consenserunt,  ut 
ubi  res  perueniret  in  dubium,  magis  de  feminea  regum  pro- 
sapia  quam  de  masculina  regem  sibi  eligerent. 

a)  C  i)a  gepafedon  hi  Öoere  arednesse  him  wif  sellan, 
B  Ba  gepafedon  hi  dcere  (urspr.  Öosgre)  arednesse  p  hi  him 
tvif  sealdon.     Wahrscheinlich    hat   C    mit    der    sklavischen 


*)  Umgekehrt :  Notnan  hi  eac  swylce  him  wealhstodas  of  Franclande 
mid  58.  3  =  acceperunt  ...  de  gente  Franconim  interpretes. 

^)  Ein  ähnlicher  Wechsel  im  anfang  von  Tacitus'  Germania:  Germania 
omnis  a  Gallis  Raetisque  et  Fannoniis  . .  .  separatur. 

3)  Ausser  in  diesem  kirchlichen  sinne  wird  scir  im  Beda  nicht  für 
'District '  gebraucht  (wohl  aber  zuweilen  für  *cura',  neben  häufigerem  gemen, 
so  150.  19 ;  218.  6).  Dagegen  Oros.  19.  9  Ohifiere  scede  pcet  sio  scir  hatte 
Halgolafid  pe  he  on  bude.  MUric  sagt  in  der  Homilie  über  Gregor :  (ryt 
da  Gregor ius  hefran,  hu  Öwre  scire  nama  wcere,  pe  Öa  cnapan  of-dlcedde 
wosron  (Hom.  Cath.  II 120.  82),  während  es  in  der  entsprechenden  stelle  der 
Bedaübersetzung  heisst :  hwcet  hatte  seo  ma:gÖ  ...  96.  25  (=  prouincia). 

18* 


276  FR.  KLAEBER, 

nachahmung  der  inflnitivkonstruktion  das  ursprüngliche  be- 
wahrt. B  hat  den  satzbau  geglättet  und  modernisiert,  wie 
wir  dies  auch  sonst  häufig  beobachten  können.  So  ist  der 
reine  infinitiv  gleiclifalls  mit  einem  *dass'-satz  vertauscht  in: 
Da  bebead  se  biscop  öeosne  to  htm  Icedan  388.  20  —  B  Da 
bebead  se  biscop  p  man  pysne  to  him  lasdde,  —  Nicht  selten 
ist  das  ^gerundium'  statt  des  reinen  Infinitivs  eingesetzt  worden. 
74.  17  hwcBÖer  alefcLÖ  hire  in  circan  gongan  —  B  . . . .  to 
ganganne\  278.  21  nosngxim  heora  alefed  $y  cenge  sacerdlice 
])egnunge  den  —  B  . . .  /o  donnc ;  76. 29  wiif  forhycgad  heora 
beam  fedan  —  B  , , .  to  fedanne;  464.  10  EaldfriÖ  . . .  hine 
forhogode  onfön  —  B  . ,  .  to  onfonne;  336.  22  ealle  . . . .  ge- 
wunedan  heo  mödor  cegean  7  nemnan  —  B  , . ,  to  hatenne  7 
to  nemnenne ;  386.  29  gewuniaÖ  secgean  —  B  . ,  .  to  secgenne ; 
etc.  —  Auch  tritt  für  das  einfache  verbum  eine  periphrastische 
Wendung  ein.  320.  23  pcette  seo  sceö^ende  tvcete  ut  fleowe  — 
B  .  .  .  niihte  nt  flowan ;  344.  18  scegde  him  hwylce  gife  he  on- 
feng  —  B  . . .  onfangen  hcefde.  In  sämtlichen  aufgeführten 
fällen  steht  B  allein  den  anderen  hss.  gegenüber. 

b)  Die  Ca -Variante  ist  ein  interessantes  beispiel  loser 
parataxe,  wo  nach  unserem  Sprachgefühl  hypotaxe  zu  erwarten 
wäre.  Daneben  lässt  sich  etwa  stellen:  for  dcere  tvilnunga 
hie  hit  forleton,  7  tcoldon  öcet  her  dy  mara  wisdom  6n  lande 
wcere  dy  we  md  geöeoda  cuöon  Cura  Past.  5.  23.  (Dagegen 
mit  Unterordnung:  7  swiöe  ryht  deÖ  for  dasre  licettunge  Öt  he 
licette  . . .  Cura  Past.  121.  16;  for  Pcere  gewilnunge  Pe  he  tvolde 
Oros.  112.  2.)  Ein  paar  analoge  fälle  aus  unserem  text:  (Pa 
gehet  he  ...  .)  pcet  heo  moste  pone  geleafan  7  bigong  hire 
cefestnisse  mid  eallum  hire  geferum^  Pe  heo  mid  ctcomen,  Py 
cristnan  peawe  lißan  7  pone  tvel  healdan  120.  19  (etwa  durch 
ein  ptc.  wiederzugeben:  *living  according  to  Christian  custom') 

= quin  potius  permissurum ,  ut  fidem  cultumque  suae 

religionis  cum  omnibus,  qui  secum  uenissent,  . . .  more  Christ- 
iano  seruaret;  pa  ding,  pe  dcsr  regoUico  gedemed  wasronj  . . . 
mid  Cristes  rode  tacne  wrat  7  fcestnode  108. 14  =  ....  sub- 
scribens  confirmaret ;  zu  vgl.  auch  die  konstinktion  30.  4  ff. 
(s.  anm.).0 


1)  Heiland  1284  thahtun  endi  thagodun,  huat  imo  thero  thiodo  drohtin  | 
weldi  . . .  kutheau. 


ZUB  ALTEKGLISCHEK  BBDAÜBEBSBTZUNG.  277 

In  dieselbe  kategorie  gehören  moderne  ausdrucksweisen 
wie  ^ril  try  and  do  it';  *he  might  be  generous  and  make 
them  a  present  of  it';  ^sei  so  gut  und  hilf  mir'. 

c)  dosre  arednesse  ist  direkte  Übersetzung  von:  ea  con- 
dicione,  also  gleichbedeutend  mit  dem  besser  bekannten  on 
Pcet  (Pa)  gerad.  (In  der  entsprechenden  stelle  der  chronik 
lesen  wir:  And  pa  Pyhias  heom  ahcedon  wif  cet  Scottum  on 
Pa  gerad  (DE;  on  p  forewyrd  F),  p  hi gecuron  heora  kynecinn 
da  on  Pa  wif  healfa  Plummer,  p.  3.)  Dieselbe  Wendung  findet 
sich  wieder :  post  wif  he  onfeng  fram  hyre  yldrum  Posre  ared- 
nesse, Poßt  hio  his  leafnesse  hos f de  etc.  58. 13  (=  ea  condicione). 
Ferner :  he  gehöhte  noht  micelne  dosl  poes  londes  , , ,  ast  sumum 
gesiiöe  . . .  dosre  aroßdnisse  tocetecedre,  Post  274.  8  (=  ea  con- 
dicione addita) ;  vgl.  Ond  hwosöre  pis  drceddon  betweonum  htm, 
post  . . .  254.  22  (=  his  tamen  condicionibus  interpositis,  ut  ... 
—  (Ines  Ges.  62  on  da  rasdenne;  Thorpe,  Diplom.  Angl.,  p.  484 
(K.  JElfreds  Testament)  on  pa  gerasdene;  ib.  p.  104  in  das 
gerednisse.) 

d)  da^  seo  wise  on  tweon  cyme  =  ubi  res  perueniret  in 
dubium.  Ueber  öa^  als  konditionalpartikel  (fast  durchweg  mit 
dem  optat.,  und  in  der  regel  zur  bezeichnung  der  *  unerfüllten 
bedingung'),  vgl.  Mather,  pp.  40 f. ;  79;  Wülfingni43t;  Grein, 
Sprachsch.  II  565.  Öosr  und  gif  stehen  sich  in  den  Boeth.-hss. 
gegenüber:  120. 18 f.  %c  meahte  mare  reccan  . . . .,  pa^  ic  nu 
asmettan  hcefde  C  —  ...  gif  . . .  B. 

38.  28.  (1 119.)  Pcet  cynn  nu  geond  io  dceg  Dalreadingas 
wceron  hatene  (Ca)  =  (a  quo  uidelicet  duce)  usque  hodie  Dal- 
reudini  uocantur.  C  gita  (statt  geond);  B  gyt  Millers  Vor- 
schlag, fi\r  geond:  geona  und  für  wwron:  earon  zu  lesen,  ist 
verlockend. 

a)  geona  (geana,  geon)  gilt  als  speziell  northumbr.  Ein 
einziges  mal  kommt  im  Beda  gean  vor:  7  gean  soöre  Post  ic 
Drihtnes  wordum  spreco  338.  29  T  (0  gen,  B  gyt,  Ca  g^{),  in 
einer  durch  eine  reihe  interessanter  Schreibungen  bemerkens- 
werten partie.  Im  übrigen  ist  zu  beobachten,  dass  im  gebrauche 
von  gen{a)  und  gyt(a)  T  0  und  B  Ca  sich  in  überraschender 
weise  von  einander  abheben,  indem  die  ersteren  das  (dem 
westsächs.  fremde)  gen(a),  die  letzteren  gyt(a)  durchaus  be- 
vorzugen. [Belege  sind  nunmehr  bei  Deutschbein,  pp.  173f. 
zu  finden.] 


278  FB.  KLAEBER, 

Zu  obigem  passus  ist  allerdings  zu  bemerken,  dass  geond 
auch  aus  einem  ursprünglichen  gen  od  verderbt  sein  könnte. 
Vgl.  z.  b.  nu  gena  od  pis  110.  13,  nu  gen  od  pis  150.  13 
(=  hactenus) ;  nu  gen  od  to  dcege  262.  9 ;  od  gen  to  dcege 
274. 14;  nu  gena  od  pisne  ondweardan  dceg  322.  35  (=  usque 
hodie). 

b)  Die  angl.  form  earon  ist  nur  einmal  in  unserem  texte 
beglaubigt:  Ond  monig  wundor  moegena  earon  scegd  178.  14 
T  C  (B  earan) ;  0  und  Ca  schreiben  wceron.  —  Zu  212.  25  hat 
Miller  auf  die  möglichkeit  eines  alten  earon  hingewiesen.  Die 
stelle  lautet  im  zusammenhange :  Pa  frcegn  he  da  englas,  hwcet 
Pa  fyr  wceron.  Cwcedon  heo:  pis  syndon  pa  fyr,  pa  de  mid- 
dangeard  wceron  forhcemende  7  forneomende  (B  der  on).  Der 
Wechsel  von  praes.  und  praet.  ist  störend  (vgl.  Pessels,  p.  65), 
Hesse  sich  freilich  aus  ungeschickter  Umsetzung  der  indirekten 
in  die  direkte  rede  erklären  (=  Et  interrogans  angelos,  qui 
essent  hi  ignes,  audiuit  hos  esse  ignes,  qui  mundum  succen- 
dentes  essent  consumturi).  Doch  noch  eine  weitere  stelle  ver- 
dient berücksichtigung :  ....  0^  Peosne  ondweardan  dasg  Pcet 
Peer  hcelo  untrumra  monna  7  neaia  mosrsode  (T  mcersodon) 
seondon  178.  5  (B  wceron-,  d.  h.  ursp.  earon?)  =  usque  hodie 
sanitates  . . .  celebrari  non  desinunt.  Millers  Vermutung  ge- 
winnt also  an  Wahrscheinlichkeit.  ^) 

Es  ist  indessen  zuzugeben,  dass  auch  sonst  bisweilen  das 
umschreibende  praet.  verwendet  wird,  wo  wir  das  praes.  er- 
warten. Da  onscegdnysse,  Pa  de  fram  eow  deoflum  wceron 
(keine  Variante!)  agoldsne,  ne  magon  hi  dam  underdeoddum 
gefulltumian  36.  25  Ca  =  sacriflcia  haec,  quae  a  uobis  red- 
duntur  daemonibus  ....;-)  mit  auffallendem  Wechsel :  ic  wat 
pcette  pces  storm  for  me  is  cumen  7  sended  wces  412.  14  (doch 
fehlt  is  in  BOCa)  =  propter  me  est  tempestas  haec. 

28.  30.  (1 121.)  Hibernia  Scotta  ealond  ge  on  brcedo  his 
stealles  ge  on  halwendnesse  ge  on  smyltnysse  lyfta  is  betere 
mycle  Ponne  Breotone  land,   swa  Pcet  dcer  seiden  snau  leng 


1)  Oder  ist  in  28.  29  das  praet.  gesetzt,  am  die  bemerknng  als  auf 
Bedas  zeit  bezogen  zu  kennzeichnen  ?  Dem  Übersetzer  dieses  teils  ist  jede 
mögliche  nnbeholfenheit  znzatraaen. 

')  Dial.  Greg.  313. 13  for  hwan  wceron  ge  in  swa  mycdre  gnomunge 
geswencte  (ßayndan). 


ZUB  ALTENGLISCHEN  BEDA ÜBERSETZUNG.        279 

ligeö ])onne  Öry  dagas  etc.  (Ca).  —  Im  Oros.  heisst  es:  Ighemia, 
])cet  we  Scotland  hataö,  hü  is  on  celce  healfe  ymhfangen  mid 
garsecge;  7  for  Jon  Pe  sio  sunne  p(Br  gasÖ  near  on  seil  ponne 
on  oörum  lande  ^  Peer  syndon  lyöran  wedera  Ponne  on  Bret- 
tannia  24.  16. 

28.  84.  (1 129.)  Ne  pcer  mann  cenigne  snicendne  wyrm 
ne  cetterne  gesihp;  ne  pcer  cenig  ncedre  Itfian  ne  mceg  (Ca).  *) 
Vgl.  tvyrm  com  snican  Neunkräutersegen  31  (Gr.-Wti.  I  322). 
Die  B-variante  scinendne  mag  vielleicht  auf  ein  scnicendne  der 
vorläge  weisen  {Öa  creopendan  &  \Öa\  scnicendan  Cura  Past. 
155.  17  H).2)    C  liest  snacan  ne  wymtJ) 

30.  1.  (I  132.)  Forpon  of  Breotone  ncedran  on  sdpum 
hedde  wasron  (Ca)  =^  nam  saepe  illo  de  Brittania  adlati  ser- 
pentes.  oft  ist  offenbar  vor  of  Breotone  ausgefallen ;  B  hat 
es  bewahrt. 

30.  3.  (1 136.)  Eäc  neah  pan  ealle  pa  ding,  de  Öanon 
cumad,  tviö  celcum  attre  niagon  (Ca)  ^r=  (juin  potius  omnia  pene, 
quae  de  eadem  insula  sunt,  contra  uenenum  ualent.  —  {pu 
miht  wip  attre,  Zauberspr.,  6r.-Wü.  I  320.  5,  etc..  und  ähnlich 
in  den  *Leechdoms'  passim.)  —  Vgl.  Ba^t  Pcere  ylcan  stowe 
myl  wiö  fyre  wces  freomigende  14.  20  =  . .  contra  ignem 
ualuerit,  wo  nach  WiUflng  (II  621  f.)  merkwürdigerweise  wiÖ 
'nur  die  richtung  schlechthin'  bezeichnet.  Genau  dieselbe 
funktion  von  und  in  Ond  hwcet  elles  is  to  secenne  wid  pceni 
hiingre  nenme  ondlifen,  wiö  Purst  drync,  wiÖ  hceto  celnis,  etc. 
78.  23  (contra  famem  etc.  etc. ;  von  Wülflng  (11  613)  ungenau 
unter  *  richtung  auf  etwas'  untergebracht.  —  lieber  den  ge- 
brauch von  mceg  wid  s.  Koch 2  §  25;  Wülflng  II  616 f.;  Toller 
erinnert  an  altn.  mega  wiÖ,  vgl.  Zupitza,  Anglia  1 193.  lieber 
nrnp  als  begriffsverbum  s.  ausserdem  Wülflng  II  33 ;  Sohrauer, 
Kleine  Beiträge  zur  ae.  Grammatik  §  3,  2.  —  (. . .  meahte  to 
hcelo  Beda  184.  5.) 


*)  "That  happy  cUme  which  venom  never  knew"  Dryden  (Aid.  ed. 
m203). 

')  Ueber  die  sc  vgl.  Sievers  §210;  Logemans  Benet,  Einl.  §§  64  ff. 
(woselbst  litteraturangaben);  Varnhagen,  Aoglia  VII  Anz.,  pp.  86  f. 

^)  Eine  äbDÜche  entstellong :  (mid  hirt)  nicendum  (cilde)  144.  23  — 
nacendum  Ca  (0). 


280  FB.  KLAEBERy 

• 

30.  4.  (1 137.)  Pcet  to  tarne  is,  pcet  sume  menn  gesawan, 
da  pe  wceron  fram  ncedran  geslegene,  pcet  man  scof  ßara  hoca 
leaf,  Pe  of  Hihernia  coman,  7  Pa  sceafpan  dyde  on  tooeter,  7 
sealde  drincan  pam  mannutn ;  7  sona  wces  pcet  atter  ofemumen, 
7  hi  wceron  gehcelde  (Ca)  =  Denique  uidimus,  quibnsdam  a 
serpentibus  percussis,  rasa  folia  codicum,  qui  de  Hibemia 
fuerant,  et  ipsam  rasuram  aquae  immissam  ac  potui  datam, 
talibus  protinus  totam  uim  ueneni  grassantis.  totum  inflati 
corporis  absumsisse  ac  sedasse  tumorem. 

a)  denique  wird  gern  durch  pcet  is  to  tarne  (pcet)  wieder- 
gegeben, so  302.  28;  334.  21 ;  446.  22;  {wass  Pcet  sweotol  tacn 
Pcette  258. 16  =  indicio  est  quod)  0  oder  durch  pces  is  {w(bs) 
to  tacne  pcet,  so  116.  16;  264.  11;  270.  33;  370.  9  (vgl  Blickl. 
Hom.  7. 15)  —  die  hss.  gehen  öfter  im  gebrauch  dieser  zwei 
ausdrucksweisen  auseinander  — ;  daneben  werden  vielseitige 
Partikeln,  wie  pa,  ond,  foröon  verwendet  (184.7;  162.18; 
164.  23) ;  oder  es  wird  auch ,  als  unbequem ,  gänzlich  über- 
gangen, z.  b.  106.  28;  164,  29;  184.  7;  188.  7;  236.3. 

b)  sume  menn  gesawon  etc.  Millers  "men  have  been  seen" 
soll  vielleicht  keine  wörtliche  Übersetzung  sein.  Jedenfalls  ist 
gesawon  als  1.  pers.  plur.  zu  fassen  (=  uidimus)  gerade  so  wie 
334.  21  Post  is  to  tacne,  pcet  we  gesawon  =  denique  .... 
uidimus.  Die  auslassung  des  pronomens  ist  schwerlich  als 
idiomatisch  zu  bezeichnen;  sie  lässt  sich  in  keine  der  von 
Pogatscher  vorgeführten  abteilungen  einreihen  (Anglia  XXIII 
261  ff.). 

80.  29.  (1 193.)  hetwiih  odera  unrim  cewyrdleana  (B  oewerd- 
leana)  Bo^nwara  rices  (Ca)  =  inter  alia  ßomani  regni  detri- 
menta  inriumera.  —  HO.  23  cewerdlan  =  detrimento.  202.  20 
gewyrdledon  (B  gecewerdledan,  OCa  gederede  wceron),  —  Infes 
Ges.  42  E  cewerdlan  (HB  cefwyrdlan);  iElfreds  Ges.,  EinL*27 
G  H  cewyrdlan  (E  cefwerdelsan) ;  Dial.  Greg.  50.  24  0  cewyrdlan 
(C  cefwyrdlan,  H  hynda),  vgl.  284.5,  291.9;  Rush.i,  Matth. 
16.  26  ewyrdlu  =  detrimentum;  Lindisf.  Go.  und  Bush.', 
Luc.  23.  40. 


^)  Dcet  is  to  tacne  Öcet  man  endebyrölice  Öone  biscepdöm  healde,  Öcet 
he  hine  on  godum  weorcum  geendige  Cnra  Fast.  53.  21  =  nnde  ipsuiii  quo- 
que  episcopatus  officium  boni  operis  expressione  definitor. 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZUNO.  281 

Die  merkwürdige  schreibnng  cewyrdleana  ist  wohl  fehler- 
haft für  cewyrdlana ;  vgl.  z.  b.  geferana  412. 16  T  (Schreiber  5) ; 
wisana  484.  25  CCa;  Fresana  190. 1  0;  auch  dagana  152.  1  0 
(dagena  406.  20) ;  s.  Sievers  §  276,  anm.  2 ;  3 ;  §  237,  anm.  4. 

32.  6.  (I  2]ti.)  hced  hine  7  halsade,  Pcet  he  Purh  his  bebod 
cristene  (B  cristen)  gefremed  wcore  (Ca)  =  obsecrans,  ut  per 
eius  mandatum  Christianus  efficeretur.  In  Baskervill-Harrison, 
Anglo-Saxon  Prose  Reader  (New  York  1898)  finden  wir  die 
unmögliche  Interpretation  von  cristene  als  dat.  sing.,  mit  der 
wörtlichen  Übersetzung  "framed  or  changed  to  a  Christian". 
Falls  das  wort  nicht  bloss  vei-schrieben  ist  für  cristen,  wird 
die  schwache  form  anzunehmen  sein  (vgl.  auch  pis  ungesellige 
gear  . . .  gen  to  dcege  lade  wunaö  1 54.  6) ;  das  endungs-e  (statt 
-a)  macht  keine  Schwierigkeiten,  da  die  endvokale  auch  sonst 
oft  genug  durch  einander  gehen.  —  Qxvd  hine  cristenne  beon 
6. 13;  wws  cristen  geworden  16.  3;  cristen  wces  geworden  34.  21.) 

32.  7.  (I  214.)  7  hrade  Pa  gefreniednesse  dcere  arfcestan 
hene  wces  fylgende  (Ca.).  Von  Wülflng  erwähnt  (1 190)  bei 
fylgan  in  der  bedeutung  'folgen,  nachgehen,  ausführen'  (von 
Miller  übersetzt:  "And  his  pious  request  was  quickly  carried 
into  effect").  Indexen  ist  wces  fylgende  einfach  ängstliche 
Übertragung  von:  (effectum  piae  postulationis)  consecutus  est, 
*  erlangte'. 

34. 1.  (I  261.)  Das  komma  nach  yfeUdon  ist  zu  tilgen 
und  hinter  cyrican  einzusetzen.    So  Schipper. 

34.  4.  (I  268.)  äurh  tyn  winter  füll  (Ca)  =  per  X  annos. 
(B  Purh  tyn  winter.)  Eine  beliebte  Verstärkung;  so  purh 
nigon  ger  füll  288.  5;  Preo  gear  ful  142.  14;  preo  winter  ful 
238.  28;  preom  wicum  fullum  394.  17;  preo  dagas  7  Preo  neaht 
fülle  290.  11.  an  dagas  7  nihte  fülle  462.  8.  {syx  ger  ful  = 
VI  annis  continuis  138.  29.)  —  Oros.  50.  21 ;  88. 10;  102.  9.  — 
Chron.  A.D.  1087  fülle  six  wu<^an\  A.  D.  1123  fülle  twa  dagas, 
—  Wulfstan  14.  7. 

34.  5.  (I  269.)  Godes  cyricena  hynnysse  (Ca)  =  incendiis 
ecclesiarum.  B  hat  mit  bcernesse  das  richtige  bewahrt,  hyn- 
nysse (hennisse)  mag  durch  das  vorausgehende  hyndon  7  her- 
gedon  Godes  cyrican  32.  27  verschuldet  sein.    Vgl.  34.  7. 

34.  6.  (I  272.)  Wces  eac  Bryten  pa  swyöe  gehyned  (B 
gehead)  on  myclum  wundre  (B  wuldre)  Godes  geleafan  7  ondet- 


282  FB.  KLAEBEB, 

nysse  (Ca)  =  Denique  etiam  Brittaniam  tum  plurima  con- 
fessionis  deo  deuotae  gloria  sublimauit.  Miller:  "Britain  also 
was  sorely  afflicted,  to  the  great  glory  of  the  faith  and  con- 
fession  of  God".  Him  folgen  Baskervill  und  Harrison  in  der 
beibehaltung  und  interpretation  von  gehyned.  t-  Das  verkehrte 
gehyned  ist  zu  ändern  entweder  in  gehead  (106.  27  hean  (j 
miclian)  T  0  Ca,  hyn  B)  oder  in  geheed  (so  Smith ;  vgl.  Sievers 
§408,  anm.  18:  "angl.  geheed  Beda").  Vgl.  Schippers  anm. 
zur  stelle. 

wundre  (Ca)  steht  irrtümlich  für  wuldre.  Die  beiden 
Worte  werden  oft  verwechselt.  D.  h.  wuldorQk)  (=  gloria, 
glorios(issim)us)  wird  ganz  gewöhnlich  zu  wundorilic):  94. 11  B; 
108.25  BCa;  146.27  OCa;  150.21  OCa;  176.1  BCa;  196.4 
B;  262.  18  Ca;  288. 15  OCa;  418. 17  OCa.  (OE.  Martyrol. 
98.  15.)  Der  umgekehrte  fall :  216. 15  wundorlice  gemete  T 
(=  mirum  in  modum)  —  wuldorlice  (Prowiende)  B ;  vgl.  156. 13 
aan  wundor  {=  miraculum)  —  an  wuldor  7  an  wundor  B. 

ä4. 15.  (I  293.)  on  gestlidnysse  onfeng  (Ca)  =  hospitio 
recepit.  60.  8  in  gestliönesse  onfon ;  66.  9  gesüiönesse  bigonge ; 
278.  21  gestliönesse  7  feorme.  —  So  Wihtraeds  Gres.  7  Gif  be- 
scoren  man  steorleas  gange  him  an  gestliönesse;  Blickl.  Hom. 
163.  11  gastlipnes  \  Vita  Guthl.  (ed.  Goodwin)  94. 17  on  gcest- 
lipnesse\  Dial.  Greg.  194.  12  gestliönesse  y  neben  cumliönesse 
(vgl.  76. 19,  77.  3)  —  letztere  Komposition  findet  sich  in  iElfric 
und  Wulfstan  — ;  OE.  Martyrol.  168.  24  he  wces  swa  giestliöe. 
Vgl.  got.  gastigops]  gastigodei. 

Begreiflicherweise  werden  lat.  simplicia  oft  durch  ae.  com- 
posita  vertreten.  Z.  b.  auch  godgield  34.  30  (==  ara) ,  scipherc 
44.  21  (=  nauibus),  vgl.  50. 28  (=  classis),  cynegewcedum  32. 25 
(==  purpuram),  wfengereorde  18i.  2S  (=  caena),  Ä^rcrca/*  92. 14 
(=  spolia),  herehyp  306.  25  (=  praeda),  leodhata  154.  2,  9 
(=  tyrannus),  ^)  firenlust  48.  27  (=  luxuria),  feondseoc  186.  6 
(=  daemoniosus),  vgl.  184.  5,  gebrcecseoc  270.  34  (=  freneticns), 
hyrgenleoÖ  94. 12  (=  epitaphium),  leoösongum  342.  9  (=  car- 
minibus),  fulwihtstowe  140.  20  (=  baptisteria),  blodgyte  30. 18 
(=  sanguine),  sigebeah  40.  5  B  (=  coronam;  Ca  beah  7  sige), 


1)  Boeth.  36.  29  Öces  leodhatan  gewuna  wces ;  Dial.  Greg.  163. 32.    Das 
wort  scheint  aus  der  poesie  entlehnt  zu  sein. 


ZUR  ALTENGLI8CHBN  BEDAtlBERSETZUNG.  283 

hereheacen  mit  hinzugefügter  glosse  id  est  Credo  310.  28   (= 
symbolum ;  vgl.  Plummer  II  231).  ^ 

34.  17.  (I  296.)  pa  wces  he  senininga  mid  Pam  (B  Öeere) 
godcundan  gyfe  gesawen  7  gemüdsad  (Ca).  Vgl.  Dial.  Greg. 
101.  9  pa  semninga  wces  he  gesewen  7  gemiltsod  fram  Pcere 
upplican  gife  (der  lat.  text  ist  uns  unerreichbar).  —  Das  neu- 
trum  gif  ist  von  Cosijn  anerkannt  worden  (Beitr.  XXI  252) 
mit  hin  weis  auf  (Par.)  Ps.  71.  10  eardgyfu  (plur.)  und  Andr. 
575  gif.  Im  Beda  findet  sich  eine  ganze  anzahl  von  abwei- 
chungen  (und  Schwankungen)  im  gebrauch  des  geschlechts, 
z.  b.  hendy  m.  u.  f. ;  eöel,  m.  u.  n. ;  dwly  m.  u.  n. ;  sce^  m.  u.  f. ;  rim, 
m.  406.  21  TCOCa;  wrohtas  214.  18  T;  wihedas  466.  10  Ca 
—  weofoda  B ;  gen.  sing,  onsynes  194.  34  T  0  Ca ;  pinum  an- 
syne  486.  6  Ca.  Eine  vollständige  Zusammenstellung  soll  am 
schluss  gegeben  werden. 

36.  4.  (I  333.)  Foröon  de  du  pone  mangengan  7  pone 
wipfeohtend  7  pone  forhycgend  ura  goda  Öu  me  helan  woldest 
swyÖor  ponne  minum  öegnum  secgean,  (Ponne  wite  öu  ,  .  .  (Ca) 
=  quia  rebellem  ac  sacrilegum  celare  quam  militibus  reddere 
maluisti. 

a)  Es  ist  nicht  nötig,  in  du  me  helan  . . .  mit  Miller  eine 
corruptel  zu  erblicken.  Wenigstens  braucht  die  nachlässige 
Wiederholung  des  pronomens  Öu  nicht  beanstandet  zu  werden ; 
diese  art  pleonasmus  steht  keineswegs  vereinzelt  da.  114.22 
hwcet  ic  fore  Cristes  cneohtum,  pa  he  me  in  tacnunge  his  lufan 
hebead,  bende  7  stvingan  7  carcern  ....  ic  Prowade:  378.  1  Pect 
he  nalas  cefter  miclum  fcece  he  eac  swylce  to  Dryhtne  ferde; 
42.  4  Pa  cristenan  men  7  da  geleafsuman,  Pa  pe  hi  cer  on  da 
frecnan  tid  ....  hi  hyddon  7  digledon.  Zu  vgl.  auch  pa 
ping,  da  de  sod  7  best  gelefdon,  Pcet  eac  swilce  willadon  us 
/)a  getmensuman  60.  6.  üeber  ähnlichen  pleonasmus  im  ge- 
brauch der  praepositionen  vgl.  Sohrauer  §  25 ;  Einenkel ,  in 
Pauls  Grdr.U,  p.  1117. 

b)  Doch  halten  wir  es  für  wahrscheinlich,  dass  in  me  der 
komparativ  me  {mce)  steckt,  und  dass  swydor  vom  Schreiber 
aus  missverständnis  hinzugefügt  wurde;  letzteres  fehlt  in  C; 
in  B  fehlen   auch  die   folgenden  vier  worte,   nach  Schipper 

*)  herehcecon  =  simbolam,  Epin.  Glosa.  919;  Corp.  GI088. 1873,  1971. 


284  FB.  KLAEBEB, 

"vermutlich  übei-sehen  vom  Schreiber  wegen  des  zweimaligen 
donne-\  d.  h.  wahrscheinlich  stand  swyöor  nicht  in  der  vor- 
läge. Analoge  fälle  begegnen  86.  10  (forpon  heo  is)  ma  (to 
sorgienne)  —  m^  stvyöor  B ;  190.  24  ma  T,  fwc  B  0  —  me  .  . . 
stcydor  Ca.  Die  form  me  bezw.  mce  lässt  sich  in  unseren  hss. 
nicht  ganz  selten  belegen  und  scheint  in  der  urhs.  noch  viel 
häufiger  gestanden  zu  haben,  [mw  ist  die  regelmässige  form 
in  Rush.  ^  (Brown  I,  p.  69) ;  desgl.  mae^  m^  im  Vesp.  Ps.  (Zeuner, 
pp.  41,  139);  mae  in  Vesp.  Hy.  3. 4 ;  mcp  Lindist  6o.,  John.  7. 31.] 
mce  findet  sich  in  der  ältesten  der  erhaltenen  hss. ,  Z  278.  30 
(TBOCa  ma);  sodann  410.28  T  (Schreiber  5)  (BCOCa  ma) 
und  414.24  T  (Schreiber  5)  (OCa  ma,  B  svnöor);  auf  dieselbe 
form  weisen  auch  die  Varianten  der  beiden  folgenden  stellen: 
92.4  me  T,  ma  OCa,  mwg  C,  mceg*'  B;  294.  11  ma  TBCa, 
mce  0.  Weiterhin  haben  wir  uns  folgende  belege  von  me 
notiert.  288.  18  T;  94.  17  OCa B;  82.  26  B;  260.  31  B; 
224. 19  B;  190.  24  OCaB  (wo  aber  B  den  text  sicherlich  falsch 
aufgefasst  und  me  als  pronomen  behandelt  hat;  auch  in  an- 
deren fällen  mögen  wir  mit  einem  missverständnis  in  B  zu 
thun  haben).*) 

Die  vertauschung  von  ma  {mce,  me)  im  sinne  von  ^potius, 
amplius,  magis '  mit  dem  nachdrücklicheren  swiöor  ist  noch  an 
folgenden  stellen  in  B  zu  beobachten:  102. 19,  116. 11,  162. 16, 
208. 16,  264.  10,  414.  24,  454. 14;  dazu  196.  7  ma  T OCa  — 
swidor  .  .  .  mare  B ;  370.  29  mu  7  wa  T  0  Ca  —  ma  ^  swifor 
B.-)  Auch  auf  andere  weise  ist  B  diesem  komparativ  ansge- 
mchen.     134. 19  ma  OCa.  —  betB;    44.33  {hi  no)  md  (ne 

*)  Wenn  mitunter  die  scheinbar  umgelautete  form  mcera  (mcBre)  an- 
getroffen wird,  so  kann  dies  auch  auf  vertauschung  oder  verwechBlnng  mit 
m(Er€  'berühmt-  benihen.  Zweifellos  in  260.  17  se  w(bs  md  in  ciriclecum 
Peodscipum  .  .  .  gelcered,  pon  .  .  .  TBOCa  —  mare  B.  Höchst  wahrschein- 
lich in  318.  21  btiton  mar  an  symhelnessum  7  tidum  (=  praeter  maiora 
sollemnia)  —  buton  symnessuvi  py  mceran  tidum  B.  —  Allerdings  umge- 
kehrt: 174.  2  odpe  in  gecorenisse  lieora  Peowa  masrran  7  betran  (=  in- 
signiores)  T —  maran  7  beteran  OCa,  maran  7  brcedran  B;  8.5  mid  Py 
marran  hungre  (=  fame  famosa)  Ca  —  maran  B.  (Vgl.  Cura  Past.  301. 12 
Ac  se  ure  Aliesend,  de  mara  is  d-  mcerra  eaUum  gesceaftum,) 

*)  Cura  Past.  251.  21  Öast  hie  stia  micle  ma  beoÖ  Godes  beam,  d^  he 
hie  sua  mide  ma  lufaÖ  sua  he  hie  suiÖur  manaÖ  &  suingÖ,  Dial.  Greg. 
330.  24  swa  myccle  swyPor  swa  neal(ecende  is  Peos  7  wearde  womid  io  ende, 
swa  mycle  ma  eac  . . .  j  etc. 


ZUR  ALTENGLI80HEN  BEDADbERSBTZUNG.        285 

miJiton  . . .  s wende  heon)  CCa  —  l^ng  B.  mare  erscheint  dafür 
176.  2  B,  370. 15  B  (vgl.  mara  in  Rush.2).  Endlich  steht  einem 
ma  *plus',  ^plura'  ein  wäre  gegenüber :  132. 1  niaTO  —  mare 
BCa;  dazu  198.  14  ndlesma  (ponne  py  twelftan  dwge)  TOCa 
—  nales  mare  fcec  B. 

c)  Wie  ist  das  merkwürdige  mangenga  (wahrscheinlich 
cijta^  Xeydfitvov)  zu  erklären?  Man  ist  versucht  zu  glauben, 
dass  von  (poet.)  compositis  wie  sceadugenga,  angenga  ein  quasi- 
suffix  -genga  abstrahiert  wurde.  Oder  schwebte  dem  Angel- 
sachsen ein  man  began  (begangan)  vor?  B  bietet  das  alltäg- 
liche manfullan, 

36.  15.  (I  354.)  Hwcet  limpep  Pces  to  öe  of  hwylcum 
wyrtruman  ic  acenned  si?  (Ca)  =  Quid  ad  te  pertinet,  qua 
sim  stirpe  genitus?  'Was  geht  es  dich  an?'  So  Ba  frcegn 
he  hine,  hwcet  Pa^s  to  Mm  lumpe,  hwceÖer  lie  wacode  Pe  slepe  etc. 
128. 19  =  . .  quid  ad  eum  pertineret.  Ganz  ähnlich  im  Boeth.: 
Hwcet  belimpd  Po  to  hiora  f(egernes[s\a?  29.  17;  Hwcet  belympÖ 
(urspr.  limpö  C)  his  to  Pe?  31.  7.  Dass  hier  hwcet  mit  partitivem 
genitiv  {pa^s^  his,  fcegernessa)  konstruiert  sei,  wie  Wülfing  meint 
(I  99;  426;  Engl.Stud.  XXVin  107),  halten  wir  für  unwahr- 
scheinlich.  Was  sollte  auch  ein  solcher  genitiv  bezwecken? 
Wir  glauben  vielmehr,  dass  die  genitive  in  der  that  zu  {be)limpan 
gehören.  Die  konstruktion  lässt  sich  etwa  mit  der  von  reccean 
vergleichen,  z.  b.  hwcet  rohte  ic  öces  lyfes  gyf  ic  ndwiht  nyste 
Shm.  194.2  (aus  B-T).  ^)  An  die  Verbindung  des  unpersön- 
lichen verbums  mit  dem  genitiv  dürfen  wir  uns  nicht  stossen.  2) 

36.  27.  (I  378.)  Äc  gyt  sopre  is  =  quin  immo.  338.  29 
7  gean  sodre  Pcet  ic  Drihtnes  wordum  spreco  =  immo  ut  uerbis 
domini  loquar;  474.  9  oPPe  Pcet  gen  soPre  is  =  immo. 

38.  8.  (I  405.)  micle  menigo  monna  ceghwceöeres  hades; 
7  wceron  missenlicrce  yldo  7  getincge  men  (Ca)  =  non  paruam 
hominum  multitudinem  utriusque  sexus,  condicionis  diuersae  et 
aetatis.  —  Was  ist  getincge?  Man  möchte  an  das  subst.  ge- 
ping{e)  äeukeu,  welches  ^condicio'  (als  *bedingung'  verstanden) 

^)  Mark.  4.  38  non  ad  te  pertinet  qoia  perimus  ==  7ie  be-UmpÖ  to  pe  p 
we  foncurpab  Corpus  MS.;  ne  to  de  gibyreÖ  foröon  Öcet  we  deade  l  ne 
reces  du  Öah  we  deadt  sie  Bush. 

')  ^%^'  ^^  geweard  Pe  pces  .  .  .  Öcet  iht  scebeorgas  secan  woldes  Andr. 
307:  geweard  him  7  Pam  folce  .  .  .  anes  Chron.  A.  D.  1014  £. 


286  FR.  KLAEBER, 

wiedergeben  sollte;  dann  wäre  freilich  entweder  gen.  sing. 
ye])in(jes  zu  erwarten,  oder  die  endung  -e  (statt  -a)  als  zeichen 
für  den  gen.  plur.  aufzufassen.  (?)  —  Oder  ist  an  gePyncÖo 
'dignity,  honor',  bezw.  gedyngo  (Lindisf. Go.)  anzuknüpfen?*) 

38.  10.  (I  410.)  7  hi  swa  Öces  streames  hrycge  dbysgade 
wceron  (Ca).  Eine  schülerhafte  Übersetzung  von :  et  ita  [mul- 
titudo]  fluminis  ipsius  occupabat  pontem  —  nach  analogie  von 
fällen  wie:  utpote  qui  grauissimis  eo  tempore  bellis  cum 
Blaedla  et  Attila  regibus  Hunorum  erat  occupatus  =  forpon 
on  öa  ylcan  tid  he  tvces  ahysgad  mid  hefigum  gefeohtum  wiÖ 
Blcedlan  7  Atillan  Htina  cyningum  48.  10  (Ca);  oder  354.  1, 
354.  17.  tJeberhaupt  gilt  abysgian  (gebysgian)  ganz  gewöhn- 
lich als  Übersetzung  des  lat.  occupare ;  s.  Wr.- Wü.,  Gloss. ;  Cura 
Fast.  127.  15,  175.  26,  159.  10;  vgl.  169.  12. 

38.  25.  (I  439.)  ...  on  Pa  dune  ujyp ,  seo  wces  Öa  tidltee 
grene  7  fccger  7  mtd  misenlicum  blostmum  wyrta  afed  {afcegrod 
B,  C?)  7  gegyred  wghwyder  ymbutan  (Ca).  Miller  sieht  ohne 
grund  die  lesart  afed  als  eine  textverderbnis  an.  afed  ent- 
spricht genau  dem  'depictus'  der  vorläge  (uariis  herbarum 
floribus  depictus),  ebenso  wie  58.  25  {anlicnesse  Drihtnes 
Hcelendes  on  brede)  afoegde  7  awritene  (0)  (=  imaginem  domini 
saluatoris  in  tabula  depictam).  lieber  frühae.  formen  des  vor- 
histor.  *faihjan  =  pingere  s.  Sievers  §  408,  anm.  18,  und  Pauls 
Grdr.2  I,  p.  251;  vgl.  umord.  faihiöo,  Noreen,  Altisl.  Gram.* 
p,  258 ;  Sweet,  OET.,  p.  598. 

e  (in  afed)  für  umgelautetes  ä  (germ.  ai)  —  im  allge- 
meinen als  kent.  zu  deuten  —  ist  nicht  unerhört  im  Beda, 
jedoch  abgesehen  von  der  von  dem  "Kenter  T  ^"  (Deutschbein, 
pp.  194  f.)  geschriebenen  partie  nur  sporadisch  anzutreffen. 
Zu  den  von  Deutschbein  aufgezählten  e-formen  lassen  sich  hin- 
zufügen: 112.  10  reces  C  (r?c5^  T,  rmcest  B);  72.  23  are  laÖere 
0  (Areela  pcere  \byrig]  T  B  Ca). 

Hs.  B  lässt  in  58.  25  afcegde  einfach  aus,  während  in  38. 27 
afed  in  afcegrod  verbösert  ist  (letzteres,  wie  es  scheint,  eine 
kontaminationsform  von  fcegrian  und  afcegan,  s.  Sweet,  Ags, 
Dict.).  2) 


*)  Cura  Past.  411.  25  Öone  had  7  Öa  gedyficÖo. 
*)  In  iElfredscher  prosa:  .ati(e)fred  =  depictus,  Cura  Past.  158.23; 
157.  4;  atefred  Solu.  338.  44. 


ZUR  ALTEKGLISCHEN  BEDAObEBSETZÜNG.  287 

40,  9.  (I  472.)  ne  tvcBS  he  forlwten  pcet  he  ofer  him  deadum 
gefege  (Ca)  =  gaudere  super  mortuum  non  est  permissus. 
B  geferde.  Anstatt  die  möglichkeit  der  bedeutung  "triumphie- 
rend hinweggehen,  triumphieren"  für  geferan  ins  äuge  zu 
fassen  (Schipper),  haben  wir  geferde  ohne  weiteres  als  ge- 
dankenlose entstellung  zu  verurteilen.  Die  angl.  form  gefege 
brachte  den  südlichen  Schreiber  zu  falle.  (Dial.  Greg.  294.  20 
hym  nces  na  alyfed,  ]mt  he  moste  ofer  hine  deadne  gefeon,) 

40.  12.  (I  479.)  mid  Pam  (B  p{)  uplican  mihte  geöread 
(Ca)  =  superno  nutu  correptus.  50. 14  mid  Drihtnes  mihte 
gestihtad  (Ca)  =  domini  nutu  dispositum.  Dieselbe  Übersetzung 
von  *nutus'  in  Wr.-Wü.,  Gloss.  1454.  19,  521.26  (ib.  454.24, 
525.  26  nutum  =  willan).  Das  auffallende  genus  ist  nicht  zu 
beanstanden;  s.  anm.  zu  34. 17.  Der  gen.  mihtes  findet  sich 
im  (Par.)  Ps.  70. 18  pines  mihtes  prym.  Der  neutrale  gebrauch 
im  northumbr.  (Lindisf.  Go.  u.  Rit.)  hat  nichts  befremdliches 
(Lindelöf,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  altnorthumbrischen,  p.  17). 

40.  21.  (I  496.)  Woes  he  Prowigende  se  eadiga  Albanus 
. .  .  neah  Öcere  ceastre,  öe  Romane  heton  Uerolamiufn,  seo  nw 
fram  Angelöeode  Werlameeeaster  oppe  Wceclingaceaster  is 
nemned  (Ca).  Plummers  text  zeigt  die  form  Vaeclingaccestir; 
Holder  druckt  Vaeilingacaestif*,  S.  Miller,  Place  Names,  p.  62 
("Locally  Wcet-  with  t  seems  preferred").  —  (OE.  Martyrol. 
100.  26  seo  stow  pcer  Älhanus  prowade  is  neah  Pcere  ceastre 
pe  Bryttwalas  nefndon  Verolamium  ond  Aengla  Peod  nemnaÖ 
nu  Wostlingaceaster) 

40.  24.  (I  502.)  Das  komma  gehört  nach  (ßfter  pon,  nicht 
nach  sona. 

42.  12.  (I  549.)  se  Ärrianisca  gedweolda  (Ca)  =  . . .  Ar- 
rianae  uesaniae.  B  gedwola,  —  42.  22  gedweola  Ca  {dwola  B); 
442.  2  gedweola  Ca;  362.  14  dweoligendum  Ca.  —  42. 19  ge- 
dwola  B  Ca.  In  der  kapitelüberschrift:  6. 20  gedwolan  B  Ca.  — 
gedweolda  (für  gedwolda,  wie  gedweola  für  gedwola  steht, 
s.  anm.  zu  14.  20)  wird  aus  Vermischung  von  gedwola  und 
gedwild  (gedwyld)  zu  erklären  sein.  (Vgl.  z.  b.  Chron.  A.  D.  381 
(380)  on  pam  timan  aras  Pelagies  gedwyld,) 

42.  19.  (I  562.)  ...  7  Pcet  deadhasrende  attor  his  getreow- 
leasnysse  naloes  Podt  on  (B  an)  eallum  middangeardes  cyrican 
pcet  he  stregde,  ac  hit  eac  swylce  on  pis  ealond  becom  (Ca)  = 


288  FR.  KIjAEBER, 

. . .  exitiabile  perfldiae  suae  uirus  . . .  nou  solum  orbis  totius, 
sed  et  insularum  ecclesiis  aspersit.  Zur  form  on  (d.  h.  öh) 
s.  anm.  zu  10.  23.  Nach  nalws  Pcet  o»  mag  die  praep.  on  aus- 
gefallen sein;  vgl.  pcet  tvceter  on  adlige  men  odÖe  on  neat 
stregdad  156.  6  (=  asperseiint) ;  auch  118. 12  f. 

44.  IL  (I  617.)  Ba  on  dcere  unstünysse  onsendon  hi 
\  cerendwrecan  to  Eome  mid  getvritum  7  wependre  bene:  htm 
fultumes  hcedon ,  7  him  gehetan  ...  (Ca).  Diese  unrichtige 
interpunktion  Millers  (auch  Schippers,  der  Semikolon  nach  hene 
setzt)  ist  zu  ändern:  . . .  mid  gewritum,  7  wependre  hefie  him 
fultumes  bosdon  (=  lacrimosis  precibus  auxilia  flagitabant). 
So  44.  24  7  tv(e])endre  stefne  him  fultumes  hcedon  (Ca). 

44.  26.  (I  648.)  scean  7  hryhte  (Ca)  =  claruerat.  Die 
B-lesart  scan  beorhte  ist  eine  unverkennbare  neuerung  (viel- 
leicht aus  scan  7  beorhte  verderbt).  218.  32  sdnad  7  beorhtaÖ 
==  claruisse  (B  beorhtigad)\  364. 16  scan  7  byryhte  T  (Schrei- 
ber 3)  =  effulgeret  (C  beorhte,  B  beorhiode).  Ueberhaupt  ist 
die  Verbindung  dieser  beiden  verba  sehr  beliebt.  —  Dieselbe 
metathese  des  r  in  {an  eagan)  bryhtm  136.  3  0  Ca  (B  C  beorht). 
Sievers  §  179,  2. 

44,  32.  (I  658.)  hlodedon  7  hergedon  (Ca)  =  praedas  . . . 
cogere  solebant.  48.  23  hi  onhergedon  7  hUoÖedon  (Ca)  (B 
hlopedon)  =  praedas  . .  agebant.  Das  verbum  hloöian  scheint 
nur  im  Beda  vorzukommen.  Auch  das  subst.  hlod  =  'praeda' 
92.  13,  150.  26  scheint  unserem  texte  eigentümlich  zu  sein 
(während  hloö  in  der  bedeutung  ^schaai*,  bände'  ganz  be- 
kannt ist). 

48.  1.  (I  735.)  Swylce  cac  his  rices  Py  Öriddan  geare  eae 
twentigum  Aetius  tvces  haten  mcere  man,  se  wo^  iu  mr  heah 
ealdorman,  7  pa  wces  Priddan  siöe  consul  7  cyning  on  Borne 
(Ca)  =  Anno  autem  regni  eins  uigesimo  tertio,  Aetius  uir 
inlustris,  qui  et  patricius  fuit,  tertium  cum  Symmacho  gessit 
consulatum.  —  Eine  interessante  satzfügung  (erwähnt  von 
Wülfing  I  2),  auf  die  man  sehr  Tiäufig  stösst.  Dieselbe  scheint 
aus  einer  verquickung  zweier  konstruktionen  hervorgegangen 
zu  sein,  und  zwar  1.  eines  die  betr.  thatsache  darstellenden 
Satzes :  *  Zu  jener  zeit  war  Aetius,  ein  berühmter  mann,  .... 
konsul',  und  2.  der  so  beliebten,  parenthetisch  zu  denkenden 
bemerkung:   *  Dieser  berühmte  mann  hiess  Aetius'  (vgl  7  Pa 


■       '  ■      ■ 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDACBERSETZUNG.  289 

gelicode  htm  eallum  mid  heora  cyninge,  Wyrtgeorn  wces  haten, 
Pcet  ....  50. 12  (Ca)  =  placuitque  omnibus  cum  suo  rege 
Vurtigerno ,  ut  .  . . . ;  öa  wceron  cumene  of  Hihernia  Scotta 
ealonde  mid  heora  heretogan,  lieada  hatte  28.  25  (Ca)  =  qui 
duce  Reuda  de  Hibernia  progressi  . . . . ;  7  o^er  his  sunu, 
Wuscfrea  woss  haten  (BOCa  Wuscfrea  hatte)  140.  3  =  et 
alter  filius  Vuscfrea ;  24. 18  f. ;  etc.)  ^) 

Weitere  von  uns  angemerkte  beispiele  sind:  Da  wces  on 
Pa  tid  JEdelbyrht  cyning  haten  on  Centrice  7  mihtig;  he  hcefde 
rice  ...  56.  25  (Ca)  (B  . . .  in  da  tid  JEÖelbyriht  cyning  on 
Cetrice  7  se  wces)  =  Erat  eo  tempore  rex  Aedilberctus  in 
Cantia  potentissimus,  qui  . . . ;  Wws  se  a^resta  dbhud  Poes  ylcan 
mynstres  Petrus  haten  ma*ssepreost  90.  25;  100.  18;  406.  13. 

Desgleichen  im  Oros.  On  piem  dagum  Finnus  wcbs  liaten 
Stirn  nwn  on  Africum,  se  wws  pcer  wilniende  pces  onwaldes 
290.  6;  98.  4;  108.  15;  168.36;  222.  24. 

Dial.  Greg.  7  Pa  gelamp  hit,  Pwt  sum  ealdornian  tvces 
Daria  gehaten,  se  wces  mid  here  cumende  14.  14;  16.  8;  130.  31 ; 
305.  19. 

Epist.  Alex.  (ed.  Baskervill,  Anglia  IV).  pa  wces  haten 
Seferus  min  Pegn,  funde  pa  wteter  in  anum  holan  stane. 

Wulfstan.  ac  eft  a^fter  pam  ymhe  LXX  geara,  Pcbs  pe 
seo  hergung  wa^s,  Cyrus  hatte  Persa  cyning;  se  gefreode  .... 
14.  9. 2) 

Aus  den  poetischen  denkmälern  ist  etwa  Gen.  1082  ff 
hierher  zu  ziehen.  Die  verliebe  für  den  gebrauch  von  hatan 
*appellare'  in  der  dicht ung  ist  bekannt. 

48.  6.  (I  743.)  Her  is  Brytta  geong  (B  gnornung)  7  geo- 
merung  (Ca)  ^^  gemitus  Brittanorum.  In  Ca  ist  yrmd  (nach 
Schipper  yrmd)  über  geo7ig  geschrieben.  —  76. 15  (1 1759) 
gooung  7  sdr  =  gemitus  (goung  OCa^  geong  B).  88.  15  (I  22ü0) 
goaJ  7  geomraÖ  ^^  ingemiscat  {hogad  OCa,  gced  B,  geP  C). 
88.  17  (I  2207)  goinde  7  geomriende  =  gemebat  {hogiende  OCa, 
seofiende  B,  gende  C).  (82. 12  geomrade  =^  gemebat.)  Schippers 
anm.  zu  I  2203  (vgl.  seine  anm.  zu  1 1756/9)  stellt  die  ver- 


*)  Ond  Hononua  woss  haten  se  de  for  hine  to  biscope  gecoren  w€es 
146.  13  =  et  Honorius  pro  illo  est  in  praesulatum  effectus. 

*)  Brada  hatte  wces  gebur  to  IlceÖfelda  Thorpe,  Diplom.  Angl.  G50.  14; 
Buhe  hatte  was  Dryhtlafes  moddrige j  wces  afaren  .  .  ib.  651.  3. 
Angll».    v.F.    xui.  19 


290  PR.  KLAEBER, 

hältnisse  auf  den  köpf.  Dass  goaö,  goiende,  goung  'authentisch' 
sind ,  unterliegt  keinem  zweifei.  Miller  I,  Einl.,  p.  l  ;  Sievers 
§  414,  anm.  5,  a).  Ausserhalb  des  Beda  giebt  es  nnseres 
Wissens  keine  belege. 

48.  19.  (I  775.)  Com  se  foresprecena  hungur  ecx  swylce 
hider  on  Bryttas  7  hi  to  öon  swype  wcehcte  (Ca).  B  wddcte. 
(=  adficiens.)  Wülfing  (I  259)  stellt  wcehcte  zu  "weccan,  weo 
gean  erregen,  bewegen,  erwecken",  anstatt  zu  wcecan  (u?(Bcan, 
zu  tväc).  (ge)wwcan,  gewöhnlich  dem  lat.  'afficere'  entsprechend 
(wie  mehrfach  in  xElfric  und  in  den  westsachs.  Evangelien) 
findet  sich  noch  36.  34,  302.  27,  302,  30,  378.  29,  250.  4  wceced 
(B  aweht) ,  294.  27  woicecl  (B  iveht).  An  den  beiden  letzten 
stellen  hat  B  wieder  einmal  einen  handgreiflichen  fehler  be- 
gangen. Die  Schreibung  wcelide  scheint  einen  kompi'omiss 
zwischen  tvcecte  und  tvcehte  (Sievers  §  407,  2)  darzustellen.  *) 

48.  20.  (I  778.)  pcet  heora  monige  heora  feondum  on  hand 
eodan  (Ca)  =  . .  infestis  praedonibus  dare  manus.  54.  2  Sume 
for  Imngre  heora  feondum  on  hand  eodon  =  . .  manus  hostibus 
dabant.  (34.  28.)  Neben  dieser  (z.  b.  aus  dem  Oros.)  so  wohl 
bekannten  redensart  findet  sich  als  Übersetzung  von  'manus 
dare'  noch  hy messe  ge^afian  258.  11;  treowe  sellan  248.1; 
vgl.  Plummer  II  200. 

50.  3.  (I  808.)     on  hra^rdnesse  (Ca)   =  in  breuL     B  t» 
hrednesse.   Mit  Millers  erklärung  von  hrcerdnesse  als  hrerednesse 
können  wir  uns  nicht  befreunden.    Ca  hat  übrigens  hrafdnesse, 
womit  möglicherweise  hardnesse  gemeint  war,  vgl  hdsrdlicof 
(  -  citius)  Benet  24.  6.     Sonst   wäre  entwicklung   eines  un- 
organischen r  einzuräumen  (zu  vgl.  auch  hnergtrafum  Beovr  - 
175?).    (Dies  findet  sich  —  freilich  unter  anderen  lautlichec*^ 
bedingungen  —   in  frecernes,   s.  Miller  I,  Einl.,  p.  l;  eormcB^^ 
(=:  Eomaer)  122.  9  CO  Ca.)  —  Zu  on  hrcednesse  'in  kürze'  vgK> 
z.  b.  Benet  24.  5  on  hrcednesse  (=  in  uelocitate) ;  Vita  OutUM^ 
14.23  on  hrcedlicnesse;   ib.  10.2  mid  micle  rascUicnifSse; 


^)  icivgan  in  der  Chron. :  pa  wceron  hie  mid  metdieste  gewctgde  A. 
804  (—  (jewcehte  W),  während  z.  b.  -Elfric,  Sainta  11  86.  906  tw  we 
yeivcehte  mid  gewinne  7  meteleaste. 

iccegan  =  fallere:  ne  hine  oiciht  his  geleafa  waigdedSQ.  82  = 
eum  sua  fides  fefeUit. 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAUBEBSETZUNG.  291 

Greg.  157.  14  mid  eallre  hrcednesse-,  ib.  195.  28;  196.  24  mid 
mycelre  hrcednesse;  123.  12;  132.  8;  181.  8;  vgl.  299.  15. 

50.  21.  (I  853.)  7  on  eastdcele  pyses  ealondes  eardungstowe 
onfeng  ....  Pcet  hi  sceoldan  for  lieora  edle  compian  7  feohtan 

(Ca).     Die  nachdrückliche  antithese  des  lat.  Originals 

(. . .  quasi  pro  patria  pugnatura,   re  autem  uera  hanc  ex- 

pugnatura )   ist  nicht  nachgeahmt  worden.     Auch  das 

Wortspiel  des  folgenden  satzes  wurde  (notwendigerweise)  ge- 
opfert: cum  hostibus,  qui  ab  Aquilone  ad  aciem  uenerant 
=  wid  heora  gewinnan,  J)e  hi  oft  cer  norÖan  onhergedon  50.  24 
(Ca).  S.  auch  anm.  zu  142.  25.  Aehnliche  in  der  Übersetzung 
verloren  gegangene  lautanspielungen  des  lat.  textes  sind  z.  b. 
fame  famosa  I,  c.  14,  Überschrift  (=  ae.  Version  8.  5);  f ames 
—  famam  I,  c.  14  (=  48.  19);  sed  quo  vetustior  est,  eo  solet 
esse  uenustior  I,  c.  1  (=  26.  11);  autumans  se  uerberibus, 
quem  uerbis  non  poterat,  cordis  sui  emollire  constantiam  I, 
c.  7  (=  36.  32). 

Andrerseits  aber  ist  die  engl.  Übersetzung  in  sehr  reichem 
masse  mit  dem  schmuck  des  Stabreims  ausgestattet  worden. 
Näheres  darüber  am  schluss. 

60.  29.  (I  868.)  7  him  Brytias  sealdan  7  geafan  eardung- 
stowe hetwih  him  Poet  hi  for  sibbe  7  hcelo  heora  edles  campodon 
7  wunnon  wid  heora  feondum,  7  hi  him  andlyfne  7  are  for- 
geafen  for  heora  gewinne  (Ca)  =  Susceperunt  ergo,  qui  ad- 
uenerunt,  donantibus  Brittanis,  locum  habitationis  inter  eos, 
ea  condicione,  ut  ....  Dies  ist  das  beste  uns  bekannte 
prosabeispiel  von  pcet  =  *  unter  der  bedingung  dass',  oder 
*  dafür  dassV)  vollständig  parallel  mit  der  von  Cosijn  (Beitr. 
XXI  9)  beigebrachten  konstruktion :  biÖ  pe  meorÖ  wiÖ  God,  \ 
Pcet  pu  US  on  lade  liöe  weoröe  Andr.  275  f.  Der  von  Wülflng 
(II  147)  in  Übereinstimmung  mit  Cosijn  citierte  beleg  aus 
Boethius  (Card.  358. 19,  Sedgef.  136.  26)  erledigt  sich  durch  die 
bestätigung  der  lesart  pcer  (nicht  pcet)  in  Sedgefields  ausgäbe. 

52.  2.  (I  874.)  Comon  hi  of  Prim  folcum  dam  strangestan 
Germanie,  pcet  of  Seaxum  7  of  Ängle  7  of  Geatum  (Ca).    Die 


*)  Deutlicher  ausgedrückt  54.  2  Sume  for  hungre  heora  feondum  on 
hand  eodon  7  ecne  Peowdom  geheton,  wiÖpon  pe  him  mon  atidlifne 
forgefe, 

19* 


292  FR.  KLAEBER, 

lesung  p<vi  Is  {^  id  est)  ist  mit  recht  von  Wttlflng  (I  377) 
und  Schipper  befürwortet  worden.  —  (Oros.  138.  3  feower  pa 
strengstan  Öeod<i  hi  him  hetweonum  gesprcecon  —  Pcet  wceran 
Umbri,  7  iJrysci,  7  Somnite,  7  Galli  —  Pcet  hi  tcolden  on 
üotnane  winnan,  —  Oros.  48. 14  Pa  da  Gotan  caman  of  pcem 
hwatestan  monnum  Germania.) 

62.  13.  (I  895.)  of  Öws  strynde  (Ca)  =  de  cuius  stirpe. 
B  setzt  dem  klassischen  südlichen  Sprachgebrauch  gemäss  cynne 
für  strynde  ein.  [Mittlerweile  hat  sich  auch  Deutschbein, 
p.  172  über  strynd  ausgesprochen.] 

So  194.  5  of  Eadwines  strynde  Pws  cyninges  (=  de  stirpe 

)  TC    —   cynneiß)  OCaB;    328.17  pcet  he  wces  ceÖel(r)e 

strynde  (=  de  nobilibus)  T  0  Ca  —  oepeles  gestreones  B ;  406. 
10  of  Öccre  cynelican  strynde  (=  de  stirpe  regia)  T  0  Ca  — 
q/nelican  gebyrdo  B ;  452.  29  wces  he  of  cepelre  strynde  Angel- 
Peode  {=  de  nobilibus  . . .)  0  Ca  —  cepelre  gebyrdo  B. 

(Hingegen  —  in  der  legende  von  Albanus  —  of  hwylcum 
wyrtrunian  ic  acenned  st  36. 15  (Ca)  =  qua  sim  stirpe  genitus.) 

strynd  ist  sonst  nur  nachzuweisen  in  Lindisf.  Go.,  Kush.^, 
Kit.,  Blickl.  Hom.  23.  28;  ausserdem  eormenstrynd  SaL  o. 
Sat.  329. 

52.  14.  (I  897.)    Ne  wces  da  ylding  to  Pon  Pcet (Ca) 

=  non  mora  ergo.  —  ne  wces  Pa  elding  Pcette  60.  30;  376.  31 
(C  nces  Pa  lang  pte) ;  ne  wces  Pa  elden  (B  0  Ca  ylding)  Pcette 
178.  26;  ne  wces  da  celden  (BOCa  ylding)  400.  20;  ne  wces  he 
eidende  192.  11;  pane  elde  he  130.  9;  130. 15;  292.  23.  7  sona 
butan  yldincge  (=  nee  mora)  152.  21.  pa  sona  buton  eldnesse 
(nee  mora)  100.  7. 0 

52. 15.  (I  898.)  heapmcelum  (Ca)  =  certatim,  welches  mit 
aceruatim  verwechselt  zu  sein  scheint  (54.  2  heapmaslum  (Ca) 
=  aceruatim) ;  s.  Aug.  Schmidt,  p.  44.  —  (Oros.  170.  7  hie  him 
heapmcelum  seife  on  liand  eodon,  —  Dial.  Greg.  200.  28,  255, 
16,  257.  8. 


1)  Nces  pa  ncetiig  yldend  (Verc.  Fragm.  ylding)  to  ßam  Pest  . .  Vita 
Guthl.  36.  5.  Goodwins  erklärung  "none  of  them  delayed"  (so  auch  B-T) 
ist  verfehlt,  (ncea  pa  nan  htcü  to  pam  pcet  ib.  46.  21;  50. 11;  54. 15, 28; 
96. 19.)  Man  könnte  an  die  Schreibung  acyldenda  (i.  e. ,  Seyldinga)  Beow. 
148  erinnern;  doch  mag  ylden  (elden)  gemeint  sein ;  s.  unsere  Anm.  su  76. 24. 


ZUB  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBEBSETZUNO.  293 

52.  27.  (I  923.)  . . .  Swa  ponne  her  fram  posre  arlectsan 
öeode,  hwceffere  rihte  Godes  dorne,  neh-ceastra  gehwyUe  7  land 
wcps  forhergiende  (Ca)  --  Sic  enim  et  hie  agente  impio  uictore, 
immo  disponente  iiisto  iudice,  proximas  quasque  ciuitates  agros- 
que  depopulans  . . .  (B  forheregeode  wceron)  Im  gegensatz  zu 
Miller  und  Pessels  (pp.  64  f.)  (doch  vgl.  Wülflng  II  41)  glauben 
wir  an  die  ursprtinglichkeit  dieser  lesart.  Die  Übersetzung 
dieser  partie  reproduziert  den  lat.  text  keineswegs  genau,  je- 
doch klammert  sich  die  struktur  des  obigen  satzes  direkt  an 
die  vorläge  an ;  die  aus  der  unfreien  behandlung  des  Originals 
sich  ergebende  Unklarheit  spricht  nicht  im  geringsten  gegen 
die  echtheit  der  Überlieferung,  fram  pcere  arleasan  deoöe  ent- 
spricht dem  lat:  agente  impio  uictore;  wass  forhergiende  ist 
=  depopulans ;  das  Subjekt  ist  im  lat. :  ignis,  was  nun  freilich 
in  der  Übersetzung  verwischt  wird.  Um  den  Angelsachsen 
von  dem  vorwürfe  gedankenloser  glossierung  zu  retten,  kann 
man  allerdings  dem  ae.  wois  forhergiende  passive  bedeutung 
unterschieben  (vgl.  Schipper,  Pessels),  und  in  anbetracht  des 
so  häufigen  passiven  gebrauches  von  partizipien  und  verbal- 
adjektiven,  wie  tolysende  =  soluta  20.  18  Ca,  (pccre)  tvillendan 
(jgesyntä)  ^=--  cupitae  (sospita-tis)  272. 11,  ungeoehteiidlic  =  in- 
estimabilis  84. 12 ,  ist  diese  erklärung  immerhin  als  möglich 
zu  bezeichnen. 

Smith,  Miller  und  Schipper  (Ca)  schreiben  neh  ceastra 
gehwylce  7  land,  und  Millers  Übersetzung  lautet :  *  almost  every 
city  and  district'.  Aber  neh-ceastra  ist  unbedingt  als  com- 
positum zu  fassen,  vgl.  die  vorläge :  proximas  quasque  ciuitates. 
Dergleichen  [composita  sind  sehr  beliebt  im  Beda.  So  neah- 
masgd  308. 10  (=  proxima  prouincia);  nenhmcegöa  238. 12  (— 
finitimae  prouinciae);  neahm^i  90.31,  274. 13  (=  uicini);  neah- 
nunnmynster  2hL  10  (—  uicinum  uirginum  monasterium) ; 
neatunas  202.  2  B  (T  0  Ca  tunas) ;  pa  neahtide  hire  geleornesse 
290.  29. 

In  B  ist  der  ursprüngliche  sinn  verkehrt  und  die  fügung 
des  Satzes  geglättet  worden:  forneah  (=-  *  almost  *)  (Schipper 
for  neah)  ceastra  gehwylc  7  Idnd  forheregeode  wceron. 

52.  29.  (I  928.)  cynelico  gethnbro  7  anlipie  (Ca)  =  aedi- 
ficia  publica  simul  et  priuata.  (354.  24  getimhru  ....  ge  pa 
maran  ge  öa  mcetran  =  aedificia  puplica  uel  priuata.)  Es  ist 
möglich,   dass  B,   welches  somod  7  {mnlipie)  bietet,   die  ur- 


294  FR.  KLAEBEB, 

sprüngliche  fassung  darstellt.    S.  24. 19,  58.  26,  90.  8,  90.  23, 
122.  11,  126.  4,  188.  28,  222.  29,  358.  32,  etc. 

52«  31.  (I  932.)  buton  cenigre  are  sceawunge  (Ca).  Miller: 
"without  regard  for  mercy".  Jedoch  ar  ist  hier  im  sinne  von 
'honor,  dignity'  gebraucht,  wie  der  lat.  text  zeigt:  sine  ullo 
respectu  honoris.  9 

54. 1.  (I  937.)  monige  Öosre  earman  lafe  (Ca)  «■  nonnulli 
de  miserandis  reliquüs.  Erinnert  an  das  poet.  weälaf  Beow. 
1084, 1098,  Met.  Boeth.  1.  22  (auch  in  Wulfstan  133. 13).  Dazu 
A.  S.  Cook,  ^A  Latin  poetical  idiom  in  Old  English',  in  The 
American  Journal  of  Philology  VI  476  ff. 

54.  4.  (I  942.)  sume  ofer  sce  sarigende  gewiton  (T)  =  alii 
transmarinas  regiones  dolentes  petebant.  Die  Varianten  sarg- 
iende  Ca,  sorhgende  B  weisen  auf  eine  form  sörgiende,  bezw. 
angl.  (Sievers  §  412 ,  anm.  11)  sorgende.  (S.  anm.  zu  10.  23.) 
Ebenso  86.  10  r^  ...  ^o  sorgienne  T,  sargienne  B,  sarigenne  0, 
sarianne  Ca  (=  dolendum  est);  164.  1  sargedon  TBO  — 
sorhgedon  Ca  (=  dolentes).  [Dial.  Greg.  104. 18  hipa  sorgodon 
(H  besargodon),  Post  hi  sceoldon  heora  gewunan  forUetan,]  sar, 
sargian  ist  genauste  Übersetzung  von:  dolor,  dolere,  s.  auch 
76. 14  ff.,  402.  6,  322.  29,  322.  31,  96. 18  (sarlic). 

Dagegen  sorg{i)ende  (=  sollicitus,  gewöhnlich  mit  dem 
praet.  von  hidan  *  warten'  verbunden):  268.  7,  186.  23,  130.  22, 
186. 9.  (In  den  drei  ersten  stellen  hat  T  die  angl.  form 
sorgende)  sorgiende  (B  sorhgende)  mode  54.  6  Ca  =  suspecta 
mente. 

Natürlich  ist  die  berührung  zwischen  den  beiden  verben, 
durch  die  beliebte  alliteration  der  stamme  unterstützt,  2)  eine 
so  nahe,  dass  unter  umständen  auch  einmal  eine  vertauschung 
eintreten  konnte. 

54.  5.  (I  946.)  Pearfende  lif  . . .  dydon  =  pauperem  uitam 
. . .  agebant.  332.  21  munuclif  dyde  =  monachicam  . .  uitam 
agebat ;  480.  28  7  siöpan  ealle  tid  mines  lifes  on  Pces  ilcan 
mynstres  eardunge  ic  wass  donde  (C)  =  cunctumque   ex  eo 


')  sine  respectu  pietatis  uel  dioini  timoris  =  buton  gesihÖe  arfcestnesse 
oÖpe  Godes  egsan  298. 15. 

*)  Vgl.  aus  der  prosa  z.  b.  sorgum  and  sarum  Vita  Guthl.  66. 14;  /mi 
aorga  and  da  samesaa  Wulfst.  89. 13;  sorgtmg  7  sargung  ib.  114.  4;  sorhful 
and  sarigmod  ib.  133. 13. 


ZUR  ALTEN6LISGHEN  BEDAÜBERSETZUNG.        295 

tempus  uitÄe  . . .  peragens  . . . ;  412.  18  7  monig  gear  he  in 
Iltbernia  elipeodig  dncorliif  dede  =  . .  anchoreticam  . .  uitam 
egerat.  Dieser  zweifellos  aus  dem  Archetypus  stammende 
Latinismus  ist  zuweilen  in  B,  einmal  auch  in  Ca  beseitigt 
worden ;  z.  b.  an  der  letztgenannten  stelle  liest  B :  . . .  on 
dncorlife  drohtode. 

54.  7.  (I  953.)  se  here  =--  hostilis  exercitus.  So  200.  21 ; 
204. 14;  156.  1  om  pone  here  =^  in  hostem;  356.  22  seo  here- 
hand  =  manus  hostilis.  Auf  diese  dem  gebrauch  in  der 
(Jhronik  entsprechende  bedeutung  von  here  hat  schon  Aug. 
Schmidt  (p.  60)  aufmerksam  gemacht,  sciphere  ist  die  natür- 
liche Übersetzung  von  classis,  naues  50.  28,  44.  21,  vgl.  46.  7. 

54,  7«  (I  954.)  7  heo  hoefdon  utamcerede  J>a  bigengan 
pisses  edlondes  =r  exterminatis  dispersisque  insulae  indigenis. 
7  iostencte  vor  Pa  bigengan  (in  BCa)  wäre  in  den  text  zu 
setzen,  üt  afcerde  B,  ut  afcerede  C  ist  offenbare  neuerung. 
In  Ca  ist  das  idiomatischere  adrifene  über  amcerde  geschrieben. 
—  Dieselbe  wortgetreue  nachbildung  (vgl.  gemcere  ^=  terminus) 
findet  sich  92.9  utamcerde-^  306.21  %it  amcerian  (amerian  B, 
amceran  OCa). 

54.  8.  (I  956.)  da  ongunnon  heo  sticcemmlum  mod  7  mcegen 
monian  {niman  B  Ca)  ^=  coeperunt  et  Uli  paulatim  uires 
animosque  resumere.  Schipper:  "wmaw,  welches  B  und  Ca 
haben,  scheint  den  Vorzug  vor  monian  (T)  zu  verdienen".  Ja, 
und  nein.  Wir  zweifeln  nicht  daran,  dass  in  der  vorläge 
neoman  (nioman?)  stand,  welches  von  T  zu  monian  verderbt 
wurde,  genau  so  wie  100.  25  '^neomaö  (nimad  T  B  0  Ca)  von  C 
in  monap.  Zum  ausdruck  ist  zu  vgl.:  modes  strengöo  naman 
46. 1.  Belege  für  diese  in  T  gut  erhaltene  w/o-brechung  sind 
jetzt  bei  Deutschbein  (§  27)  zu  finden.  (Zur  form  ongeneman 
278. 11  wäre  auf  Napiers  anm.  zu  Chad  233,  Anglia  X  153  zu 
verweisen.) 

54.  10.  (I  960.)  7  ealra  (ealre  Ca,  ealle  B)  anmodre  ge- 
pafunge  heofonrices  Qieofonlices  B)  fultomes  him  wceron  bid- 
dende  =^-  et  unanimo  consensu  auxilium  caeleste  precantes  . . . 
Weshalb  Schipper  ealle  und  heofonrices  als  das  allein  richtige 
erklärt,  ist  nicht  ersichtlich.  Es  ist  an  ealra  festzuhalten,  da 
der  gen.  plur.  hier  ebenso  wohl  am  platze  ist  wie  in  mid  an- 
modre gepafunge  ealra  310.  8 ;  mid  anmodre  gepafunge  ealra 
Öara  weotena  368.  5;  mid  anmode  willan  heora  ealra  368. 16; 


296  FB.  KLAEBEB, 

auch  in  Ond  ]>a  heora  eälra  dorne  gedemed  wces  164. 11;  pBt 
ealra  heora  dorne  gecoren  wasre  344.  22;  336. 11;  458.  27;  vgl. 
400.  5.  —  Andrerseits  steht  natürlich  heofonlices  dem  gnmd- 
texte  am  nächsten. 

64.  19.  (I  977.)  J>a  heo  micel  wcel  on  Ongolcynne  geslogon, 
ymb  feower  7  feowertig  tvintra  Ongolcynnes  cymes  in  Breotane. 
Die  Angelsachsen  spielen  mit  Vorliebe  auf  den  beginn  ihrer 
geschichtlichen  laufbahn  an.  Beda  54.  29  ymb  fiftig  wintra  7 
hundteontig  Ongolcynnes  hidercymes  in  Breoione;  258.  18  Ne 
wceron  her  cefre,  seopffan  Ongolcyn  Breotone  gesohte,  gesceligran 
tide  ne  fcegeran.  In  den  gedichten  der  Chronik:  Ne  wearö 
wcel  mare  /  on  pys  eglande  cefre  gyta  /  folces  afylled  .  .  .  ., 
syPpan  eastan  hider  j  Engle  7  Seaxe  upp  becoman  . . .  A.  D. 
937  (Brunnanb.);  Ne  wearff  Ängelcynne  nan  wcersa  dced  gedon,  / 
Ponne  peos  woss,  /  syÖÖon  hi  cerest  Brytonland  gesohton  A.  D. 
979  DE  F.  —  So  schiebt  auch  iElfred  in  den  bericht  von 
Ohtheres  reisen  die  bemerkung  ein :  On  pcem  landum  eardodon 
Engle,  cur  hi  hider  on  land  conian  Oros.  19.28.  Vgl.  Beda 
408.  21  f. 

54.  21.  (1 1031.)  ymb  fifhund  wintra  7  twj  hundnigonUg 
wintra  =  anno  . . .  D^LXXXöIX».  Eine  der  leicht  erklärlichen 
Verlesungen  von  zahlen.  S.  George  Hempl ,  Mod.  Lang.  Notes 
XI,  coli.  402  ff. ;  Plumer  H  167. 

54.  30.  (1 1048.)  ffcet  he  sende  Ägtistinum  =  misit  seruam 
dei  Augustinum.  Godes  Öeow  (in  BCa  erhalten)  ist  in  T  aus 
versehen  ausgefallen.    Vgl.  58.  2. 

56.  3.  (I  1060.)  pohton  Pcet  him  tvislicra  7  gehceledra 
{gehaldre  B,  gehyldre  CCa)  wcere  .  .  .,  7  pis  geniasnelice  him  to 
rmde  gecuron  --  hoc  esse  tutius  communi  consilio  decemebant 
Aehnlich  Ond  pa  to  rced^  fundon  mid  gemcenre  gepeahte,  Pcet 
him  selre  7  gehceledrc  {gehealdre  B,  gehceldre  C)  wcere  112,  28 
=  decretumque  est  communi  consilio,  quia  satius  esset.  — 
Vgl.  me  pynced  nislic  (* weise')  134.  20;  cwmdon  pcet  him  wis- 
leere  puhte  Oros.  154.  18;  Öy  wislicor  d-  dy  rcedlicor  Cura  Past. 
131. 17.  —  a^  him  gepuhte  Pcet  . . .,  7  him  to  roede  genom  Oros. 
166.  26 ;  hi  him  da  eac  to  rcede  7  to  frofre  fundon  Beda  46.  2. 

Das  schwierige  geh(el{e)dra ,  das  sich  ausserdem  noch 
102. 32  findet :  in  geh^ldran  stowe  (gehceldran  0  Ca,  gehealdre  B), 
ist  von  Deutschbein,  p.  218,  anm.  —  B-T,  gefolgt  von  Clark 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBER8E1ZÜN0.        297 

Hall,  zeigt  sich  schwankend  —  als  komparativ  von  gehceled  (zu 
hcelan)  gedeutet  worden,  welches  von  den  Schreibern  z.  gr.  t. 
missverstanden  sei.  Dadurch  wird  man  allerdings  am  glattesten 
mit  den  formen  fertig.  Jedoch  wäre  dies  eine  selbst  für  den 
Beda  selir  auffällige  glossierung.  Sodann  fällt  ein  weiterer 
beleg,  Epist  Alex.  118  pcem  gehyldrum  wegum  (nach  B-T  = 
tuta  itinera)  schwer  ins  gewicht.*)  Wir  können  uns  nicht 
entschliessen ,  das  adjekt.  von  dem  subst.  gehwld  (gehyld)  zu 
trennen,  zu  dem  er  der  bedeutung  nach  vortrefflich  passt; 
das  letztere  übersetzt,  ausser:  obseniantia,  obseruatio,  auch: 
custodia  72. 18,  334.  10,  364. 18.  üebrigens  haben  wir  auch 
das  subst.  zweimal  in  der  form  gehceled  bemerkt,  364. 18TB; 
292.  5  B.  —  Freilich  morphologisch  bleibt  der  fall  etw^as 
unklar. 

56,  9.  (I  1073.)  geu'inftdne.  Ca  gewinnfullicne,  B  gewinnes. 
Den  von  Schipper  gesuchten  aufschluss  über  die  B-lesart  geben 
die  folgenden  stellen:  44.  33  gewinnfullicum  Ca,  gewines- 
fulliaimB]  98.26  gewmnesfullan  T,  gewin(n)fullan  BOCa; 
192.  23  gewinnesfullice  T  (u.  wahrsch.  urspr.)  0,  geivin(n)fullice 
B  Ca.    S.  Koch  III,  teil  I  §  152. 

56.  11.  (I  1077.)  ßost  heo  eaömodlice  ferde  in  pcet  weorc 
])(Bs  Godes  wordes  7  getreowde  in  Godes  fultum,  Schippers 
anm.  "Der  plural  ferdon  (Ca),  ferdan  (B)  ist  hier  jedenfalls 
richtig,  nicht  ferde,  wie  Miller  mit  manuskript  T  druckt, 
ebenso  bezüglich  der  anderen  verba  dieses  und  des  nächsten 
Satzes"  verkennt  den  sprachlichen  Charakter  des  Beda. 

Der  Verlust  des  w  im  opt.  plur.  —  wenngleich  im  früh- 
westsächs.  nicht  unerhört  (Cosijnll  §77,  vgl.  Sweets  lehr- 
reiche bemerkung  über  die  w-losen  Schreibungen,  (-ura  Past., 
l)p.  xxxii  f.)  —  ist  besonders  charakteristisch  für  das  north- 
umbr.  (Lindelöf,  p.  80;  E.  M.  Lea  §§  HO,  121;  H.  Füchsel 
gg  53,  63) ,  auch  in  Bush. »  ziemlich  häufig  (Bro\\Ti  II  §§  28, 
36,  39);  das  spätwestsächs.  sträubt  sich  noch  durchaus  da- 
gegen. In  der  Bedaübersetzung  sind  die  formen  ohne  n  recht 
gewöhnlich,  besondei-s  in  T;  doch  auch  in  den  anderen  hss. 
erscheinen    sie    oft   genug  bewahrt.      Die    folgenden    belege 


')  Dial.  Greg.  348.  10  p(rt  se  weg  is  myceJe  (jesundlicra,  7  /xtt  /s  myccle 
yefiyldelicre  Uf. 


298  FR.  KLAEBEB, 

werden  genügend  sein,  um  diese  wichtige  erscheinung  in  das 
rechte  licht  zu  setzen. 

a)  60.11  gedeode  7  gecyrre  TBOCa. 
80.  34  ongete  7  haUe  T  B  0  Ca. 
112.  21  gemcensumede  {-ode)  TBC. 

b)  102.  15  bodi(g)e  TOCa  —  bodtan  B. 
98.  18  on(d)fenge  TOCa  —  onfengon  B. 
158.  9  onsende  TOCa  —  onsendon  B. 
08. 19  wcere  TOCa  —  tvceron  B. 

64.  27  mwge  TOCa  —  magon  B;  so  86.  17. 
64.  8  scyle  (sceole)  T  0  Ca  —  sculon  B. 
64. 16  scyle  (sceole)  TOCa  —  sceoldon  B. 
70. 10  scyle  T,  sceole  OCa;  ausgelassen  in  B. 

c)  136.  20  forbcerne  T,  forbcerne''  0  —  forbceman  B,  for- 

bcemon  Ca. 

d)  82.  4  cweöe  T  0  —  cwedan  B  Ca. 

224.  25  leomode  7  worhte  T  0  —  kornodon  7  worhion 

BCa. 
164.  9  meahte  (mihte)  T  0  —  mihton  (mihten)  B  Ca. 

e)  122.  3  asprunge  T  —  asprungon  (-en,  -an)  BOCa. 
120.  23  funde  T  —  fundon  B  0  Ca. 

56.  9  ])orße  T  —  fiorfton  (-an)  B  Ca. 

56.  5  scolde  T  —  sceoldan  Ca,  ausgelassen  in  B. 

212.  16  forsette  7  forty nde  T  —  for setton  7  fortyndon  B. 

112.  30  peowede  T  —  ]>eowodon  (-edon)  BC. 

212.  30  abeige  T  —  abylgean  B. 

Dass  die  gekürzten  formen  aus  dem  archetypus  stammen, 
geht  ausserdem  noch  aus  bezeichnenden  fehlem  verschiedener 
hss.  hervor.  56.  11  pect  heo  .  .  .  ferde  ...  7  getreowde  T,  p  hi 
.  .  .  ferdan  ...  -j  p  hi  getriwdon  B  —  p  hi  ,  , ,  ferdon  ...  7  ä  € 
getreowode  Ca.  110.  28  P(ßt  heo  hwurfe  T,  p  hi  hwurfon  B  — 
p  he  hwurfe  OCa.  154.  10  pcet  heo  onweg  adyde  TOCa  — 
p(pt  he  .  . .  atieg  adyde  B. 

Sogar  im  indic.  ist  mitunter  das  n  abgeworfen;  in  meh- 
reren beispielen  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  ob  der 
indic.  oder  opt.  vorliegt.    S.  anm.  zu  92.  2. 

Dagegen  in  dem  folgenden  satze: 

56.  13.  (I  1082.)  7  Pcet  heo  ne  fyrhte  pcet  gewOn  ßcBs 
siöfcetes  ne  wyrgcweodulra  (T)  monna  tungan  ne  bregde  (Ca)| 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZÜN6.  299 

(Ca  hat  p  hi  no  afyrhte,  B  p  hi  ne  forhtgean)  ist  fyrhte  absolut 
regelrechter  sing.,  gewiin  ist  Subjekt,  und  heo  Objekt  {=  nee 
labor  uos  ergo  itineris  nee  maledicorum  hominum  linguae  de- 
terreant).  Schipper  ändert  afyrhte  (in  Ca)  in  afyrhten  (sowie 
hreyde  in  bregden);  aber  {d)fyrhtan  heisst  doch  nicht  *  fürch- 
ten V)  sondern,  wie  bregan,  'schrecken'.  Auch  Millers  ne. 
Version  (*be  afraid,  dread')  —  falls  es  wirkliche  Übersetzung 
sein  soll  —  ist  zu  vei'werfen.  Vgl.  ...  7  legete  7  Punorrade 
eoröan  7  lyfte  hrcegden  7  fyrhten  268.  21  (=  terrerent);  peak 
de  heo  me  swa  bregden  7  fyrhten  428. 13  (=  tametsi  terrere 
praesumebant).  Femer  das  ptc. :  Mid  py  ic  da  wces  . . .  stviffe 
gefyrhted  7  gebreged  426.  6  (=  perterritum)  (vgl.  Dial.  Greg. 
222.  15  afyrhted  7  abreged);  stvype  gedrefed  7  gefyrhted  40.  17; 
pti  sceolde  to  swiÖe  gedrefed  7  afyrhted  beon  354.  30 ;  heo  ealle 
afyrhte  omveg  flugon  202.  20;  mid  micle  ege  afyrhted  340.  16; 
434.  6. 

Es  verdient  erwähnung,  dass  sonst  im  ae.  fast  nur  das 
ptc.  praet.  von  afyrhtan,  und  seltener  von  fyrhtan  im  ge- 
brauch ist ;  ausserdem  gefyrhtadon  =  terinierunt,  Lindisf.  Go., 
Luc.  24.  22. 

56,  28.  (I  1121.)  p(Bt  is  syx  hund  hida  micel  cefter  Angel- 
cynnes  ashte  (0)  ==  id  est  magnitudinis  iuxta  consuetudinem 
aestimationis  Anglorum ,  familiarum  sexcentarum.  306.  28  Is 
Pces  ilcan  ealondes  gemet  cefter  Ongolcynnes  eahte  ttvelf  hund 
hida  --=,.,  iuxta  aestimationem  Anglorum.  (B  C  0  Ca  a*hte.) 
—  Merkwürdigerweise  ist  dies  mht  als  (Bht  -  possessio  auf- 
gefasst  worden  in  Baskervill  -  Harrison ,  Anglo-Saxon  Prose 
Reader  74.  14.  Freilich  selten  genug  ist  das  subst.  Es  findet 
sich  in  den  gesetzen:  and  sydöan  wexe  be  pms  ceapes  whte 
Eadweards  Ges.  I  1  §  4  (die  lat.  Version :  et  postea  crescat 
secundum  captalis  aestimaticum).  In  der  poesie  dreimal  (eht 
(besittan),  daneben  einmal  eaJit  —  (Beda  398. 18  to  eahtienne 
aestimare;  84.  12  ungecehtendlic  =--  inaestimabilis.  —  Dial. 
Greg.  90.  29  seo  söffe  c^htung  pces  inannes  lifes) 

58.  8«  (I  1143.)  Da  he  pa  se  cyning  Pas  tvord  gehyrde 
pa  het  he  hi  bidan  on  Pcmi  ealonde,  pe  hi  upp  comon,  7  A/m, 


*)  Rit.  102.  11  fyrhta  =  tremere  (aus  B-T)  wird  man  nicht  für  diese 
bedeutung  anführen  wollen. 


I 

300  FB.  KLAEBER, 

]nder  hiora  pearfe  forgeafon  (T ;  0 :  urspr.  forgeafan,  dann  a 
ausradiert  und  y  darüber  geschrieben) ;  Chforgyfan;  Bforgeaf)y 
od  pcet  he  gesawe  hwa^t  he  hini  don  tvolde  (0).  forgeafon  ist 
von  Miller  fälschlich  als  praet.  plur.  behandelt  worden  ("they 
provided  them  what  they  needed"),  trotzdem  der  lat  text  und 
die  Varianten-Verhältnisse  unzweideutig  für  einen  echten  in- 
^itiv  mit  o-brechung  sprechen.  Belege  für  die  w/o-brechung 
des  e  und  i  zu  geben  ist  nicht  mehr  nötig;  s.  Deutschbein 
§  27.  Wir  möchten  allerdings  forgeofan  erwarten.  Doch  die 
ganz  analoge  form  ongeaton  (inf.)  kommt  386. 18  vor;  auch 
ist  zu  beachten,  dass  in  60.  13  (swa  swa  he  geheht,  htm  ond- 
lifen)  forgeaf  (7  weoruldpearfe)  (T)  in  B  0  Ca  zu  forgifan 
(forgyfan)  geändert  ist.  Man  wird  an  das  northumbr.  (Lindisf. 
Go.,  auch  Rit.)  geafa  erinnert.  —  (Infinitive  in  -on  z.  b.  auch 
190.15;  100.22;  144.27;  202.21;  264.24  (mit  interessantem 
fehler).) 

68.  19.  (I  1167.)  het  Ägustinnm  mid  his  geferum  pider 
to  his  sprcece  ciwian  (0)  *zu  einer  Unterredung  mit  ihm'  =  ad 
suum  . . .  coUoquium.  So  98.  14  {Agustinus  . . .)  gelaöode  to 
his  sprcece  . .  .;  226.  14  fore  sprqce  Finano  pces  biscopes.  — 
Vita  Guthl.  48.  20  pcer  com  sum  man  to  Pces  Juilgan  weres 
sprasce\  ib.  54.  4;  62,  7;  Chron.  A.  D.  1123  cer  hi  mihte  cumen 
to  pes  papes  sprcece;  altsächs.  Gen.  77.  —  Dazu  Guöl.  978  and 
pa  in  eode  eadgum  to  sprcece ;  Heiland  700.  —  Beda  72.  25 
hafa  du  mid  pone  ilcan  hiscop  sprece  7  gePeahte\  248.3;  vgl. 
134.  7 ;  184.  12  Mid  py  heo  pa  to  Pere  cwene  cwom,  7  heo  ge- 
S2)recen  hcefdon. 

58.  20.  (I  1169.)  Warnode  he  him  py  Ices  hie  on  hwylc 
hiis  to  htm  ineodan;  breac  edldre  healsunge,  gif  hie  hwylcne 
drycrceft  hxefdon  pcet  hi  hine  ofcrswiÖan  7  beswican  sceolden  (0) 
^^  ( 'auerat  enim,  ne  in  aliciuam  domum  ad  se  introirent,  uetere 
usus  auguiio,  ne  superuentu  suo,  siquid  maleficae  artis  ha- 
buisseiit,  eum  superando  deciperent.  —  Die  obige  Interpunktion 
ist  diejenige  Millers  und  Schippers;  und  Miller  übersetzt  die 
zweite  hälfte  de^  satzes:  "employing  an  old  counter-charm,  in 
case  they  had  any  magic  arts  to  overpower  or  delude  him". 
Indessen  ist  nicht  recht  zu  verstehen,  was  der  "counter-charm" 
soll,  und  jedenfalls  ^ird  durch  diese  auffassung  der  Zusammen- 
hang des  (zunächst  interpretationsbedürftigen)  satzes  der  lat. 
vorläge  zerrissen.    Der  leitende  gedanke  ist  augenscheinlich: 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDACbEBSETZUNG.  '  301 

*üer  könig  will  die  fremden  unter  freiem  himmel  empfangen, 
nicht  in  einem  hause,  da  er  fürchtet  —  uetere  usus  augurio  — , 
dieselben  möchten  sonst  Zauberkünste  gegen  ihn  gebrauchen. 
Aber  die  glaubensboten  kamen  nicht  mit  t^ufels-,  sondern  mit 
gotteskraft  ausgerüstet,  usw.'  Der  sinn  der  parenthetisch  zu 
fassenden  worte  breac  ealdre  healsunge  =  uetere  usus  augurio 
scheint  zu  sein  "making  use  of,  i.  e.,  acting  according  to  an 
old  auguiy  (prophecy)"  (wohl  nicht  geradezu  ''according  to  an 
ancient  superstition",  wie  Giles  in  Bohn's  Antiquarian  Library 
den  lat.  text  \\iedergiebt).  Dass  die  stelle  leicht  missver- 
standen werden  konnte,  zeigt  die  hs.  Ca,  in  welcher  wmd^ 
über  breac  geschrieben  ist  (d.  h.  wende,  er  war  auf  Zauberei 
von  Seiten  der  fremdlinge  gefasst).  —  Die  Interpunktion  ist 
demnach  zu  bessern :  Warnode  he  htm  py  Ices  hie  on  hwylc  hus 
to  him  ineodan  —  breac  ealdre  h^alsunge  —  gif  hie  hwylcne 
drycrceft  hopfdon  .  . . 

F.  J.  Mathers  jedenfalls  auf  Millers  Interpretation  be- 
ruhende erklärung  von  gif  als  gleichbedeutend  mit  Py  Iws 
(a.  a.  0.  p.  59)  ist  mit  recht  von  Wülfing  (II 128)  zurückge- 
wiesen worden. 

60.  4,  (1 1196.)  Ac  foröon  pe  ge  hider  feorran  elpeodige 
cwomon  . .  .  . ,  nellaö  we  forÖon  eow  hefige  beon.  Als  fremde, 
die  aus  fernen  landen  mit  guter  absieht  gekommen  sind,  haben 
sie  anspruch  auf  höfliche  behandlung.  So  sagt  Beowulf :  Ic  Pe 
nu  pa  I  .  .  .  biddan  wille,  /  eodor  Scyldinga,  anre  bene,  j  post 
pu  me  ne  forwyrne  . .  . ,  nu  ic  Pus  feorran  com  . . .  Beow.  426. 
—  fearran  cuman  ist  eine  beliebte  Wortverbindung  in  der 
dichtung,  vgl.  Beow.  361,  825,  1819;  Andr.  24;  Gen.  1836,  2821; 
Kreuz  57.  —  Ueber  den  feorran-cumen  man  (Wihtr.  28,  Ine  20, 
^Eöelr.  VI  48 ,  Cnut  II  35)  in  gesetzlicher  hinsieht  handelt  R. 
Schmid  im  Glossar  unter  *  fremde'. 

60.  5.  (I  1198.)  pies  pe  me  gepuht  is  7  gesetven.  Dies 
von  Wülfing  für  den  gebrauch  von  pa*s  Pe  in  der  bedeutung 
*  nachdem'  angeführte  beispiel  ist  zu  streichen  (II 115);  denn, 
selbst  abgesehen  vom  lat.  texte:  ut  ego  mihi  uideor  per- 
spexisse ,  kann  die  Verbindung  —  auch  424.  20  pies  de  me 
öuhte  7  yesegn  wois  —  keinen  anderen  sinn  haben  als  z.  b.  in 
pces  ic  ivene ;  pces  pe  bec  secgcuf,  etc. ;  s.  auch  Wülfings  eigene 
angaben,  I  381  f. 


302  FR.  KLAEBER, 

60.  6.  (I  1199.)  {Ac  fordon  ]>e  gc  . , .  cwomon  ond  . . . .) 
ßa  J>ing,  da  Öe  soÖ  7  hetst  gelefdon,  ]>(Bt  ectc  swüce  wiUadan 
US  ßa  gemcensuman  =  ea,  quae  uos  uera  et  optima  credebatis 
....  Die  Varianten  Pa  ])e  y^^geseoö  0 ,  Öa  Oe  ge  geseoO  Ca, 
1)6  ge  leseoö  B  führen  auf  ein  Öa  Öe  ge  seoö  . . .  der  vorläge; 
seoö  =  söö,  s.  anm.  zu  14.  20.  Unentbehrlich  ist  das  pro- 
nomen  ge  nicht ;  s.  anm.  zu  66.  26. 

60. 18.  (1 1226.)  gehleoörc  stefne  =^  consona  uoce.  Das 
adjekt.  gehleoöor  (=  consonus,  wie  hleoöor  =  sonns)  scheint 
an  keiner  anderen  stelle  nachgewiesen  zu  sein.  Das  sahst 
hleoöor  findet  sich  im  Beda :  340.  5  cuöne  sweg  7  hleoffor  heora 
clucgan  ^=  notum  campanae  sonum;  das  verbum  hleoörian: 
212.  9  hleoörian  7  singan\  268.  30;  268.  19. 

hleoöor  nebst  ableitungen  hat  poetische  färbung  (vgl 
swhisung  344.  26);  s.  Padelford,  Old  English  musical  terms, 
p.  80.  Abgesehen  von  der  poesie  (und  den  glossen)  sind  uns 
folgende  belege  bekannt.  Dial.  Greg.  52.  23  (stefn  ...)  seo 
forögclceddum  hleoöre  stva  gecleopode;  99.  5  for  pa^re  beüan 
hleoöre ;  144.  33  in  Jja^s  earum  hleopredon  (H  stcegdon)  eae 
swylce  pa  Word  Ims  mxmeces  gepohtes]  208.21;  234.26;  286.13; 
282.  15;  284.  24;  286.  2;  Vita  Guthl.  36.  4;  Epist.  Alex.  304; 
Vesp.  Ps.  u.  Vesp.  Hy.  (s.  Sweet,  OET. ,  p.  619) ;  Chron.  A.  D. 
1036  CD  foröan  hit  hleoÖrode  pa  swiÖe  toward  Haraldes] 
JEMric,  Hom.  Cath.  I  38.  7. 

60.24.(11243.)  Drihtne  peodon  =  seruienAo.  Opeoudon, 
Ca  Peoivdon,  B  peowedon.  Die  form  peodon  ist  ohne  zweifei 
am  ursprünglichsten,  wie  die  folgenden  parallelen  beispiele 
zeigen. 

134. 20  peodde  0  B,  pödde  Ca  (T  fehlt). 

240.  13  öeodon  C,  peoddon  0  —  Peowodon  T;  dydon  B. 

288. 1  peodde  T ,  pco'^.de  (urspr.  d  ausradiert)  0  —  ßec- 
tvode  B,  Öeoivode  Ca. 

294.  15  peowdc"".  (w  auf  ausrad.  d)  0  —  peowde  T,  Öeow- 
don  Ca  —  Peotvedon  B. 

302. 1  peo^'.don  0  —  peowdon  T  C  Ca  —  peowedon  B. 

338.  19.  peotvde  (w  auf  rad.  d)  0  —  Öeowde  Ca  —  Peo- 
wedon B  (T  defekt). 

348.  20  peode  T ,  peoivde  (w  auf  radur)  0  —  Peowde  Ca 
—  peowode  ß. 


ZUR  ALTEKGTJSCHEN  BEDA  ÜBERSETZUNG.        303 

190.  24  ic  ma  synnum  . .  Peowde  Joanne  Godes  hehodum  T ; 
me  .  .  peod/'e  0;  nie  .  .  Öeodde  swyÖor  Ca;  me 
. .  underöeodde  (!)  B. 

Feraer  352.  7 ;  452.  8 ;  etc. 

Während  peowode  als  die  westsächs.  normalform  anzu- 
sehen ist,  findet  sich  die  form  ohne  mittelvokal  (Sievers  §  416, 
anm.  17;  Beitr.  X  492)  gelegentlich  in  ^]lfric;  Blickl.  Hom. 
185.  29 ;  Vesp.  Ps.  {Öeawde,  Öeowdiin ;  Zeimer  §  53,  2) ;  der  Ver- 
lust des  IV  erinnert  an  analoge  fälle  im  northumbr.  (Sievers 
§  174,  3;  Beitr.  IX  214 f.;  299). 

62.  11.  (I  1282.)  ongon  lustfullian  Pcet  clcenoste  lifhaligra 
7  (B  mid)  heora  pam  swetestan  gehaium  =  delectatus  uita 
mundissima  sanctorum  et  promissis  eorum  suauissimis.  jVIiller 
und  Schipper  erklären  sich  für  die  lesart  mid,  welche  aller- 
dings die  störende  Ungleichheit  der  casus  beseitigt.  Indessen 
kommt  uns  dieser  ersatz  für  *et'  in  der  Bedaübersetzung  von 
vornherein  unwahrscheinlich  vor;  ebenso  wäre  alsdann  die 
verirrung  von  mid  zu  ond  sehr  sonderbar.  Die  inkongruenz 
muss  in  den  kauf  genommen  werden;  so  anstössig  dieselbe 
auch  für  das  moderne  Sprachgefühl  ist,  die  Angelsachsen  er- 
laubten sich  so  etwas  oft  genug.  Es  ist  dies  eben  eine  der 
zahlreichen  formen,  in  denen  das  prinzip  der  Variation  sich 
entfaltet.  *) 

Parallele  fälle  sind  z.  b. :  Wihtraeds  Ges.  12  lie  sie  ealra  his 
whtan  [cehta'^]  scyldig  7  healsfange;  Vita  Guthl.  18. 20 Pcet  he Pa 
ongan  wilnian  westenes  7  sundorsetle  (wozu  Goodwins  anm.). 

Aehnlich  auch :  Beda  482,  4  . .  jc  diaconhade  onfeng,  7  py 
dritigodan  mcessepreosihade ,  7  ceghwcefferne  Purh  penunge  Poes 
arnyrpan  bisceopes  lohannes  (C). 

Boeth.  10.  18  heo  preat  Pa  unscildigan  7  nauht  ne  Öreap 
pam  scildigum  (auch  bei  Wülfing  I  77). 

Beda  162.  5  mid  ane  (B  dnum)  oöde  mid  tivam  his  preosta 
(0).  —  Vita  Guthl.  56.  1  f. 

Zu  vgl.  auch  Beda  14.  4  btscope  (B  biscop)  onfeng  Äida- 
num  on  naman  gehaienne  (Ca). 

Wie  Schipper  dazu  kommt,  den  akkus.  nach  lustfullian 
als  die  normale  konstruktiou  aufzustellen,  ist  nicht  zu  ver- 

>)  Vgl.  Bernhardt,  Vulfila,  p.  XXXIV.  Pachaly,  Die  Variation  un 
Heliand  u.  in  d.  alts.  Genesis,  p.  6 ;  Behaghel,  Literatnrbl.  XXI  274. 


304  FB.  KLAEBEB, 

stehen.  Auskunft  über  die  rektion  Yon  lustfullian  giebt  Wfll- 
fing ;  auch  B  -  T,  und  Sweet,  Ags.  Dict. 

62.  14.  (1 1288.)  Pa  ongunnon  monige  doeghwamlice  efstan 
7  scyndan  to  gehyranne  Godes  word  =  coepere  plores  ad 
audiendum  uerbum  confluere.  362. 15  ofesttan  (varr.  ef{e)8Um) 
7  scyndon  =  concurrebant.  (98.  29  hwelcum  tvegum  to  efe- 
stenne  sy  to  ingonge  his  rices;  428.  20  hrcUfe  to  me  woes 
ef{e)stende.) 

Dieselbe  Verbindung  kommt  in  der  Vita  Guthl.  vor,  die 
überhaupt  zahlreiche  Übereinstimmungen  mit  dem  Beda  im 
wort-  und  phrasenschatz  zeigt:  66.  9  hi  ceghwonan  to  him 
efston  and  scyndon ;  14.  25  to  ßam  ende  efstan  and  styndan. 
Sonst  trifft  man  scyndan  in  intrans.  bedeutung  'eilen'  (vgl 
altnord.  shynda)  nur  noch  in  poet.  denkmälem  an,  sowie  in 
Blickl.  Hom.  115.  19  J^eos  world  is  scyndende  &  heononweard; 
195.  23  Manna  freondsdpe  hip  swipe  hwüwendlic,  &  stcipe 
scendende  (von  Morris  ungenau  mit  *illusory'  übersetzt).  — 
In  der  westsächs.  prosa  wiid  scyndan  trans.  'antreiben,  er- 
mahnen' gebraucht.  — 

In  der  lis.  Ca  ist  über  scyndan  das  im  westsächs.  (Cora 
Fast. ;  Boeth. ;  Solil.  347.  28 ;  übrigens  auch  Dial.  Greg.  98. 19, 
99.  20,  154.  12,  178.  2,  etc.)  geläufige  higian  geschrieben 
worden. 

62.  24.  (1 1310.)  gerisne  stowe  7  seil  J^eora  hade  =  locnm 
sedis  eorum  gradui  congi'uum.  Die  fehlerhafte  lesart  epd  {eäel) 
OCa  ist  nur  aus  einem  seÖ(e)l  der  vorläge  zu  erklären;  diese 
angl.  form  (Sievers  §  196,  2)  gehört  ohne  zweifei  dem  arche- 
typus  an.  Es  genüge,  nur  ein  paar  weitere  beweiskräftige 
belege  zu  geben.  224.  22  (p(Fs)  seöel  T,  seid  B,  setl  C,  epeUJ) 
OCa.  220.  5  {pmt)  seöl  T,  seid  B,  setl  C,  epel  OCa.  262. 11 
{bisceop)seÖl  T,  epel  B,  setl  OCa. 

64.  11.  (1 1357.)  Pces  eadgan  Faules  ejyistola  ßone  he  wrdt 
Mit  beibehaltung  der  lat.  form  wrd  epistola  hier  als  (schw.) 
mask.  behandelt,  neben  dem  gewöhnlicheren  (Pogatscher  §  279) 
pistol,  epistol.  So  a'nnc  epistolan  Epist.  Alex.  432.  (oit  his 
epistolan  Cura  Past.  117.  7.)  —  Vgl.  on  Öoem  ende  pisses  capi- 
tulan  Boeth.  73.14.  {se  ceresta  capitul  Beda  278.5;  278.2; 
10.  24  f.  B.) 

64.  IS.  (1 1372.)  Äc  fordonpin  hroöorlicnes  is  in  mynsires 
regolum  getyd  7  gela^red.    In  der  B-version  Äc  far^on  ^  tu 


ZUR  ALTENGLISCIIEN  BEDAÜBEBSETZUNG.  305 

hrodorlicnesse  is  ...  lässt  sich  hroöorlicnesse  aus  dem  fälsch- 
lich geschriebenen  in  erklären  (Schipper)  —  die  Verwendung 
von  brodorlioies  als  titel  (=  tua  fraternitas)  mag  an  dieser 
stelle  nicht  begriffen  worden  sein  — ;  doch  können  wir  ebenso 
gut  annehmen,  dass  die  vorläge  pin  hroöorlicnesse  las  und  von 
B  nach  seiner  weise  ^verbessert'  wurde.  Der  nomin.  -nisse  der 
feminina  auf  -nis  ist  in  unserem  t^xte  keineswegs  unbekannt ' 

Z.  b.  6.  19  seo  ehtnysse  Ca  —  seo  ehtnes  B. 

34.  3  seo  ehtnysse  Ca  —  seo  ehtnes  B. 

78.  17  untrymnesse  T,   untrumnesse  B   —  untrumnes  0, 

untrumnys  Ca. 
84.  8  clamnisse  (asoht)  T,  closnnessa  (gesoht)  B. 
344.  4  Jxjfire  endebyrdnesse  Jns  is  T  Ca ;  {Pe  he  ncefre  cor 

ne  gehyrde)  ne  heora  endebyrdnesse  B  —  Para 

efidebyrd/^es  Öis  is  0. 
192.  8  seo  godcufide  arfivstnisse  T  —  ...  arfiestnes  (-nys) 

BOCa. 
242.  34  untrymnis  T,  untrumnes  B  —  untrumnesse  (-nysse) 

OCa. 

Das  interessante  bei  der  saclie  ist,  dass  die  nominative 
mit  unorganischem  -e  auf  die  vorläge  zurückzuführen  sind. 
Diese  erscheinung  wird  mitunter  im  spätwestsächs.,  sehr  oft 
im  spätesten  westsächs.  beobachtet  (Napier,  Ueber  die  Werke 
des  altengl.  Erzbischofs  Wulf stan,  p.  65 ;  Napier ,  Holy  Rood- 
Tree,  Einl,  pp.  Lllf.;  R.  Märkisch,  Zum  altengl.  Apollonius 
von  Tyrus,  p.  11),  ist  aber  ganz  besonders  im  northumbr. 
(LindLsf.  Go.,  Rush.^)  ausgebildet  (Lindelöf,  Beiträge  zur 
Kenntnis  des  altnorthumbr.,  pp.  57  ff.).  — 

Daneben  begegnet  die  umgekehrte  analogiebildung  der 
casus  obliqui  ohne  -e,  z.  b.  180, 17,  118.  31,  350.  24;  auch  90.  2. 

Bei  den  femininis  in  -ung  finden  sich  bisweilen  die  pa- 
rallelen erscheinungen.  Auch  sonst  fehlt  es  ja  nicht  an  zeichen 
beginnender  Unsicherheit  in  der  flexion. 

66.  9.  (I  1413.)  mildhcortnesse  fyllen  (vgl.  Schippei'S 
anm.).  Die  lesart  0  niid  heornesse  lässt  auf  ein  entstelltes 
mildheornessc  schliessen.  Vgl.  mildheornesse  Blickl.  Hom.  87.  33; 
mildhvornes  Solil.  339.  32;  sceornesse  Benet  39.  13;  etc. 

(JG.  10.  (I  1415.)  arf(tstum  7  gödum  is  to  reccenne  7  to 
sellenne  =  . .  erogaudum  est.    160. 15  Pearfum  r^hte  (B  roehte) 

▲sgU«.    N.  F.   xui.  20 


306  FR.  KLAEBER, 

7  scaldc  =  pauperibus  . .  erogare  (gaudebat).  *)  {Forhtcon  ne 
rqcsi  ßu  us  ])onc  hwitan  hlaf  112.  10  ==  Quare  non  et  nobis 
porrigis  panem  nitidum.) 

66.  26.  (1 1448.)  ])a  Pe  (BOCa  jwi  pu)  cefest  7  good  7 
riJU  geceose,  fia  du  togcedre  gesomna,  (Schippers  angaben  über 
die  lesarten  stimmen  nicht  ganz  mit  denen  von  Miller.)  Es 
liegt  keine  nötigung  vor,  mit  Miller  die  lesart  von  T  zu 
gunsten  der  Variante  pu  aufzugeben ;  das  pronomen  darf  hier 
fehlen  wie  in  einer  reihe  anderer  fälle,  die  im  hinblick  auf 
Pogatschere  Untersuchung  ('Unausgedrücktes  subject  im  alt- 
englischen', Anglia  XXIII 261  ff.)  nicht  mehr  anzuzweifeln  sind. 

Z.  b.  158.  9  hwd  he  Pmt  heo  him  biscop  onsende,  pces  lare 
7  pegnunge  Ongolpeode,  pe  (BCOCa  pe  he)  rehte, 
pces  Drihtenlecan  geleafan  gife  leomade. 

148.  20  Ond  he  . . ,  on  his  mode  Pohte  7  preodode,  post 
(B  0  Ca  p  he)  wolde  eal  Ongolcyn  of  Breotone  ge- 
mcerum  aflyman.  438.  11  puhte  him  seolfum  7  him 
gesegen  w(es,  pcet  (B  C  0  Ca  j5  he)  heardlice  7  strong- 
lice  sprwce,  92.  7  Ne  wces  cefre  cenig  cyninga  ne 
aldormonna,  Pcette  md  heora  londa  utameerde  (von 
Wtilfing,  I  407  bei  den  relativen  fürwörtem  ange- 
führt). 

258.  6  7  he  lustlice  from  eallum  onfongen  wces,  7  (B  7  hi) 
his  Word  geomlice  geherdon, 

106.23  pa  he  Öa  Laureniitis  cercehiscophade  onfefig ,  da 
ongon  (BOCa  ongan{n)  he)  fromlice  pa  stafolus 
pcere  cyrican,  pe  he  eaöelice  alegde  geseah,  ecan. 

Ferner  2. 14 ;  60.  6 ;  122.  21 ;  156.  27  (Pogatscher,  p.  263). 

68.  4.  (1 1466.)  wosöelnesse.  Es  ist  interessant  zu  be- 
obachten, wie  diese  angl.  form  unzweifelhaft  für  den  arche- 
t3'pus  gesichert  wird :  B  cepelnessa^  0  w^delnesse  (d  auf  rasur), 
Ca  weöelnysse,  298.  25  wceöelnesse  (B  gifemesse) ,  C  weopel- 
ncsse,  0  wepebiesse,  Ca  weöelnysse,  388.  12  woedelnisse  T 
(Schreiber  2),  ß  tvedle,  C  tvipelnesse,  0  wepelne^se,  Ca  wedel- 
nesse.   Sievei-s  §  201,  3;  Sweet,  OET.,  p.  601. 


^)  In  den  westsächs.  Evangelien  werden  für  erogare  die  verba  dcelan, 
fordaHan  gebraucht,  in  den  Lindisf.  Go.  u.  Eash.  seUo.  fr  am-,  far-seüa. 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBERSETZUNG.  307 

68.  5.  (1 1468.)  Nach  dem  lat.  texte  und  den  übrigen  hss. 
ist  in  T  stime  mid  siving(T)tim  einzuschieben  (vgl.  36. 32 ;  114. 17). 

68.  11.  (1 1484.)  and  liwceöre  ]>a  seolfan,  pe  heo  mid  ])am 
wiiium  preagaJ  7  swencaÖ,  lufiaö  eac  7  wilniaö  Mm  to  cerfe- 
weardum  to  Iwbhenne;  7  heora  tveoruldgod,  pa  heo  dgan,  Mm 
^leaMaÖ  Pa  de  heo  geare  (B  0  Ca  yrre)  gesegene  heo  ff  eahtan  7 
witnian  =  . . .  quos  irati  insequi  uidentur.  —  Was  es  für  eine 
bewandtnis  mit  geare  hat,  wird  durch  Schippers  anm.  ver- 
dunkelt, geare  —  das  ja  vom  (1.)  Schreiber  der  hs.  T  als 
adv.  geare  ("they  have  clearly  been  seen"  Miller)  aufgefasst 
sein  kann  —  setzt  ein  gearre  <  earre,  eorre  =  iratus  voraus ; 
an  stelle  des  *  dialektischen'  eorre  (Sievers  §  100,  anm.  2; 
Zeuuer,  p.  23 ;  Grein,  Sprachsch.  I  262)  ist  in  den  anderen  hss. 
las  westsächs.  yrre  getreten.  —  Das  adjekt.  eorre  (B  0  Ca  yrre) 
findet  sich  noch  416.  27  T  (schreiber  5);  das  subst.  eorre 
;BOCa  yrre)  350.3;  350,19. 

Die  vorsetzung  des  g  (in  gear{r)e),  welche  an  das  spät- 
ient.  erinnert  (Sievers  §212,  anm.  3),  ist  auch  an  einigen 
mderen  stellen  belegt.  So  74.  24  geagum  T  —  eagum  B  0  Ca. 
112.  20  (wahrsch.  urspr.)  geagati  T  —  eagan  B.  254.  9  ge- 
feamunge  T  —  geearnunge  BOCa.  212.6  gegearnode  T  — 
wearnode  B.  —  In  B :  300.  13  Geadgar  —  Eadgar  T  C  0  Ca. 
—  (Auch  das  umgekehrte  kommt  vor :  eornlice  334. 1  T ;  eom- 
unge  372.  6  T;  edra  106.  11  B;  middaneard  (so  18.  23,  34.  4) 
st  natürlich  nicht  auffällig.) 

eac  (in  OCa;  in  B  fehlend;  in  T  fehlt  ausserdem  lufiad) 
[rückt  einen  gegensatz  aus:  *  andrerseits '  (vgl.  *at  the  same 
ime ').    (Aehnlich  z.  b.  Boeth.  13.  8.) 

68.  25.  (I  1517.)  pcette  pisse  frignesse  wcerword  sy  gesegen 
=  quod  huic  capitulo  contradicere  uideatur.  B  wiöerword, 
)  Ca  wiperword.  wmrword  wird  statt  wiöcerword  verschrieben 
ein.  {wiöerivord  =  contrarius  74.  4,  102.  9,  102. 16,  120. 18; 
cet  wiöerworde  yfel  =  malum  quod  aduersatur  72.  3.  —  con- 
radicere:  wldciceden  heon  76.  5;  widcwedan  7  wiöwmnan 
02.  8.)  Die  Schreibung  m  für  e  in  end-  und  mittelsilben  (vgl. 
Iweet,  Ags.  Eeader'  §28,  note;  Napiers  Holy  Rood-Tree,  Einl. 
»p.  Li  f.;  Logemans  Benet,  Einl.  §  15;  etc.)  ist  ziemlich  häufig,  z.  b. 
n  T:  {un)gem(enne  1'90.  13,  118.3,  116.27,  106.28,  204.21, 
:10.  29,  232.  17,  348.  28,  etc.;  pendodn  188.  4;  cuöm  230.  16; 
mrehtces  82.  20.   —   In  0 :  a)  freondce  164.  15,  hcepces  226.  8, 

20* 


308  FR.  KLAEBER, 

f 

lareowdomois  94.  24,  Öeowces  192.  19,  lapass  128.6,  fundcen 
182. 10;  b)  onytinnwne  226.  20,  ongunncenesse  232.  10,  itiid- 
Iwstan  334.  30,  arwyöiesta  276. 17,  unscep]>amdan  62.  1  (mit 
ausnähme  der  beiden  letzten  belege  ist  in  sämtlichen  Worten 
das  a  der  ligatur  (in  0)  ausradiert  worden).  —  In  der  ältesten 
hs.,  Z  280.  5  gegeadriw,    S.  auch  anm.  zu  86.  29. 

70.  12.  (1 1547.)  Hefig  nuidn  is  7  godfrecnis  =  graue 
est  facinus.  B  godwrecnes,  Ca  godes  wrecnys.  —  OE.  Martyrol. 
64.  2  sun^  godwrece  men ;  Blickl.  Hom.  75.  26 ;  Malchus  (ed. 
Hulme,  Journal  of  Gmc.  Philol.  I)  p.  440,  15  godtvrecan.  — 
Dial.  Greg.  232.  13  ])am  unalyfdan  7  godwroeclican  niete,  — 
Glossenbele^e :  Wr.-Wü.,  Sweet,  OET.,  p.  602. 

Zu  der  einerseits  als  kenticismus,  andrerseits  als  schreiber- 
verselien  bezeichneten  Schreibung  mit  f  vgl.  Kluge,  in  Pauls 
Grdr.2 1,  p.  1013;  Reimann,  Die  Sprache  der  mittelkent  Evan- 
gelien, p.  31;  Logeman,  Benet,  Einl.  V  §  48;  doch  ganz  be- 
sonders Napier,  Old  English  Glosses,  p.  104. 

Die  umgekehi-te  vertauschung  ist  uns  aufgefallen  158.  8 
tculluhies  Ca. 

70.  23.  (1 1570.)  pwt  him  alyfed  ncere  J)cet  he  his  hrodor 
wiif  hrolite  7  hiefde  (ohne  entsprechung  in  der  lat.  vorläge). 
Diese  zweifellos  echte  lesart  von  TCO  ist  geändert  zu  hruce 
7  lujßfde  in  Ca,  zu  underfenge  to  hahbanne  in  B  (Schippers 
angäbe  der  Varianten  ist  anscheinend  nicht  ganz  genau).  — 
168.  19  Pendan  swustor,  ])a  he  hcefde  cer  him  to  toife  broht 
(=  . .  quam  duxerat) ;  316. 12  Brohte  heo  cer  offer  wer  htm  to 
wife  (=  quam  et  alter  ante  illum  uir  habuerat  uxorem).  — 
Vgl.  iEöelberhts  Ges.  31  . . .  and  oder  wif  his  agnum  sccette 
legete  and  pami  oörum  a^t  ham  gehrenge ;  50.  Ps.  (kent.)  23 
. . .  and  Bezdbc  brohte  to  wife-,  Napier,  Old  English  Glosses 
I  1265  ne  hi  ne  heo])  ham  gehrohte,  geoswnede  =  neque  nnbentnr. 
(Oros.  246.  1  he  htm  het  to  wife  gefeccan  Cleopatron  ^a  cwene. 

—  Heliand  301  te  hrudiu  .  . .  halon) 

74.  14.  (1 1690.)  geryne  (. .  fulwihtes  hodöes)  =  sacramenta. 
74.  18  geryne  (. . .  pcere  halgan  gemoinsumnesse)  = sacra- 
menta. —  74.  20  geryne  (Pa^^e  halgan  gemcensumnesse)  =  my- 
sterium  . . ;  70.  3  geryne  =  mysterium ;  76.  23.  etc.  —  142.  25 
wfter  pwm  geryne  his  noman  =  iuxta  sui  nominis  sacramentum. 

—  Den  gebrach  von  ^sacramentum'  bei  Beda  erörtert  Plummer 
I,  p.  LVIL 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEB A ÜBERSETZUNG.  309 

74.  29.  (1 1722.)  pcem  menn  undeaölicnesse  onweg  aJwf 
ofer  his  synne  =  immortalitatem  homini  pro  peccato  suo  ab- 
stulit.  ahof  ofer  ist  gewiss  versehen  für  ahof  for  (so  0 ;  B  ?) 
und  demgemäss  zu  verbessern. 

76.  4.  (1 1734.)  (bid  . .)  grundinga  adwcesced  =  funditus 
exstinguitur.  Ca  grundlinga,  —  Vgl.  allinga  adwcescan  = 
funditus  exstinguere  74.  28,  118. 14,  324.  24.  —  Ob  die  form 
grundinga  sonst  belegt  ist?    (Kluge,  Nom.  Stammb.  §  159.) 

76.  24.  (1 1779.)  buton  cenigre  celdenne  =  sine  ulla  dila- 
tione.  BCa  yldinge  (0  yldenne).  elden  (celden)  —  in  den 
Wörterbüchern  fehlend  — ,  augenscheinlich  aus  dem  archetypus 
stammend,  wird  in  T  viermal  gebraucht,  während  B  0  Ca  ylding 
dafür  schreiben;  weiter  in  178.  26,  254.  13,  190.  30  (T  yldenne) 
(nur  in  76.  24  0  yldenne,  und  190.  30  B  ylde,  0  yldincff*). 

In  analoger  weise  wird  das  häufige  gemen  (ungemen)  in 
B  gern  mit  gytning  vertauscht:  gemcenne  116.  27  (B  gyminge), 
190. 13,  210.  29,  232. 17,  256.  28,  118.  3,  288.  8.  Dazu  (his) 
gyman  {dyde)  326. 19  (s.  Cosijn,  Altwestsächs.  Gram.  IT,  p.  48) 
—  B  gyminge  —  0  Ca  gymenne,  (Auch  B  gynian  246.  21 ; 
ganten  (!)  94.  25). 

Ferner  sei  hier  erwähnt  hccrcedon  (i.  e.,  hecrCBden)  264. 14. 
S.  Anm.  zur  stelle. 

78. 12.  (1 1827.)  pcet  fces  his  hrcegles  =  uestimenti  eins 
fimbriam.  B  hat  das  westsächs.  fnoid  (0  fes,  Ca  fces),  fces 
ist  im  Angl.  bekannt  (s.  Miller  I,  p.  L):  Lindisf.  Go.,  ßush.^, 
Bush.',  Vesp.  Ps.  Auch  Dial.  Greg.  111.  28  be  ])am  fcesce  (0 
fn(vde)  his  hrcegles  C.  —  (Par.  Ps.  44.  15  mid  gyldnum  fnasum.) 

78.  18.  (I  1839.)  J>as  wiif  bi  pcem  we  sprecaö,  gelonUic 
gewuna  getiiö  =  has  . . .  consuetudo  constringit.  —  Vgl.  Vesp. 
Ps.  31.  9  geteh  ^^  constringe.  Zur  angl.  form  getid  sei  auf 
Sievers  §  374  verwiesen. 

78.  20  f.  (1 1843  ff.)  Schippers  (und  Smith's)  interpunktion 
ist  der  Jlillers  vorzuziehen. 

82.  21.  (1. 1996.)  Wir  werden  in  Übereinstimmimg  mit  B 
OCa  und  der  lat.  vorläge  in  T  beama  for  to  streonne  ein- 
schalten müssen. 

84.  4.  (I  2035.)  {he  ]>a  a^rest  bcbead,  pa^i)  heo  heora 
hropgl  woosce  7  clcensode  7  Qieo  front  tviifum  ahwfde).  Die 
nicht  eingeklammerten  worte  sind  vom  Übersetzer  (vielleicht) 


310  FR.  KliAEBER, 

selbstÄudig    nach    der   Bibel    hinzugefügt    worden.     S.  Aug. 
Schmidt,  p.  31. 

Die  praeteritalform  wosc  scheint  ajta^  Xhy6(iBvov  zu  sein 
(vgl.  Sweet,  Ags.  Dict.).  B  liest  wocson,  0  i4^ocse,  Ca  weocsan. 
—  wascan  {ivaxan)  —  nebst  compositis  —  \iird  im  allge- 
meinen von  äusseren  gegenständen  wie  hrcegl,  ckUfaSy  reaf 
gebraucht  {wcesc-ern  =  laundry),  während  pwean  auf  per- 
sonen  resp.  körperteile  bezogen  oder  metaphorisch  verwendet 
wird.  Daraus  erklärt  sich  das  ungleich  häufigere  vorkommen 
von  Pwean. 

Beispiele  aus  dem  Beda.  a)  pcet  he  wolde  his  reon  7  his 
hwitlas  .  .  .  in  sce  wcescan  7  feormian  378.  17.  —  b)  7  heo 
Jtwöh  7  hire  feax  germdde  180.  9;  ])onne  wolde  heo  ealra  nylist 
hy  bapian  ^  pwean  318.20;  242.26;  396.5;  84.18;  84.26; 
Ond  heopa  Öa  badn  onpwögon  182.  31;  184.  3;  322.  1;  176.  18; 
dazu  ptveal  184. 17.  —  mid  wcetere  fulluhtes  bcepes  apwegen 
40.  14;  86.  1  f.;  112.  12;  140.  14;  168.  1. 

84. 16.  (I  2063.)  Der  sinn  erfordert  ergänzung  von  ne 
vor  moston :  pa  heo  eallinga  onfoon  ne  Pycgan  ne  mosten,  (er 
Pon  Dauit  ondete.    Wahrscheinlich  liegt  Schreibfehler  vor. 

84. 18.  (I  2067.)  apwegen.  B  ahwegen.  —  84.  26.  (I  2088) 
aöivcgen,  B  ahwegen.  Schipper  scheint  ahwegen  nicht  gelten 
zu  lassen,  den  beide  male  ändert  er  es  in  apwegen.  —  Dazu 
108.  4  B  gchwaredon;  360.  30  B  mannhtvcere;  382.  28  B  tin- 
gehic(cran  (von  Schipper  durclnveg  normalisiert  zu  -pw-).  — 
Diese  (vielleicht  kent.)  erscheinung  ist  erörtert  von  Napier, 
Holy  Kood-Tree,  p.  81;  Napier,  Old  English  Glosses,  p.  XXX, 
p.  3;  Sievei>;  §  201,  aniii.  6.  —  Weitere  notierte  beispiele  sind: 
Solil.  335.  34  thigehivcerc;  Boetli.  62.  10  B  nngcwayt^ne  (?),  9.  11 
B  ungcphcenicssa  (anscheinend  eine  art  kompromissschreibung) 
(Dial.  Greg.  33.  22  grpwwredc  —  C  gehwceprede);  Chron.  A.  D. 
1083  (E)  ungehivcernes.^) 

86.  25.  (I  2149.)  mid  gyfunge  pcere  synne  =  peccati 
consensu.  Statt  gyfunge  (nach  B.-T  =  *a  giving,  granting, 
consent,  assent')  ist  jedenfalls  gepa fange  (so  B)  zu  lesen.  VgL 
86.  27,  86.  33 ;  54.  10 ;  gepafode  86.  31,  etc. ;  gepafunge  sealde 
134.  23. 


^)  Zu  beachten  die  merkwürdige  Schreibung  gedwasöere  Beda  178.  29  B 
{(BghwaHre  T). 


ZUR  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBEK8ETZUNG.  311 

86,  25  ff.  (I  2150  ff.)  Diese  Unterscheidung  der  drei  stufen 
in  der  genesis  der  sünde  {seo  scynis  hiÖ  Purh  deoful,  seo  last- 
f'ulncs  hid  ])urh  lichoman ,  seo  geÖafung  ]>iirh  gcist)  wird  von 
Gregor  in  der  Cura  Past.  gelehrt;  vgl.  die  ae.  Übersetzung 
417.  19  ff.  {Beet  gespan  hiÖ  Öurh  diofiil,  Sio  lusfbcernes  hid 
öurh  Öone  lichoman.  Sio  geöafung  lAÖ  Öurhtogcn  Öurh  Öone 
gcBsi.) 

86.  29,  (I  2160.)  ond  Euae  (B  6n  euan)  Pa  swa  swa 
lichoma  wfvs  histfulliende  =  Ena  uelut  caro  delectata  est. 
Dazu  bemerkt  Schipper:  "Man  wäre  versucht,  hier  Eva  zu 
setzen  statt  Evce  (Evan),  Der  Übersetzer  scheint  aber  de- 
lectata est  als  passiv  gefasst  zu  haben  statt  als  deponens." 

Die  Schreibung  Euae  statt  des  normalen  Ena  ist  nicht 
besonders  anstössig.  Vgl.  Ercongot<e  172.  10  T;  Gregorice 
106.  12  T;  Fursioe  214.  26  T;  Hodwice  218.  16  T;  Oswioi 
220.  24  T;  Oswi§  222.  26  T  (Osuna  224.  12).  Sodann  ist  die 
B- Variante  6n  euan  eine  leicht  erklärliche  Verderbnis,  vgl. 
anm.  zu  24. 12;  die  auffassung  von  on  als  praepos.  führte 
direkt  zur  Schreibung  euan. 

Die  lesarten  ywde  OCa,  eotvode  C  (nach  Smith)  statt 
cua{e)  ])a  zeigen,  dass  letzteres  als  eawde,  cotvde  (praet.)  miss- 
vei-standen  und  dann  in  die  westMchs.  form  ywde  umgesetzt 
wurde.  —  Kin  ähnliches  beachtenswertes  missverständnis  ist 
in  necde  gesetum  130.  33  T  —  on  ytide  gcscttan  B;  das  subst. 
wurde  als  das  noithumbr.  (Lindisf .  Go.,  Rush. \  Kit. ;  s.  Sievere 
§  174,  3)  ede  =  'gvex'  gedeutet. 

8«.  31  ff.  (I  2164  ff.)  Millers  konjektur  mid  gescead  ist 
unwahi-scheinlich.  Durch  Umstellung  von  pcettc  Hesse  sich  eine 
brauchbare  fassung  herstellen :  Ond  miccl  nedpearfnis  is  Jxjet 
gescead,  pwtte  . . .  (leicht  aus  der  vorläge  zu  erklären :  et  ne- 
ce.ssaria  est  magna  discretio,  ut  . . .).  Es  könnte  freilich  der 
lat.  text  auch  ganz  falsch  verstanden  worden  sein,  so  dass 
gescead  als  das  erste  Subjekt  des  folgenden  nebensatzes  zu 
betrachten  wäre  (so  Schipper). 

88.  5.  (I  2181.)  Oyid  in  scynisse  synne,  gif  Jxßt  mod  hiÖ 
in  lustfulnesse,  pwt  hid  fosdnis.  Diese  (recht  ungenügende) 
fassung  erklärt  sich  weder  aus  der  von  Holder  gedruckten 
Version:  In  suggestione  igitur  peccati  initium  est,  in  delec- 
tatione  fit  nutrimentum,  noch  aus  der  von  Schipper  (Plummer) 


312  FB.  KLAEBEB, 

gebotenen  emendation:  ...  peccati  semen  est  ...,  sondern 
aus  der  Variante:  In  suggestione  igitur  peccati  si  mens  est, 
wie  schon  von  Aug.  Schmidt  gesehen  ist  (pp.  14  t).  S.  auch 
Plummer  I  61. 

So  z.  b.  auch  148. 1  of  ]>cere  tide  geht  nicht  auf  eo  tem- 
pore (Holder,  Schipper)  zurück,  sondern  auf  ex  eo  tempore 
(so  Plummer  1 124).  —  Femer  s.  anm  zu  178.  22.  —  lieber 
die  der  ae.  Übersetzung  zu  gründe  liegende  fassung  des  lat. 
textes  handelt  Plummer  I,  einleitung,  besonders  pp.  CXXVlilf.; 
vgl.  Schipper,  einleitung,  pp.  XXX  ff. 

88.  28.  (I  2236.)  Jxjette  her  wcere  (Millers  emendation  nach 
BOCa;  he  Öcere  T)  micel  rip  onweard  7  fea  worhton  (BOCa 
wyrhtan)  =  multam  quidem  ibi  esse  messem,  sed  operarios 
paucos  (Matth.  9.  37).  —  Am  einfachsten  erklärt  sich  worhton, 
wenn  man  annimmt,  dass  der  Schreiber  den  Zusammenhang 
missverstand  und  die  stelle  in  Verwirrung  brachte  {worhton 
praet.  plur.).  —  An  beeinflussung  des  subst.  durch  weorc^  worc 
ist  schwerlich  zu  denken,  da  T  die  form  worc  wohl  nicht  ge- 
braucht. —  Ein  Wechsel  zwischen  umgelauteter  und  umlauts- 
loser form  ist  übrigens  recht  oft  in  den  verschiedenen  hss.  zu 
beobachten.  Wir  werden  am  schluss  darauf  zurückkommen. 
(In  iEdelreds  Ges.  VIII  27  finden  wir  J>eofa  gewita  7  ge- 
weorhta),  *) 

90.  8.  (I  2267.)  in  missenlicum  mcegwlitum  =  in  diuersis 
speciebus.  2)  —  482.  9  to  mcegwlite  andgit^  7  gastlicre  gere- 
cenesse  -=  ad  formam  sensus  et  interpretationis.  —  mcegwlite 
ist  ein  für  den  Beda  charakteristisches  wort  anglischer  (und 
poetischer)  färbung.  Ausser  in  der  dichtung  begegnet  mcegwlite 
(megwUt)  im  Lindisf .  Go.,  Eush.^,  Rit. ;  Blickl.  Hom.  127.  19. 

Der  ei-ste  teil  diases  wortes  ist  sehr  ansprechend  als 
lehnwort  imago  erklärt  worden  (s.  Kluge,  in  Pauls  Grdr.*  I 
p.  839 ,  Avährend  J.  Grimm ,  anm.  zu  Andr.  856  an  nueg  = 
genus,  cognatio  dachte).    Die  hybride  komposition  vergleicht 

*)  Andrerseits  die  participialform  foncyrht:  Dial.  Greg.  820.  1  ßam 
foncyrhtum  mmmum  (0  forworhfum). 

^)  426.  11  vemnc  p<et  seo  amien  scan  7  pa  hrcegl  höht  toasron,  se  Öe 
mcec  Icedde  =  excepta  duintaxat  specie  et  ueste  eins  qui  me  dncebat.  — 
(62.  24  7  pcer  to  secdde  heora  nydÖearfe  in  misse^üicum  cefttum  =  ...  et 
necessarias  in  diuersis  speciebus  possessiones  conferret.) 


ZUR  ALTENOLISCHEK  BEDAÜBEBSETZUNO.        S13 

sich  demnach  der  von  coren-heag  (Anglia  XI 173;  Z.  td.  Alt. 
XXXIII  65). 

90.  15.  (12287.)  ]>a  cirican,  J>e  he  cer  geara  geo  geleor- 
nade  ealde  Romanisce  tceorce  geworhte  beon  =  ecclesiam,  quam 
ibidem  antiquo  Romanorum  fidelium  opere  factam  fuisse  didi- 
cerat.  —  Die  ^Vorvergangenheit'  ist  sehr  nachdrücklich  her- 
vorgehoben (vgl.  iElfrics  Grammatik  140. 11  ic  wces  gefym  ge- 
lufod  =  amatus  eram  vel  amatus  fueram).  cer  mit  dem  praet. 
zui'  bezeichnung  des  plusquamperf.  ist  selbstverständlich  sehr 
gewöhnlich. 

90.  28.  (I  2314.)  in  uncyinre  hyrgenne  geseted  =  ignobili 
traditus  sepulturae.  196. 18  monig  oder  uncymre  hors  =  equos 
uiliores  plurimos.  {un)cyme  ist  eine  äusserst  seltene,  alter- 
tümliche Vokabel.  Selbst  in  der  dichtung  ist  cymc  (cymlic) 
auf  ganz  wenige  texte  beschränkt.  Aus  der  prosa  ist  uns 
nur  noch  ein  weiteres  beispiel  bekannt :  Blickl.  Hom.  227, 12 
sume  uncyme  streownesse, 

90.  33.  (I  2325.)  heo  Öa  aspyredon  Pcet  y  htvonan  he  wcere. 
pcet  ist  in  hw(ßt  (so  B  0  Ca)  zu  bessern  (==  inuestigantes,  unde 
uel  quis  esset).  Vgl.  344.  22  pcet  ealra  h^ora  dorne  gecoren 
wcere,  hwcet  oÖÖe  hwonon  pcet  cumett  wcere]  130.22  geornlice 
Pohic,  hwcet  se  woere  oöpe  hwonan  he  cwomc. 

92.  2.  (I  2329.)  (genonmn  pa  his  lichoman  ond  in  Bonagia 
pa  ceastre  . . .)  in  cyrican  gcsette  7  hcbyrged  tvccs  =  ....  in 
ecclesia  posuerunt.  B  dsctton  7  bebirgdon,  OCa  geseiton  7 
hcbyrigdon.  Es  sielit  so  aus,  als  ob  in  der  vorläge  gesette  7 
hchyrgcle  stand,  welches  auf  verschiedene  weise  'gebessert' 
wurde.  —  Sonstige  bemerkte  formen  des  praet.  ind.  plur.  ohne 
n:  7  hi  sona  wiö  heorci  fcondum  gcfuhton,  7  sige  hcefdon,  7 
niUe  ....  ofer  done  sce  norÖ  afhjmde  44.  29  Ca  B ;  gcsyndge 
windas  Surh  Jone  smyltestan  sce  usic  cet  londe  gebrohte  386.  13 
T  (Schreiber  2)  BCOCa;  (mit  dem  pron.  der  3.  pers.  unmittelbar 
nach  dem  verbum:)  Pa  heo  pa  pcer  gestaÖolade  7  gcsette  wceron, 
pa  HC  rneahte  heo  betiveoh  him  gepwcerigan  7  geweoröan  272. 31 
T  B  0  Ca ;  swa  sua  me  sum  broöor  scecjde  of  pmn  pe  nie  in 
nreotum  tyde  7  Icerde  (BOCa  tyd(d)on  7  Icerdon)  268.12  T 
(was  freilich  auf  kontamination  beruhen  kann  wie  das  bekannte 
para  pe  +  sing,  des  verbums) ;  ferner  266.  8  (s.  anm.) :  übrigens 
auch  zu  vgl.  anm.  zu  24. 12. 


314  FR.  KLAEBER, 

92.  4.  (I  2339.)  Se  me  (C  nicBg,  0  md,  Ca  fna,  B  mceg'O 
allum  Ongolcynnum  7  aldormonnum  Bretta  Peode  fomom  7 
forhergade  ^-  qui  plus  Omnibus  Anglorum  primatibus  gentem 
uastauit  Brettonum.  —  Smith  und  Schipper  (im  0-text)  schrei- 
ben Angelcyningum  (nach  C?),  unserer  meinung  nach  ohne 
nötigung.  Schippers  hinweis  auf  92.  7  (I  2346)  ne  wcbs  cefre 
a*nig  ajninya  ne  aldormonna  ist  nicht  stichhaltig,  da  diese 
Worte  genau  dem  lat.:  nemo  enim  in  tribunis,  nemo  in  regi- 
bus  . . .  entsprechen.  1)  —  Schipper  druckt  (im  B-text)  nuesty 
was  syntaktisch  unmöglich  ist.  {modst  eallum  könnte  nur 
heissen  'almost  air.)  Es  liegt  auf  der  band,  dass  mos  (nie) 
der  vorläge  mindestens  zwei  Schreiber  irre  geführt  hat.  S.  anm. 
zu  36.  4. 

92.  9.  (I  2349.)  he  to  gafolgyldum  heo  gesette  Ongolpeode. 
110.  4  se  eac  swylce  Peohtu  ])eode  7  Scotta  ,  , .  to  gafolgyldum 
gesette.  —  Vgl.  Oros.  176.  22  ...  7  hie  oferhergeade,  7  to  ga- 
folgieldum  gesette;  170.  6,  26;  124.  6  ealle  J)a  oÖre  }>eoda  .  .  . 
he  to  gafolgieldum  gedyde ;  122.  24. 

92. 12.  (I  2356.)  Beniamin  is  risende  wulf  =  Beniamin 
lupus  rapax.  184.  24  pa  wces  he  semninga  fram  deofle  gerisen 
---  subito  a  diabolo  arreptus  (B  gerinen  ^  0  gegripen  (urspr. 
gerisen),  Ca  gegripen),  320.  28  sona  tvccs  gerisen  7  genumcn 
of  middungcarde  — -  rapta  confestim  de  mundo  (B  Ca  gehritien, 
0  gcJ'rincn).  —  risan  wird  als  regelrechtes  starkes  verbum 
anzuerkennen  sein  (das  in  g  382  von  öievers'  Grammatik  seinen 
platz  finden  würde).  Sonst  —  abgesehen  von  den  glossen: 
\\'r.-\Vü.  1  497.  5  rapaci  =  dwre  risendun;  ib.  516. 12  rabula 
-  si  risenda  —  unseres  Wissens  nur  noch  in  Rush.  ^  und 
IMickl.  Hom.  belegt:  Kush.'  Matth.  7.  15  wulfas  riscende  t 
wocdende  (=^  lupi  rapaces);  ib.  13.  19  geriseö  =  rapit;  ib.  11. 
12  gerisa])  -=  rapiunt;  ßlickl.  Hom.  225.17  ctimaÖ  arisendc 
wulf  (IS  (Morris'  Übersetzung  "There  will  come  and  rise  up 
wolves"  ist  unannehmbar;  vgl.  ib.  63.  10  hi  heo])  betuh  htm 
sylfum  sUtendc  wulfas  \  ob  arisende  irrtümlich  statt  risende 
steht??). 


1)  Zu  92.  4  f.  v^l.  Tacitus,  Germania,  c.  I:  nuper  cognitis  quibusdam 
geutibus  ac  regibus. 


ZUK  ALTENGLISCHEN  BEDAÜBER8ETZUN6.  315 

Dazu  geris  =  rabies,  Corp.  Gloss.  1707;  sodann  in  der 
Vita  Guthl.  78.  4  on  gerisne  woruldlicra  J)inga  {=  (non)  in 
praeda  nee  in  rapina). 

Vermutlich  ist  hierzu  das  nicht  seltene  verbum  arasian 
zu  stellen,  welches  u.  a.  in  der  Cura  Past.  zur  wiedergäbe  von 
^corripere'  verwendet  wird:  143.9,19;  145.1;  245.11;  dazu 
451.  19  (=  deprehendere) ,  vgl.  39.21;  femer  arasod  =  de- 
prehensus :  Benet.  64.  6,  65.  3. 

92.  14.  (I  2359.)  for  his  fromsclpe  ^=  eins  profectibus. 
C  for])scype\  nach  Schipper  ist  auch  in  Ca  forö  über  fromscypc 
geschrieben.  —  fromian  (in  T)  ist  übliche  Übersetzung  von 
proficere ;  dazu  fromung  406.  29  ==  profectus.  —  Epist.  Alex. 
755.  759  from^dpe\  Vesp.  Ps.  104.  38  fordfromungc  =  profec- 
tione.  —  S.  160.  6,  146,  29,  u.  anmerkungen. 

92.  15.  (I  2362.)  teah  hine  pa  ferd  on,  i.  e.,  tcah  ßa  fcrd 
on  hine.  30.  21  Öeos  fyrd  wcbs  gelogen,  208.  17  Penda  .  . 
teah  here  7  fyrd  tvid  EastengU  7  pider  to  gefcohte  civom. 
168.  20  pa  teah  Penda  hine  fyrd  on  7  here. 

92. 19.  (I  2368.)  lytestne  (0)  =  pene.  (In  B  unterdrückt, 
in  C  zu  lytle  mr  verfälscht.)  Ein  für  den  Beda  charakteristi- 
sches wort,  lytcsnc  (lytcsna),  mit  der  nebenform  lytestne  (Sievers 
§  196,  anm.  4),  =  pene,  prope,  eigentlich  "by  a  little  not" 
(Sweet),  d.  h.  Mittle  short  of '  begegnet  noch  —  mit  einer  aus- 
nähme st^ts  vor  cal  —  in:  182.  28  TO;  194.  35  TO;  230.  12  T 
0  Ca;  252.  21  T 0  (nuest  (eaUe)  Ca,  wie  z.  b.  Oros.  170.  3,  mehr- 
fach in  der  (-hronik);  438.  33  T  (seh reiber  4)  0('a.  —  Ausser- 
dem nur  noch  in  Ei)inal  (-Erfurt)  Gloss.  200  lytisna  -----  con- 
cedam,  Corp.  Gloss.  519  lytesna  =  concedam;  Wr.-Wü.  1 364. 45; 
und  einmal  in  der  dichtung  (Jul.  10  lytcsna  ofer  calne  yrnienne 
gntnd). 

Gemeinaltengl.  erscheinen  dafür  forncah,  fulneah;  {swiöe) 
ncah,  etc.  Beda  30.  o  neahpan  Ca  {neah  dam  B);  38. 12  ncah 
don  Ca  {forneah  öan  B). 

(Fortsetzung  folgt.) 

University  of  Minnesota,  im  Mai  1901. 

Fk.  Elaeber. 


INTERPRET ATIONS  AND  EMENDATIONS 
OF  EARLY  ENGLISH  TEXTS. 


In  Specimens  of  Early  English,  Part  I,  Second  edition, 
edited  by  R.  Morris,  A.  L.  Mayhew,  and  W.  W.  Skeat, 
Oxford  1887—1898,  the  following  passages  occur: 

1.  Unwraste  man  wat  macede  ^eu  an  alle  mire  rice  Pat 
^ie  hatrede  and  wid^rwardnesse  a^^es  me  ^e-winlne]  sceolde. 
and  to  mine  fd  ^ehugon  1  :  27—29  (page  2;  E.  E.  T.  S.  34, 
p.  233).  In  these  terms  the  kingly  host  addresses  those  of 
his  guests  whom  he  recognized  as  his  enemies  (^efo).  Morris 
has  Substitut ed  macede  for  the  lacede  of  the  MS.,  and  in  his 
note  on  line  29  (page  289)  he  explains  ^ebugon :  "lit  tum  to, 
bow  to;  hence  be  obedient  to".  But  the  reading  of  the  MS. 
should  beretained;  lacede  means  "lacked"  and  gives  excellent 
sense:  "What  lacked  to  you  (what  reason  for  complaint  was 
there)  in  my  whole  country,  that  you  should  etc."  Through 
Morris's  alteration,  an  alle  mire  rice  has  come  to  appear 
rather  out  of  place.  Further,  ^ebtigon  in  this  context  means 
something  more  than  "were  obedient  to".  The  idea  of  com- 
pulsion  not  being  nßcessarily  excluded  from  obedience  to 
powerful  enemies  of  one's  lawful  prince,  such  obedience  would 
scarcely  be  mentioned  as  the  last  link  in  a  chain  of  crimes. 
Much  more  forcible  is  the  accusation  of  wilful,  traitorous 
desertion.  And  that,  indeed,  is  here  the  Import  of  the  verb. 
Cf.  Be  (kr  fr  am  him  gebogene  wceron  (who  had  formerly 
turned  from  them)  Orosius  (Bosworth-Toller  377  a).  Hi 
gebugon   (transfugerit)   to   losue  and   to  Israhela  beamum 


KOCK,  INTEBPRET.  AND  EMEND.  OP  EARLY  ENGLISH  TEXTS.      317 

Joshua  (Ib.).  Thus  tliese  subjects  of  the  king  had  not  only 
hated  him  and  shown  themselves  refractory,  but  positively 
riin  over  to  bis  enemies. 

2.  ])a  wes  sancte  paul  stoiöe  «?  a  3  A  72 — 73 ;  Ofte  hadde 
hörn  beo  wo  Äc  neure  wurs  pan  him  was  ])0  19:  115 — 116. 
Similarly:  Ilys  clerk  was  wo  to  do  J)at  dede  Spec.  11  5:  5771. 
The  editore,  in  part  I,  p.  533  b,  544  b,  part  ü,  479  a ,  explain 
the  wa,  tvo  of  these  sentenees  as  an  adj.  meaning  "sorrowful", 
"sorry",  whereas  wa,  wo,  in  the  other  registered  instances  in 
the  same  volumes  is  a  subst.  meaning  "woe".  There  is  no 
foundation  for  such  a  distinction.  Wo  was  never  an  adj. 
Adjectives  formed  from  the  word  are:  woeful,  woesome,  etc. 
Sancte  paul,  hom,  and  Hys  cl&i'k,  as  well  as  the  corresponding 
nouns  in  Will^ham  was  wa  he  had  na  wappynis  thar  Spec. 
III  6:  401,  for  Wetharryngton  my  harte  tvas  wo,  that  euer 
he  slayne  shulde  he  HI  7:  111,  etc.,  are  not  the  subjects  of 
the  sentenees,  but  datives  dependent  on  the  phrase  wa  wes  etc. 
Cf.  ße  hyp  cefre  wa  Nicod.  (BosAVorth-Toller  1147a);  J)eh 
heom  beo  wo  Spec.  I  17  A:  181;  Spec.  II  7:  176;  III  7:  80, 
123;  also:  Wo  worpe  ^ou,  wy^tes  III  1:  492;  wo  mote  ^ou 
worjten  1:  493;  the  modern  Woe  worth  the  day!  the  Icel. 
vei  er  mer;  vei  verör  honom;  the  M.  H.  Genn.  we  ist  mir; 
WC  wirt  im,  and  so  forth. 

There  is  more  "woe"  to  come  in  no.  4. 

3.  tve  uinded  in  halie  hoc.  pet  ieremie  pe  prophete  stod 
in  ane  putte,  and  pet  in  Pe  uenne  up  to  his  muöe  (missus 
est  ieremias  in  puteum  et  stetit  ibi  usque  ad  os)  3  B:  6 — 7. 
Morris  observes:  ^Änd  pet,  and  (also);  Pet  hardly  seems 
wanted".  Morris  has  not  grasped  the  meaning  of  and  pet 
C'ertainly  it  does  not  mean  "and  also",  which  would  give  as 
poor  seuse  as  the  German  Er  ist  in  England  und  auch  in 
Essex  gewesen.  What  it  means  is  exactly  the  same  as  und 
zivar  in  Er  ist  in  England  und  zwar  in  Essex  gewesen. 
The  additional  Information  is,  logically,  not  co-ordinade,  pa- 
rallel, to  the  one  already  given,  but  subordinate,  defining. 
ßy  those  two  Avords  the  latter  part  of  the  sentence  is  joined 
to  the  former  in  a  more  impressive  manner..  Cf.  Ue  made  a 
fortune  in  a  short  time  (where  generally  so  much  stress  falls 


318  ERNST  A.  KOCK, 

on  a  fortune,  that  tlie  adjunct  cannot  be  particularly  emphasized) 
witli:  Ifc  madc  a  fortune,  and  that  in  a  short  titne,  Similarly: 
/  tokle  (counted)  hem,  koth  hc,  not  fülle  longe  ago,  And  J)at 
as  rvdily  as  that  I  coiide  Spec.  III  2 :  616.  It  should  be 
noticed  that  and  pet  in  3  B:  7  conesponds  to  the  Lat.  "et 
stetit  ibi". 

4.  7?67t  ])e  understanded  fiat  holi  husel  unwuräliche  he 
understant  him  seinen  eche  pine,  and  e^idelese  wowe  4  B: 
112 — 114.  On  p.  546  a  the  last  word  of  this  sentence  is 
rendered  bj'  "wrong",  which,  indeed,  is  a  suitable  word,  not 
for  4  B:  114,  but  for  the  whole  article  tcowe  in  the  Glossar}^ 
Of  course  the  word  heie  means  "Avoe"  and  reflects  the  0.  Engl. 
wäwa,  not  0.  Engl.  tvöh.  The  same  signification  is  evident  in 
ut  of  helle  tvoive  4  B:  64  (not  mentioned  in  the  Glossarj^)  and 
Pu  singest  so  dop  hen[ne]  a  snowe,  AI  ßat  heo  (i.  e.  such  a  hen) 
singep  hit  is  for  wowe  16:  414  (cf.  Bosworth-Toller  1170b). 
Quite  differently,  again,  the  word  should  be  interpreted  in: 
Lvtel  loh  is  gode  leof  pat  cumep  of  gode  wille.  And  lutel 
he  let  on  miichel  icowe,  per  Pe  heorte  is  ille  17  A:  72 — 73. 
The  explanation  giA^en  in  the  Notes  is :  "And  he  little  esteems 
much  offered  wrongfuUy  where  the  heart  is  evil".  The 
Glossary  says:  "on  tvoive,  wTongfully".  The  former  explana- 
tion is  a  failure,  the  latter  tempts  me  to  say  something 
wicked.  Woive,  however,  Stands  for  vowe,  parallel  to  the 
preceding  lo/c,  "offering",  "gift",  and  corresponding  to  the  ^ieue, 
"gift",  of  the  Trinity  MS. :  "And  little  He  esteems  a  great  vow 
(votiA-e  offering),  where  the  heart  is  evil".  Cf.  Belonging  to 
this  church  is  a  World  of  plate  ,.,  besides  tlie  cosÜy  vowes 
hung  np,  some  of  gold  Evelyn  Diary  (Century  Dict.). 

5.  vmbe  fiftene  ^ert  pat  folc  him  isomned  6A:  71 — 72. 
This  is  the  reading  of  the  MS.  For  him,  however,  Morris 
deenied  it  necessary  to  Substitute  is.  Such  an  alteration  was 
suggested  also  by  F.  Madden  (1847)  in  his  edition  of  La^a- 
mon's  Brut.  Certainly  the  B-text  has  his  (is)  i-somned,  but 
him  isomned  gives  the  same  sense.  The  verb  isomnen,  0.  Engl. 
gesomnian,  is  both  transitive  (congi'egare,  colligere)  and  in- 
transitive (congregari,  convenii-e).  Him  is  the  same  kind  of 
dative  as  in:  Ihc  . .  se  pat  gras  him  springe,  "I  see  the  grass 


INTEBPRET.  AND  EMEND.  OF  EABLY  ENGLISH  TEXTS.         319 

spring  up",  19:  130;  cf.  Swedish  hau  gick  sig  ut  en  morgon- 
stund,  "he  went  out  of  a  morning".  In  isomned  tlie  find  -d 
is  meant  for  -Ö;  cf.,  three  lines  further  down,  hit  fdled  for 
hit  fallet, 

6.  p  hcod  an  u^  feolet  ])at  we  fceren  scolden  6  A:  89 — 
90.  In  his  translation  of  the  first  of  these  lines,  "So  that 
there  be  many  among  us",  Morris  differs  from  Madden,  who 
took  feole  to  be  the  past  participle  of  fallen.  It  is  true,  that 
fvole  seems  a  stränge  participle.  But  the  verb  fallen  presents 
itself  in  a  gi-eat  variety  of  forms  (see  Morris's  and  Mad- 
den's  Glossaries).  L  vor  II  we  had  in  faled  (see  no.  5). 
Eo  for  a  may  have  slipped  over  into  tlie  participle  from  the 
other  preterite  fonns.  The  other  MS.  has:  yat  lot  on  vs  ful 
Altogether  I  consider  Madden's  acceptation  preferable  to 
Morris's. 

7.  ])at  ha  leare  ham  mete.  pat  nie  meosure  hat  ]>e  middel 
of  tiva  iiueles.  for  ])at  is  peaw  in  euch  stude  ant  tuht  forte 
halden  7:  50 — 52.  Morris  renders  the  latter  part  of  this 
sentence  thus:  "for  in  every  place  it  is  a  virtue  to  observe 
moderation  (or  discipline)",  and  adds:  ^Änt  before  tuhte  seems 
supei-fluous".  But  the  sentence  means:  "that  she  may  teach 
them  measure,  what  people  call  moderation,  the  middle  of 
two  evil  things,  for  that  is,  in  each  place  (r=  for  in  this 
golden  medium  consists,  in  each  case),  virtue  and  the  obser- 
vance  of  propriety". 

8.  ^ef  we  as  treowe  tresures  witeÖ  wel  his  tresor  Pat  is 
hitaht  US  to  halden  7:  200—201.  An  E.  E.  T.  S.  34,  p.  264 
(1868),  the  correct  translation  is  given:  "if  we  as  true 
treasurers  guard  well  his  treasure  which  is  entrusted  to  us 
to  be  kept".  But  both  in  the  Glossary  of  Spec.  I  (1887), 
where  this  passage  is  expressly  mentioned,  and  in  Mayhew 
and  Skeat's  Concise  Dictionary  of  Middle  English  (1888) 
only  the  translation  "treasure"  is  given,  the  editors  thus 
having  guarded  that  treasure  badly.  Evidently  treasures 
Stands  for  tresureres, 

9.  hire  feader  feng  07i  earst  feire  on;  to  lolcin  s^f  he 
maJUe  wiö  eani  luue  speden  8  B :  64 — 65.    The  difficulty  here 


320  ERNST  A.  KOGK, 

lies  in  the  double  on,  Morris,  disregarding  the  semicolon, 
translates:  "began  first  kindly  to  look  upon  her".  New,  in 
the  first  place,  tliis  gives  a  weak  sense:  persuasion  and 
coaxing,  not  looks,  were  wanted  on  this  occasion.  Further 
the  analogy  of  A  50 — 51  {he  feng  feire  to  fondin  —  try, 
tempt  —  his  dohter)  and  B  86 — 87  (Affrican  feng  eft  on.  d: 
to  fondin  ongon  $ef  he  mähte  .  .  wenden  hire  heorte)  teaches 
US  that  to  lokin  means  "to  see",  "to  try".  Finally  the  re- 
petition  of  a  particle  that  fits  in  easily  both  immediately  after 
the  verb  (cf.  Hire  feader  feng  on  to  wreaÖÖin  B  100)  and 
at  the  end  of  the  clause  (cf.  Pa  feng  eft  hire  feder  on  wiö 
olhnunge  to  fondin  $ef  . .  A  67 — 68)  is  a  more  natural  mistake 
(which,  in  my  own  experience,  will  happen  any  day)  than 
the  Insertion  of  a  big  stop  between  two  words  so  closely 
connected,  particularly  as  in  the  present  text  stops  seem  to 
be  used  very  sensibly.  Thus:  "her  father  began  first  kindly, 
to  see  if  he  could  gain  anything  by  love". 

10.  A  ihesu  hwa  mihte  nmre  Jwlen  cristen  oder  heaöent 
])en  mon  him  for  scJiendlac  i  ])e  heard  spitted  10:  40 — 42. 
In  E.  E.  T.  S.  34,  p.  278 ,  the  passage  is  rendered  thus :  "Ah, 
Jesu!  who  might  endui^e  more,  Christian  or  heathen,  than 
when  one  spitteth  in  scorn  upon  his  beard?"  This  is  not 
quite  correct.  In  the  Glossary  of  Spec.  I,  Pen  is  explained 
by  "when,  since",  which  is  entirely  wrong.  The  sentence 
means :  "Ah,  Jesu !  who  might,  [whether]  Christian  or  heathen, 
endure  more  than  [that]  one  spat  in  scorn  upon  his  beard?" 

11.  per-of  US  yeft  ensample  po  prie  hinges  of  hepenesse. 
pet  comen  fram  verrene  londes  ure  louerd  to  seche,  and  htm 
makie  offrinke.  And  he  pet  hi  offrede  gold,  pet  i$  cuuenable 
yeftte  to  kinge:  seawede  pet  lie  was  sothfa^t  king  . .  And 
be  pet  hi  offrede  Mine,  pet  is  biter  ping.  signefieth  Pet 
hi  hedde  biliaue  pet  he  ivas  diadlich  13:  37 — 45.  The  Notes 
contain  the  Information:  '^Be  pet,  so  that,  because".  This  is 
not  correct.  It  literally  means  "by  that",  by  being  a  pre- 
position  which  governs  the  whole  fAa<- clause;  cf.  after  that, 
before  that,  etc.,  in  Shakespeare.  Prepositions  before  that- 
clauses  are  still  used  in  Swedish ;  thus  "genom  att  de  offrade", 
coiresponding  to  the  German  "dadurch,  dass  sie  . .  opferten" 


INTERPRET.  AND  BMEND.  OF  EARXA  ENOLI8H  TEXT8.    321 

or  "durch  das  opfern  von",  modern  Engl,  "by  offering".  — 
Moreover,  the  verbs  yeft  and  signifieth  are  *'pr.  pl."  (present 
tense  plural),  not.  "pr.  s.'',  as  is  wrongly  stated  in  the  Glos- 
sary.  Likewise  seawede  is  "pt.  pl.''  (Cf.  the  plurals  habbeth, 
an-uret,  an-urede  in  11.  22,  23,  29.)  Thus  the  passage  should 
be  rendered:  "Thereof  the  three  kings  of  heathendom  give 
US  an  example,  who  came  from  far  away  countries  to  seek 
our  Lord  and  to  make  offering  to  Hirn,  and  by  offering  gold, 
which  is  a  fit  gift  to  a  king,  showed  that  he  was  a  true 
king,  . .  and  by  offering  myrrh,  which  is  a  bitter  thing,  signify 
that  they  believed  that  he  was  mortal." 

12.  losep  hem  knete  dl  in  hin  dhogt  Als  he  let  he  hnew 
hem  noyt  15:  2167 — 2168.  Morris  Senders  Als  (<  also  <  eal 
swd)  by  "also'\  But  it  means  "although".  Cf.  Swd  he  Jmrh 
feöndscijje  to  cwale  monige  denide,  s^iid  peah  him  Dryhten 
eft  miltse  gefremede  Elen.  Kmbl.  (Bosworth-Toller  940b). 
etlich  tolle  prclaten  meyncn,  wen  .,  ein  yeglicher  ..  ein  fest 
macht,  hab  gar  ein  gut  werck  than,  sso  (although)  er  viel  ein 
besser s  thet,  wo  ehr  .  .  ein  wercket  tag  macht  Luther  An  den 
chi'istl.  Adel  52.  Ok  svd  sem  hon  er  sterk,  ])a  mun  hon 
brotna  8non'a  Edda  ed.  Jönsson  22:  3. 

13.  Spies  icere  ive  neuer  non,  Oc  alle  tve  beti  on  faderes 
sunen,  For  hunger  dodes  hider  cumen  15:  2174 — 2176.  "For 
hunger  compels  them  to  come  hither",  says  Morris.  This 
explanation  labours  with  two  difflciüties:  1.  That  Joseph's 
brothers,  after  declaring:  "We  are  all  one  father's  sons", 
should  immediately  add:  "For  hunger  compels  them",  seems 
entirely  unreasonable ,  seeing  that,  in  this  case,  no  formal 
considerations  —  rhjTne,  rhythm,  alliteration  —  can  have 
induced  the  poet  to  such  a  shift.  2.  The  explanation,  or  proof, 
introduced  by  for  would,  in  a  somewhat  confusing  manner,  be 
severed  from  the  thing  to  be  explained  or  proved.  —  There- 
fore  1  believe  that  -s  must  mean  us,  and  that  for  is  a  pre- 
position,  not  a  conjunction:  "No  spies  we  ever  were,  but  all 
we  are  one  father's  sons :  for  hunger's  sake  he  makes  us  here 
repair."  Then  dodes  Stands  for  doÖ  e's  =  doÖ  he  u^.  E  for 
Jie  occurs  in  the  same  song  1.  2341  (so  e  gret,  so  he  wept) 
and  2708  (LUo  egypte  etvente,  into  Egypt  he  went,  E.  E.  T.  S.  7, 

AugllA.    M.  F.    XIU.  21 


322  ERNST  A.  KOCK, 

p.  77).  Bod  hes  =  doö  he's  =  dod  he  {h)eSj  "does  he  . .  her 
(i.  e.  it)",  is  to  be  found  in  17  B:  56,  mes  =  me  (h)es  17  B: 
259,  has  =  ha  es  15:  78,  haze  =  ha{ue)  vs  Spec.  UI,  p.  269, 
and  so  on.  Don,  "make,  cause  (one  to  do  a  thing)''  meets  as 
in  I  15:  2351  {Änd  dod  htm  to  me  cumen),  2438,  2441.  Far 
hunger  would  be  analogoos  to  for  nede,  which,  relating  to  the 
same  fact,  the  famine  in  Canaan,  occurs  twice  on  that  same 
page  (1.2161,  2165).  To  sum  up,  I  believe  there  are  fairly 
strong  reasons  for  taking  the  passage  so  as  I  have  done.  And 
even  if  my  explanation  should  not  be  the  right  one,  I  still 
believe  that  Dr.  Morris's  is  wrong. 

14.  So  hreöere  seckes  hauen  he  filt,  And  in  euerilc  Oe 
siluer  pilt  Öat  Öor  was  paid  for  de  coren,  And  bunden  Oe 
müdes  Öor  hi-foren  15:  2213 — 2216.  Morris,  in  the  notes 
(p.  339),  explains  the  last  two  words  by  "there  as  before". 
This  is  impossible.  After  the  sacks  belonging  to  Joseph*» 
brothers  had  been  fiUed  with  com,  the  money  was  thrust  into 
the  sacks,  and  the  mouths  were  tied  up  over  it  (literally: 
"before  there").  Morris  refers  us  to  a  following  passage, 
where  the  Egyptian  coren  is  again  attended  by  this  hapless 
Öor  bi'foren,  but  where  no  support  is  to  be  found  for  the 
explanation  given  by  him :  BereÖ  dat  siluer  hol  agon,  dat  heni 
dor-ofne  wante  non,  And  oder  siluer  dor  hi-foren,  for  to  bigen 
wid  oder  coren  2243—2246.  The  sons  of  Jacob,  before  setting 
out  on  their  second  journey  to  Egypt,  had  to  take  the  money 
found  in  their  bags,  but  before  that  they  were  to  provide 
themselves  with  money  to  buy  com  with.  As  the  restoring 
of  the  old  money  was  decidedly  considered  quite  as  important 
as  the  new  business,  the  words  dor  hi-foren  cannot  be  said 
to  be  particularly  well  chosen.  "Therewithal"  or  "besides'' 
would  have  been  more  to  the  point.  But  the  exactions  of 
rhyme  have  done  more  mischief  than  that.  Ct.  the  other 
places  where,  in  this  extract,  hi-foren  rhymes  with  coren 
(2103,  2133,  2308)  or  with  other  words  (1920,  2283,  2291, 
2379,  2429,  2475,  2503,  2505,  2517)  —  hi-foren  thus,  in  a  local 
or  temporal  sense,  but  often  more  expedientially  than.appro- 
priately,  being  brought  in  as  a  rhyme -word  14  times  in 
18  pages! 


INTEBPRET.  AND  BMEKD.  OF  EARLY  ENGLISH  TEXTS.        323 

15.  Of  losep  wot  ic  ending  non,  And  bondes  ben  leid 
on  symeon  15:  2229—2230.  Thus  lacob  bewails  the  loss  of 
liis  two  sons.  Ending  is  in  the  Glossary  rendered  only  by 
•*death'\  This  may  be  right  enough,  in  a  way.  Yet  it  does 
not  express  adequately  the  particular  shade  of  thought.  En- 
ding is  here  used  in  a  wider  and  at  the  same  time  more 
literal  sense.  In  modern  English  we  should  say:  "What  has 
become  of  Joseph,  I  do  not  know". 

16.  And  qtianne  losep  hetn  alle  sag,  Kinde  Öogi  in  his 
herte  tvas  15:  2253-2254.  Here  the  rhyme  is  missing,  and 
Morris  (p.  163,  340)  suggests  the  emendation:  Kind  Sogt  was 
in  his  herte  äag,  ^Natural  thought  in  his  heart  was  still". 
This  emendation  implies:  1.  an  alteration  of  the  word-order; 
2.  the  addition  of  a  word ;  3.  the  placing  of  that  word  in  an 
unusual  position  (for  "though"  at  the  end  of  a  clause,  however 
common  in  modern  every  day  parlance,  is  hardly  to  be  found 
at  that  early  period),  4.  a  contrastation  wliich  appears  far- 
fetched.  (For  Morris  cannot  have  meant  that  Joseph  thought 
in  a  brotherly  way  of  his  father's  sons,  although  he  saw 
them;  he  must  have  meant:  Joseph  did  so  notwithstanding 
what  they  had  done  to  him  in  Dothan.  Now  it  was 
the  second  time  that  they  met  in  Egypt,  and  a  remark 
about  Joseph's  disposition  towards  his  brothers  with  regard 
to  that  outrage  would  have  been  more  appropriate  in  the 
description  of  their  ftrst  encounter  after  the  event.)  —  However, 
considering  the  way  in  which  the  rhyme  is  dealt  with  in  this 
song,  we  have  a  right  to  suppose  something  to  be  amiss  in 
this  passage.  Although  only  reluctantly  and  hesitatingly 
venturing  on  the  wide  field  of  emendatory  guesses,  I  will 
propose  a  simple  alteration  of  the  manuscript  reading,  by 
which  we  avoid  the  above  difficulties.  Any  certainty  for  its 
correctness,  can,  of  course,  not  be  arrived  at;  I  only  say: 
it  seems  more  likely  than  Dr.  Morris's.  Instead  of  was  I 
propose  to  read  stag:  "And  when  loseph  saw  them  all,  kind 
thought  arose  in  his  heart." 

17.  Pc^  we  ne  beon  at  one  acorde,  We  muge  bet  mid 
fayre  worde,  Wit-ute  eheste,  and  bute  fi^te,  Plaidi  mid  fo^e 
and  midriste  16:  181—184.     ^  Plaidi  mid  foge,  plead  (debate) 

21* 


324  BiRKST  A.  KOCK, 

with  (mutual)  consent.  For  fose  Jesus  MS.  has  so^e  (truth)." 
^Fo^e  . .  mutual  consent.  A.  S.  fog,  gefög,  a  joining."  Thus 
Notes  and  Glossary.  To  me,  however,  this  appears  to  be  a 
mere  guess.  In  German,  Swedish,  and  Danish  the  corresponding 
words  (Fug,  fog,  feie),  or  their  derivates,  mean  a  "joining", 
hence  ^something  fitting"  and,  in  a  secondary  and  abstract 
application:  "reason",  "reasonableness",  "justice  and  modera- 
tion".  This  gives  excellent  sense  and  corresponds  to  the 
reading  of  the  other  MS.  (sope),  Besides,  plaidi  mid  foge  and 
mid  rtgte  re-echoes  in  mid  rigte  segge  and  mid  shile  two  lines 
further  down. 

18.  Mid  ivi  grene  dl  bi-growe,  Pat  evre  stont  i-lidie 
i'blowe,  And  his  heou  never  ne  vor-leost  16:  617 — 619.  The 
last  clause  is  translated  in  the  Notes:  "And  its  (the  ivy's) 
colour  never  loses  (fades)".  I  can  see  no  reason  for  thus 
making  vorleosen  an  intransitive  verb  and,  at  the  same  time, 
the  construction  less  simple.  In  all  probability  the  line  means: 
"and  never  loses  is  colour". 

19.  Pe  nigtingalc  at  pisse  worde  Was  wel  nes  ut  of  rede 
i'worpe  16:  659—660.  The  translation  "out  of  patience" 
offered  in  Notes  and  Glossary  is  wrong.  Bed  means  "advice", 
"good  or  expediential  advice",  "expedient",  "way  out  of  the 
difficulty";  cf.  Icel.  kann  veit  eigi  sitt  rdÖ  hvat  kann  skal 
gjera,  Swed.  icke  veta  sig  nägon  räd,  Otit  of  rede  means  "at 
a  loss  (what  to  say  or  do  to  help  oneself)",  "at  one's  wits' 
end";  cf.  Icel.  rdälatiss,  Swed.  rädlös.  The  foUowing  lines 
(661 — 666)  describe  no  outburst  of  impatience,  but  an  eager 
inward  search  for  a  plausible  argument,  which  the  nightingale 
hardly  knew  where  to  get  hold  of.    Cf.  no.  21. 

20.  Heo  miste  speke  hwar  heo  walde,  To-vore  pe  king 
Pah  heo  scholde  16:  1727 — 1728.  Here  the  editors  are  entirely 
on  the  wrong  track,  the  Glossary  containing  the  foUowing 
item:  "^o/i,  conj.  (for  Jl^a),  when(?),  16:  1728".  Pah  is  not 
written  for  pa,  and  does  not  mean  "when".  It  has  its  usual 
meaning,  and  the  sentence  should  be  translated:  "He  might 
speak  wherever  he  liked,  even  though  he  should  do  so  before 
the  very  king."     With  regard  to  the  word-order,  et  in  the 


INTBAPBET.  AND  EllEND.  OF  EARLT  ENOLISH  TEXT8.         325 

same  poem:  Mid  püse  worde  forp  hi  f erden,  AI  hüte  here  and 
hüte  verde[n\  (troops),  To  PorteshoAn  Pat  heo  bi-come  (untill 
they  reached  Portisham)  1789 — 1791  (correctly  explained  in 
the  Notes  p.  349) ,  in  the  preceding :  It  sal,  quaS  he,  ben  soö, 
bi-foren  Öat  god  haÖ  (what  God  has  previously)  ure  eldere 
sworen  2505—2506. 

21.  Hwi  nullep  hi  nimen  heom  to  rede,  Pat  he  were 
mid  hsom  i-lome  For  {tö]  teche  heom  of  his  wisdome  16:  1764 — 
1766.  Again  (cf.  no.  19)  we  meet  the  Substantive  red,  which, 
like  the  M.H.Germ,  rät,  Icel.  rdö,  etc.,  occurs  in  a  great 
variety  of  combinations.  Morris's  explanation,  "Why  will 
they  not  betake  themselves  to  counsel?  i.  e.  why  will  they 
not  take  thought  together",  is  not  correct.  In  Nimen  heom 
to  rede,  heom  is  a  reflective  dative,  and  the  phrase  literally 
means:  "take  for  themselves  as  advice",  i.  e.  "decide  for  them- 
selves", "make  up  their  minds".  Cf.  Icel.  taka  to  rdöa,  "make 
up  one's  mind",  "undertake  something".  Analogous  is  also  the 
phrase:  Wat  shal  me  to  rede?  18:  693,  literally:  "What  shall 
for  me  [be]  as  advice,  or  help?  i.  e.  "What  shall,  or  can,  I 
do?"  (Was  soll  ich  anfangen?  Que  faire?  Hvad  skall  jag 
taga  mig  tili  ?)    Cf .  finally  M.  E.  avise  him  (refl.).  Fr.  s'aviser. 

22.  Mony  monnes  sore  iswynk  ofte  habbej)  vnholde 
17  A:  37.  "Many  a  man's  sore  toil  often  hath  ungracious 
ones,  i.  e.  a  man  often  receives  no  return  for  his  hard  work", 
Notes  p.  350.  Very  likely  this  is  right.  Yet  we  might  think 
of  a  different  Interpretation.  We  might  take  iswynk  to  mean 
not  the  activity  itself ,  but  its  fruit ;  cf .  1.  58 ,  Vre  swynk  and 
vre  tylehpe.  is  iwuned  to  swynde,  and  the  modern  work, 
meaning  partly  "labor",  partly  "opus'\  Further  we  might 
take  habbej)  to  be  the  3d  person  plural,  vnholde  being  the 
subject  and  iswynk  the  object.  Thus:  "(Do  good  as  long  as 
life  laste;  it  is  no  use  hoarding  up  for  others,  for  the  fruit  of) 
many  a  man's  toil  often  ungracious  ones  receive." 

23.  Pe  mon  pat  neuer  nule  do  god  .  ne  neuer  god  lif 
lede  .  Pat  dep  cume  to  his  dure  .  he  may  sore  a-drede  .  Pat 
he  ne  muwe  bidden  ore  .  for  pai  i-tyt  ilom  17  A:  123 — 125. 
Here  the  four  pafs  all  have  different  meanings.    According 


326  EBNST  A.  KOCK, 

to  the  Glossary,  the  second  would  mean  the  same  as  the  third, 
in  which  case  we  should  have  before  us  an  extremely  weak 
period.  In  the  Not^s  an  emendation  is  proposed:  "Pol  is 
perhaps  an  error  for  pan,  when".  —  In  1.  246 — 263  we  find: 
Par-lnne  beop  .  .  Pe  Pat  .  .  teeren  al  to  gredi  ,  of  seoluer  . 
and  of  golde.  And  luueden  vntrewnesse  ,  Pat  heo  schulden 
beon  holde.  And  Uten  Pat  hi  scolden  da  .  and  duden  Pat  heo 
ne  scholden.  Again  an  emendation  is  offered:  ^Pat,  to  which. 
See  1.  253,  p.  212.  Or  read  pan,  the  dat.  case."  In  both  in- 
stances  I  believe  pat  to  mean  "when".  (In  the  second  sentence 
I  render  vntretvnesse  by  "unfaithfulness",  not  by  "untruth", 
as  is  given  in  the  Glossary.)  Thus:  "The  man  who  never 
will  do  good,  never  lead  a  good  life  —  when  Death  comes 
to  his  door,  he  may  be  sore  afraid,   that  he  cannot  obtain 

mercy,  for  that  often  happens."    "In  there  are  those  who 

loved  unfaithfulness,  when  they  ought  to  be  faithful." 

24.  Pis  heop  Pe,  Pat  weren  her  mid  hwom  me  heold 
feste.  And  peo  Pat  gode  bi-heyhte  wel  .  and  nolden  hit  ileste 
17  A:  237—238.  "This  Une",  it  is  said  in  the  Notes,  «is 
evidently  corrupt.  Perhaps  we  ought  to  read  Pis  beop  pe  . 
Pat  weren  her  hwom  me  ne  heold  feste,  or  nie  heold  vnfeste. 
These  were  they  that  were  here  whom  one  esteemed  onstead- 
fast".  Morris,  it  seems,  took  it,  without  further  consideration, 
as  a  matter  of  course,  that  1.  237  must,  in  itself,  contain  a 
finished  thought.  This,  however,  is  not  necessary.  The  ex- 
l)ression  me  heold  may,  like  e.  g.  he  wende  in  18:  374,  be 
placed  in  Opposition  to  reality,  so  that  what  those  people 
were  believed  to  be  and  what  they  promised  to  Qod  was  the 
opposite  of  what  they  actually  were  and  did.  Therefore, 
although  I  do  not  entirely  dispute  the  corruptness  of  the  line, 
seeing  that  ite  original  shape,  very  likely,  was  more  or  less 
different  (cf.  the  B-text),  I  maintain  —  particularly  as  the 
emendation  suggested  by  Morris  is  nothing  beyond  a  cheap 
guess  —  that  the  text,  such  as  it  is,  may  have  appeared 
satisfactory  enough  both  to  the  scribe  and  to  his  reader: 
"These  were  such  as  were  here  with  (amongst)  those  whom 
one  considered  firm  and  such  as  promised  well  to  God,  but 
would  not  carrv  it  out." 


INTERPRET.  AND  EHEND.  OF  EABI^T  ENOLI8H  TEXT8. 


327 


25.  Heo  schullep  wunyen  in  helle  .  ])e  ueondes  onwolde 
17  A:  264.  Morris  says:  "For  pe  read  in  ^e".  Such  an 
emendation  does  not  seem  necessary.  If  we  compare  an  mine 
anwalde,  in  min  anwolde  6:  166  with  in  here  wold  15:  1958, 
and  consider  that  prepositions  were  often  written  in  one  word 
with  their  nouns,  we  may  declare  the  latter  part  of  17  A:  264 
equal  to  pe  ueondes  on  wolde.  Nor  is  it  necessary  to  look 
on  Pe  ueondes  as  gen.  sg.;  it  may  be  the  dat.  pl.;  cf.  ^at  him 
a  pance  hefell  1:  4. 

As  I  have,  in  this  first  set  of  Interpretations  and  Emen- 
dations,  dealt  almost  exclusively  with  the  first  part  of  Spe- 
cimens  of  Early  English,  I  will,  by  way  of  a  supplementary 
note,  especially  with  regard  to  an  eventual  new  edition,  give 
a  combined  list  of  the  passages  dwelt  upon  here  and  of  other 
passages  in  the  same  volume  requiring  further  attention. 
**No.  1"  etc.  refers  to  the  above  paper;  "ERP''  to  my  essay 
on  The  English  Relative  Pronouns,  Lund  1897.  "Notes"  in- 
dicÄtes,  in  cases  where  Notes  and  Glossary,  notwithstanding 
the  revision  (cf.  Mayhew  and  Skeat's  Preface  to  the  second 
edition ,  p.  XVI) ,  are  still  at  variance ,  that  I  consider  the 
Glossary  wrong;  "Gloss.",  in  similar  cases,  that  I  consider 
the  Notes  wrong.  In  the  remaining  instances,  the  desirable 
alteration  is  fully  stated. 


l :  4.    wa  is  an  interrogative,  not  a 
relative,  pronoun. 
-  27,  29.    No.  1. 

—  77.    See  above,  1:  4. 
3  A :  73.    No.  2. 

—  B:  7.    No.  3. 
4B:  64,  114.    No.  4. 

h:   1611.      biggenn    is    the    Scaud. 

Jfyggjay  "build",  "dwell",  notO. 

E.  bycgauy    "buy"   (correct  in 

Mayhew  and  Skeat's  Concise 

Dict.  of  M.  Engl.). 
6  A :  72.    No.  5. 

—  89.  No.  6. 
~  426.  ERP. 
7:  52.    Nr.  7. 

—  73.    Gloss. 

—  200.    No.  8. 


8  B :  65.    No.  9. 
9:  18.    EJRI>. 

—  90.    Gloss. 

—  139.    Notes  (bud  means  "buys", 

not  "is"). 
10:  7.    cMeUche  not  in  the  Glos- 
sar}'. 

—  41.    No.  10. 
-  54.    ERP. 

13:  37,  40,  41,  44.  No.  11.  —  Er- 
roneons  Statements  with  regard 
to  the  number  of  verbs  are 
freqnent  {hupe  13:  17,  drinked 
13 :  129,  etc.,  so  that  the  whole 
Glossary  requires  a  revision  also 
in  that  respect. 

14:  6.    Gloss. 

—  411.    Glo«. 


328      KOCK,  INTERPRET.  AND  BMBND.  OF  EARLY  ENGLI8H  TBXT8. 

15:  2168.    No.  12.  ~  237.    No.  24. 

—  2176.    No.  13.  -  262.    No.  23. 

—  2216.    No.  14.  —  264.    No.  25. 

—  2229.    No.  15.  —  B:  392.    Gloes. 

—  2245.    No.  14.  19:  115.    No.  2. 

—  2254.    No.  16.  —  580.    emdinge  not  in  the  Glos- 
16:  184.    No.  17.  sary. 

—  267.    Glosß.  P.  317.    The  end  of  the   note   on 

—  414.    No.  4.  8:  6  shonld  be  expimged. 

—  616.    Gloss.  P.  360.    304  wrong  for  324  (to  be 

—  619.    No.  18.  placed  after  315). 

—  660.    No.  19.  P.  361.    651—63  wrong  for  651—53. 

—  1728.    No.  20.  P.  496a.    Seien,  4b.  44,  tobe  placed 

—  1764.    No.  21.  at  the  beginning  of  the  article. 
17  A:  37.    No.  22.  P.  514  a.    Tewten,  wrong  for  tehien, 

—  73.    No.  4.  P.  544  b.    too  is  not  to  be  fonnd  in 

—  93.    ERP.  17  B:  142.   —    18:  115  wrong 

—  124.    No.  23.  for  19:  115. 

LuND  in  October  1901.  Ernst  A.  Eock. 


APHRA  BEHNS 
GEDICHTE  UND  PROSAWERKE. 

n. 


IT.  Inhaltsangabe  der  erzUilnngen  Aphra  Behns. 

1.  Oroonoko,  or,  The  Royal  Slave.^) 

Oroonoko  ist  mit  einer  anzahl  schwarzer^  afrikanischer 
Sklaven  nach  Surinam  gekommen,  wo  ihn  Aphra  Behn  kennen 
gelernt  hat.  Er  erzählt  selbst  Aphra  seine  lebensgeschichte. 
Oroonoko  ist  der  enkel  des  königs  von  Coromantien,  einem 
lande  an  der  küste  Afrikas.  Da  alle  söhne  dieses  königs  in 
den  kriegen,  welche  die  benachbarten  negerstämme  beständig 
miteinander  führen,  gefallen  sind,  so  ist  Oroonoko  der  thron- 
f olger.  Sein  leben,  das  in  einer  schlacht  in  grösster  gefahr 
schwebte,  wurde  nur  durch  den  opfertod  des  obersten  generals 
gerettet,  indem  sich  dieser  vor  Oroonoko  warf  und  den  pfeil 
auffing,  der  für  den  prinzen  bestimmt  war.  Oroonoko  bringt 
Imoinda,  der  tochter  des  generals,  die  schmerzliche  künde  von 
dem  tode  ihres  vaters.  Dabei  verliebt  er  sich  sogleich  in  das 
schöne  mädchen.  Beide  vermählen  sich  nach  heimischer  sitte. 
Der  nif  von  der  ausserordentlichen  Schönheit  Imoindas  erfüllt 
das  ganze  land,  sodass  auch  der  alte  könig  auf  sie  aufmerksam 
wird.  Trotzdem  dieser  erfährt,  dass  Imoinda  bereits  eine 
innige  liebe  mit  Oroonoko  verbindet,  schickt  er  ihr  auf  den 
rat  schmeichlerischer  höflinge  den  königlichen  schleier;  dies 
bedeutet,  dass  sich  Imoinda  sofort  ohne  jeden  widerstand  in 
den  otan,  d.  h.  den  harem  des  königs  begeben  muss.  Oroonoko 
ist  erst  ausser  sich  vor  schmerz  über  den  vertust  seiner  ge- 


»)  Workfl  V,  p.  75—200. 


330  P.  SIEGEL, 

liebten;  auf  das  zureden  seiner  freunde  hin  verhält  er  sich 
dann  ruhig,  um  den  könig  zu  täuschen.  Diesen  lässt  seine 
heimtückische  gewaltthat  nicht  recht  zur  ruhe  kommen,  zumal 
ihm  Imoinda  fortwährend  die  bittersten  vorwürfe  macht.  Eines 
tages  begleitet  Oroonoko  seinen  königlichen  grossvater  in  den 
otan,  um  sich  an  den  spielen  und  tanzen  der  frauen,  unter 
ihnen  Imoinda,  zu  ergötzen.  Sogleich  erwacht  in  Oroonoko 
bei  dem  anblick  der  geliebten  die  ganze  zurückgehaltene  leiden- 
Schaft.  Er  beschliesst,  sich  gewaltsam  zu  seinem  rechte  zu 
verhelfen.  Zu  diesem  zwecke  bewegt  er  seinen  treuen  diener 
Aboan,  einen  schönen  jüngling,  den  liebeslockungen  der  zwar 
alten  aber  noch  liebebedürftigen  Onahal,  der  auf  Seherin  Imoindas, 
nachzugeben.  Onahal  öffnet  ihrem  geliebten  eines  nachts  das 
thor  des  gartens,  der  zu  dem  otan  führt;  bei  dieser  gelegen- 
heit  dringt  Oroonoko  in  das  gemach  seiner  geliebten  Imoinda, 
die  ihn  mit  grosser  freude  empfängt.  Allein  Oroonokos  schritte 
waren  von  königlichen  dienern  bewacht  und  verraten  worden. 
Die  beiden  liebenden  werden  von  häschem  überrascht.  Oroonoko 
kann  nur  mit  mühe  entkommen.  Er  begiebt  sich  als  heer- 
führer  in  den  kiieg  gegen  einen  benachbarten  stamm.  Nach- 
dem sich  bei  dem  könig  der  erste  zorn  gelegt  hat,  sieht  der 
fürst  sein  unrecht  ein.  Trotzdem  will  er  Imoinda  nicht  frei- 
geben. Die  gesetze  des  landes  verbieten  ihm  aber,  eine  frau 
zu  lieben,  die  bereits  das  weib  eines  blutsverwandten  gewesen 
ist ;  deswegen  verkauft  er  Imoinda  als  Sklavin.  Aus  furcht  vor 
dem  zom  Oroonokos  lässt  er  diesem  mitteilen,  sie  sei  zur  strafe 
ihrer  missethat  getötet  worden.  Oroonoko  überlässt  sich  zwei 
tage  lang  einem  unthätigen  kummer  und  weigert  sich,  sein 
heer  gegen  den  feind  zu  führen.  Die  Soldaten  aber  sind  ohne 
ihren  geliebten  führer  unfähig  zum  widerstände;  sie  weichen 
vor  dem  siegreich  vordringenden  feinde  zurück.  Da  rafft  sich 
Oroonoko  im  gefährlichsten  augenblick  noch  auf,  feuert  seine 
leute  durch  seine  tapferkeit  an  und  trägt  einen  glänzenden 
sieg  davon.  Nach  hause  zurückgekehrt,  sucht  sich  Oroonoko 
durch  die  beschäftigung  mit  den  Wissenschaften,  vor  allem  mit 
mathematik  und  astronomie,  zu  zerstreuen.  Er  tritt  in  leb- 
haften verkehr  mit  einem  englischen  schiffskapitän  und  Sklaven- 
händler, den  er  wegen  seiner  mathematischen  kenntnisse  lieb 
gewinnt.  Allein  dieser  Engländer  ist  ein  feiger,  hinterlistiger 
betrügen    Er  ladet  Oroonoko  und  hundert  der  edelsten  des 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       831 

landes  auf  sein  schiff  ein  und  bewirtet  diese  äusserst  glänzend. 
Als  die  schwarzen  gaste  von  der  gewalt  des  ungewohnten  und 
zu  reichlich  genossenen  weines  überwältigt  sind,  lässt  sie  der 
kapitän  fesseln  und  als  Sklaven  fortführen.  Oroonoko  und  seine 
freunde  wollen  sich  den  tod  durch  verhungern  geben.  Der 
betrügerische  kapitän  weiss  sie  durch  falsche  Versprechungen 
davon  abzubringen  und  verkauft  sie  schliesslich  in  Surinam 
an  die  kolonisten.  Oroonoko  kommt  in  den  besitz  eines  vor- 
trefflichen, gebildeten  edelmannes,  namens  Trefry,  der  dem 
plantagenbezirk  vorsteht,  wo  sich  Aphra  mit  ihren  bekannten 
aufhält.  An  der  schönen  gestalt  und  dem  edlen  benehmen  des 
negers  erkennt  man  sogleich,  dass  dieser  hoch  über  den  ge- 
wöhnlichen Sklaven  steht.  Oroonoko  fasst  vertrauen  zu  seinem 
herrn  und  vor  allem  zu  Aphra  und  berichtet  ihnen  seine  her- 
kunft  und  Schicksale.  Er  darf  frei  schalten  und  walten  und 
ist  nur  dem  namen  nach  ein  sklave.  Zur  Vervollkommnung 
seines  glückes  und  zur  freude  seiner  freunde  trifft  er  seine 
gattin  Imoinda,  die  zufällig  in  denselben  bezirk  gekommen 
wai\  Beide  erhalten  ein  eigenes  hauswesen  und  die  Zusicherung 
ihrer  baldigen  befreiung.  Allein  die  erfüllung  dieses  Ver- 
sprechens wird  durch  den  stellvertretenden  gouverneur  der 
kolonie,  Byam,  hinausgezogen.  Trotz  aller  Vergünstigungen 
und  freiheiten,  die  man  Oroonoko  gewährt,  ist  dieser  überzeugt, 
dass  ihn  Byam  nui-  mit  trügerischen  Versprechungen  hinhalten 
will,  um  auch  noch  das  zu  erwartende  kind  Imoindas  der 
Sklaverei  verfallen  zu  lassen.  Daher  beschliesst  er,  sich  und 
zugleich  seine  mitsklaven  gewaltsam  zu  befreien.  An  einem 
Sonntag,  als  die  Engländer  einen  vorteilhaft  abgeschlossenen 
Sklavenhandel  mit  einem  derben  Zechgelage  feiern,  ruft  Oroonoko 
alle  Sklaven  des  bezirks  zusammen  und  überredet  sie  mit  be- 
geisterten Worten,  der  Sklaverei  zu  entfliehen.  Die  flucht  wird 
sogleich  ins  werk  gesetzt.  Allein  die  flüchtigen  werden  durch 
das  unwegsame  land  und  durch  das  mitgenommene  gepäck  am 
schnellen  vorwärtsdringen  gehindert  und  bald  von  den  ver- 
folgeiTi  eingeholt.  Nach  kurzem  kämpf  ergeben  sich  die  feigen 
Sklaven,  nur  Oroonoko  und  Imoinda  kämpfen  verzweifelt  weiter ; 
sie  ergeben  sich  erst,  nachdem  ihnen  durch  ein  schriftliches 
versprechen  des  gouverneurs  Straflosigkeit  zugesichert  worden 
ist.  Aber  der  letztere  hält  sein  versprechen  nicht,  sondern  er 
lässt  Oroonoko  peitschen  und  fürchterlich  foltern.    Wie  Aphra 


332  P.  SIEGEL, 

und  ihre  freunde  den  verrat  an  ihrem  Schützling  erfahren, 
nehmen  sie  sich  des  armen  an  und  lassen  ihm  die  sorgfältigste 
pflege  angedeihen.  Oroonoko  schwört  seinem  peiniger  grimmige 
räche.  Ehe  er  diese  ausführt,  tötet  er  seine  Imoinda,  um  sie 
nicht  in  die  hände  der  feinde  fallen  zu  lassen.  Acht  tage  lang 
bleibt  der  unglückliche  im  walde  an  der  leiche  seines  weibes 
liegen,  ohne  etwas  zu  gemessen.  Als  man  ihn  endlich  auf- 
findet, will  er  seinem  leben  dadurch  ein  ende  machen,  dass  er 
sich  den  leib  aufschlitzt.  Aber  wieder  wird  er  durch  die  ge- 
schicklichkeit  eines  arztes  geheilt.  Da  lässt  ihn  Byam,  der 
stellvertretende,  verräterische  gouvemeur,  während  der  ab- 
wesenheit  Aphras  und  ihrer  freunde  ergreifen  und  unter 
schrecklichen  martern  töten:  Oroonoko  wird  an  einen  pfähl 
gebunden ;  dann  wird  ihm  glied  für  glied  vom  körper  getrennt 
und  ins  feuer  geworfen;  bei  dem  Verlust  des  zweiten  armes 
senkt  der  unglückliche  das  haupt  und  stirbt.  —  An  diese  er- 
zählung,  die  im  mittelpunkt  des  ganzen  steht,  schliesst  die 
Schriftstellerin  mehrere  episoden  und  beschreibungen  an,  in 
denen  manches  interessante  enthalten  ist.  So  führt  sie  uns 
zu  anfang  land  und  leute  von  Surinam  vor.  Wir  erfahren, 
dass  die  kolonie  ein  von  der  natur  reich  gesegnetes  land  ist. 
Die  englischen  kolonisten  suchen  in  gutem  einvernehmen  mit 
den  eingeborenen  zu  leben,  da  die  letzteren  durch  ihre  grosse 
zahl  den  kolonisten  sehr  unbequem  werden  können.  Die  ein- 
gewanderten treiben  mit  den  eingeborenen  lebhaften  handel 
in  fischen,  wild,  büff elf  eilen ,  federn  und  vielen  anderen 
exotischen  tieren  und  gegenständen.  Da  die  kolonisten  die 
eingeborenen  nicht  als  arbeiter  auf  den  plantagen  heranziehen 
können,  so  müssen  erstere  Sklaven  aus  anderen  ländem,  be- 
sonders aus  Afrika,  einführen.  Die  betrachtungen  über  die 
Sitten  der  eingeborenen  werden  uns  weiter  unten  beschäftigen. 
Anknüpfend  an  die  Schicksale  des  beiden  zeigt  uns  die  autorin 
auch  eine  Indianerstadt  mit  ihren  einwohnern.  Ein  andermal 
erzählt  sie  uns  ein  abenteuer  Oroonokos  mit  einem  seltsamen 
fisch,  der  alle  diejenigen  personen,  die  mit  ihnen  in  berührung 
kommen,  zu  boden  wirft  ;0  dann  wieder  werden  eine  tigerjagd 
und  noch  andere  abenteuer  erzählt. 


0  Jedenfalls  ein  sogenannter  elektrischer  fisch. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PBOSA WERKE.  333 

2.   The  Fair  Jilt.O 

Diese  erzählung  führt  uns  in  ein  ganz  anderes  milieu ;  sie 
spielt  in  der  feinen  lebeweit  Antwerpens.  In  Antwerpen  be- 
findet sich  (zui'  zeit  Aphra  Behns)  ein  kloster  des  beguinen- 
ordens  der  „Galloping  Nuns",  d.  h.  solcher  nonnen,  die  durch 
kein  gelübde  gebunden  sind,  sondern  das  kloster  jederzeit  ver- 
lassen können.  In  diesem  kloster  hält  sich  auch  Miranda,  ein 
reiches  und  schönes  mädchen  von  hohem  stände,  auf,  um  welche 
sich  die  gesamte  galante  herrenweit  versammelt;  denn  kein 
mann  kann  der  Schönheit  dieses  mädchens  widerstehen.  Aber 
Miranda  erhört  keinen  ihrer  bewerber,  da  sie  die  fesseln  der 
ehe  verachtet  und  nur  darauf  bedacht  ist,  ihre  eitelkeit  zu 
befriedigen.  Da  rächt  sich  die  liebe  an  dem  leichtfertigen 
mädchen.  Miranda  wird  von  einer  glühenden  aber  unerwiderten 
leidenschaft  zu  dem  schönen  kordeliermönch  Franciscus  erfasst, 
den  sie  in  der  kirche  gesehen  hat.  Dieser  mönch  ist  ein 
deutscher  prinz,  der  sich  aus  kummer  über  eine  unglückliche 
liebe  in  das  kloster  zurückgezogen  hat.  Wie  Miranda  erfährt 
dass  unter  den  mönchskleidem  ,.a  person  of  high  Quality" 
verborgen  ist,  wird  ihre  neigung  noch  heftiger.  Alle  vemunft- 
gründe  wirft  sie  bei  seite;  sie  kennt  nur  noch  ein  ziel:  den 
besitz  des  geliebten  mannes.  Sie  bekennt  dem  mönch  in  zahl- 
losen briefen  ilire  liebe;  sie  schickt  ihm  kostbare  geschenke, 
um  ihn  zur  erhörung  ihrer  wünsche  zu  bewegen,  aber  alles 
vergebens.  Da  geht  sie  zuletzt  selbst  zu  ihm  in  die  Sakristei 
mit  dem  vorwande,  beichten  zu  wollen.  Aber  in  Wirklichkeit 
fleht  sie  den  mönch  an,  ihre  rasende  leidenschaft  zu  stillen. 
Aber  Franciscus  bleibt  standhaft.  Er  bittet  die  rasende,  ihre 
sündhafte  neigung  zu  unterdrücken.  Von  wahnsinniger  leiden- 
schaft und  grimmer  wut  über  die  Zurückweisung  ergriffen, 
schmäht  Miranda  den  mönch,  wirft  sich  auf  ihn  und  stösst 
gellende  hilferufe  aus.  Den  herbeieilenden  mönchen  klagt  sie 
unter  thränen,  Franciscus  habe  ihr  ein  unglück  anthun  wollen. 
Da  Franciscus  in  seiner  demut  nichts  auf  diese  anklage  er- 
widert, wird  er  für  schuldig  erkannt  und  ins  gefängnis  ge- 
worfen. Trotzdem  er  schliesslich  auf  die  bitten  seiner  Ordens- 
brüder die  briefe  Mii-andas  veröffentlicht,  glauben  die  richter 

»;  Works  V,  p.  201—287. 


334  P.  SIEGEL, 

nicht  an  seine  Unschuld.  Die  männer  der  massgebenden  kreise 
stehen  alle  unter  dem  einflusse  der  schönen  Sünderin.  Diese 
führt  inzwischen  ihr  altes,  leichtfertiges  leben  weiter,  während 
ihr  opfer  im  gefängnis  schmachten  muss.  —  Da  kommt  ein 
reicher  abenteurer,  der  sich  „Prinz  Tarquin"  nennt,  nach 
Antwerpen.  Miranda  macht  sich  sogleich  mit  ihm  bekannt. 
Tarquin  verliebt  sich  in  sie  und  heiratet  sie  trotz  der  War- 
nungen des  bischofs  und  anderer  hochgestellter  männer  der 
Stadt.  Tarquin  und  Miranda  führen  nun  ein  glänzendes  leben, 
das  nicht  nur  ihr  grosses  vermögen  in  kurzer  zeit  aufzehrt, 
sondern  auch  dasjenige  Alcidianens,  der  Schwester  Mirandas. 
Da  Miranda  nicht  weiss,  wie  sie  das  vermögen  ihrer  Schwester 
ersetzen  soll,  beschliesst  sie,  dieselbe  aus  dem  wege  zu  räumen. 
Sie  versteht  es,  ihren  pagen,  dessen  herz  sie  bethört  hat,  zu 
bewegen,  Alcidiane  zu  vergiften.  Der  page  erreicht  aber  sein 
ziel  nicht  vollständig;  das  gift  wirkt  nicht  tötlich.  Der  page 
wird  ergriffen ;  er  entdeckt  alles.  Er  wird  gehenkt,  während 
Miranda  zwei  stunden  lang  an  demselben  galgen  angebunden 
stehen  muss.  Da  man  natürlich  nun  erst  recht  auf  die  heraus- 
gäbe von  Alcidianens  vermögen  dringt,  entschliesst  sich  Tarquin 
selbst,  „aus  liebe  zu  seiner  frau",  zu  einem  mordversuch  auf 
Alcidiane.  Dabei  wird  er  ebenfalls  ergriffen  und  mit  Miranda 
in  dasselbe  gefängnis  gesperrt,  in  welchem  Franciscus 
schmachtet.  Tarquin  wird  zum  tode,  Miranda  zur  Verbannung 
verurteilt.  Da  legt  endlich  Miranda  ein  umfassendes  geständnis 
von  ihrem  leichtfertigen  lebenswandel  ab.  Franciscus  wird 
nach  zweijähriger,  unschuldig  verbüsster  gefangenschaft  be- 
freit. Tarquin  wird  auf  den  richtplatz  geführt,  um  mit  dem 
Schwerte  gerichtet  zu  werden.  Allein  der  streich  des  Scharf- 
richters ist  nicht  tötlich.  Tarquin  wird  durch  die  kunst  ge- 
schickter ärzte  wieder  hergestellt.  Er  geht  nach  Holland, 
seiner  heimat.  Trotzdem  er  seinen  rettem  versprochen  hat, 
Miranda  für  immer  zu  verlassen,  lässt  er  sie  doch  sogleich  zu 
sich  kommen.  Tarquins  reicher  vater  nimmt  sie  freundlich 
auf,  da  er  ihr  vorleben  nicht  kennt.  Tarquin  stellt  seine  ehre 
dadurch  wieder  her,  dass  er  kriegsdi^nste  im  französischen 
beere  nimmt  und  sich  durch  grosse  heldenthaten  auszeichnet. 
Nach  hause  zurückgekehrt,  zieht  er  sich  mit  Miranda  auf  ein 
landgut  zurück,  where,  with  his  Princess,  he  liv'd  as  a  private 
Gentleman,  in  all  the  Tranquillity  of  a  Man  of  good  Fortune. 


APHRA  BEHKS  GEDICHTR  UKD  PROSAWERKE.  335 

They  say  Miranda  has  been  very  penitent  for  her  Life  past, 
and  gives  Heaven  the  Glory  for  having  given  her  these 
Afflictions  that  have  reclaim'd  her,  and  brought  her  to  as 
perfect  a  State  of  Happiness,  as  this  troublesome  World  can 
afford. 

3.   The  Nun,  or,  The  Perjur'd  Beauty.O 

Der  Schauplatz  dieser  novelle  ist  nach  Spanien  verlegt. 
Don  Sebastian  will  seine  Schwester  Elvira,  die  mit  Don  Hen- 
rique  verlobt  und  von  diesem  verlassen  worden  war,  an  Don 
Henrique  rächen.  Als  letzterer  eines  nachts  von  einem  liebes- 
abenteuer  heimkehrt,  wird  er  von  Sebastian  und  dessen  ge- 
sellen überfallen.  Don  Antonio  kommt  dazu  und  steht  seinem 
freunde  Henrique  bei.  Sebastian  wird  schwer  verwundet 
Antonio  und  Henrique  fliehen  nach  Sevilla,  um  der  räche 
Sebastians  zu  entgehen.  In  Sevilla  lebt  Ardelia,  Antonios  ge- 
liebte. Die  feindschaft  der  beiderseitigen  familien  hindert  aber 
eine  Vereinigung  der  beiden  liebenden,  und  Antonios  versuche, 
Ardelia  zu  entführen,  sind  bisher  missglückt.  Henrique  soll 
nun  vermittelnd  eingreifen.  Er  erlangt  zutritt  zu  dem  hause 
von  Ardelias  vater,  der  den  jungen  kavalier  als  einen  mann 
von  hohem  stände,  feiner  bildung  und  ausgezeichneten  Charakter- 
eigenschaften bereitwillig  aufnimmt  und  die  vermeintlichen 
Werbungen  desselben  um  seine  tochter  Ardelia  gern  zulässt. 
Während  nun  Henrique  mit  Ardelia  von  den  entführungsplänen 
Antonios  spricht,  wodurch  er  oft  mit  ihr  zusammenkommt, 
erwacht  in  beiden  eine  tiefe  neigung  zu  einander.  Ardelia 
gesteht  Henrique  ihre  liebe  und  ihren  entschluss,  Antonio  auf- 
zugeben. Aber  Henrique  sucht  seine  neigung  zu  unterdrücken 
und  beredet  Ardelia,  Antonio  eine  Zusammenkunft  zu  gewählten, 
um  die  entfühining  ins  werk  zu  setzen.  Antonio  empfängt 
Ardelia  mit  grösstem  entzücken,  aber  diese  weist  ihn  zurück 
und  teilt  ihm  ihre  liebe  zu  Henrique  mit.  Antonio  glaubt 
sich  von  seinem  freunde  ven-aten.  Ardelia  wird  -nach  einem 
nahen  kloster  gebracht.  Antonio  fordert  Henrique  zum  Zwei- 
kampf heraus;  in  demselben  ^drd  ersterer  tötlich  verwundet. 
Noch  ehe  er  stirbt,  bittet  er  seinen  freund  um  Verzeihung 
dafür,  dass  er  ihn  verdächtigt  habe,  und  warnt  ilm  vor  der 

0  Works  V,  p.  288-324. 


336  P.  SIEGEL, 

falschen  Ardelia.  Auf  die  nachricht  von  Antonios  tode  ver- 
fällt Ardelia  in  Schwermut;  sie  beschliesst,  ins  kloster  zu 
gehen.  Aber  kaum  hat  sie  diesen  entschluss  ausgeführt,  als 
sie  ihn  bitter  bereut.  Ihre  liebe  zu  Henrique  erwacht  mit 
erneuter  kraft.  Auch  Henrique,  der  vor  den  freunden  Antonios 
nach  Italien  geflohen  ist,  erfüllt  die  Sehnsucht  nach  der  ge- 
liebten. Er  kommt  verkleidet  nach  Sevilla  und  lässt  Ardelia 
mitteilen,  dass  er  sie  aus  dem  kloster  entführen  wilL  In- 
zwischen ist  Sebastian,  der  immer  der  spur  Henriques  gefolgt 
ist,  nach  Sevilla  gekommen.  Er  besucht  seine  Schwester  Elvira, 
die  sich  in  demselben  kloster  aufhält,  in  welchem  Ardelia  weilt. 
Diese  hatte  schon  als  zehnjähriges  mädchen  eine  leidenschaft- 
liche neigung  zu  Sebastian  gefasst.  Wie  sie  ihren  früheren 
geliebten  sieht,  vergisst  sie  sogleich  Henrique  wieder.  Se- 
bastian beschliesst  ebenfalls,  Ardelia  zu  entführen  und  zwar 
in  derselben  nacht,  die  Henrique  schon  bestimmt  hatte,  nur 
eine  stunde  früher.  Elvira,  die  den  plan  ihres  bruders  er- 
fahren hat,  teilt  denselben  Henrique  mit,  den  sie  immer  noch 
liebt.  Zu  der  bestimmten  stunde  (nachts  elf  uhr)  treffen 
Henrique  und  Sebastian  mit  ihren  gesellen  an  der  kloster- 
mauer  zusammen.  Sebastian  will  Henrique  erstechen,  durch- 
bohrt aber  Ardelia,  die  herbeigeeilt  und  von  Henrique  um- 
schlungen worden  war.  Die  beiden  nebenbuhler  töten  einander 
im  Zweikampfe.  Elvira  fällt  bei  der  nachricht  von  diesen 
schreckensthaten  in  ein  fieber  und  stirbt  wenige  tage  darauf. 

4.   The  Lucky  Mistake.«) 

Auch  diese  novelle  spielt  in  einem  fremden  land,  nämlich 
in  Frankreich.  In  Orleans  lebt  ein  verarmter  adliger.  De  Pais, 
mit  seinen  zwei  töchteni  Atlante  und  Charlot,  von  denen  sich 
die  erstere  durch  hervorragende  Schönheit  auszeichnete.  In 
dem  hause  des  De  Pais,  der  sich  sonst  ganz  von  der  weit 
abschliesst,  verkehrt  ein  schon  älterer,  hässlicher,  aber  reicher 
graf  Vernole,  der  die  absieht  hat,  Atlante  zu  heiraten,  wozu 
er  schon  die  einwilligung  von  seinem  freunde  De  Pais  erhalten 
hat.  In  unmittelbarer  nachbarschaft  des  De  Pais  wohnt  eben- 
falls ein  hoher  aristokrat,  namens  Bellyaurd,  mit  seinem  ein- 
zigen und   ausgezeichneten  söhn  Einaldo.     Bellyaurd  warnt 


1)  WorkB  VI,  p.  224-291. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWBRKE.       337 

seinen  söhn  vor  der  schönen  aber  armen  Atlante;  allein  die 
beiden  jungen  leute,  die  sich  in  der  kirche  gesehen  haben, 
verlieben  sich  erst  recht  in  einander.  Bellyaurd  belauscht 
eines  abends  die  Unterhaltung,  welche  die  liebenden  von  den 
fenstern  der  beiden  benachbarten  häuser  aus  führen.  Er  lässt 
sich  aber  nichts  davon  merken,  sondern  schickt  Rinaldo  auf 
ein  jähr  nach  Paris  unter  dem  vorwand,  dessen  bildung  ver- 
vollkommnen zu  lassen.  Rinaldo  kann  die  trennung  nicht  er- 
tragen; er  reitet  jeden  monat  einmal  heimlich  nach  Orleans 
zu  seiner  geliebten.  Da  erhält  er  eines  tages  die  nachricht 
von  Atlante,  der  graf  Vernole  habe  um  ihre  hand  angehalten ; 
Rinaldo  möge  sofort  kommen.  Die  liebenden  entdecken  ihren 
Vätern  ihi-e  gegenseitige  liebe;  Atlante  weigert  sich,  Vernole 
zu  heiraten.  Ihr  vater  ist  darüber  so  wütend,  dass  er  sie  mit 
dem  Schwerte,  durchbohien  will.  Im  gefährlichsten  augenblick 
kommt  Vernole  dazu  und  verhindert  die  grausame  that. 
Vernole  ist  zwar  schi'ecklich  erregt  über  sein  missgeschick, 
aber  er  ist  zu  feige,  um  seinem  rivalen  ehrlich  zu  begegnen; 
darum  lässt  er  diesen  durch  gemietete  Schweizer  und  Spanier 
überfallen.  De  Pais  hört  den  lärm  des  Überfalls,  der  vor 
seinem  hause  stattfindet,  eilt  hinzu  und  rettet  den  bedrängten 
Rinaldo  in  sein  haus,  wo  Atlante  selbst  die  wunden  des  Über- 
fallenen verbindet.  Rinaldo  hat  sich  durch  sein  tapferes  be- 
nehmen die  gunst  des  De  Pais  erworben,  der  ihm  seine  zweite 
tochter  Oharlot  zur  frau  geben  und  so  den  streit  schlichten 
\^ill.  Da  sich  Atlante  weigert,  Vernole  zu  heiraten,  wird  sie 
ins  kloster  gebracht,  wo  sich  schon  Oharlot  aufhält.  Rinaldo 
sucht  sich  durch  ('liarlot,  die  ihm  schon  früher  behilflich  ge- 
wesen ist,  Zugang  zu  Atlante  zu  verschaffen.  Er  teilt  der 
geliebten  in  einem  briefe  seine  absieht  mit,  sie  zu  entführen. 
Charlot,  die  den  brief  überbringen  soll,  behält  diesen  für  sich. 
Sie  hofft  Rinaldo,  den  ihr  ihr  vater  als  zukünftigen  gemalil 
bezeichnet  hat,  selbst  zu  gewinnen.  In  der  bezeichneten  nacht 
begiebt  sich  Rinaldo  an  die  klostermauern.  Vernole  kommt 
zufällig  dazu.  Er  holt  seine  gesellen  und  lässt  Rinaldo,  der 
nur  zwei  diener  bei  sich  hat,  überfallen  und  Charlot,  die  sich 
unerkannt  an  stelle  Atlantes  eingestellt  hat,  zu  De  Pais 
bringen.  Dort  angelangt,  klärt  Charlot  die  Verwirrung  auf 
und  giebt  zugleich  zu  erkennen,  dass  sie  auch  Vernole  heiraten 
würde,  um  nicht  im  kloster  ihre  Jugend  verfrauein  zu  müssen. 

AngUa.    N.  V.    XUI.  22 


338  V.  SIEGEL, 

Da  Vernole  einsieht,  dass  Atlante  nie  in  eine  Verbindung  mit 
ihm  einwilligen  würde,  hält  er  gleich  am  nächsten  tage  hoch- 
zeit  mit  Charlot.  Kurz  dai-auf  findet  auch  die  Vermählung 
Atlantes  mit  Einaldo  statt. 

Die  beiden  letzten  erzählungen  führen  uns  in  das  leben 
und  treiben  der  londoner  gesellschaft. 

5.  The  Adventure  of  the  Black  Lady.  >) 

Bellamora  flieht  vor  ihrem  onkel,  der  sie  zur  heirat  mit 
einem  zwar  wohlhabenden  aber  ungeliebten  manne  zwingen 
will,  nach  London,  um  bei  ihrer  verwandten  Mrs.  Brightly 
schütz  zu  suchen.  Nach  vergeblichem  suchen  nach  dieser 
verwandten  findet  Bellamora  aufnähme  bei  einer  verarmten 
adligen  dame,  in  deren  hause  zufällig  die  Schwester  von 
Bellamoras  geliebten  Fondlove  wohnt.  Diese  benachrichtigt 
ihren  bruder  von  der  läge  seiner  geliebten.  Fondlove  eilt 
sogleich  herbei  und  trifft  mit  Bellamora  Vorkehrungen  zur 
hochzeit.  Inzwischen  haben  die  „Overseers  of  the  Poor" 
kenntnis  von  dem  auf  enthalt  des  fremden,  unverheirateten 
mädchens  erhalten.  Wie  sie  in  das  haus  kommen,  ,,to  search 
a  young  blackhair'd  Lady  (for  so  was  Bellamora)",  ist  diese 
gerade  nicht  anwesend.  Die  wirtin  Bellamoras  zeigt  den 
„Overseers"  alle  zimmer  und  zuletzt  eine  kleine  stube,  in 
welcher  eben  eine  schwarze  katze  junge  geworfen  hatte. 

6.  The  Court  of  the  king  of  Bantam.*) 

Valentine  Goodland,  der  söhn  eines  reichen  geizhalses, 
liebt  Philibella,  die  niclite  seines  freundes  Sir  Philip  Friendly. 
Sein  vater  will  aber  nur  in  die  heirat  willigen,  wenn  Phili- 
bellas  mitgift  eine  genügende  ist.    Man  schafft  nun  diese  mit- 


0  Works  VI,  p.  324—336. 

*)  Work»  VI,  p.  293—324.  Die  erzählung  beruht  auf  einem  in  der 
zweiten  hälfte  des  17.  jahrh.  sehr  beliebten  brauche  am  hohneigahrsfest 
(Twelfthday).  An  diesem  tage,  der  wie  die  ganze  Weihnachtszeit  dem 
scherz  und  jubel  geweiht  war  (und  noch  ist),  spielte  man  allerlei  lustige 
spiele,  worunter  das  beanfeast  sehr  beliebt  war.  Das  spiel  bestand  darin, 
dass  man  einen  kuchen  verteilte,  der  eine  bohne  enthielt.  Deijenige,  dem 
die  bohne  zufiel,  wurde  zum  sogenannten  bohnenkönig  ernannt.  Auf  die- 
selbe weise  wählte  man  auch  eine  bohnenkönigin.  Vgl.  Aronstein,  a.  a.  X). 
und  The  Century  Dictionary,  bd.  IX. 


APHRA  BERNS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  339 

gift  auf  folgende  weise  herbei.  Ein  reicher,  eitler  narr,  namens 
Would-be  King,  verliebt  sich  in  Philibella  und  Lucy,  „a 
quondam  Mistress  to  Sir  Friendly",  welche  Friendly  aber  für 
seine  ältere  nichte  Would-be  gegenüber  ausgiebt.  Zu  den 
festlichkeiten,  die  am  hohneujahrstage  bei  Friendly  stattfinden, 
wird  auch  Would-be  King  eingeladen.  Bei  der  vei-teilung  der 
bohnenkuchen  richtet  es  Friendly  ein,  dass  Would-be  und  Lucy 
die  bohnen  erhalten,  also  könig  und  königin  werden.  Would-be 
steigt  seine  neue  würde  zu  köpf.  Alle  anwesenden,  besonders 
die  damen,  schmeicheln  ihm,  und  der  wein  thut  sein  übriges. 
Nur  Valentine  Goodland  will  den  Vorschriften  des  „königs" 
nicht  gehorchen;  er  reizt  denselben  durch  beständigen  Wider- 
spruch. Es  entsteht  ein  allgemeiner  streit,  der  damit  endet, 
dass  Goodland  scheinbar  sehr  aufgeregt  aus  der  gesellschaft 
fortgeht  und  die  damen  sich  zur  ruhe  begeben.  Would-be 
beschliesst  auf  den  rat  Friendlys,  sich  auf  folgende  weise  zu 
rächen.  Da  Friendly  ihm  erzählt  hat,  dass  Goodland  von 
seinem  vater  gezwungen  werde,  Lucy  zu  heiraten,  obgleich  er 
Philibella  liebe,  so  will  er  (nämlich  Would-be)  Lucy  verführen 
und  Philibella  3000  j^'  schenken,  damit  sie  ihren  (vermeint- 
lichen) geliebten  Flygold  heiraten  könne.  Dieses  geld  würde 
er,  wie  ihm  Friendly  vei-sichert,  dem  leichtsinnigen  Flygold 
im  spiele  bald  wieder  abgewinnen.  Ehe  sich  Would-be  und 
Friendly  zu  bett  legen,  spielen  sie  noch  einige  partien  piquet. 
Friendly  gewinnt  dem  „könig"  3200  £  ab ,  worüber  der  letz- 
tere einen  Wechsel  ausstellt.  Am  nächsten  tage  findet  eine 
vei-söhnung  zwischen  den  beiden  gegnern  statt,  wodui*ch 
Would-be  in  die  rosigste  laune  gerät  Er  feiert  mit  seinen 
bekannten  die  festtage  durch  ausgelassene  Zechgelage  und 
tanzfeste  und  schliesst  mit  Goodland  enge  freundschaft.  Wäh- 
rend Would-be  mit  Lucy  zusammen  ist,  um  seinen  „freund" 
Goodland  zu  betrügen,  verheiratet  sich  dieser  mit  Philibella, 
die  inzwischen  die  versprochenen  3000  £  von  Would-be  er- 
halten hat.  \\ie  Would-be  merkt,  dass  er  von  seinen  freunden 
betrogen  worden  ist  und  Avie  er  auch  noch  deren  spott  zu 
leiden  hat,  geht  er  mit  Lucy  auf  das  land,  aber  vierzig  meilen 
Von  dem  ort  entfernt,  an  dem  sich  seine  frau  aufhält.  Dort 
erfreut  ihn  Lucy  mit  der  geburt  eines  „prinzen",  der  den 
namen  Hayoumore  cake  Bantam  erhält. 


22* 


340  P.  SIEGEL, 

y.  Die  entstehungszeit  der  erzählungen  Aphra  Behns. 

Ehe  wir  näher  auf  die  erzählungen  Aphra  Behns  eingehen, 
müssen  wir  die  frage  nach  der  zeit  ihrer  entstehung  zu  be- 
antworten suchen. 

Die  beiden  ersten  erzählungen  erschienen  zusammen,  wie 
schon  erwähnt,  im  jähre  1688,  also  über  dreissig,  resp.  über 
zwanzig  jähre  nach  der  zeit,  in  welcher  sie  spielen.  Aus  der 
zeit  vor  1688  lässt  sich  keine  ausgäbe  nachweisen.  Beljames  *) 
ansieht,  dass  Oroonoko  schon  während  der  regierungszeit 
Karls  IL  entstanden  sei,  dürfte,  wenigstens  in  bezug  auf  die 
erhaltene  fassung,  daher  nicht  zutreffen.  Beljame  stützt  sich 
auf  eine  anspielung  im  Oroonoko  auf  das  drydensche  drama 
The  Indian  Queen,  *0  das  im  jähre  1664  aufgeführt  wurde.  3) 
Allerdings  scheint  aus  der  anspielung  hervorzugehen,  dass  die 
aufführung  des  genannten  dramas  noch  in  frischer  erinnerung 
war,  dass  also  Oroonoko  nicht  sehr  lange  darnach  niederge- 
schrieben sein  kann.  Allein  das  fehlen  einer  ausgäbe  vor 
1688  und  vor  allem  eine  andere  anspielung  weist  die  abfassung 
in  eine  weit  spätere  zeit.  Aphra  Behn  bemerkt  nämlich, 
nachdem  sie  die  Schönheit  der  kolonie  Surinam  gepriesen  hat : 
Had  his  läte  Majesty,  of  sacred  Memory,  but  seen  and 
known  what  a  vast  and  charming  World  he  had  been  Master 
of,  in  that  Continent,  he  would  never  have  parted  so  easily 
with  it  to  the  Dutch.  *)  Mit  diesem  verstorbenen  könig  kann 
nur  Karl  II.  gemeint  sein,  denn  unter  seiner  regierung,  im 
frieden  von  Breda  1667,  wurde  Surinam  von  den  Engländern 
an  die  Holländer  abgetreten.  Die  uns  vorliegende  fassung  des 
Oroonoko  kann  also  nicht  vor  1685,  dem  todesjahre  Karls  II., 
entstanden  sein.  Dies  widerspricht  nicht  der  thatsache,  dass 
die  erzählung  schon  viel  früher  bekannt  war  durch  den  münd- 
lichen bericht  der  Schriftstellerin.  Southern  ^)  sclireibt  in  dem 
Epistle  Dedicatory  zu  seinem  drama  Oroonoko,  dass  A.  Behn 


^)  6e\jame,  a.  a.  o.  p.  15. 

*)  A.  B.  erzählt  (Oroon.  p.  77) ,  dass  die  kolonisten  einen  lebhaften 
handel  in  federn  mit  den  eingeborenen  treiben  und  setzt  hinzu:  I  had  a 
Set  of  these  Feathers  presented  to  me,  and  I  gave  'em  to  the  king^^s 
Theatre ;  it  was  the  Dress  of  the  Indian  Queen,  infinitely  admir'd  by  Persons 
of  Quality. 

»)  Wülker,  a.  a.  o.  p.  353.  *)  Oroonoko,  p.  153. 

^)  Southern,  Oroonoko  1696,  Epistle  Dedicatory. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       341 

die  Schicksale  des  negerfürsten  mündlich  noch  besser  erzählt 
habe  wie  schriftlich. 

Aehnlich  steht  es  mit  der  zweiten  erzählung  The  Fair  Jilt. 
Die  geschilderten  ereignisse  trugen  sich  anfang  der  sechziger 
jähre  zu,  wie  aus  der  folgenden  stelle  hervorgeht:  We  had 
heard  that  some  Years  before,  Tarquin  being  about  Eighteen 
Years  of  Age,  in  tlie  Time  when  our  king  Charles,  of  blessed 
Memory,  was  in  Brüssels,  in  the  last  Year  of  his  Banishment  etc. 

(also  1659); after  that  Tarquin  travell'd  for  about  six 

Years  up  and  down  the  World,  and  then  arriv'd  at  Antwerp, 
about  the  Time  of  my  being  sent  thither  by  king  Charles 
(also  etwa  1665).  ^)  Aus  den  Worten  „king  Charles  of  blessed 
Memory"  geht  hervor,  dass  auch  diese  erzählung  erst  nach 
dem  jähre  1685  ihre  endgiltige  fassung  erhielt. 

Ueber  die  entstehungszeit  der  novelle  The  Nun,  or,  The 
Perjur'd  Beauty  fehlt  jeder  sichere  anhaltspunkt.  Die  andere 
novelle,  The  Lucky  Mistake,  ei-schien  1689,  also  im  letzten 
lebensjahre  Aphra  Behns. 

Die  kleinere  ^)  von  den  beiden  letztgenannten  erzählungen 
erschien  1684.  Die  entstehungszeit  der  andern  3)  können  wir 
mit  Sicherheit  zwischen  die  jähre  1683  und  1685  verlegen. 
Bei  einer  der  festlichkeiten  werden  lieder  gesungen  aus  den 
„last  new  Plays,  being  then  in  the  Year  1683."  *)  Andrerseits 
muss  Karl  II.  bei  der  abfassung  noch  gelebt  haben,  denn  es 
heisst  von  ihm:  You  know,  he  (Charles  II)  is  a  wonderful 
good-natur'd  and  welbred  Gentleman.*^) 

VI.  Kritik  der  prosawerke. 

Zur  besseren  Übersicht  können  wir  die  prosawerke  Aphra 
Behns  in  drei  gnippen  einteilen,  in  erzählungen,  deren  Inhalt 
die  Verfasserin  selbst  miterlebt  hat ,  novellen ,  d.  h.  erdichtete 
erzählungen,  und  humoristische  erzählungen.  Zu  der  ersten 
art  gehören  Oroonoko  und  The  Fair  Jilt,  zu  der  zweiten  The 
Nun,  or,  The  Perjur'd  Beauty  und  The  Lucky  Mistake,  zu 
der  dritten  The  Adventure  of  the  Black  Lady  und  The  Court 
of  the  King  of  Bantam.    Mit  dieser  einteilung  soll  nicht  gesagt 

»)  The  Fair  Jilt,  p.  243.  •)  The  Adventure  of  the  Black  Lady. 

3)  The  Court  of  the  king  of  Bantam. 

«)  Court  of  the  E.  of  B.,  p.  299.  *)  Ebenda,  p.  313. 


342  P.  SIEGEL, 

sein,  dass  sich  die  einzelnen  gruppen  scharf  von  einander 
unterscheiden ;  im  gegen  teil  berühren  sie  sich  sehr  oft,  wie  es 
durch  die  einheit  des  Verfassers  ganz  erklärlich  ist.  Gleich 
hier  will  ich  den  bemerkenswertesten  zug,  den  alle  prosawerke 
Aphra  Behns  gemeinsam  haben,  hervorheben :  Sie  schöpfen  alle 
ihren  Stoff  aus  den  höheren  kreisen  der  gesellschaft.  Es  ist 
daher  ein  Irrtum,  wenn  Aphra  Behn  eine  dichterin  des  vierten 
Standes  genannt  wird.  •)  Sie  dichtete  mit  voller  absieht  gerade 
für  die  „oberen  zehntausend" ;  nirgends  bemerken  wir  bei  ihr 
etwas  von  dem  Umgang  mit  dem  viei1;en  stand.  Auch  Oroonoko 
ist  nicht,  wie  man  vielleicht  erwarten  könnte,  ein  Vertreter 
der  verachteten,  wie  wir  später  sehen  werden. 

1.  Oroonoko  und  The  Fair  Jilt. 

a)  Die  Stoffe. 

Wir  müssen  zunächst  die  frage  kura  erörtern :  Wie  stand 
es  eigentlich  um  die  erzählungslitteratur ,  die  wir  bei  dem 
auftreten  Aphra  Behns  vorfinden?  Es  herrschten  in  der 
hauptsache  zwei  grosse  richtungen.  ^)  Die  erstere  wurde  ver- 
treten durch  die  französischen  heroischen  idealromane.  Diese 
romane  weisen  alle  besonders  zwei  eigenschaften  auf,  die  für 
den  geschmaek  der  Engländer  des  restaurationszeitalters  nach- 
teilig wirken  mussten.  Erstens  war  dies  der  ungeheure  um- 
fang der  romane,  zweitens  die  thatsache,  dass  die  Stoffe  einer 
fernliegenden,  phantastischen  weit  entlehnt  wurden.  Die 
schnelllebende  aristokratische  englische  leserweit  hatte  gar 
keine  zeit,  die  vielbändigen  romane  zu  lesen.  Ausserdem 
konnten  die^e  abenteuerlichen,  phantastischen  geschichten,  die 
jeder  realen  grundlage  entbehrten,  die  nerven  der  englischen 
aristokraten  nicht  mehr  reizen,  mochten  die  thaten  und  leiden 
der  beiden  noch  so  ungeheuerlich  sein.  Die  heroischen  romane 
wirkten  in  anderer  beziehung  auf  die  englische  litteratur  ein ; 
man  entlehnte  ihnen  vielfach  den  stoff  zu  den  heroic  plays. 

Dieser  französischen  idealisierenden  richtung  trat  im 
letzten  drittel  des  17.  Jahrhunderts  eine  zweite  richtung  ent- 
gegen, vertreten  durch  die  Schelmen-  und  abenteurerromane, 
in  denen  taugenichtse  und  sonstiges  gesindel  die  beiden  sind. 


0  Fürst,  a.  a.  o.  «)  Wülker,  a.  a.  o.,  p.  370  ff. 


APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  343 

Wichtig  für  uns  ist,  dass  in  diesen  romanen  erlebnisse  in 
fremden  ländern  geschildert  werden.  Auch  diese  romane  sind 
von  gi'ossem  umfange  und  ihrem  inhalte  nach  nicht  für  die 
höheren  kreise  geeignet.  Das  interesse  für  romane  war  ausser- 
dem infolge  der  einseitigen  betonung  des  dramas  erlahmt. 
Aus  diesen  er  wägungen  heraus  werden  wir  anhaltspunkte  für 
die  beurteilung  der  arbeiten  Aphra  Behns  gewinnen  können. 
Aphra  Behn  wollte  keine  romane,  d.  h.  willkürlich  von  der 
Phantasie  erdichtete  geschichten,  schreiben,  sondern  wirklich 
geschehene  ereignisse  berichten.  Sie  spricht  diese  absieht 
im  Oroonoko  aus :  I  do  not  pretend,  in  giving  you  the  History 
of  this  Royal  Slave,  to  entertain  my  Reader  with  the  Ad- 
ventures  of  a  feign'd  Hero,  whose  Life  and  Fortunes  Fancy 
may  manage  at  the  Poet's  Pleasure ;  nor  in  relating  the  Truth, 
design  to  adorn  it  with  any  Accidents,  but  such  as  arriv'd  in 
Kämest  to  him:  And  it  shall  come  simply  into  the  World, 
recommended  by  its  own  proper  Merits,  and  natural  Intrigues ; 
they  being  enough  of  Reality  to  support  it,  and  to  render  it 
diveiting,  without  the  Addition  of  luven tion. »)  Ganz  ähnlich 
heisst  es  in  The  Fair  Jilt :  I  do  not  pretend  here  to  entertain 
you  with  a  feign'd  Story,  or  any  Thing  piec'd  together  with 
romantick  Accidents;  but  eveiy  Circumstance ,  to  a  Title,  is 
Truth.  2)  Aphra  Behn  stellt  sich  also  in  bewusst^n  gegensatz 
zu  der  bisherigen  prosadichtung.  Die  Wirklichkeit,  ohne  jeg- 
liche ausschmückende  zuthaten  der  dichterischen  phantasie, 
soll  an  die  stelle  von  phantastischen,  unwahrscheinlichen  aben- 
teuern gesetzt  werden.  Blosse,  realistische  berichte  will  die 
Schriftstellerin  geben.  Allein  sie  hat  diese  absieht  nicht  folge- 
richtig duichgeführt,  und  wir  werden  weiter  unten  sehen,  dass 
sie  in  Wirklichkeit  fast  zu  viel  „fabuliert"  hat,  sodass  ihre 
erzählungen  nui*  zu  romanhaft  erscheinen.  Aber  es  ist  von 
Wichtigkeit,  dass  Aphra  Behn  prinzipiell  den  dichtem  viel- 
bändiger, phantastischer  romane  entgegentritt. 

Ausser  dieser  betonung  des  realen,  wirklich  geschehenen 
kommt  noch  ein  zweites  hinzu,  was  die  bedeutung  Aphra 
Behns  erhöht.  Als  Verfasserin  des  Oroonoko  bereichert  die 
scluiftstellerin  das  Stoffgebiet  zunächst  der  englischen  litte- 
ratui\    Gerade  zur  zeit  Aphra  Behns  brachte  man  in  England 

0  Oroon.,  p.  75.  »)  Fair  Jüt,  p.  205. 


344  P.  SIEGEL, 

den  kolonien  ein  reges  Interesse  entgegen.  Diesem  Interesse 
hatte  man  auch  schon  in  der  englischen  litteratnr  rechnmig 
getragen.  1)  Aber  die  ereignisse  sind  in  diesen  erzengnissen 
auch  nur  mehr  oder  weniger  aus  der  phantasie  des  dichters 
geschöpft.  In  Oroonoko  wird  eine  kolonie,  ein  exotisches  land, 
und  das  leben  in  demselben  von  einer  person  beschrieben, 
welche  selbst  mitten  darin  lebte,  und  zwar  mit  ganz  nea^ 
tendenz.en,  über  die  wir  unten  mehr  erfahren  werden.  Dorch 
den  Oroonoko  wird  das  exotische  ländergebiet  gewissennassen 
litteraturfähig  gemacht.  Der  Oroonoko  ist  ein  Vorgänger  des 
Robinson,  in  welchem  die  darstellung  exotischen  lebens  ihre 
Vollendung  erreicht. 

b)  Behandlung. 

Wir  wollen  nun  sehen,  ob  die  behandlung  die  fordemiig, 
nur  wirklich  geschehenes  objektiv  zu  berichten,  in  Wirklich- 
keit ei^lt.  Zu  diesem  zwecke  müssen  wir  zunächst  auf  die 
Charaktere,  die  Aphra  Behn  in  ihren  erzählungen  darstellt^ 
eingehen. 

Das  hauptintere^e  nimmt  in  der  ersten  erzählong  natnr- 
gemäss  Oroonoko  in  anspruch,  der  im  mittelpunkt  des  ganzen 
steht.  0.  ist  ein  afrikanischer  negerhäuptling,  also  ein  wilder. 
Aber  es  ist  unmöglich,  uns  einen  wilden  söhn  des  schwarzen 
erdteils  so  vorzustellen,  wie  ihn  Aphra  Behn  darstellt.  0.  ist 
ein  echter  romanheld,  das  ideal  eines  gentleman.  Ton  jngend 
auf  im  kriegshandwerk  erzogen,  ist  er  mit  siebzehn  jähren 
,.one  of  the  most  expert  Captains  and  bravest  Soldiers  that 
ever  saw  the  Field  of  Mars:  so  that  he  was  ador'd  as  the 
Wonder  of  all  that  World,  and  the  Darling  of  the  Soldiers."  *) 
Im  gegensatz  zu  seiner  „gloomy  Eace"  ist  er  ein  wunder  an 
körperlicher  Schönheit.  Gross,  schlank,  von  einer  gesichtsfarbe 
wie  elfenbein,  besitzt  er  achtunggebietende,  durchdringende 
äugen,  eine  römisch  gebogene  nase  anstatt  einer  flachen 
afi'ikanischen.  Seine  lippen  sind  schön  geformt  und  nicht 
wulstig  und  aufgeworfen  wie  diejenigen  seiner  landslenta 
Kurz  ,,there  was  no  one  Grace  wanting,  that  bears  the 
Standard  of  true  Beauty".^)    0.  hält  auf  sein  äusseres  wie 


*)  The  English  Rugue  des  Richard  Head,  etc.  vgl.  Wfllker,  a.a.O. 
p.  370.  •)  Oroonoko,  p.  81.  ')  Ebenda,  p.  87. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PBOSAWEBKE  345 

ein  Salonstutzer ;  ganz  besondere  Sorgfalt  wendet  er  z.  b.  darauf, 
dass  seine  haare  schön  auf  die  schultern  herabfallen!  —  Den 
körperlichen  reizen  entsprechen  die  bedeutendsten  geistigen 
fähigkeiten  und  die  feinste,  gelehrteste  bildung.  Dieser  neger 
spricht  englisch,  französisch  und  spanisch.  Er  hat  nicht  nur 
von  den  Römern  gehört,  sondern  ist  auch  über  die  jüngsten 
ereignisse  in  Europa,  so  über  den  bürgerkrieg  in  England  und 
den  beklagenswerten  tod  Karls  I.,  unterrichtet.  Er  beschäftigt 
sich  mit  Vorliebe  mit  mathematik  und  astronomie.  Auf  dem 
gebiete  der  politik  ist  er  ebenso  bewandert  wie  ein  europäischer 
prinz,  der  am  feinsten  hof  erzogen  worden  ist.  —  Auf  gleicher 
stufe  mit  seinem  hochgebildeten  geist  steht  O.'s  Charakter. 
Als  der  söhn  eines  unwissenden,  naiven  naturvolkes  weiss  0. 
nichts  von  religion,  von  einem  strafenden  gott  und  einer  an- 
deren weit,  in  der  nach  dem  tode  die  thaten  der  menschen 
vergolten  werden.  Das  einzige  und  höchste  kriterium  für  sein 
sittliches  handeln  ist  ihm  das  urteil  seiner  mitweit.  Eine 
ehrenhafte,  geachtete  Stellung  in  der  menschlichen  gesellschaft 
ist  ihm  das  idealste  ziel.  Um  dieses  zu  erreichen,  muss  man 
nach  den  grundsätzen  der  ehre  handeln.  In  diesem  punkte 
denkt  0.  wie  ein  held  Comeilles:  „Honour  is  the  first  Principle 
in  Nature  to  be  obey'd."  >)  0.  ist  eine  Verkörperung  des 
^heroic  temper".  Dass  dazu  die  grösste  ehrerbietung  vor  den 
frauen  gehört,  ist  selbstverständlich ;  0.  ist  den  damen  gegen- 
über ein  echter,  galanter  kavalier.  Er  entzückt  sie  durch 
seine  sanfte,  anmutige  Unterhaltung  und  ist  ihr  erklärter 
liebling.  Seinen  grundsätzen  läuft  es  zuwider,  mehr  als  eine 
frau  zu  besitzen,  obgleich  es  die  gesetze  seines  landes  erlauben. 
Er  ist  das  muster  eines  treuen,  ehrenhaften  gatten,  der  sein 
weib  lieber  tötet,  als  dass  er  es  der  Sklaverei  und  schände 
überlässt.  —  So  wenig  diese  Charakterzeichnung  unseren  au- 
slebten von  einem  wilden  Afrikas  entspricht,  so  sehr  bemüht 
sich  doch  die  Schriftstellerin,  genau  zu  motivieren  und  psycho- 
logisch wahr  zu  sein.  Sie  fühlt  wohl  selbst,  wie  unwahr- 
scheinlich die  hohe  bildung  O.'s  ist;  sie  sucht  sie  dadurch  zu 
motivieren,  dass  sie  erzählt,  ein  hocligebildeter  Franzose  habe 
0.  erzogen.  Freilich  wird  nicht  gesagt,  wie  dieser  Franzose 
sich    nach    dem    abgelegenen   negerland   verirrt    haben  soll. 

')  Oroonoko,  p.  93. 


346  P.  SIEGEL, 

Daun  kann  man  sich  gar  nicht  erklären,  warum  0.  im  gegen- 
satz  zu  allen  seinen  landsleuten  eine  römisch  gebogene  nase 
und  feine  lippen  besitzt.  Diesen  historischen  Widersprüchen, 
d.  h.  solchen  zwischen  Wirklichkeit  und  darstellung ,  stehen 
solche  in  der  ausführung  gegenüber.  Trotz  der  bemühung, 
alle  thaten  O.'s  durch  seinen  Charakter  zu  motivieren,  ist 
Aphra  Behn  nicht  konsequent  geblieben.  Das  verhalten  O.'s 
seinem  grossvater  und  könige  gegenüber  lässt  sich  durchaus 
nicht  mit  seinen  ehrenhaften  grundsätzen  vereinigen.  Denn 
obgleich  der  könig  unrecht  an  seinem  enkel  gehandelt  hat, 
durfte  ihn  dieser  dennoch  nicht  mit  Imoinda  betrügen.  Aller- 
dings müssen  wir  bedenken,  dass  für  Aphra  Behn  und  ihre 
zeit  der  eheliche  betrug  nichts  verweiüiches  war,  wenn  es 
sich  zumal  selbst  um  einen  alten  betrüger  handelte.  Dennoch 
ist  0.  trotz  aller  Versicherungen  der  autorin  ein  wilder,  der 
seine  rohe  natur  nicht  verleugnen  kann.  Aphra  selbst  traut 
ihrem  „edelmütigen"  liebling  nicht  recht,  wenn  sie  erzählt: 
„We  were  possess'd  with  extreme  Fear,  which  no  Persuasions 
could  dissipate,  that  0.  could  secure  himself  tili  Night  and 
then  would  come  down  and  cut  all  our  Throats!"^)  Seltsam 
muss  uns  aber  die  motivierung  dieser  mordlust  vorkommen: 
„0.  resolv'd  not  only  to  kill  Byam,  but  all  those  he  thought 
had  enrag'd  him;  pleasing  his  great  Heart  with  the 
fancy'd  Slaughter,  he  should  make  over  the  whole  Face 
of  the  Plantation."  2)  Diese  freude  am  blutvergiessen  ent- 
spricht in  der  that  eher  einem  neger.  Hier  ist  Aphra  Behn 
unwillkürlich  der  Wirklichkeit  gefolgt.  Im  ganzen  aber  ist 
die  Schriftstellerin  noch  zu  sehr  ein  kind  ihrer  zeit,  das  unter 
dem  einfluss  der  herrschenden  romanlitteratur  steht.  Sie 
vermag  es  nicht,  einen  ungebildeten,  rohen,  wilden  söhn  der 
natur  zum  beiden  einer  erzählung,  die  für  die  hofkreise  be- 
stimmt war,  zu  erheben.  Sollte  etwa  gar  der  könig  von  Eng- 
land einen  negerhäuptling  mit  dicken  wulstlippen  und  platter 
nase  bewundern?! 

Die  anderen  Charaktere  treten  gegen  0.  bedeutend  zurück. 
Andere  männer,  die  in  den  verlauf  der  handlung  eingreifen, 
werden  nur  kurz  charakterisiert.  Es  sind  entweder  böse- 
wichte,  auf  die  Aphra  Behn  ihren  hass  geworfen  hat  —  so 

0  Oroonoko,  p.  184.  *)  Ebenda,  p.  190. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PBOSA WERKE.  347 

der  englische  kapitän,  der  0.  geraubt  hat,  und  der  stellver- 
tretende gouvemeur  Byam,  der  0.  foltern  und  töten  Hess  — 
oder  hervorragend  ehrenhafte  Charaktere  —  wie  Trefry,  der 
herr  O.'s,  der  jedenfalls  ein  naher  bekannter  Aphra  Behns  war. 
Von  frauengestalten  kommt  nur  Imoinda  in  betracht. 
Ihr  Charakter  ist  nur  wenig  ausgeführt;  er  entspricht  den  in 
romanen  üblichen  frauengestalten.  Imoinda  ist  natürlich  die 
schönste  Jungfrau  des  lande^s,  züchtig  und  rein,  fast  preziös 
geschildert;  wie  0.  aus  dem  ei-sten  kriege  an  den  hof  zurück- 
kehrt, bemerkt  er,  dass  „nothing  eise  was  talk'd  of,  no  other 
Sound  was  heard  in  every  Corner  where  there  were  Whispers,  ^ 
but  Imoinda!  Imoinda!"*)  Doch  trotz  ihrer  Zartheit  und 
Schüchternheit  2)  ist  Imoinda  heldenhaft  wie  ein  junger  krieger ; 
sie  kämpft  an  der  seite  ihres  0.,  nachdem  sich  die  anderen 
schon  längst  ergeben  haben  und  verwundet  den  gouvemeur 
mit  einem  vergifteten  pfeil.  Sie  bewahrt  ihrem  0.  die  gelobte 
treue  und  giebt  den  drolienden  Werbungen  des  königs  nicht 
nach.  Die  Sklaverei  erträgt  sie  mit  mutigem  ernste.  Alle 
kolonisten  sind  von  leidenschaft  zu  dem  schönen  negerweib 
erfüllt,  selbst  der  hochsinnige  Trefiy ;  aber  niemand  wagt  der 
stillen  Sklavin  zu  nahe  zu  treten;  alle  achten  die  stumme 
trauer  der  jungen  frau.  Im  punkte  der  ehre  denkt  sie  ganz 
wie  0.  Wie  dieser  ihr  seinen  entschluss  mitteilt,  sie  zu  t^ten, 
ist  sie  keinen  augenblick  verzagt;  sie  bittet  im  gegenteil  den 
geliebten,  die  that  sofort  zu  vollbringen.  —  Der  Charakter 
Imoindas  ist  zwar  idealisiert,  aber  durchaus  konsequent  ge- 
zeichnet. Belebend  wirkt  an  ihm  ein  echt  weiblicher  zug, 
eine  naive  eitelkeit :  sobald  Imoinda  den  prinzen  0.  sieht  und 
bemerkt,  dass  sie  ihm  nicht  gleicligiltig  ist,  ist  sie  darauf  be- 
dacht, die  gute  partie  nicht  aus  den  äugen  zu  lassen,  und  sie 
trägt  ihre  reize  geschickt  zur  schau,  um  0.  festzuhalten. 
Dieser  zug  der  eitelkeit,  der  uns  hier  harmlos  erscheint,  da 
er  hinter  besseren  eigenschaften  zurücktritt,  wird  uns  bei 
anderen  fi*auengestalten  Aphra  Behns  in  ganz  anderem  masse 
begegnen. 


*)  Oroonoko,  p.  90. 

'^)  Sie  lebt  „8o  retir'd,  as  if  she  fear'd  a  Rape  eveu  from  the  God  of 
Day,  or  that  the  Breezes  woold  steal  kisses  from  her  delicate  Mouth". 
Siehe  Oroonoko,  p.  143. 


348  P.  SIEGEL, 

In  der  erzählung  „The  Fair  Jilt"  ist  die  heldin  eine 
kokette.  Miranda  ist  ein  glied  „jener  langen  reihe  ausschwei- 
fender abenteurerrinnen,  die  sich  im  englischen  roman  bis  auf 
Defoe's  Moll  Flanders  und  Roxane  herab,  ja  noch  weiter  ver- 
folgen lassen,  und  deren  vorbild  „La  Picara  lustina"  des 
Francisco  Lepez  de  Ubeda  ist."  »)  M.  ist  entschieden  eine  der 
lebendigsten  gestalten  aus  dieser  reihe;  sie  ist  der  Schrift- 
stellerin von  allen  Charakteren  am  besten  gelungen.  Die 
grundeigenschaften  M.'s  sind  leidenschaftlichkeit,  eitelkeit  und 
übermütiger  stolz.  Scheinbar  unzugänglich  für  tiefere  regungen 
der  liebe,  spielt  sie  mit  derselben  solange,  bis  sie  von  einer 
heftigen  leidenschaft  erfasst  wird  und  zwar  zu  einem  manne, 
der  sie  nicht  wdederlieben  darf.  M.  weiss  dies  ganz  genau. 
Mit  grosser  kunst,  die  eine  tiefe  menschenkenntnis  verrät, 
legt  Aphra  Beim  die  gedanken  und  gefühle  in  M.  dar;  sie 
zeigt  mit  giosser  geschicklichkeit ,  wie  in  M.  allmählich  die 
stimme  der  vemunft  von  derjenigen  der  leidenschaft  übertönt 
wird.  Gerade  alle  hindemisse,  die  die  klare  Überlegung  einer 
Verbindung  mit  dem  mönch  in  den  weg  legt,  lassen  in  dem 
stolzen  weibe,  das  die  männer  nur  als  huldigende  und  seufzende 
Sklaven  kennt,  die  leidenschaft  noch  wachsen.  Diese  leiden- 
schaft kennt  nur  ein  ziel,  das  sie  um  jeden  preis  zu  erreichen 
sucht,  den  genuss.  M.,  das  stolze,  siegesgewohnte  weib,  ver- 
gisst  jede  weibliche  Zurückhaltung,  jede  regung  des  stolzes 
und  erklärt  einem  manne  selbst  ihre  liebe.  Erst  wie  sie 
zurückgewiesen  wird,  wird  sie  sich  ihrer  emiedrigung  klar. 
Aber  anstatt  umzukehren  und  der  warnenden  stimme  des 
mönches  zu  gehorchen,  lässt  ihre  rasende  leidenschaft  und  ihr 
schlechter  Charakter  jede  bessere  regung  ihres  gewissens  ver- 
gessen: „She  swells  with  Pride,  Love,  Indignation  andDesire; 
her  burnig  Heart  is  bursting  with  Despair,  her  Eyes  grow 
fierce,  and  from  Grief  she  rises  to  a  Storm ;  and  in  her  Agony 
of  Passion,  with  Looks  all  disdainful,  haughty,  and  füll  of 
Rage,  she  began  to  revile  him  (Francisco),  as  the  poorest  of 
Animals."  '^)  Ihr  schlechter  Charakter  offenbart  sich  in  seiner 
ganzen  verruchtheit  und  bosheit.  Nachdem  sie  erst  einmal 
den  weg  der  sünde  betreten  hat,  schreitet  sie  frech  auf  dem- 
selben fort,  unterstützt  von  ihrer  teuflischen  Schönheit    Sie 


1)  Eollmann,  a.  a.  o.  <)  Fair  JUt,  p.  234. 


APHRA  BBHK8  GEDICHTE  UND  PBOSA  WERKE.  349 

wird  zur  lügnerin  und  gar  zur  mörderin.  Das  tragische  dabei 
ist,  dass  M.  durch  ihre  Schönheit  alle  diejenigen  mit  ins  ver- 
derben reisst,  welche  mit  ihr  in  berührung  kommen.  Sie 
bethört  die  richter,  sodass  sie  Franciscus  verurteilen.  Ihre 
Schönheit  macht  den  prinzen  Tarquin  taub  gegen  die  War- 
nungen seiner  freunde.  Dem  jungen  pagen  flösst  sie  eine  sinn- 
bethörende  leidenschaft  ein,  die  ihn  zum  mörder  werden  lässt. 
Alle  diese  greuelthaten  verübt  M.  ohne  die  geringsten  spuren 
von  reue.  Diese  stellt  sich  erst  ein,  als  M.  keinen  ausweg 
mehr  aus  ihrer  verzweifelten  läge  findet  und  für  die  härteste 
strafe  reif  ist.  Aber  anstatt,  dass  sie  nun  endlich  die  ver- 
diente strafe  ereilt,  wird  M.  nebst  ihrem  Tarquin  auf  aben- 
teuerliche art  und  weise  gerettet.  Dieser  schluss  passt  ganz 
und  gar  nicht  zu  der  sonst  so  konsequenten  entwickelung. 
Dasselbe  gilt  von  dem  anfang.  Da  wird  M.  als  eine  hoch- 
gebildete, feine  dame,  die  in  allen  künsten  und  gesetzen  der 
guten  gesellschaft  erfahren  ist,  geschildert;  sie  besitzt  einen 
ausgezeichneten  verstand,  sie  hat  viel  gelesen,  sie  singt  ent- 
zückend, tanzt  vorzüglich,  spielt  auf  der  flöte,  kurz  sie  hat 
eine  feine  erziehung  genossen.  „She  had  an  Air  so  modest, 
so  nobly  reserv'd,  without  Formality  or  Stiffness."  *)  Aber 
wie  passt  diese  feine  erziehung,  dieses  edel  zurückhaltende 
wesen  zu  ihrer  wirklichen  inneren  gemeinheit?  Aphra  Beim 
will  hier  durch  gegensätze  wirken.  Sie  will  zeigen,  welche 
Verheerungen  die  beleidigte  liebe  anrichten  kann:  „I'U  prove 
to  you  the  strong  Effects  of  Love  in  some  unguarded  and 
ungovern'd  Hearts;  where  it  rages  beyond  the  Inspirations  of 
a  God  all  soft  and  gentle,  and  reigns  more  like  a  Fury  from 
Hell."  2)  Aus  diesen  werten  erklärt  sich  auch  der  merkwür- 
dige schluss.  Die  autorin  nimmt  M.  gar  nicht  als  schuldige 
an;  M.  handelt  unter  der  macht  eines  Schicksals,  das  ihi'  die 
erlebnisse  als  prüfungen  auferlegt,  wofür  sie  ja  am  schluss 
dem  hinmiel  dankt.  3)  An  sich  wäre  die  thatsache,  dass  ein 
unsittlicher  mensch  in  den  mittelpunkt  einer  erzählung  ge- 
stellt wird,  nicht  unmoralisch;  aber  die  absieht  der  Schrift- 
stellerin, unsere  Sympathie  für  ihre  heldin  gewinnen  zu  wollen, 
ist  verwerflich.  „Am  unmoralischsten  ist  der  moralisch  ge- 
dachte schluss,  denn  nachdem  M.  den  tod  ihrer  Schwester  und 


»)  Fair  Jilt,  p.  208.  *)  Ebenda,  p.  205.  »)  Siehe  p.  335. 


350  P.  SIEGEL, 

ihrer  drei  ehemänner  veranlasst  hat,*)  zieht  sie  sich  von  der 
weit  zurück,  bereut  ihre  Sünden  und  bringt  ihre  jähre  in 
einer  so  grossen  glückseligkeit,  als  die  schlechte  weit  gewähren 
kann,  zu."  2)  In  diesem  schluss  liegt  ein  gewisser  zug,  der 
den  rührseligen  romanen  des  18.  jahi'hunderts  eigen  ist.  In 
diesen  muss  der  oder  die  heldin  auch  erst  alle  möglichen 
schicksalsschläge  ertragen,  ehe  sie  zum  schluss  noch  glücklich 
werden.  Allerdings  sind  die  beiden  in  den  genannten  romanen 
ausgemachte  tugendhelden ,  während  M.  ein  böses  weib  ist. 
Von  grösserer  bedeutung  ist  die  thatsache,  dass  in  der  Fair 
Jilt  der  versuch  gemacht  wird,  eine  entwickelung  eines  Cha- 
rakters zu  geben,  psychologisch  zu  begi'ünden,  wie  die  heldin 
zu  ihrem  verhalten  durch  ihren  Charakter  getrieben  wird. 
Wir  haben  hier  ein  beispiel  von  psychologischer  detailmalerei, 
die  wir  nicht  einmal  im  Oroonoko  und  erst  in  den  werken 
der  folgenden  zeit  antreffen.  —  Um  so  weniger  und  wahr- 
scheinlicher sind  die  anderen  Charaktere  in  The  Fair  Jilt 
ausgeführt.  Der  mönch  Franciscus  ist  ein  überaus  demütiger, 
passiver  Charakter,  trotzdem  er  von  fürstlicher  herkunft  ist; 
er  ist  so  weich  und  sentimental,  dass  er  sich  wegen  einer 
unglücklichen  liebe  zui'  thatenlosigkeit  im  kloster  zurückzieht. 
Das  gegenteil  von  ihm  ist  der  prinz  Tarquin,  eine  merkwür- 
dige abenteurergestalt.  Er  tritt  auf  wie  ein  echter  kavalier 
und  leitet  seine  herkunft  von  dem  berühmten  römischen 
fürsteugeschlecht  ab.  Die  meinungen  über  ihn  sind  sehr 
geteilt ;  die  einen  halten  ihn  für  den  abenteuernden  söhn  eines 
reichen  holländischen  kaufmanns,  die  andern  glauben  wirklich 
an  seine  hohe  abkunft.  Bei  allen  aber  ist  er  wegen  seines 
tapferen,  ritterlichen  wesens  äusserst  beliebt,  selbst  dann 
noch,  als  er  einen  mord versuch  auf  Alcidiane  gemacht  hat, 
was  uns  freilich  sehr  absonderlich  erscheinen  muss.  Tarquin 
ist  im  gründe  genommen  weiter  nichts  als  ein  umherschwei- 
fender abent eurer,  der  auch  einen  mord  nicht  scheut.  Wir 
können  uns  nicht  erklären,  wie  ein  solcher  mensch  die  Sym- 
pathien der  ein  wohner  von  Antwerpen  gewinnen  sollte.  Es 
ist  keine  entschuldigung,  welche  die  Schriftstellerin  anführt, 

^)  Diese  ungenauigkeit  wird  man  nach  unserer  inhaltsangabe  leicht 
verbessern  können. 

»)  Wülker,  a.  a.  0.  p.  37a 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  351 

dass  nämlich  Tarquin  unter  der  macht  der  liebe,  also  gerade 
wie  M.,  gehandelt  habe. 

Nach  dem,  was  wir  gesagt  haben,  selien  wir,  dass  die 
Personen  wohl  wirklich  existiert  haben  können,  dass  sie  aber 
so,  wie  sie  Aphi^a  Behn  dargestellt  hat,  sehr  romanhaft  er- 
scheinen. Dieser  widersprach  zwischen  Wirklichkeit  und  dar- 
stellung  macht  sich  aber  nicht  nur  bei  den  Charakteren  geltend, 
sondern  auch  in  der  übrigen  darstellung.  Gehen  wir  zunächst 
näher  auf  Oroonoko  ein.  Sclion  bei  der  Inhaltsangabe  wird 
aufgefallen  sein,  dass  die  erzählung  in  zwei  deutlich  getrennte 
teile  zerfällt.  Der  Inhalt  des  ei-sten  teiles  ist  die  Schilderung 
des  landes  Coromantien  und  der  erlebnisse  Oroonokos  in  seiner 
heimat.  In  diesem  ersten  teil  vermisst  man  bei  der  autorin 
jeglichen  historischen  blick.  Aphrä  Behn  hat  die  Situationen 
und  ereigiiisse  im  ersten  teil  nicht  selbst  gesehen;  die  dar- 
stellung ist  infolgedessen  romanhaft  im  sinne  des  phantastischen 
und  unwahi-scheinlichen  und  steht  im  widei*spruch  mit  that- 
sächliclien  Verhältnissen.  Coromantien,  die  heimat  Oroonokos, 
mutet  uns  nach  den  Schilderungen  Aphra  Behns  wie  ein  ge- 
misch  von  modern  englischem  und  morgenländischem  Staats- 
wesen an,  während  es  doch  in  Wirklichkeit  nur  ein  unkulti- 
vierter negerstaat  Afrikas  ist.  An  der  spitze  dieses  reiches 
steht  ein  könig,  der  über  hundeil  jähre  alt  ist  und  einen 
grossen  harem  besitzt,  worin  „the  Women-Royal  made  Antick 
Postures  to  divert  the  King".  Der  fürst  wohnt  in  einem 
prächtigen  palast,  worin  schmeichlerische  höfliuge  ihr  in- 
trigantes spiel  treiben,  wie  es  am  hofe  Karls  II.  geschehen 
sein  mag.  Dieser  negerhof  war  zugleich  eine  pflanzstätte  der 
humanität,  „where  'twas  Oroonoko  got  that  real  Greatness  of 
Soul,  those  refined  Notions  of  true  Honour,  that  absoluta 
Generosity,  and  that  Sof tness,  that  waü  capable  of  the  highest 
Passions  of  Love  and  Gallantry".  ^  Aphra  Behn  weiss,  dass 
die  afiikanischen  negerstämme  beständig  im  kämpfe  mit  ein- 
ander liegen.  Aber  sie  schildert  diese  nicht  einfach  als  Über- 
fälle von  raublustigen  wilden,  sondern  als  systematische  kriege 
wie  zwischen  kulturstaaten.  Es  sind  nicht  wilde  horden, 
sondern  geübte  Soldaten,  angeführt  von  hochgebildeten,  kriegs- 
gelehrten  generäleu,   wie  z.  b.  Oroonoko  selbst,  die  gegen- 

V  Oroonoko,  p.  85. 


352  P.  SIEGEL, 

einander  kämpfen.  —  Es  ist  einleuchtend,  dass  diese  Schil- 
derungen lediglich  der  phantasie  der  Schriftstellerin  ent- 
sprungen sind;  Aphra  Behn  hat  hier  in  der  that  sehr 
„fabuliert",  wie  Fürst  ^  sagt. 

Die  örtlichkeiten,  die  im  zweiten  teil  der  erzählung  in 
betracht  kommen,  kennt  Aphra  Behn  aus  eigener  anschauung ; 
die  ereignisse  hat  sie  zum  teil  selbst  miterlebt.  Die  dar- 
stellung  ist  infolgedessen  weit  glaubwürdiger  und  wahrschein- 
licher als  im  ersten  teil.  Trotzdem  erinnert  auch  hier  manches 
an  die  lust  der  Schriftstellerin,  ihre  phantasie  spielen  zu 
lassen.  So  gleicht  die  reise  Oroonokos  nach  der  plantage 
seines  herrn  Trefry  einem  triumphzug.  Von  allen  selten 
strömen  die  eingeborenen  scharenweise  herbei,  um  den  könig- 
lichen Sklaven  zu  sehen.  Oroonoko  lässt  sich  gewöhnliche 
Sklavenkleider  geben,  um  das  aufsehen  zu  vermeiden,  allein 
„tlie  Royal  Youth  appear'd  in  spite  of  the  Slave,  and  People 
could  not  help  treating  him  af ter  a  diff erent  Manner ;  as  soon 
as  they  approached  him,  they  venerated  and  esteemed  him."  2) 
Der  ganze  Charakter  Oroonokos  und  auch  Imoindas  ist,  wie 
wir  gesehen  haben,  in  romanhafter  weise  dargestellt.  Die 
Schilderung  der  liebe  zwischen  Oroonoko  und  Imoinda  erinnert 
uns  an  die  gedichte  Aphra  Behns ;  es  ist  eine  ritterlich  galante 
Spielerei,  die  allerdings  hier  durch  die  wirkliche  treue  der 
beiden  liebenden  einen  ernsteren  Charakter  erhält.  Aber  sonst 
finden  wir  alle  die  konventionellen  mittel  der  galai^ten  dich- 
tung  wieder:  die  sanfte  spräche  der  äugen,  schnelles  erröten, 
eine  unmasse  seufzer,  rührselige  klagen  etc.  Charakteristisch 
ist  die  Schilderung  des  ersten  Zusammentreffens  der  beiden 
liebenden: 3)  „When  Oroonoko  came,  attended  by  all  the  young 
Soldiers  of  any  Merit,  he  was  infinitely  surpriz'd  at  the  Beauty 
of  this  fair  Queen  of  Night  (Imoinda),  whose  Face  and  Person 
were  so  exceeding  all  he  had  ever  beheld,  that  lovely  Modesty 
with  which  she  receiv'd  him,  that  Softness  in  her  Looks  and 
Sighs,  upon  the  melancholy  Occasion  of  this  Honour  that  was 
done  by  so  great  a  Man  as  Oroonoko,  and  a  Prince  of  whom 
she  had  lieard  such  admirable  Things;  the  Awfulness  where- 
with  she  receiv'd  him,  and  the  Sweetness  of  her  Words  and 
Behaviour  while  he  stay'd,  gain'd  a  perfect  Conquest  over  his 

»)  Fürst,  a.  a.  0.  «)  Oroonoko,  p.  138.  *)  Ebenda,  p.  89. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       353 

flerce  Heart ,  and  made  him  f eel,  the  Victor  could  be  subdu'd. 
So  that  having  made  his  first  Compliments,  and  presented  her 
an  hundred  and  fifty  Slaves  in  Fetters,  he  told  her  with  his 
Eyes,  that  he  was  not  insensible  of  her  Charms." 

Die  darstellung  in  der  erzählung  The  Fair  Jilt  entspricht 
ebenfalls  nicht  immer  den  anforderungen  der  Wirklichkeit. 
Echt  romanhaft  ist  die  eingeschobene  episode,  in  welcher  die 
geschichte  des  mönches  Franciscus  erzählt  wird.  Sie  erinnert 
an  das  thema  von  den  feindlichen  briidem.  Zwei  prinzen 
lieben  dasselbe  mädchen,  das  nur  dem  jungem  seine  neigung 
schenkt.  Der  ältere  gewinnt  seine  mutter  für  sich;  diese  be- 
wirkt bei  ihrem  gemahl,  dass  der  jüngere  söhn  auf  reisen 
gesckickt  wird.  Inzwischen  vermählt  sich  der  ältere  mit  dem 
mädchen,  das  nur  unter  dem  zwang  der  Verhältnisse  seine 
einwilligung  giebt.  Bei  seiner  rückkehr  findet  der  jüngere 
bruder  seine  hoffnungen  zerstört.  Der  ältere  glaubt  grund 
zur  eifersucht  zu  haben  und  lässt  seinen  bruder  auf  der  jagd 
überfallen.  Aber  der  letztere  wird  durch  einen  förster,  der 
ihn  schwerverwundet  auffindet,  gerettet.  Nach  seiner  Wieder- 
herstellung zieht  er  sich  in  ein  kloster  zurück,  um  seinen 
schmerz  durch  ein  frommes  leben  zu  lindern.  —  Diese  ge- 
schichte steht  ja  eigentlich  ganz  ausserhalb  der  erzählung. 
Sie  passt  auch  gar  nicht  in  den  rahmen  der  übrigen  ereignisse. 
die  sich  alle  durch  Sensation  und  aussergewöhnlichkeit  aus- 
zeichnen. '  Allerdings  ist  damit  nicht  gesagt ,  dass  sie  nicht 
auf  Wirklichkeit  beruhen  könnten.  Solche  zweifelhafte  aben- 
teurer  wie  Tarquin  und  Miranda  werden  wohl  in  der  damaligen 
zeit  mehrfach  existiert  haben,  besondere  in  den  Niederlanden, 
die  als  das  eigentliche  „pays  de  d6bauche"  galten.  ^  Wider- 
sprechend ist  nur  die  eigentümliche  behandlung,  die  Aphra 
B§hn  den  pei-sonen  zuteil  werden  lässt,  worauf  schon  weiter 
oben  hingewiesen  worden  ist. 

Aphra  Beim  verfolgt  in  der  that  gar  nicht  in  erster  linie 
den  zweck,  die  ereignisse  photographisch  getreu  darzustellen, 
trotzdem  sie  dies  betont,  sondern  ihr  hauptinteresse  richtet 
sich  vor  allem  darauf,  begebenheiten  zu  schildern,  welche 
recht  sensationell  wirken.  Dabei  kommt  es  sehr  oft  vor,  dass 
die  Schriftstellerin  noch  übertreibt;  denn  die  nerven  der  eng- 

1)  Körting,  der  frauzös.  roman  im  17.  jahrh. 

Angli*.    N.  F.    XUI.  23 


354  p.  stegeij, 

lischen  leser  waren  an  starkes  auftragen  gewöhnt;  es  mussie 
stark  aufgetiagen  werden,  um  sie  zu  reizen.  Die  enthüllongen 
aus  den  feinen  kreisen,  wie  sie  in  The  Fair  Jilt  gemacht 
werden,  mussten  einen  pikanten  kitzel  bei  den  lesem  ausüben. 
Dabei  durften  natürlich  pikante  scenen  selbst  nicht  fehlen. 
Selbst  in  (Jroonoko,  also  in  einem  wirklich  ernsten  werke  mit 
hohen  sittlichen  tendenzen,  fehlen  sie  nicht.  0  Harmloser 
wirkt  ein  anderer  charakteristischer  zug,  d.  i.  die  grosse  Vor- 
liebe, mit  welcher  Aphra  Behn  glänzende  aufzüge  darstellt. 
Ich  habe  bei  Oroonoko  schon  gelegentlich  darauf  hingewiesen. 
Noch  mehr  tritt  dieser  zug  in  The  Fair  Jilt  hervor.  Da 
stehen  diese  aufzüge  oft  in  seltsamem  gegensatz  zu  der  Situa- 
tion. So  ei-scheint  Miranda  vor  dem  gerichtshof  „in  Glory, 
led  by  Tarquin,  and  attended  according  to  her  Quality".*) 
Selbst  in  den  eniiedrigendst^n  Situationen  darf  die  „high 
Quality"  nicht  vernachlässigt  werden;  Miranda  schreitet  wie 
eine  f üi*stin  zu  dem  galgen ;  sie  ist  geschmückt  mit  glänzenden 
gewändern  und  kostbaren  edelsteinen;  ein  langer  zug  ihres 
gefolges,  mit  Tarquin  an  der  spitze,  begleitet  sie;  vor  ihr  wird 
ein  feines  samtkissen  hergetragen,  worauf  sie  sich  bei  der 
abbüssung  ihrer  strafe  stellt.  —  Diese  Vorliebe  für  äusserliche 
pracht  erinnert  an  die  romantischen  dramen  jener  zeit,  die 
sich  auch  mehr  durch  pomphafte  aufzüge  und  prächtige  aus- 
stattung  als  durch  künstlerischen  wert  auszeichnen.  Aphra 
Behn  kann  ihien  sinn  für  dramatische,  wirkungsvolle  effekte 
nicht  verleugnen.  Aehnlich  wie  in  jenen  „heroic  plays"  treten 
auch  die  beiden  in  Aphra  Behns  erzählungen  auf;  sie  be- 
nehmen sich,  als  stünden  sie  auf  der  bühne.  So  stürzt  sich 
Oroonoko  im  letzten  moment,  als  schon  seine  Soldaten  fliehen 
und  alles  verloren  scheint,  dem  feindlichen  beer  entgegen, 
nachdem  er  eine  kurze  rede  über  die  verderblichkeit  und 
nutzlosigkeit  der  unthätigen  melancholie  gehalten  hat,  und 
überwindet  durch  seine  ausserordentliche  tapferkeit  den  feind. 
Wir  haben  schon  oben  gesehen,  dass  Oroonoko  überall  wie  ein 
könig  erschien.    Er  vergisst  die  würde  seiner  „high  Quality" 


^)  Z.  b.  die  scenen  im  Otan  zwischen  dem  könig,  Oroonoko  und  Imolnda, 
p.  94,  p.  102;  vor  allem  die  lascive  geschichte  zwischen  Onahal  und  Aboan, 
p.  104  f.  und  107  f. 

*)  Fair  JUt,  p.  259. 


APHBA  BEHKS  GEDICHTE  T7ND  PROSAWERKE.  355 

nie  und  erträgt  die  schicksalsschläge  mit  würdevollem  ernst 
und  stoischer  ruhe.  Wortlos  erduldet  er  die  schrecklichsten 
schmerzen ;  nur  seine  äugen  sprühen  f euer  der  Verachtung  und 
des  Zornes  gegen  seine  peiniger.  —  Wie  ein  echter  bühnen- 
held  geht  Tarquin  zum  schaffot.  Er  nimmt  erst  rührenden 
abschied  von  Miranda  und  seinen  freunden,  die  so  zahlreich 
sind,  dass  sein  diener  wegen  der  vielen  besuche  den  ganzen 
morgen  zum  ankleiden  seines  herrn  braucht.  In  vollkommener 
ruhe  steigt  Tarquin  auf  das  blutgerüst ;  er  bittet  seine  freunde, 
für  sein  weib  und  seine  diener  zu  sorgen  und  giebt  dann  dem 
henker  zwanzig  Louis  d'Ors,  „to  do  his  Office  well".  ^  Noch 
einmal  ruft  er  seinen  freunden  kurze  abschiedsworte  zu  und 
giebt  dann  dem  Scharfrichter  selbst  das  zeichen  zu  dem  ver- 
hängnisvollen streich.  Wie  ein  gefeierter  held  geht  er  zum 
tode:  „The  People  with  one  common  Voice,  as  if  it  had  been 
but  one  entire  one,  pray'd  f or  his  Soul ;  and  Murmurs  of  Sighs 
were  heard  from  the  whole  Multitude,  who  scrambled  for  some 
of  the  bloody  Saw-dust,  to  keep  for  his  Memory."  ^)  —  Aus 
der  absieht,  sensationell  zu  wirken,  erklärt  sich  auch  ein 
eigentümlich  naturalistischer  zug  in  den  erzählungen,  der  sich 
in  der  darstellung  gi'ausiger  scenen  äussert.  Es  wird  genau 
berichtet,  wie  Oroonoko  seiner  Imoinda  die  kehle  durchschneidet 
und  „severed  her  yet  smiling  Face  from  her  delicate  Body".  *) 
Auf  die  spur  Oroonokos  und  Imoindas  wird  man  durch  den 
üblen  geruch,  der  von  der  leiche  der  letzteren  ausgeht,  geführt. 
Mit  grösster  ausführlichkeit  erzählt  Aphra  Behn,  wie  dem 
neger  glied  für  glied  vom  körper  getrennt  und  ins  feuer  ge- 
worfen wird.  In  The  Fair  Jilt  vergisst  die  autorin  bei  dem 
genauen  bericht  von  den  Vorbereitungen  zur  hinrichtung  nicht, 
hinzuzufügen,  dass  das  schaffot  „was  strewed  with  some  Saw- 
dust,  about  the  Place,  where  Tarquin  was  to  kneel,  to  receive 
the  Blood."  *)  Geradezu  abstossend  aber  ist  der  Vorgang  nach 
dem  Schwertstreich  des  henkers.^)  Es  muss  eine  gewisse  ge- 
mütsrohheit  und  gefühlsabstumpfung  dazu  gehört  haben,  an 
solchen  scenen  gefallen  zu  finden.  Gerade  dass  eine  frau  der- 
ailige  scenen  schildert,  muss  unzart  auf  uns  wirken;  auf  die 


»)  Fair  Jilt,  p.  280.  >)  Ebenda. 

«)  Oroonoko,  p.  192.  *)  Fair  Jüt,  p.  279. 

»)  Ebenda,  p.  281. 


28^ 


356  P.  SIEGEL, 

leser  der  damaligen  zeit  wirkte  dies  jedenfalls  nur  um  so 
pikanter. ») 

Füi*  die  form  an  sich,  d.  li.  ohne  rücksicht  anf  den  inhalt^ 
giebt  uns  Aphra  Behn  selbst  wieder  einen  anhaltspnnkt  zur 
bestimmung.  Sie  nennt  Oroonoko  und  The  Fair  Jilt  nidit 
„Romances"  oder  „Novels",  sondern  „Histories".  Den  namai 
roman  können  die  erzählungen  schon  deswegen  nicht  erhalten, 
weil  sie  zu  kurz  dazu  sind.  Novellen  haben  wieder  spezifisch 
erdichtetes  zum  Inhalt,  während  den  erzählungen  Aphra  Behns 
wirkliche  ereignisse  zu  gründe  liegen.  Allerdings  sind  diese 
ereignisse  mehr  oder  weniger  roman-  oder  noyellenhaft  dar- 
gestellt, wie  wir  gesehen  haben.  Aber  zunächst  sind  es  blosse^ 
fortlaufende  berichte.  In  Oroonoko  nimmt  die  beschreibimg 
des  milieus  einen  gi*ossen  teil  des  Interesses  ein.  In  die 
Schilderung  von  land  und  leut«n  der  kolonie  Surinam  ist  dann 
die  ziemlich  romanhafte  geschichte  eines  oder  zweier  merk- 
würdiger menschen  eingeflochten.  Daraus  erklärt  sich  auch 
die  halb  beschreibende,  halb  erzählende  foim  des  Werkes.  Die 
Verfasserin  beginnt  nicht  gleich  mit  der  eigentlichen  geschichtet 
sondern  schickt  erst  eine  grössere  einleitung  voraus,  in  welcher 
eben  eine  beschreibung  des  landes  Surinam  gegeben  wirf. 
Darauf  folgt  der  erste  teil,  in  welchem  nur  selten  der  gang 
der  handlung  dui^ch  kurze  betrachtungen  aufgehalten  wiri 
Daran  schliesst  sich  der  eigentliche  hauptteil,  d.  h.  der  bericht 
von  eigenen  erlebnissen.  In  diesem  abschnitt  schreitet  der 
gang  der  handlung  nicht  regelmässig  fort,  sondern  er  wirf 
durch  abschweifende  episoden  unterbrochen.  Aber  immer 
stehen  diese  episoden  dui^ch  die  person  des  beiden  mit  der 


^)  Raleigli  (The  Euglish  Noyel)  will  iu  diesen  schüdemngen  des  gm" 
sigen  Vorläufer  der  romantischen  romane  des  18.  jahrh.  erblicken.  ADfl^ 
dings  liegt  in  den  erzählungen  A.  B.'s  und  den  genannten  romanen  & 
gleiche  absieht ,  bei  dem  leser  ein  mehr  oder  minder  leises  gruseln  n  c^ 
regen.  Aber  schon  mit  dem  namen  naturalismos  ist  der  unterschied  te- 
zeichnet,  der  zwischen  den  beiden  richtungen  besteht:  A.  B.  wiU  auf  den 
verstand  wirken,  indem  sie  grausige  handlungen  und  Situationen  detaiÜitft 
und  mit  einem  gewissen  cynischen,  kalten  realismus  beschreibt;  ronu- 
schriftsteller  wie  Anne  Eadclift'e  aber  wollen  auf  die  phantasie  wirkeB, 
indem  sie  übernatürliche,  geheimnisvolle  abeuteuer  ers&hlen  und  swar  bW 
kühl  realistisch,  sondern  phantastisch  und  in  reichen  färben;  es  ist  ronaitikr 
nicht  naturalismus. 


APHRA  BEHKS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       857 

haupthandlung  in  Verbindung.  Aphra  Behn  reiht  die  einzelnen 
ereignisse  nicht  nur  äusserlich  aneinander,  sondern  sie  bemüht 
sich,  dieselben  zu  motivieren  und  sie  folgerichtig  aus  einander 
hervorgehend  darzustellen.  Allerdings  spielt  der  zufall,  oder 
vielmehr  das  „geschick",  eine  nicht  unbedeutende  rolle.  So 
ist  es  doch  ein  ausserordentlicher  zufall,  dass  Oroonoko  gerade 
in  die  kolonie  und  wieder  in  den  bezirk  kommt,  in  welchem 
sich  Imoinda  aufhält.  —  Die  Schilderungen  der  kolonie  und 
ihrer  bewohner  sind  in  form  von  handlung  gegeben ,  d.  h.  es 
sind  nicht  blosse  trockene  aufzählungen  von  personen  und 
Sachen,  sondern  es  wird  alles  in  lebendige  beziehung  zu  den 
menschen  und  der  natur  gebracht.  So  lässst  uns  die  Schrift- 
stellerin die  landschaften  mit  dem  beiden  durchschreiten  und 
beschreibt,  wie  die  natur  und  die  bewohner  des  landes  auf 
Oroonoko  wirken.»)  Die  Indianer  jagen  in  den  Wäldern  und 
Savannen  und  ersetzen  durch  Schnelligkeit  die  Jagdhunde;  im 
Wasser  leben  sie,  als  wären  sie  flussgötter;  sie  schwimmen 
schneller  und  tauchen  gewandter  wie  die  bewohner  der  fluten; 
im  schiessen  sind  sie  unübertrefflich:  „they  will  shoot  down 
Oranges,  and  other  Fruit,  and  only  touch  the  stalk  with  the 
Dart's  Point,  that  they  may  not  hurt  the  Fruit."  2)  Aphra 
Behn  trennt  zwar  noch  eine  grosse  kluft  von  Defoe,  aber  ihre 
beschreibungen  exotischen  lebens  zeichnen  sich  doch  schon 
durch  grosse  lebendigkeit  aus.  Man  merkt,  dass  Aphra  Behn 
mit  grösstem  Interesse  an  ihrem  Stoffe  hängt.  —  Dasselbe  gilt 
auch  von  The  Fair  Jilt.  Hier  ist  die  form  insoweit  besser, 
als  sie  gedrängter  und  regelmässiger  ist.  Allerdings  ergeht 
sich  die  Schriftstellerin  auch  hier  in  einer  grösseren  einleitung, 
worin  sie  das  bild  eines  Stutzers  sehr  anschaulich  zeichnet, 
was  eigentlich  gar  nicht  zu  dem  ganzen  gehört,  ebenso  wie 
die  ausführliche  erzählung  von  den  Schicksalen  des  mönches.  ^) 
Abgesehen  von  diesen  beiden  abschweifungen  finden  sich  keine 
nebenperioden  und  ausführlichen  betrachtungen  in  der  erzählung, 


*)  Ganz  vorzüglich  ist  z.  b.  der  ausflug  Aphras  und  ihrer  freunde 
mit  0.  nach  einer  im  innem  des  landes  gelegenen  indianerstadt  geschildert; 
s.  p.  162  ff. 

*)  Oroonoko,  p.  82. 

')  A.  B.  verfolgt  hier  eine  ähnliche  technik  wie  die  französischen 
romanschriftsteUer,  die  auch  von  jeder  person  eine  ausführliche  lebensge- 
schichte  erzählen ;  vgl.  Körting,  a.  a.  0. 


358  P.  SIEGEL, 

die  infolgedessen  einheitlicher  erscheint  als  Oroonoko.  Die 
ereignisse  gehen  einen  unaufhaltsamen  gang  und  folgerichtig 
dem  ende  zu.  In  dieser  beziehung  ist  The  Fair  Jilt  die  ge- 
wandteste prosadichtung  Aphra  Belms.  Auszunehmen  ist  davon 
nur  der  schluss,  der  in  ganz  inkonsequenter  weise  dem  ganzen 
aufgedrungen  ist,  wie  sich  oben  gezeigt  hat 

Obgleich  nun  die  erzählungen  mit  interesse  und  begei- 
sterung  geschrieben  sind,  so  lässt  sich  doch  Ober  den  Stil  kein 
günstiges  urteil  fällen.  Der  stil  ist  zum  teil  noch  ungeschickt 
und  schwerfällig;  der  satzbau  ist  oft  plump  und  lässt  an 
leichtigkeit  und  durchsichtigkeit  zu  wfinschen  übrig.  Die 
spräche  ist  bisweilen  geziert  und  erinnert  noch  manchmal  an 
die  gekünstelte  redeweise  der  euphuisten.  *)  Allerdings  giebt 
es  auch  stellen,  wo  sich  die  spräche  über  den  gewöhnlichen 
durchschnitt  erhebt;  so  besitzt  die  rede  Oroonokos  an  seine 
mitsklaven  zweifellos  eine  nicht  unbedeutende  rhetorische 
kraft.  2)  Femer  treffen  wir  auch  schon  ausätze  zu  hübschen 
detailschilderungen,  die  für  ein  gewisses  stiltalent  zeugen;  so 
z.  b.  ist  das  zusammentreffen  Oroonokos  mit  Imoinda  in  Surinam 
ganz  reizend  geschildert.^)  Es  macht  sich  hier  wieder  das 
bemerklich,  was  ich  schon  weiter  oben  betont  habe:  Aphra 
Behn  lag  es  vor  allem  an  der  Sensation  und  weniger  an  der 
künstlerischen  form,  die  sie  sicher  vernachlässigte  und  welcher 
sie  eine  höhere  Vollendung  hätte  verleihen  können,  wenn  sie 
sich  mehr  mühe  gegeben  hätte. 


^)  Siebe  das  citat  p.  352  unten.  Ich  schliesse  mich  hier  dem  urteile 
Fili'st«  an;  nur  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  Fürst  nicht  recht  hat, 
wenn  er  »agt,  dass  die  spräche  „besonders  im  mnnde  der  Miranda  kon- 
ventionell sei^' ;  einmal  spricht  M.  verhältnismässig  sehr  wenig,  sodass  man 
kaum  von  einer  spräche  speziell  „in  ihrem  munde^  reden  kann,  zweitens 
zeichnen  sich  aber  gerade  die  wenigen  reden,  welche  M.  direkt  spricht, 
durch  ihre  lebhaftigkeit  aus.  Nach  der  eigentümlichen  inhaltsangabe ,  die 
Fürst  von  The  Fair  Jilt  giebt,  zu  urteilen,  scheint  er  die  erzählung  zum 
mindesten  sehr  flüchtig  gelesen  zu  haben;  denn  diese  Inhaltsangabe  ist 
zum  teil  ganz  falsch,  wie  ein  vergleich  mit  der  in  dieser  abhandlong  ge- 
gebenen deutlich  zeigen  wird.  Ich  will  bei  dieser  gelegenheit  gleich  noch 
auf  einen  andern  Irrtum  in  dem  buche  von  Fürst  hinweisen;  dort  wird 
gesagt:  „dies  (Oroonoko)  ist  der  hässliche(?X  von  keinem  weih  geliebte  (?) 
neger" ;  gerade  das  gegeuteil  ist  der  fall,  wie  wir  oben  gesehen  haben. 

*)  Oroonoko,  p.  172. 

s)  Ebenda,  p.  144  f. 


AFHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       859 

c)  Tendenzen. 

Die  erzählung  Oroonoko  erlangt  noch  eine  höhere  be- 
deutung  in  der  litteratur  durch  ihre  sittlichen  tendenzen. 
Aphra  Behn  kam  sehr  jung  nach  der  kolonie.  Sie  kannte  die 
demoralisierte  gesellschaft  am  hofe  Karls  U.  noch  nicht.  Um 
so  mehr  musste  ihr  der  himmelweite  unterschied  zwischen  den 
naiven  naturkindem  Amerikas  und  den  raffinierten,  unsitt- 
lichen genussmenschen  am  englischen  hofe,  den  sie  aus  eigener 
anschauung  kennen  leinte,  auffallen.  Sie  musste  sehen,  wie 
diese  aristokraten  trotz  religion  und  Staatsgesetzen  ausschwei- 
fende Wüstlinge  waren.  Wir  werden  uns  hier  des  gedichtes 
erinnern,  worin  Aphra  Behn  ein  goldenes  Zeitalter  preist, 0 
d.  h.  eine  zeit ,  in  welcher  die  menschen  nichts  wussten  von 
den  schranken  der  religion,  der  gesetze  etc.  und  gerade  des- 
wegen unschuldig  und  zufrieden  waren.  In  Oroonoko  begegnen 
wir  denselben  gedanken.  Aber  während  das  gedieht  nur  ein 
träum  von  einem  künstlich  konstruierten,  nur  in  der  phantasie 
der  dichterin  existierenden  idealreich  ist,  sind  im  Oroonoko 
die  anschauungen  der  dichterin  auf  die  Wirklichkeit  gegründet, 
wodurch  sie  bestimmter  werden  und  eine  praktischere  be- 
deutung  erlangen.  Aphra  Behn  hat  die  schreckliche  Sitten- 
verderbnis ihrer  zeit  erkannt.  Dagegen  kennt  sie  nun  ein 
Volk,  das  zwar  in  seiner  Unwissenheit  nichts  von  religion  und 
gesetzen  weiss,  aber  naiv  und  tugendhaft  ist.  Dieses  volk 
erkennt  als  alleinige  lehrerin  die  natur  an:  „These  People 
represented  to  me  an  absolute  Idea  of  the  flrst  State  of 
Innocence,  bef ore  Man  knew,  how  to  sin :  And  'tis  most  evident 
and  piain,  that  simple  Nature  is  the  most  harmless,  inoffen- 
sive and  virtuous  Mistress.  'Tis  she  alone,  if  she  were  per- 
mitted,  that  better  instructs  the  World,  than  all  the  Inventions 
of  Man:  Religion  would  here  but  destroy  that  Tranquillity 
they  possess  by  Ignorance;  and  Laws  would  but  teach  'em 
to  know  Offences,  of  which  now  they  have  no  Notion."  *0 
Diese  worte  müssen  in  der  that  sogleich  an  die  bestrebungen 
Rousseaus  erinnern.  Indem  Aphra  Behn  auf  die  hohe  sittliche 
stufe  des  naturvolkes  hinweist,  erhebt  sie  zugleich  eine  an- 
klage gegen  die  herrschende  kultur  der  weissen  Völker:  „They 
(die  eingeborenen)  have  a  native  Justice,  which  knows  no 


»)  Siehe  p.  60  ff.  ')  Oroonoko,  p.  79  f. 


360  P.  SIEGEL, 

Fraiid;  and  they  imderatand  no  Vice,  or  Cunning,  but  when 
tliey  are  taught  by  the  White  Men."  0  Diese  anklage 
ist  an  den  höchsten  Vertreter  dieser  verderbten  kultur,  den 
könig,  dem  sie  ja  die  geschichte  erzählt,  gerichtet!  Bezeich- 
nend ist  es,  dass  Aphra  Behn  im  gegensatz  zu  der  lüsternen, 
ausschweifenden  Sinnlichkeit  ihrer  Zeitgenossen  die  nacktheit 
und  dabei  sexuelle  reinheit  der  Indianer  rühmend  hervorhebt ; 
trotzdem  die  eingeborenen  wie  die  ersten  menschen  umher- 
gehen, kann  man  nie  eine  indezente  handlung  bemerken.  Das 
grösste  verbrechen  an  einer  frau  ist  bei  ihnen  „to  tum  her 
off,  to  abandon  her  to  Want,  Shame  and  Misery:  such  ill 
Morals  are  only  practis'd  in  Christian  Countries,  where  they 
prefer  the  bare  Name  of  Religion;  and  without  Virtue  and 
Morality,  think  that  sufficient."  2)  Allerdings  gerät  die  Schrift- 
stellerin mit  ihrer  tendenz  selbst  in  Widerspruch;  denn  ihre 
erzählung  ist  nicht  frei  von  pikanten,  lüsternen  stallen,  wie 
oben  gezeigt  worden  ist;  Aphra  Beim  konnte  sich  also  auch 
hier  nicht  vollständig  von  dem  geschmack  ihrer  zeit  frei 
machen.  —  In  ganz  auffälliger  weise  richtet  die  Schriftstellerin 
ihre  angriffe  gegen  die  ehrlosigkeit  und  lügenhaftigkeit ,  die 
sich  unter  den  mantel  der  religiosität  versteckt.  Sie  hasst 
diejenigen,  die  ihre  Schlechtigkeit  unter  fromme  reden  ver- 
bergen und  den  namen  gottes  recht  oft  in  den  mund  nehmen, 
um  ihre  bösen  absiebten  zu  verheimlichen.  Der  englische 
kapitän,  der  Oroonoko  geraubt  hat  und  der  einen  feigen,  bos- 
haften Charakter  besitzt,  ruft  immer  gott  zum  zeugen  seiner 
schwüre  an,  die  er  niemals  hält.  Im  gegensatz  zu  diesem 
frommen  heuchler  steht  der  vortreffliche  Trefry,  der  nicht  bei 
gott,  sondern  bei  seiner  ehre  schwört.  Am  ehrenhaftesten 
aber  ist  Oroonoko,  der  überhaupt  keinen  gott  anerkennt,  we- 
nigstens nicht  den  der  Christen.  Durch  den  mund  des  Oroonoko 
spricht  Aphi-a  Behn  ihre  ansichten  von  der  religion  aus.  Die 
Schriftstellerin  ist  eine  kühne  freidenkerin;  sie  spricht  schon 
gedanken  aus,  die  ihren  klarsten  ausdruck  durch  Locke  ge- 
funden haben.  Oroonoko  will  nichts  von  belehrung  wissen. 
Die  lehre  von  der  dreieinigkeit  ist  ihm  ein  mystisches  rätsei, 
und  niemand  kann  ihn  verstehen  lehren,  was  glaube  seL  Die 
religion  ist    nicht   die   Offenbarung    eines    höchsten  wesens, 


»)  Oroonoko,  p.  80.  *)  Oroonoko,  p.  91. 


APHRA  BEHKS  QEDICHTE  UND  PROSAWERKE.  361 

sondern  ebenso  wie  die  gesetze  des  staAtes  eine  blosse  er- 
findung  der  menschen,  i)  Darum  hindert  sie  auch  nicht  die 
menschen,  böse  zu  sein,  wie  die  verbrecherischen  handlungen 
des  englischen  kapitäns  beweisen;  bei  den  naturkindern  zer- 
stört sie  nur  die  friedliche  ruhe,  in  welcher  sie  infolge  ihrer 
Unwissenheit  leben.  2)  Diese  naturvölker  besitzen  eine  natür- 
liche tugend.  Die  moralische  tüchtigkeit  ist  Aphra  Behns 
ideal.  Dieses  ideal  wird  nicht  erreicht  durch  die  religion, 
sondern  durch  angeborene  ehrenhaftigkeit  und  durch  hohe 
bildung,  die  allerdings  erst  in  zweiter  linie  dazu  kommt;  das 
erste  erfordemis  ist  Sittenreinheit  und  ein  ehrenhafter  sinn. 
Aphra  Behn  führt  folgendes  beispiel  für  den  gewissenhaften 
Charakter  der  Indianer  an :  „The  Indians  once  made  Mouming 
and  Fasting  for  the  Death  of  the  English  Govemor,  who  had 
given  his  Hand  to  come  to  'em,  and  neither  came  nor  sent; 
believing,  when  a  Man's  Word  was  past,  nothing  but  Death 
could  or  should  prevent  his  keeping  it:  And  when  they  saw 
he  was  not  dead,  they  ask'd  him  what  Name  they  had  for  a 
Man  who  promis'd  a  Thing  he  did  not  do?  The  Govemor 
told  them,  Such  a  Man  was  a  Lyar,  which  was  a  Word  of 
Infamy  to  a  Gentleman.  Then  one  of  'em  reply'd,  Govemor, 
you  are  a  Lyar,  and  guilty  of  that  Infamy".  3)  —  Oroonokos 
französischer  erzieher  besitzt  zwar  wenig  religion,  aber  dafür 
„admirable  Morals,  and  a  brave  Soul."  *)  Oroonoko  selbst  ist 
der  idealmensch,  in  welchem  sich  Sittenreinheit  und  hohe  bil- 
dung vereinigen.  In  ihm  verkörpern  sich  alle  eigenschaften 
eines  „galant  homme",  des  bildungsideals  der  feinen,  aristo- 
kratischen gesellschaft ,  wie  es  von  Frankreich  ausgegangen 
war.  Das  charakteristische  dieses  ideals  ist  die  betonung  der 
praktischen  brauchbarkeit  für  die  weit,  wozu  eine  ausbildung 
der  praktischen  Wissenschaften  und  künste,  in  den  modemen 
sprachen,  der  mathematik,  physik,  geschichte,  politik  und 
kriegskunst,  nötig  ist;  dazu  kommt  nach  aussen  hin  ein  mu- 
tiges, ehrenhaftes  und,  den  damen  gegenüber,  galantes  be- 
nehmen. Aphra  Behn  vertieft  dieses  ideal  durch  die  forde- 
rungen  der  naiven  Sittenreinheit  und  tugend  und,  in  religiöser 
beziehung,    einer  rein    menschlichen,    vernunftgemässen   an- 


0  Siehe  das  citat  p.  160.  >)  Ebenda. 

»)  Oroonoko,  p.  80.  *)  Ebenda,  p.  124. 


362  P.  SIBGSL, 

schaaungs weise,  dadurch  an  die  ^free-thinkere'*  erinneriid. 
Am  klarsten  sind  diese  beiden  fordemngen  der  tfichtigkeit 
nnd  vemnnftreligion  in  den  folgenden  wort^i  Qroonokos  aus- 
gesprochen. Der  englische  kapitän  lässt  Oroonoko  sagen,  er 
habe  bei  gott  geschworen  nnd  würde  die  grtesten  qnalen  im 
jenseits  erleiden,  wenn  er  seinen  eid  brechen  würde;  darauf 
antwortet  Oroonoko:  „Is  that  all  the  Obligations  he  has  to  be 
jnst  to  his  Oath?  Let  him  know,  I  swear  bj  mj  Hononr, 
which  to  violate.  wonld  not  only  render  me  contemptible  and 
despised  by  all  brave  and  honest  Men,  and  so  gire  my  seif 
perpetnal  Pain.  bat  it  wonld  be  etemaUy  offending  and  dis- 
pleasing  to  all  Mankind.  Bat  Pamshments  here  after  are 
snffer'd  by  one's  seif,  and  the  World  takes  no  Cognizance 
whether  this  God  has  reveng'd  'em  or  not,  'tis  done  so  secretly, 
and  deferr'd  so  long;  while  the  Man  of  no  Hononr  snffers 
every  Moment  the  Scom  and  Contempt  of  the  honester  World, 
and  dies  every  Day  ignominionsly  in  his  Farne,  which  is  more 
valnable  than  Life.  I  speak  not  this  to  move  Belief,  bnt  to 
shew  yon  how  yon  mistake,  when  yon  imagine,  that  he  who 
will  violate  his  Hononr,  will  keep  his  Word  with  his  Gods."  >) 
Aphra  Behn  kämpft  so  nicht  nnr  gegen  die  allgemein  sitt- 
liche Verderbnis  ihrer  knltur,  sondern  sie  wendet  sich  auch  in 
ironisch  satirischen  worten  gegen  einzelne  kleinere  fibelst&nde. 
So  verspottet  sie  den  byzantimsmus  der  „Conrt-Flatterers", 
die  ihren  forsten  nnr  zum  bösen  verführen.*)  Sie  weist  auf 
die  misstände  in  der  kolonie  hin:  die  kolonisten  sind  aus- 
schweifende, feige  Wüstlinge,  die  den  revolten  der  Sklaven 
schlecht  gerüstet  gegenüberstehen;')  wie  sie  die  flüchtigen 
Sklaven  verfolgen  wollen  und  zu  diesem  zweck  ihre  waffen 
hervorsuchen,  sind  diese  verrostet  und  unbrauchbar.^)  Auch 
in  The  Fair  Jilt  zeigt  sich,  allerdings  in  harmloserer  weise, 
die  satirische  ader  der  Schriftstellerin.  In  der  einleitung  wird 
der  eitle  modenarr  (Fop  in  Fashion)  verspottet,  welcher  glaubt, 
„that  Affeetation  in  his  Mein  and  Dress,  that  Mathematical 
Movement,  that  Formality  in  every  Action,  that  a  Face  manag'd 
with  Gare,  and  soften'd  into  Ridicule,  the  languishing  Tum, 
the  Toss,  and  the  Back-shake  of  the  Periwig,  is  the  direct 


0  Oroonoko,  p.  130  f.         *)  Ebenda,  p.  93  o.  105. 
»)  Ebenda,  p.  177.  *)  Ebenda,  p.  172. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PBOSA WERKE.  363 

Way  to  the  Heart  of  the  flne  Person  he  adores;  and  instead 
of  curing  Love  in  his  Soul,  serves  only  to  advance  his  FoUy."  J) 
Oroonoko  ist  nicht  ganz  mit  recht  ein  sklavenroraan  ge- 
nannt worden,  denn  die  Sklaven  nehmen  weniger  interesse  in 
ansprach,  als  man  erwarten  sollte.  Sie  tragen  zwar  ein  hartes 
joch,  und  Aphra  Behn  hat  dies  auch  erkannt,  wie  die  be- 
geisteraden  worte,  die  Oroonoko  an  die  Sklaven  richtet,  be- 
weisen. Allein  ein  eigentliches  mitleid  mit  den  armen  ge- 
schöpfen  bekundet  sich  sonst  nirgends.  Aphra  Behn  weiss 
offenbar  nicht,  wie  dem  Übelstande  abgeholfen  werden  sollte. 
Die  kolonisten  brauchen  arbeiter;  da  die  eingeborenen  sich 
nicht  dazu  hergeben,  so  ist  es  ganz  natürlich,  dass  Sklaven 
eingeführt  werden.  Oroonoko,  der  edelste  aller  menschen,  hat 
selbst  ausgedehnten  Sklavenhandel  vor  seiner  gefangennähme 
getrieben.  Das  mitleid  konzentriert  Aphra  Behn  ausschliess- 
lich auf  ihren  beiden,  also  auf  einen  einzelnen  menschen,  nicht 
auf  einen  ganzen  stand,  d.  h.  den  der  Sklaven.  Oroonoko  giebt 
sich  zwai'  die  grösste  mühe,  seine  mitsklaven  zu  befreien,  aber 
sein  plan  scheidert  an  der  feigheit  derselben.  Das  werk  ver- 
liert aber  deshalb  nicht  in  seiner  bedeutung;  es  sind  darin 
trotzdem  die  ersten  anregungen  zur  lösung  der  Sklavenfrage 
enthalten;  denn  mit  der  Schilderung  von  Oroonokos  leiden 
mussten  auch  reflexe  auf  das  leben  der  Sklaven  fallen.  In 
diesem  sinne  ist  der  Oroonoko  thatsächlich  „das  urbild  der 
neger-  und  Sklavengeschichten,  die  später,  nachdem  Rousseau 
durch  seine  Schriften  die  begeisterung  für  die  naturvölker 
geweckt  hatte,  beliebt  wurden  und  ihre  kräftigste  blute  in 
Amerika,  in  Beecher-Stowes  Onkel  Toms  Hütte  entfalteten."  2) 

2.   The  Nun,  or,  The  Perjur'd  Beauty,  und 

The  Lucky  Mistake. 

a)  Stoffe. 

Aphra  Behn  nennt  die  beiden  prosawerke  The  Nun  und 
The  Lucky  Mistake  novellen.  Damit  ist  angedeutet,  dass  sie 
nicht  blosse  berichte  wii^klich  geschehener  ereignisse  sind, 
sondern  erdichtete  erzählungen.  Von  romanen,  die  man  aller- 
dings im  englischen  ebenfalls  „Novels"  nennt,  unterscheiden 


0  The  Fair  Jüt,  p.  202.  »)  Wülker,  a.  a.  0.  p.  372. 


364  P.  SIEGEL, 

sie  sich  schon  ganz  äusserlich  durch  ihre  kürze.  Die  schrift- 
stellerin  lernte  diese  art  von  prosadichtungen  jedenfalls  durch 
die  französische  litteratur  kennen,  die  sie  von  Spanien  über- 
nommen und  in  reichem  masse  gepflegt  hat.  Grerade  aus  der 
zeit  des  17.  Jahrhunderts  stammen  eine  menge  von  novellen- 
sammlungen  aller  art.  Die  behnschen  novellen  gehören  zu 
der  art  der  sogenannten  galanten  novellen.  Sie  spielen  in 
ritterlich-aristokratischen  kreisen.  Die  motive  sind  die  allgemein 
beliebten :  Verratene  liebe,  blutrache,  eifersucht,  entführungen, 
Zweikämpfe  etc.  Der  Stoff,  den  Aphra  Behn  in  der  ersten 
novelle  behandelt,  ist  an  motiven  und  Verwickelungen  ausser- 
ordentlich reich.  Aehnlich  wie  in  The  Fair  Jilt  ist  die  be- 
leidigte liebe  das  erste  und  treibende  motiv:  Henrique  hat 
seiner  braut  die  treue  gebrochen.  Er  muss  deshalb  vor  den 
racheplänen  Sebastians,  des  brudere  der  verlassenen  braut 
fliehen,  bis  er  am  ende  noch  seine  unritterliche  that  mit  dem 
tode  büsst.  Diese  geschichte  verquickt  die  Schriftstellerin  mit 
einer  anderen,  in  welcher  eine  frau  ähnlich  der  Miranda  die 
die  heldin  ist.  Ardelia  reisst  erst  einen  freundesbund  durch 
ihre  Unbeständigkeit  auseinander  und  wird  schliessUch  der 
anlass  zu  dem  gewaltsamen  tode  aller  auftretenden  personen; 
sie  wird  zu  dem  Werkzeug  in  der  band  des  Schicksals,  das  die 
einzelnen  personen  und  sie  selbst  beleidigt  haben.  Wie  in 
The  Fair  Jilt  Miranda,  so  stürzt  hier  Ardelia  alle  diejenigen, 
die  mit  ilu'  in  berührung  kommen,  ins  verderben. 

Noch  mehr  hat  die  zweite  erzählung,  The  Lucky  Mistake, 
den  Charakter  einer  echten  novelle.  Zwei  junge,  schöne  men- 
schen lieben  einander.  Eine  schwatzlustige  Schwester  macht 
den  vermittelnden  liebesboten.  Die  väter  sind  gegen  eine  Ver- 
bindung. Die  liebenden  werden  durch  einen  dritten,  einen 
alten,  hässlichen,  feigen  aber  reichen  freund  des  vaters  der 
geliebten,  getrennt.  Sie  bleiben  sich  aber  treu  und  setzen  die 
Vereinigung  schliesslich  doch  durch.  Im  gegensatz  zu  der 
ersten  novelle  endet  die  zweite  zur  allgemeinen  Zufriedenheit 
aller  wie  in  den  meisten  geschichten  dieser  romantisch  ritter- 
lichen art  jener  zeit.  Dagegen  haben  beide  novellen  wesent- 
liche Züge  gemeinsam,  so  gewaltsame  entführungen,  nächtliche 
Überfälle  und  Zweikämpfe,  die  sehr  oft  durch  zufalle  herbei- 
geführt werden,  die  flucht  in  das  kloster  und  die  entftthrung 
aus   demselben;    die   Situationen   stimmen    am   ende   beider 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSA WEBKE.  365 

novellen  ganz  auffällig  überein,  nur  ist  der  ausgang  in  beiden 
fällen  ein  entgegengesetzter. 

b)  Darstellung. 

Ueber  die  darstellung  der  Charaktere  ist  nicht  viel  neues 
zu  sagen.  Die  männer  sind  durchweg  ritterlicli,  leidenschaft- 
lich, tapfer  und  bisweilen  auch  sentimental.  Einen  gewissen 
humor  besitzt  die  gestalt  des  alten  Vernole  in  The  Lucky 
Mistake.  Er  ist  ein  heimtückischer,  eingebildeter  pedant,  der 
seiner  angebeteten  duixh  würdevolles,  gespreiztes  benehmen 
imponieren  will,  dabei  aber  nur  lächerlich  wirkt.  Während 
er  andere  hintergehen  will,  ist  er  zum  Schlüsse  selbst  der 
betrogene  und  muss  froh  sein,  dass  er  überhaupt  noch  eine 
frau  bekommt.  Diese  gestalt  wird  uns  noch  drastischer  in 
einer  der  humoristischen  erzählungen  begegnen.  Von  den 
fi-auengestalten  gleicht  Ardelia,  wie  schon  hervorgehoben 
worden  ist,  vielfach  der  Miranda.  Sie  ist  ein  schönes,  leiden- 
schaftliches und  intrigantes  weib,  in  welches  sich  alle  männer 
verlieben,  um  an  ihr  zu  gründe  zu  gehen.  Im  gegensatz  zu 
ihr  steht  die  sanfte,  duldsame  Elvira,  die  verlassene  braut,  die 
den  geliebten  auch  noch  zu  retten  sucht,  nachdem  sie  von  ihm 
beleidigt  worden  ist,  und  dabei  das  leben  des  eigenen  brudera 
aufs  spiel  setzt.  Atlante,  die  heldin  in  The  Lucky  Mistake, 
ist  ganz  typisch  dargestellt.  Sie  ist  schön,  liebenswürdig, 
tugendhaft  und  treu,  in  jeder  beziehung  vollkommen.  Ein  zug, 
der  uns  schon  an  den  personen  der  beiden  erzählungen  Oroonoko 
und  The  Fair  Jilt  begegnet  ist,  ist  in  den  beiden  novellen  noch 
ausgeprägter,  besonders  wieder  in  The  Nun:  Die  personen 
benehmen  sich  wie  auf  dem  theater.  Ehe  sie  zu  sprechen  be- 
ginnen, nehmen  sie  eine  effektvolle  Stellung  ein,  die  von  der 
Schriftstellerin  wie  in  einem  drama  genau  vorgeschrieben  wird ; 
dafür  nur  ein  beispiel:  In  The  Nun  heisst  es  von  Antonio, 
nachdem  ihm  Ardelia  ihre  liebe  zu  Henrique  bekannt  hat: 
„Here,  with  folded  Arms,  and  Eyes  flxed  steadfastly  on  Hen- 
rique,  he  stood  like  a  Statue,  without  Motion ;  unless  sometimes, 
when  his  swelling  Heart  raised  his  over-charged  Breast." ») 

In  bezug  auf  die  Verbindung  und  motivierung  hat  es  sich 
Aphra  Behn  sehr  leicht  gemacht:    sie  schreibt  alles  einem 

0  The  Nun,  p.  807. 


366  p.  siEaEL, 

höheren  Schicksal  zu,  das,  besonders  in  The  Nun,  noch  eine 
gi^össere  rolle  spielt  wie  in  The  Fair  Jilt.  So  rechtfertigt 
Henrique  seine  liebe  zu  Ardelia,  der  braut  seines  freundes, 
mit  den  Worten:  „I  say  again,  my  Soul  loves  Ardelia:  And 
liow  can  it  be  otliei-wise?  Have  we  not  both  the  selve-same 
Appetites,  the  same  Disgusts?  How  then  could  I  avoid  my 
Destiny,  that  has  decreed  that  I  should  love  and  hate  just 
as  Antonio  does?  Oh,  hard  Necessity!"  ^  Auch  Ardelia  wird 
auf  dieselbe  weise  gereclitf ertigt ,  wodurch  wir  wieder  an 
Miranda  erinnert  werden:  „It  was  her  Fate,  that  brought 
this  Mischief  to  her.  2)  In  The  Nun  leidet  überdies  die  be- 
handluug  unter  der  reichhaltigkeit  des  Stoffes.  Aphra  Behn 
hat  es  nicht  verstanden,  die  beiden  geschichten,  in  die  die 
novelle  zerfällt,  geschickt  miteinander  zu  verbinden.  Die  dar- 
stellung  ist  infolgedessen  etwas  schwerfällig  und  nicht  recht 
dui*chsichtig  und  klar.  In  The  Lucky  Mistake  dagegen  ist 
sie  einfach  und  gewandt;  die  ereignisse  sind  httbsch  und  an- 
mutig erzählt ;  nur  gegen  den  schluss  hin  wird  die  darstellung 
etwas  verwickelter.  Es  fehlen  vor  allem  fast  gänzlich  die 
breit  ausgeführten  gespräche,  die  in  The  Nun  hemmend  und 
ermüdend  wirken.  Beiden  novellen  ist  wieder  die  thatsache 
gemeinsam,  dass  der  zufall  eine  grosse  rolle  spielt;  auf  zu- 
fallen beruht  sowohl  der  glückliche  ausgang  in  The  Lucky 
Mistake  wie  der  tragische  in  The  Nun. 

3.  The  Adventure  of  the  Black  Lady  and  The  Court 

of  the  King  of  Bantam. 

a)  Stoffe. 

Die  beiden  humoristischen  erzählungen  erfüllen  am  besten 
die  f orderung,  wii'klicli  geschehene  ereignisse  in  realistischer 
darstellung  zu  erzählen.  Es  ist  zu  verwundern,  dass  die  beiden 
erzählungen  bis  jetzt  keine  beachtung  gefunden  haben.  Sie 
sind  zwar  nur  klein,  aber  in  ihrer  art  doch  nicht  ohne  be- 
deutung,  da  wii*  in  ihnen  schon  hinweise  auf  die  hohe  kunst 
der  grossen  humoristen  des  18.  Jahrhunderts  finden  werden. 
Die  Stoffe  sind  dem  täglichen  leben  entnommen  und  zeichnen 
sich  nicht  durch  ausserordentlichkeit  aus.     Sie  beruhen  auf 


1)  The  Nun,  n  p.  812. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  XTKD  PROSAWERKE.  367 

wirklichen  erlebnissen,  wie  die  genanen  angaben  über  ort  und 
zeit  beweisen.  Die  erste  erzählung  beginnt  mit  den  werten: 
„About  the  Beginning  of  last  June  (as  near  as  I  can  remember) 
Bellamora  came  to  Town  from  Hampshire,  and  was  obliged 
to  lodge  the  flrst  Night  at  the  flrst  Inn,  where  the  Stage- 
Coach  set  up."0  Ebenso  genau  sind  die  örtlichkeiten  in  der 
zweiten  erzählung  angegeben.  So  dinieren  die  herren  bei 
„Locket's" ;  die  Verfasserin  erinnert  sich  sogar  noch  der  stücke, 
die  im  theater  gegeben  wurden,  als  Would-be  King  mit  seinen 
freunden  dasselbe  besucht;  es  waren  „A  King  and  no  King"^) 
und  „The  London  Cuckolds".^) 

Die  beiden  erzählungen  behandeln  für  die  damalige  zeit 
echte  lustspielstoffe.  In  der  ersten  kommen  vor  ein  alter, 
giausamer  onkel,  eine  in  misslichen  Verhältnissen  befindliche 
heldin,  zwei  schlaue  freundinnen,  ein  verschmähter  und  ein 
glücklicher  liebhaber.  Es  fehlt  auch  eins  der  wichtigsten 
elemente  des  damaligen  lustspiels  nicht,  das  pikante  und  an- 
stössige.  Komisch  muss  vor  allem  der  schluss  wirken;  die 
strengen  hüter  der  öffentlichen  Ordnung,  die  „Overseers  of  the 
Poor",  werden  hinters  licht  geführt.  Ebenso  komödienhaft  ist 
die  zweite  erzählung:  die  beschränktheit  und  eitelkeit  eines 
reichen  narren  wird  benützt,  um  zwei  liebende  zu  vereinigen 
und  glücklich  zu  machen. 

b)  Behandlung. 

Die  Personen,  welche  Aphra  Behn  in  den  beiden  humo- 
ristischen erzählungen  darstellt,  sind  wie  die  begebenheiten 
dem  alltäglichen  leben  entnommen.  Es  sind  normale  menschen, 
wie  sie  wirklich  existieren  in  der  alltagsweit;  sie  zeichnen 
sich  nicht  duich  ausserordentliche  eigenschaften  aus  wie  die 
Personen  der  anderen  prosawerke.  Dadurch  erhalten  die  er- 
zählungen schon  den  Charakter  des  realistischen  und  natüi*- 
lichen.  Von  ausgeführten  Charakteren  kann  man  in  der  ersten 
ei-zählung,  The  Black  Lady,  nicht  sprechen,  da  diese  viel  zu 
kurz  dazu  ist.  In  der  anderen  sucht  Aphra  Behn  wie  in 
ihren  späteren  lustspielen  die  eigentümlichkeiten  der  einzelnen 


>)  Black  Lady,  p.  325. 

^  Von  Beaumout  und  Fletcher,  siehe  Wülker,  a.  a.  o.  p.  300. 

>)  Von  £dw.  Eavenscroft,  siehe  HaUiweli,  Oid  Eng.  Plays  p.  144. 


368  P.  SIEGEL, 

Personen  schon  durch  charakteristische  namen  anzndentCB,  irie 
z.  b.  Would-be  King,  Friendly,  Groodland,  Lady  Fl^paat 
(plappermund,  vorlaut),  etc.  In  diesen  bezeiehnongea  renit 
sich  schon  die  humoristische  tendenz  der  schriftsteUerm.  Der 
humor  liegt  hauptsächlich  in  der  darstellang  der  gestalt  des 
Would'be  King.  Diese  gestalt  ist  von  der  aatorin  sdir  git 
gezeichnet  worden.  Would-be  King  ist  ein  reicher,  aber  ein- 
gebildeter, beschränkter  dununkopl  Trotzdem  er  y^lieiratet 
ist,  unterhält  er  einen  regen  damenverkehr,  während  sich  seine 
frau  auf  dem  lande  befindet.  Von  seinem  vermögen  macht  er 
einen  ausgiebigen  gebrauch,  indem  er  alle  seine  bekanntia, 
besondei'S  die  damen,  reich  beschenkt :  „to  see  a  Present  made 
today  of  a  diamond  Ring,  worth  two  or  three  hondred  Ponnds^ 
to  Madam  Flippant;  to  morrow,  a  large  Chest  of  the  finest 
China  to  my  Lady  Fleecewell ;  and  next  Day,  perhaps,  a  rieh 
Necklace  of  Oriental  Pearl,  with  a  Locket  to  it  of  Saphires, 
Emeralds,  Rubies,  etc.,  to  pretty  Miss  Ogle-me,  for  an  amorous 
Qlance,  for  a  Smile,  and  for  the  mighty  Blessing  of  one  Single 
kiss.  ßut  such  were  his  Largesses,  not  to  reckon  bis  Treats, 
his  Balls,  and  Serenades  besides,  tho'  at  the  same  time  he  had 
marry'd  a  virtuous  Lady,  and  of  good  Quality :  But  for  a  Man 
of  his  Humour  and  Estate,  can  no  more  be  satisfy'd  with  one 
Woman,  than  with  one  Dish  of  Meat;  and  to  say  Truth,  'tis 
sometliing  unmodish."  *)  Diese  freigebigkeit  entspringt  aber 
nicht  etwa  einem  grossmtttigen  sinn,  sondern  Would-be  King 
will  damit  nur  protzen  und  sich  ein  ansehen  verschaffen. 
Dies  gelingt  ihm  scheinbar  auch  bei  seinen  freunden,  die  ihm 
die  königswürde  verleihen.  Um  zu  beweisen,  dass  er  dieser 
Stellung  würdig  sei,  sucht  Would-be  King  ein  ritterliches, 
galantes  wesen  den  damen  gegenüber  an  den  tag  zu  legen; 
aber  dies  fällt  ihm  sehr  schwer,  denn  er  kann  seine  lüstern- 
heit  und  ungeschliffenheit  nicht  verleugnen.  Die  achtung  der 
herren  will  er  durch  herrisches  auftreten  gewinnen,  sein  könig- 
liclier  stolz  verwandelt  sich  aber  sogleich  in  furcht,  wie  ihn 
Valentine  Goodland  zum  Zweikampf  herauszufordern  droht^ 
und  er  ist  froh,  dass  er  sein  ansehen  auf  friedlichem  wege 
wiederherstellen  kann.  Er  ladet  seine  freunde,  darunter  den 
vei^öhnteu  gegner,  zum  diner  ein,  führt  sie  ins  theater,  wo 


i)  King  of  Bautam,  p.  294. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       369 

er  allen  seine  ernennung  zum  könig  mitteilt.  Er  giebt  ein 
grosses  ballfest,  auf  dem  er  seinen  ganzen  reichtum  entfaltet 
und  sich  in  seiner  königlichen  würde  sonnt.  Dabei  merkt  er 
nicht,  wie  ihn  seine  „freunde"  betrügen;  er  glaubt  vielmehr 
Goodland  betrügen  zu  können;  zu  seiner  beschränktheit  ge- 
sellt sich  also  noch  hinterlistige  bosheit.  So  ist  Would-be 
King  ein  durchaus  schlechter  Charakter,  in  der  that  ein 
„original",  wie  ihn  die  Schriftstellerin  humoristisch  nennt, 
„since  nothing  in  Humanity  was  ever  so  vain,  so  haughty,  so 
profuse,  so  fond,  and  so  riduculously  ambitious,  as  Mr.  Would-be 
King."  9  Es  ist  klar,  dass  Aphra  Behn  der  gestalt  des 
Would-be  King  die  niedrigen  eigenschaften  beilegt,  um  diesen 
lächerlich  und  unsympathisch  zu  machen.  Aber  auch  die 
anderen  Charaktere  sind  in  sittlicher  beziehung  nicht  rein. 
Friendly  and  Goodland  haben  zwar  das  recht,  den  eitlen 
thoren  zu  verspotten,  aber  nicht  ihn  zu  betrügen  und  auszu- 
beuten; denn  Friendly  gewinnt  das  geld,  das  er  füi*  seine 
nichte  braucht,  durch  hohes  und,  wie  aus  der  darstellung  her- 
vorzugehen scheint,  falsclies  spiel,  und  ausserdem  betrügt  er 
King  noch  durch  seine  ehemalige  geliebte  Lucy.  Wir  müssen 
hier  wieder  rücksicht  auf  die  damaligen  leser  nehmen,  denen 
nur  derartige  „spässe"  vergnügen  bereiten  konnten.  —  Was 
die  Zeichnung  der  Charaktere,  abgesehen  von  dem  des  Would-be 
King,  anbetrifft,  so  unterscheidet  sie  sicli  zunächst  wenig  von 
derjenigen  in  den  anderen  prosawerken.  Goodland  ist  ein 
vornehmer  gentleman,  der  erbe  einer  rente  von  1500  if  jähr- 
lich, „which,  however,  did  not  so  much  recommend  him,  as 
the  Sweetness  of  his  Temper,  the  Comeliness  of  his  Person 
and  the  Excellency  of  his  Parts."  2)  Friendly  ist  ein  fein 
erzogener,  schöner,  tapferer  und  witziger  herr,  der  die  reiche 
witwe  eines  bankiers  geheiratet  und  sich  mit  deren  gelde  in 
den  ritterlichen  stand  eingekauft  hat.  Die  frauen  sind  natür- 
lich schön,  witzig  und  im  besitze  aller  tugenden.  Diese 
Charakteristik  ist  gleichsam  schematisch  und  steht  nur  auf 
dem  papier;  die  personen  handeln  in  Wirklichkeit  gar  nicht 
dem  Charakter  entsprechend,  den  ihnen  die  Schriftstellerin  zu 
anfang  der  erzählung  giebt.  Die  gute  erziehung  und  „excellent 
Parts"  hindern  die  männer  nicht  an  lug  und  trug,  an  unehr- 


»)  King  of  B.,  p.  296.  *)  Ebenda,  p.  202. 

AngUa     N.  F.    XIII.  24 


370  P.  8I1SGEL, 

licliem  spiel  und  wiister  Völlerei.  Mit  der  togend  neli]ii6ii  es 
die  franen  in  Wirklichkeit  nicht  so  genau.  Friendly's  gattin 
duldet  es  ruhig,  dass  die  ^quondam  Mistress"  ihres  mannes  in 
ihi'em  hause  verkehrt,  und  sie  findet  es  durchaas  nicht  be- 
denklich, sich  durch  das  spiel  mit  dem  dummen  Wonld-be 
King  zu  bereichem:  „The  Lady  Friendly  understanding  thit 
Would-be  King  was  with  Sir  Philip  in  the  Parlonr,  came  in 
to  'em,  in  Hopes  to  make  up  a  Purse  of  Guineas  toward  the 
Purchase  of  some  new  flne  Business  that  she  had  in  her  Head, 
from  his  accustom^d  Design  of  losing  at  Play  to  her.**  >)  Auch 
Philibella  findet  nichts  darin,  sich  mit  jener  „quondam  Misfaress" 
und  ihrem  onkel  Friendly  dui*ch  kartenspiel  zu  ergOtzen  und 
sich  von  dem  thörichten  Would-be  King  fflr  einen  diamant- 
ring im  werte  von  300  £  küssen  zu  lassen.  Selbst  Lucy,  die 
gefallene  kokette,  wird  durchaus  nicht  verachtenswert  dar- 
gestellt. Man  rechnet  mit  diesen  franen  wie  mit  anderen 
selbstverständlichen  dingen.  Lucy  ist  das  mittel,  dessen  man 
sich  zu  dem  unsauberen  betrug  bedient. 

Die  humoristischen  erzählungen  werfen  interessante  re- 
fiexe  auf  die  zeit,  in  welcher  sie  entstanden  sind.  Es  ist  dne 
genussfrohe,  ausgelassene  gesellschaft  mit  manchen  bedenk- 
lichen, sittlichen  mangeln,  in  die  uns  die  Schriftstellerin  fBhrt 
Das  eheleben  lernen  wir  nicht  gerade  von  der  besten  seite 
kennen.  Friendly  lässt  seine  ehemalige  geliebte  in  seinem 
hause  verkehren,  trotzdem  er  verheiratet  ist;  die  gattin  scheint 
auch  nichts  dagegen  zu  haben.  Would-be  King  treibt  es  noch 
schlimmer;  er  hat  seine  frau  auf  das  land  geschickt^  am  sich 
ungenierter  amüsieren  zu  können.  Er  giebt  grosse  festUdi- 
keiten,  bei  denen  „die  geister  des  weines  durch  alle  winkel 
des  hauses  fliegen "".  3)  Goodland  und  Would-be  zechen,  nadi- 
dem  sich  die  übrigen  zur  ruhe  begeben  haben,  noch  bis  nem 
uhr  vormittag  zusanmien,  um  dann  den  ganzen  tag  zn  ver- 
schlafen. —  Das  kartenspiel  ist  bei  damen  und  herren  be- 
liebt; die  einsätze  sind  ungewöhnlich  hoch:  Friendly  ud 
Would-be  King  spielen  mit  einsätzen  von  40  und  100  X\  der 
letztere  verliert  an  einem  abend  3200  H !  Diese  summen  sind 
von  der  Schriftstellerin  durchaus  nicht  zu  hoch  gegriffen,  wie 
uns  andere  überlieferte  Zeugnisse  beweisen.')  —  IntorosaaDt 


0  King  of  B.,  p.  295.        >)  Ebenda,  p.  815.         *)  ArautalB,  a  a  oi 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       371 

sind  auch  die  anspielungen  auf  die  lektüre  jener  gesellschaft. 
Lucy  entgegnet  Would-be  King,  als  ihr  dieser  seine  liebe  be- 
teuert: „I  fear  your  Majesty  will  forget  the  unhappy  Statira, 
when  you  return  to  the  Embraces  of  your  dear  and  beautiful 
Roxana.  *)  Die  beiden  genannten  frauengestalten  sind  zwei 
hauptpersonen  in  einem  roman  des  Franzosen  De  La  Calpre- 
nfede.2)  Neben  diesem  autor  gezierter,  idealistischer  romane 
wird  der  realist  und  cyniker  Eabelais  genannt.  3)  Also  die 
grössten  gegensätze  in  der  lektüre  jener  zeit  begegnen  uns 
hier  in  der  kurzen  erzählung. 

Die  form  der  humoristischen  erzählung  ist  wieder  die  des 
fortlaufenden  berichtes.  Entsprechend  dem  einfachen  Inhalt 
ist  sie  einfach  und  natürlich,  wodurch  sie  sich  von  derjenigen, 
der  anderen  prosawerke,  in  denen  ja  ausserordentliche  ereig- 
nisse  erzählt  werden,  vorteilhaft  untei-scheidet.  Die  darstellung 
ist  reich  an  einzelzügen,  besonders  an  humoristisch  gehaltenen 
stellen;  dadurch  gewinnt  das  ganze  einen  lebhaften,  realisti- 
schen zug.  So  hebt  die  Schriftstellerin  die  neugierde  und 
schwatzsucht  der  frauen  gem  hervor.  Dafür  möge  ein  beispiel 
genügen,  das  zugleich  das  talent  Aphra  Behns  für  detail- 
schilderungen  kennzeichnet:  Would-be  King  eilt  auch  an  den 
fürstlichen  hof,  um  der  zum  empfang  beim  könig  versammelten 
gesellschaft  seine  emennung  zum  bohnenkönig  mitzuteilen ;  er 
wendet  sich  zuerst  an  Madam  Tattlemore,  die  sofort  für  wei- 
tere Verbreitung  sorgt:  „How  wondrous  hasty  was  she  to  be 
gone,  as  soon  as  she  heard  it!  Twas  not  in  her  Power, 
because  not  in  her  Nature,  to  stay  long  enough  to  take  a 
civil  Leave  of  the  Company ;  but  away  she  flew,  big  with  the 
Title  of  a  fantastick  king,  proclaiming  it  to  every  one  of  her 
Acquaintance,  as  she  pass'd  through  every  Room,  tili  she  came 
to  the  Presence- Chamber,  where  she  only  whisper  'd  it;  but 
her  Whispers  made  above  half  the  honourable  Company  quit 
the  Presence  of  the  King  of  Great-Britain,  to  go  make  their 
Court  to  his  Majesty  of  Bantam :  some  cry'd,  „God  bless  your 
Majesty!''  Some,  „Long  live  the  King  of  Bantam!"  Others, 
„AÜ  Hau  to  your  Sacred  Majesty!"    In  short,  he  was  con- 


»)  King  of  B.,  p.  303. 

*)  Der  titel  des  fraglichen  romans  ist  Cassandre,   s.  Körting,  a.  a.  o. 
p.  242  ff.  »)  King  of  B.,  p.  314. 

24* 


372  P.  SIEGEL, 

gratulated  on  all  Sides.  Indeed  I  don't  hear  that  bis  Majesty 
King  Charles  II.  ever  seilt  an  Ambassador  to  compliment  him; 
tho'  possibly,  he  saluted  him  by  his  Title  the  first  time  he 
saw  him  af terwards ;  For,  you  know,  he  is  a  wonderful  good- 
natui-'d  and  wellbred  Gentleman."  *) 

Die  spräche  ist  in  den  beiden  humoristischen  erzählnngen 
einfacher  und  natürlicher  als  in  den  anderen  prosawei-ken. 
Der  grund  mag  darin  liegen,  dass  hier  einfachere  erlebnisse 
erzählt  werden ;  es  fehlen  die  grosse  leidenschaft  und  die  ausser- 
ordentlichen thaten,  die  die  Schriftstellerin  in  den  anderen 
Schriften  auch  in  gehobener  spräche  darzustellen  versucht 
Niu'  in  den  mund  des  Would-be  King  legt  die  autorin  eine 
geschraubte  spräche,  um  seinen  eitlen,  aufgeblasenen  Charakter 
zu  kennzeichnen.  So  ruft  er  aus,  wie  ihm  Friendly  gezeigt 
hat,  auf  welche  weise  er  sich  an  dem  ungehorsamen  Gk>od]and 
rächen  könne:  „Oh,  thou  niy  better  Genius  than  which  was 
given  to  me  by  Heaven  at  my  Birth!  What  Thauks,  what 
Praises  shall  I  return  and  sing  to  thee  for  this!"*) 

YIl.  Weitere  geschichte  der  prosawerke  Aphra  Behns« 

Die  prosaschriften  Aphra  Behns  wurden  gesammelt  und 
herausgegeben  von  Mr.  Charles  Gildon  unter  dem  titel:  „All 
the  Histories  and  Novels.  Written  by  the  Late  Ingenions 
Mrs.  Behn.  Intire  in  two  Volumes.  London  1698."  Die  achte 
aufläge  vom  jähre  1735  liegt  der  in  dieser  abhandlnng  be- 
nutzten ausgäbe  der  „Works"  von  1871  zu  gründe.  Diese 
acht  auflagen  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  siebenunddreissig 
jähren  sprechen  am  besten  für  den  beifall,  den  die  Schriften 
Aphra  Behns  gefunden  haben  müssen.  Die  grösste  Wirkung 
übte  naturgemäss  die  erzählung  von  Oroonokos  Schicksalen 
aus.  Wir  haben  gesehen,  dass  selbst  der  könig  dieser  erzäh- 
lung ein  grosses  Interesse  entgegenbrachte.  Allerdings  fasste 
man  den  Oroonoko  nicht  als  ein  in  sozialer  beziehong  wich- 
tiges werk  auf,  sondern  man  interessierte  sich  hauptsächlich 
für  den  romanhaften  teil ,  für  die  an  Verwickelungen  und  in- 
triguen  reiche  geschichte  Oroonokos  und  Imoindas.  Der  dichter 
Southerne  hielt  das  heldenpaar  recht  für  die  bfihne  geeignet 


»)  King  of  B.,  p.  312.  ")  Ebenda. 


APHRA  BEHN8  GEDICHTE  UND  PROSA  WERKE.  373 

und  clramatisierte  die  geschichte  mit  grossem  erfolgJ)  Es 
wird  dadurch  bestätigt,  was  ich  von  dem  eigentümlich  dra- 
matischen zug  an  den  personen  Aphra  Behns  sagte.  Bezeich- 
nend sind  die  worte  Southernes  in  dem  „Epistle  Dedicatory" 
zu  dem  drama:  „Mrs.  Behn  had  a  great  Command  of  the 
St^ge;  and  I  have  often  wonder'd  that  she  would  burry  her 
Favourite  Hero  in  a  Novel,  when  she  might  revive  him  in 
the  Scene.  She  thought  either  that  no  Actor  could  not  re- 
present  him;  or  she  could  not  bear  him  represented:  And  I 
believe  the  last,  when  I  remember  what  I  have  heard  from 
a  Friend  of  hers,  That  she  always  told  this  Story  more 
feelingly,  than  she  writ  it."  —  Für  die  popularität  des 
Oroonoko  führt  Beljame  2)  folgendes  zeugnis  an :  „John  Bunde 
trifft  ein  junges  mädchen,  das  er  einst  geliebt  hat:  „Wie, 
sagte  ich,  Miss  Wolf  de  Ralineskay?  0  meine  Imoinda!  und 
ich  schloss  sie  in  die  arme  etc."  (Life  of  John  Bunde  Esq., 
vol.  II.,  p.  183.)  —  Das  werk  wurde  sehr  bald  im  ausländ  be- 
kannt. Schon  im  jähre  1709  liegt  eine  wörtliche  deutsche 
Übersetzung  vor.  3)  Charakteristisch  ist  übrigens  für  den 
deutschen  Übersetzer  der  moralische  zweck,  den  er  dem  werke 
beilegt :  „. . .  es  diene  dergleichen  Traktätlein  unvergleichlich 
zum  Beweiss  |  dass  wie  schon  von  undenklichen  |  ja  etlich 
tausend  Jahren  |  also  noch  jetzo  |  durch  Falschheit  |  Meyn- 
Eyd  I  Aergerniss  |  Verfolgung  |  Rachgier  |  Grausamkeit  u.  s.  f.  | 
(ich  erschrecke  ob  dieser  unläugbahren  Wahrheit  | )  ein  Mensch 
des  andern  Teuffei."  Der  deutsche  autor  fasst  das  werk  also 
als  eine  moralische  erzählung  auf.  —  Eine  französische  Über- 
tragung erfolgte  erst  im  jähre  1745.*)  Es  ist  dies  keine  ge- 
naue Übersetzung  wie  die  deutsche,  sondern,  wie  in  der  zweiten 


*)  Oroonoko:  A  Tragedy.  As  it  is  Acted  at  the  Theatre-Royal ,  By 
bis  Majesty's  Servants.    Written  by  Tbo.  Southerne.    London  1696. 

*)  Beljame,  a.  a.  0.  p.  15. 

•)  Lebens-  und  Liebes-Gescbichte  des  Königlichen  Sklaven  Oroonoko 
in  West -Indien.  Mit  ihren  wahrhaflFten  und  merkwürdigen  Umständen. 
Duch  die  sinnreiche  Feder  der  berühmten  Engelländerin  Mrs.  Aphra  Behn. 
Verteutscht  durch  M.  V.**    Hamburg.    Im  Jahre  1709. 

*)  Oronoko.  Traduit  de  L'Anglois,  De  Madame  Behn.  A  Amsterdam. 
1745.  Der  französische  autor  teilt  in  richtiger  erkenntnis  die  erzählung  in 
zwei  teile  in  der  weise,  wie  es  in  dieser  abhandlung  geschehen  ist. 


374  P.  SIEGEL, 

ausgäbe  0  richtig  bemerkt  ist,  eine  nacbahmuiig.  Der  fran- 
zösische autor  hat  viel  geändert,  teils  gekttrzt,  teils  hinzu- 
gefügt. Was  an  dem  original  noch  nicht  romanhaft  war,  das 
ist  in  der  französischen  bearbeitung  noch  dazn  geworden. 
Dies  betrifft  vor  allem  den  schluss,  der  yersöhnlich  ansklingt 
Oroonoko  wird  im  letzten  angenblick  gehindert,  Lnoinda  m 
töten.  Beide  werden  gerettet,  nachdem  Imoinda  noch  -einige 
merkwürdige  abenteuer  erlebt  hat,  und  sie  kehren  reich  be- 
schenkt in  ihre  heimat  zurück.  Oroonoko  kommt  gerade  noch 
zur  rechten  zeit,  um  seinem  sterbenden  grossyater  die  angen 
zuzudrücken  und  die  regierung  zu  übernehmen.  Eingeschoben 
ist  u.  a.  auch  eine  pikante  sensationsscene  zwischen  dem 
gouverneur  Byam  und  Imoinda.  Der  Übersetzer  hat  also  eben- 
sowenig die  wahre  bedeutung  des  werkes  erkannt  und  sich 
vielmehr  nur  für  das  abenteuerlich  -  romanhafte  interessiert 
Das  wahre  Verständnis  für  die  reinheit  der  natnr  und  die 
naivetät  ihrer  kinder  wurde  erst  durch  Bonsseau  erweckt 
Interessant  sind  die  gründe,  mit  denen  der  französische  be- 
arbeiter  die  grossen  Veränderungen  motiviert;  er  schreibt: 
„Mon  Intention  n'a  pas  6t6,  d'entreprendre  nne  Tradaction 
litt^rale,  ni  de  m'astraindre  scrupuleusement  au  texte  de  mon 
Auteur.  Oronoko  a  plü  k  Londres,  habillö  äl'Angloise:  Ponr 
plaire  k  Paris,  j'ai  crü  qu'il  lui  fallait  un  habit  Frangois.  Je 
ne  sgais  meme,  si  cette  mani^re  de  tradnire  les  Oavrages,  de 
pur  amusement,  n'est  pas  la  meilleure.  Je  crois,  du  moins, 
([ue  je  ne  manquerois  pas  de  raisons  solides,  ponr  jnstifler 
cette  opinion."2) 

Die  anderen  prosaschriften  bleiben  in  bezng  auf  ihre 
])ach\\ärkung  weit  hinter  Oroonoko  zurück.  Es  lassen  sich  mit 
einer  ausnähme  keine  Übersetzungen  nachweisen.  Die  erzkh- 
lung  „The  Fair  Jilt"  hat  R.  Eduard  von  Bttlow  (f  18S3)  ins 
Deutsche  übertragen  und  in  sein  bekanntes  „novellenbach" 
aufgenommen.  ^) 


»)  Oronoko,  Imit^  de  L'Aiiglois,  Nouvelle  Edition ,  revue  et  eorrig^ 
Par  M.  De  La  Place.    A  Paris  1756. 

*)  Preface  du  Traducteur. 

3)  Dieses  novellenbuch  erschien  in  vier  bänden.  Leipiig  1894—36; 
am  bequemsten  zugänglich  ist  die  erzählnng  in  der  ausgäbe  des  noTeUesr 
buchcs,   die  in  Mcyei-s  Volksbüchern  als  no.  i^78.  474.    (Leipdg  v.  Wio^ 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERK&       875 

YIII.  Urteile  der  Zeitgenossen.    Wflrdigong. 

Aphra  Bahn  muss  als  Schriftstellerin  unter  ihren  Zeitge- 
nossen eine  sehr  geachtete  Stellung  eingenommen  haben.  Sie 
stand  in  nahem  verkehr  mit  den  bedeutendsten  schriftsteilem 
ihrer  zeit  wie  Rochester,  Etherege,  Dryden,  Shadwell,  Wycherly, 
Settle,  Lee,  Otway,  Crown  etc.  Der  erstere  scheint  sie  aller- 
dings besonders  wegen  ihrer  weiblichen  Vorzüge  geschätzt 
zu  haben;  in  seinem  gedichte  „A  Session  of  Poets">)  sagt  er 
von  ihr: 

The  Poetess  Afra  next  shew'd  her  sweet  Face, 

And  swore  by  her  Poetary,  and  her  black  Ace  (=  Eyes), 

That  the  Laurel  by  a  donble  Right  was  her  own, 

For  the  Plays  she  has  writ,  and  the  Conqnests  she  'ad  won. 

ApoUo  acknowledg'd  'twas  hard  to  deny  her; 

But  yet,  to  deal  frankly  and  ingennously  by  her, 

He  told  her,  were  Conqnests  and  Channs  her  Pretence, 

She  onght  to  have  pleaded  a  dozen  Years  since. 

Mit  diesem  Wüstling  Rochester  muss  Aphra  Behn  min- 
destens in  näheren  litterarischen  beziehungen  gestanden  haben, 
wie  ihr  gemeinschaftliches  dichterisches  arbeiten  beweist.  2) 
Etherege  hatte,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  gedichte  zu  der 
Sammlung  vom  jähre  1685  beigesteuert.  Dryden  und  Otway 
schrieben  prologe  zu  ihren  lustspielen.  3)  Dryden  spricht  sich 
anerkennend  besonders  über  ihr  talent  zum  übersetzen  aus,*) 
und  Otway  beruft  sich  sogar  auf  ihr  urteil;  man  hatte  letz- 
terem aus  damenkreisen  vorwürfe  über  die  Unschicklichkeiten 
in  seinem  lustspiel  „The  Soldier's  Fortune"  gemacht;  er  ant- 
wortet darauf  mit  den  werten  Aphra  Behns :  „she  wonders  at 
the  impudence  of  any  of  her  sex  who  would  pretend  to  an 
opinion  in  such  a  matter."  ^)  Auch  noch  nach  ihrem  tode  wird 
Aphra  Behn  von  denen,  die  sie  gekannt  und  mit  ihr  verkehrt 
haben,  günstig  beurteilt.     In  der  Übersetzung  von  Cowley's 


Bibliogr.  Institut)  erschienen  ist.  Ein  genauer  abdruck  dieser  Übersetzung 
ist  die  folgende  ausgäbe:  Aphra  Behn,  Miranda.  Leipzig,  Gressner  u. 
Schramm.    Dieses  buch  wird  noch  heute  auf  der  messe  verkauft! 

>)  The  Poems  of  the  Earls  of  Rochester  etc.,  p.  133. 

*)  Siehe  p.  126  ff. 

•)  Dryden  zu  dem  Widow  Rant«r  und  Otway  zu  The  City  Heiress. 

*)  Allibone^s  Dictionary  etc.,  sub  Behn. 

»)  D.  N.  B.  sub  Otway,  bd.  XLII. 


376  P.  SIEGEL, 

„Of  Plauts" ')  finden  sich  folgende  anerkennende  verse  eines 
gewissen  S.  Wesley  (die  verse  sind  die  antwort  auf  die  frage, 
wer  sich  der  schwierigen  aufgäbe,  Cowley's  yerse  zu  fiber- 
setzen, unterziehen  dürfe): 

Soft  Afra,  who  led  our  shepherds  long, 

Who  long  the  nymphs  and  swains  did  gnide, 

Our  envy,  her  own  sex*8  pride, 

When  all  her  force  on  this  great  theme  she  'ad  try'd, 

She  strain*d  a  while  to  reach  th*  inimitable  seng, 

She  strain*d  a  while,  and  wisely  dy*d. 

Ueberaus  anerkennend  und  begeistert  ist  das  urteil,  das 
der  herausgeber  ihrer  werke,  Charles  Gildon,  über  die  Schrift- 
stellerin fällt;  es  wird  uns  sehr  übertrieben  erscheinen,  wenn 
er  schreibt:-)  „The  following  CoUection  of  Plays  needs  no 
other  Eecommendation ,  than  that  they  were  writ  by  the  in- 
comparable  Mrs.  A.  Behn;  a  Person  whose  Character  is  so 
universelly  known,  and  whose  Performances  have  met  with 
such  a  general  Applause,  that  'tis  needless  to  bespeak  the 
Reader's  Favour  on  her  Behalf.  Her  Poems,  Novels,  Trans- 
lations,  and  several  other  Composures,  both  in  Prose  and  Verse, 
have  gain'd  her  a  lasting  Esteem  among  the  Masters  of  Wit 
and  Sense.  —  Those  who  had  the  Happiness  to  be  personaUy 
acquainted  with  her,  were  so  charm'd  with  her  Wit>  Freedom 
of  Temper,  and  agreeable  Conversation,  that  they  in  a  manner 
ador'd  her."  Noch  wärmer  sind  die  worte  in  dem  „Epistle 
Dedicatory"  zu  den  „Histories  and  Novels"  gehalten : »)  „. . .  our 
Admiration  of  Mrs.  Behn,  whose  Genius  was  of  that  Force, 
like  Homer's,  to  maintain  its  Gaiety  in  the  midst  of  Disap- 
pointments,  which  a  Woman  of  her  Sense  and  Merit  ought 
never  to  have  met  with:  But  she  had  a  great  Strength  of 
Mind,  and  Command  of  Thought,  being  able  to  write  in  the 
midst  of  Company,  and  yet  have  her  Share  of  the  Conver- 
sation; which  I  saw  her  do  in  writing  Oroonoko,  and  other 
Parts  of  the  following  Volume:  in  every  Part  of  which,  Sir, 
you'U  lind  an  easy  Style,  and  a  pecular  Happiness  of  thinking. 
The  Passioiis,  that  of  Love  especially,  she  was  Mistress  of; 
and  gave  us  such  nice  and  tender  Touches  of  them,  that 


0  Siehe  p.  109.  «)  Praface  zu  den  Works,  bd.  L 

»)  Works  V,  p.  XI. 


APHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.  377 

\vithout  her  Name  we  might  discover  the  Autlior;  as  Pro- 
togenes  did  Apelles,  by  the  Stroke  of  his  Pencil."  —  Mit  den 
moralischen  bestrebungen  des  18.  Jahrhunderts  änderte  sich 
naturgemäss  auch  die  beurteilung  Aphra  Behns.  Richard 
Steele  sagt  ironisch  von  ihr,  „that  she  understood  the  practic 
part  of  love  better  than  the  speculative" ;  0  im  „Spectator"  2) 
nennt  er  sie  unter  den  „luscious  Writers".  Pope  schreibt  mit 
bezug  auf  Behn's  dramen  über  sie:») 

The  Stage  how  loosely  does  Astrtea  tread. 
Who  fairly  puts  all  charact^rs  to  bed. 

Wir  haben  schon  weiter  oben  gesehen,  dass  Aphra  Behn 
sehr  bald  in  Deutschland  bekannt  und  geschätzt  wurde;  ich 
weise  daher  auf  die  zitierten  stellen  aus  Hagedorns  und 
Menckes  gedieh ten.  *)  Der  französische  Übersetzer  des  Oroonoko 
sagt  in  seiner  Preface:  „L'Ouvrage,  que  je  donne  an  Public, 
est  de  la  composition  de  Madame  Behn,  c'est-ä-dire,  d'une 
plume  aussi  c61febre,  en  Angleterre,  que  celle  des  Villedieu,  des 
Scudöri,  et  des  Lussan,  Test  en  France." 

Durch  die  Verurteilung  Aphra  Behns  dui'ch  Steele,  Pope 
u.  a.  geriet  die  Schriftstellerin  in  Vergessenheit.  Gänzlich  ver- 
gessen freilich  wurde  sie  nie.  Noch  im  19.  Jahrhundert  wurde 
sie  von  einer  deutschen  Schriftstellerin,  einer  massenschreiberin, 
zur  heldin  eines  „historischen"  romans  gemacht.*)  Von  der 
beurteilung  Aphra  Behns  durch  moderne  litterarhistoriker  ist 
schon  in  der  einleitung  die  rede  gewesen. 

Ich  habe  schon  einmal  darauf  hingewiesen,  dass  Aphra 
Behn  als  mensch  zweifellos  sittliche  mängel  besass,  die  nicht 
gerechtfertigt  werden  können ;  sie  war  in  jeder  beziehung  ein 
echtes  kind  ihrer  verderbten  aber  interessanten  zeit.  Aber 
diese  erwägungen  interessieren  uns  erst  in  zweiter  linie;  wir 
müssen  sehen,  was  für  bedeutung  Aphra  Beim  als  Schrift- 
stellerin besitzt,  und  diese  ist  in  der  that  nicht  gering.  Aphra 
Beim  ist  vor  allem  die  frau,  die  zuerst  den  mut  besass,  den 
beruf   einer    Schriftstellerin    zu    ergreifen    und    damit   ihren 


*)  Granger's  Biogr.  History  of  England,  vol.  IV,  p.  59. 

*)  Spectator,  ed.  Morley,  No.  51,  p.  84  f. 

•)  Grauger,  a.  a.  0. 

*)  Siehe  p.  128. 

")  Aphra  Behn,  Roman  in  3  Bdn.  von  Luise  Mühlbach^  Berlin  1849. 


378  P.  SIEGEL, 

lebensunterhalt  zu  yerdienen.  ^  Wie  schwer  ihr  das  wurde» 
darauf  ist  schon  yerschiedentlich  hingewiesen  worden.  Es  gab 
zwai*  vorher  auch  schon  litterarisch  thätige  frauen  in  England, 
z.  b.  Magarete ,  die  herzogin  von  Newcastle ,  aber  diese  dich- 
teten nur  zu  ihrem  vergnügen  und  waren  ihres  erfolges  schon 
durch  ihre  hohe  abkunft  sicher.  Aphra  Behn  stammte  da- 
gegen aus  gewöhnlichen  bürgerlichen  ki*eisen  und  musste  sich 
aus  eigner  kraft  in  die  höhe  arbeiten,  was  ihr  als  frau  gewiss 
nicht  leicht  fiel.  Denn  waren  die  schulbildnngsverhältnisse  in 
den  bürgerlichen  kreisen  in  der  damaligen  zeit  schon  an  sich 
recht  dürftige,  so  wurde  noch  dazu  auf  die  bildong  des  weib- 
lichen geschlechts  wenig  gewicht  gelegt;  Aphra  Behn  klagt 
selbst  einmal  über  die  schlechte  Schulbildung  der  mädchen.') 
Um  so  erstaunlicher  ist  das  bestreben  unserer  Schriftstellerin^ 
sich  eine  hohe  bildung  anzueignen,  was  ihr  auch  gelungen  ist 
Sie  kennt  sowohl  die  lateinische  als  auch  moderne  sprachen, 
vor  allem  Französisch;  wahrscheinlich  war  sie  auch  des  Spa- 
nischen mächtig.  In  den  litteraturen  dieser  sprachen  ist  sie 
ebenso  bewandert  wie  in  der  heimischen,  wie  ihre  vielen  ent- 
lehnungen  aus  denselben  in  den  dramen  bezeugen.  Allein 
Aphra  Behn  interessierte  sich  nicht  nur  für  die  schöne  litte- 
ratur,  sondein  auch  für  das  gebiet  der  Philosophie  und  natnr- 
wissenschaften;  dafür  sprechen  ihre  Übersetzungen  von  werken 
des  Fontenelle,  Van  Dale,  Rochefoucauld  etc.*)  Sogar  der 
Politik  widmete  sie  ihre  thätigkeit  mit  grossem  diplomatischen 
geschick,  wenn  auch  mit  geringem  oder  keinem  praktischen 
erfolg.  Ziehen  wir  noch  ihre  ausserordentlich  fruchtbare 
litterarische  thätigkeit  in  betracht,  so  müssen  wir  mindestens 
zugestehen,  dass  Aphra  Behn  eine  mutige  und  fleissige  frau 
war,  die  ihr  leben  zwar  nicht  in  ganz  unanfechtbarer  weise, 
aber  doch  in  reichstem  masse  ausfüllte  und  ihr  talent  in  aas- 
gedehnter weise  verwendete,  im  gegensatz  zu  m&nnem  wie 
Etherege  und  Rochester,  die  ihre  poetische  begabung  in  einem 
ausschweifenden  leben  untergehen  liessen. 

Als  Schriftstellerin  war  Aphra  Behn  auf  allen  gebieten 
der  schönen  litteratur  thätig,  auf  dem  dramatischen,  lyrischen 


')  Dies  wird  mit  recht  auch  bei  Beljame,  a.  a.  o.,  betont 
'•)  To  Mr.  Creech  etc.  siehe  Poems  1684,  p.  50. 
»)  Siehe  p.  109. 


APRBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PB08AWERKE.  879 

und  epischen  gebiete.  Auf  dem  dramatischen  und  lyrischen 
gebiete  ist  sie  wenig  originell;  dagegen  ist  sie  von  grösserer 
bedeutung  auf  dem  gebiete  der  erzählenden  litteratur.  Ueber- 
blicken  wir  unsere  ausführungen  noch  einmal,  so  erhalten  wir 
etwa  folgendes  resultat.  In  Aphra  Behn  als  Schriftstellerin 
treffen  neue  bestrebungen  mit  alten  Überlieferungen  zusammen. 
Von  grösster  Wichtigkeit  ist  das  auftreten  Aphra  Behns  für 
die  Stoffe  der  erzählungslitteratur.  Zum  ersten  mal  seit  langer 
zeit  wird  wieder  die  Wirklichkeit  betont  im  gegensatz  zu  den 
blossen  phantasieprodukten  der  französischen  romanschrift- 
steller.  Zunächst  sind  es  ausserordentliche  ereignisse,  die 
Aphra  Behn  erzählt ;  in  den  humoristischen  erzählungen  greift 
sie  aber  unmittelbar  in  das  tägliche  leben,  wodurch  sie  eine 
vorläuferin  der  realisten  des  18.  Jahrhunderts  wird.  Sodann 
führt  sie  ein  ganz  neues  Stoffgebiet,  das  exotische,  in  die 
litteratur  ein  und  bereitet  so  auf  Defoe  und  seine  vielen  nach- 
ahmer  vor.  In  den  novellen  folgt  die  Schriftstellerin  den 
vorhandenen  Stoffen  der  französischen  und  spanischen  galanten 
no vellenlitteratur ,  aus  der  sie  einige  erzeugnisse  übersetzt 
Als  beweis,  dass  sie  durch  französische  und  spanische  Vor- 
bilder zu  ihren  novellen  angeregt  ist,  kann  man  anführen, 
dass  die  ereignisse  in  Spanien  und  Frankreich  spielen  und 
das  ganze  kolorit  diesen  ländern  angepasst  ist.  Bestimmte 
vorlagen  für  die  beiden  novellen  zu  finden,  ist  so  gut  wie 
unmöglich;  denn  einmal  fehlen  jegliche  anhaltspunkte,  dann 
sind  uns  auch  viele  der  kleinen  novellen,  die  damals  bekannt 
gewesen  sein  mögen,  nicht  überliefert,  und  die  ausgaben  der- 
jenigen, welche  erhalten  sind,  sind  zum  teil  so  selten  und 
verstreut,  dass  man  sie  nicht  alle  zur  band  bekommen  kann.  >) 
Doch  die  novellen  Aphra  Behns  sind  ja  auch  von  geringerer 
bedeutung.  Für  die  entwickelung  der  erzählungslitteratur 
kommen  hauptsächlich  die  erzählungen  in  betracht,  und  für 
diese  können  keine  quellen  in  betracht  kommen,  da  sie  eigene 
erlebnisse  der  Verfasserin  berichten. 

Als  zweites  dement,  das  Aphra  Behn  neu  in  die  litteratur 
eingeführt  hat,  sind  die  tendenzen  im  Oroonoko  zu  nennen. 
Allerdings  ist  die  Schriftstellerin  hierbei  insofern  nicht  ganz 


0  Am  reichhaltigsten  in  bezng  auf  firanzös.  litteratur  des  17.  jahrh. 
ist  in  Deutschland  die  herzogliche  bibliothek  in  WolfenbOttel 


380  F.  SIBOETi, 

selbständig,  als  die  Sehnsucht  nach  einem  naiven  Zeitalter 
schon  öfters  ihren  ausdruck  in  der  damaligen  litteratur  ge- 
funden hatte;  aber  Aphra  Behn  führt  zum  ersten  mal  für 
diese  Sehnsucht  ein  praktisches  beispiel  vor  äugen;  sie  ver- 
sucht eine  lebendige  Verkörperung  des  ideals  zu  geben.  In- 
sofern sie  mit  diesen  tendenzen  eine  moralische  absieht  ver- 
bindet, weist  sie  wiederum  auf  das  18.  Jahrhundert  hin. 

Was  die  behandlung  anbetrifft,  so  ist  Aphra  Behn  im 
wesentlichen  noch  in  den  alten  Überlieferungen  stecken  ge- 
blieben. Es  sind  zwar  ausätze  zu  realistischer  darstellung 
vorhanden,  aber  diese  treten  doch  hinter  dem  schablonenhaften, 
das  sich  besonders  in  der  Charakteristik  zeigt,  und  dem  kon- 
ventionellen der  form  fast  ganz  zurück.  Aphra  Behn  hat 
sich  noch  nicht  von  der  überlieferten  technik  frei  gemacht. 
Sie  steht  unter  dem  einflusse  des  herrschenden  idealromans 
und  der  novelle  und  der  technik  des  dramas.  In  der  äusseren 
form  sind  die  prosaschriften  Aphra  Behns  den  novellen  eines 
Prechac,  Scarron  etc.  ganz  ähnlich.  Ein  besonders  auffallender 
zug  ist  die  gewohnheit,  an  die  spitze  des  werkes  einen  allge- 
meinen satz  zu  stellen,  der  nun  bewiesen  werden  soll  durch 
die  folgende  geschichte.  Meist  handelt  es  sich  darum,  irgend 
eine  oder  mehrere  eigenschaften  der  liebe  zu  beweisen,  wie 
z.  b.  in  The  Fair  Jilt.  i)  In  The  King  of  Bantam  will  die 
Verfasserin  zeigen,  dass  „this  Money  certainly  is  a  most 
devilish  Thing!  I  am  sure  the  Want  of  it  had  like  to  have 
ruin'd  my  dear  Philibella,  in  her  Love  to  Valentine  Good- 
land  etc."  2)  In  dieser  weise  beginnen  viele  der  französischen 
novellen;  einige  beispiele  werden  dies  näher  zeigen.  So  be- 
ginnt eine  novelle  von  Prechac: 3)  „L'amour,  qui  donne  de 
Tesprit  k  ceux  qui  n'en  ont  pas,  et  qui  trouve  toujonrs  de 
nouvelles  inventions  pour  rendre  sensibles  les  personnes  les 
plus  sevferes,"  etc.;  diese  werte  sind  dem  sinne  nach  ganz 
ähnlich  denjenigen,  die  zu  beginn  von  The  Fair  Jilt  stehen: 
„How  many  Idiots  has  it  (:=  Love)  made  wise!  How  many 
Fools  eloquent!     How  many  Cowards  brave!" <)     Oft  gehen 


*)  Siehe  p.  349 :  TU  prove  to  you  etc. 

»)  King  of  B.,  p.  292. 

>)  Prechac,  nonvelles  galantes  etc.,  La  severe  Angevine. 

*)  Fair  Jilt,  p.  202. 


AFHBA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWEREE.       381 

die  novellen  auch  ohne  einleitung  gleich  in  medias  res,  indem 
sie  mit  einer  Charakteristik  des  helden  beginnen.  Auch  dafüi* 
findet  sich  bei  Aphra  Behn  ein  beispiel  in  The  Nun:*)  „Don 
Henrique  was  a  Person  of  great  ßii-th,  of  a  great  Estate,  of 
a  Bravery  equal  to  either,  of  a  most  generous  Education,  but 
of  more  Passion  than  Reason" ;  ganz  ähnlich  heisst  es  z.  b.  in 
der  novelle  „La  Precaution  inutile"  von  Scarron:^)  „Dom 
Pedre  estoit  fort  hardy  de  son  naturel,  grand  aventurier,  et 
homme  k  tout  entreprendre  pour  une  aventure  extravagante." 
Die  Charakterzeichnung  Aphra  Behns  ist  die  gleiche  wie  in 
den  fi'anzösischen  und  spanischen  novellen,  wie  die  beiden 
letzten  zitate  schon  zeigen.  Die  personen  sind  alle  nach  einem 
typischen  schema  entworfen:  die  männer  sind  tapfer,  galant, 
witzig,  leidenschaftlich,  die  frauen  schön,  witzig,  sanft  und 
tugendhaft.  Wir  haben  gesehen,  in  welche  Widersprüche  die 
Schriftstellerin  mit  diesem  Schema  geraten  ist;  sie  zeichnet 
unwillkürlich  die  personen  anders,  zum  teil  wahrer,  als  sie 
beabsichtigt.  Von  einfluss  ist  bei  Aphra  Behn  besonders  in 
der  Charakterzeichnung  das  drama,  sowohl  das  ernste  als  das 
heitere.  Der  einfluss  des  ersteren  hatte  sich  geltend  gemacht 
in  dem  pathetischen  benehmen  und  der  rhetorischen  redeweise 
der  personen.  Das  letztere  hat  Aphra  Behn  die  beliebte  ge- 
stalt  des  alten,  reichen,  eingebildeten  und  beschränkten  pe- 
danten  geliefert.  Would-be  King  trägt  die  hauptzüge  des- 
jenigen lustspielcharakters ,  den  Molifere  in  seinem  „bourgeois 
gentil  homme"  geschaffen  hat.  Mr.  Would-be  King  und  M. 
Jourdain  möchten  beide  einem  höheren  stände  angehören; 
beide  werden  durch  eine  farce  ihrer  bekannten  scheinbar  in 
den  ersehnten  höheren  stand  versetzt;  beide  veranstalten 
gi'osse  gelage,  wobei  sie  ihre  frauen  hintergehen  wollen,  was 
freilich  dem  Molifereschen  helden  nicht  gelingt.  Bei  Aphra 
Behn  ist  allerdings  das  ganze  roher  und  unsittlicher  als  bei 
Moli^re ;  doch  Behn  musste  auch  auf  roheres  und  unsittlicheres 
Publikum  rechnen. 

In  bezug  auf  spräche  und  stil  ragt  Aphra  Behn  nicht 
hervor.  Sie  besass  nicht  die  kraft  und  die  ausdauer,  und 
auch  nicht  die  zeit,  um  eine  besondere  Sorgfalt  darauf  zu 
verwenden. 


')  The  Nun,  p.  288.  *)  Scarron,  Noayelles  etc. 


882  P.  SIEGEL, 

Aphra  Behn  ist  kein  litterarischer  stem  erster  grosse; 
ihre  zeit  brachte  kaum  einen  solchen  hervor.*  Allein  sie  ist 
doch  von  grosser  bedeutung  für  die  entwickelnng  der  eng- 
lischen erzählungskunst ;  sie  ist  ein  bindeglied  zwischen  dem 
17.  und  18.  Jahrhundert,  d.  h.  zwischen  der  alten  und  modernen 
prosadichtung ,  die  mit  den  grossen  novellisten  und  roman- 
schriftstelleiTi  des  18.  Jahrhunderts  einsetzt 

IX.  Litteratur. 

a)  Verzeichnis  der  werke  in  chronologischer  reihenfolge. 

1.  Forc'd  Marriage,  er,  The  Jealons  Bridegroom,  a  Tragi-Comedy. 
Acted  at  his  Highness  the  Duke  of  York's  TheatrCi  and  printed  in  qoarto. 
London  1671. 

2.  The  Amorous  Prince,  or,  The  Gurions  Husband.  A  Comedy.  Acted 
at  his  Eoyal  Highness,  the  Duke  of  York's,  Theatre ,  printed  in  qoarto. 
London  1671. 

3.  Abdelazar,  or,  The  Moores  Revenge,  a  Tragedy.  Acted  at  his  Boyal 
Highness  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.  London  1671.  (So  Lang- 
baine ;  £.  Gosse  setzt  1676  an,  Beljame  1677.) 

4.  The  Dutch  Lover,  a  Comedy.  Acted  at  the  Duke's  Theatre,  printed 
in  quarto.    London  1673. 

5.  The  Eover,  or,  The  Banish'd  Cavaliers.  A  Comedy.  Acted  at  his 
Royal  Highness  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1677. 

6.  The  Debauchee.   (Zweifelhaft,  nur  von  E.  Gk)8se  erwähnt) 

7.  The  Town-Fopp,  or,  Sir  Timothy  Tawdrey.  A  Comedy.  Acted  at 
his  Royal  Highness  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1677. 

8.  Sir  Patient  Fancy.  A  Comedy.  Acted  at  the  Duke's  Theatre, 
printed  in  quarto.    London  1678.    (So  Langbaine,  nach  Besame  1681.) 

9.  The  Feign'd  Curtizans,  or,  A  Night's  Intrigue.  A  Comedy.  Acted 
at  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1679. 

10.  The  Second  Part  of  the  Rover.  Acted  by  the  Seryants  of  his 
Royal  Highness,  printed  in  quarto.    London  1681. 

11.  The  Roundheads,  or,  The  Good  OM  Cause,  a  Comedy.  Acted  at 
his  Royal  Highness  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1682. 

12.  The  City-Heiress,  or,  Sir  Timothy  Treatrall.  A  Comedy.  Acted  at 
his  Royal  Highness  his  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1682. 

13.  The  False  Count,  or,  A  New  Way  to  play  an  Old  Game.  A  Co- 
medy.   Acted  at  the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1682. 

14.  The  Young  King,  or,  The  Mistake,  a  Tragi-Comedy.  Acted  at 
the  Duke's  Theatre,  printed  in  quarto.    London  1683. 

15.  Poems  upon  Several  Occasions.    London  1684. 

16.  The  Adventure  of  the  Black  Lady.    London  1684. 

17.  Miscellany,  being  a  CoUection  of  Poems,  by  several  Hands.  Lon- 
don 1685. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PB08AWEBKB.       383 

18.  Emperor  of  the  Moon,  a  Farce.  Acted  bj  Their  Migestj's  Servants, 
at  the  Qneen's  Theatre,  printed  in  qnarto.    London  1687. 

19.  The  Lucky  Chance,  or,  An  Alderman's  Bargain.  A  Comedy. 
Acted  by  Their  M^jesty's  Senrants,  printed  in  quarto.    London  1687. 

20.  Three  Historiea:  Oroonoko,  or,  The  Royal  Slave,  The  Fair  Jilt, 
er,  Tarquin  and  Miranda,  and  Agnes  de  Castro,  or,  The  Force  of  Generons 
Love.    London  1688. 

21.  History  of  the  Nnn,  or,  The  Fair  Vow-breaker.  London  1689. 
(Nicht  erhalten.) 

22.  The  Lncky  Mistake,  a  Novel.    London  1689. 

23.  The  Widow-Ranter,  or,  The  History  of  Bacon  in  Virginia,  a  Tragi- 
Comedy.   Acted  by  Their  Majesty's  Servants,  printed  in  qnarto.  London  1690. 

24.  The  Yonnger  Brother,  or,  The  Amorons  Jilt.  A  Comedy.  Edited 
by  Gildon.    London  1696. 

Die  dramatischen  nnd  prosawerke  nnd  die  ttbertragnng  von  La  Montre 
des  Bonnecorse  sind  vereinigt  in: 

The  Plays,  Histories  and  Novels  of  the  Ingenions  Mrs.  Aphra  Behn. 
With  Life  and  Memoirs.    Complete  in  Six  Volnmes.    London  1871. 

b)  Hülfsmittel. 

Allibone^s  Dictionary  of  English  Literatnre;  snb  Behn. 

Ar  her,  Eward,  The  Dryden  Anthology.  1675—1700.  London  1899;  snb  Behn. 

Aronstein,  Samuel  Peppys  nnd  seine  zeit.  In  Die  Neueren  Sprachen, 
Zeitschr.  f.  Neusprachl.  Unterricht,  herausgeg.  v.  Wilhelm  Victor.  Bd.  VU. 
Marburg  1899/1900. 

Beljame,  Le  public  et  les  hommes  de  lettres  en  Angleterre  an  18«  siöcle. 
Paris  1881. 

Boisrobert,  Nouvelles  histor.  et  amoureuses,  1657. 

Bonnecorse,  Balthazar  de,  La  Montre.  A  Cologne  1666.  La  Montre, 
Seconde  Partie.    A  Paris  1671. 

B ri  1  ha  c ,  J.  B.  de,  Agnes  de  Castro,  nouvelle  portugaise.  A  Amsterdam  1688. 

Büchner,  Alexander,  Geschichte  der  englischen  Poesie.  Zwei  Teile.  Darm- 
stadt 1855. 

Bülow,  Novellenbuch.  Englische  Novellen.  Leipzig  u.  Wien.  Meyers 
Volksbücher. 

Chambers's  Cyclopoedia,  A  Critical  Dictionary  of  English  Literatare. 
Philadelphia  u.  London,  1877.    Sub  Behn. 

Cibber,  The  Lives  of  the  English  Poets.    1753.    Sub  Behn. 

Cowley,  Poetical  Works  of  Abraham  C.  In  Four  Volnmes.  Edinburgh. 
Anno  1777. 

Cross,  Wilbur  L.,  The  Development  of  the  English  Novel.  New  York 
and  London.    1899. 

Dnnlop's  Geschichte  der  Prosadichtungen.  Aus  dem  Englischen  über- 
tragen von  Felix  Liebrecht.    Berlin  1851. 

Fontenelle,  Entretiens  sur  la  plaralit6  des  mondes.    Amsterdam  1701. 

Fürst,  Rudolf,  Die  Vorläufer  der  modernen  Novelle  im  18.  Jahrhundert. 
Halle  a.  S.  1897. 


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Gosse,  A.  Behn,  im  Dictionary  of  National  Biography.    Bd.  IV,  1885. 
Grässe,  Johann  Georg  Theodor,  Lehrbuch  einer  Literärgeschichte  der  be- 

rtthmtesten  Völker  der  alten  Welt.    Dresden  n.  Leipzig  1837. 
Granger's  Biographical  History  of  England.   With  a  Supplement.   5  Vols. 

1709—74.    Vol.  IV;  sub  Behn. 

Hagedorn,  Friedrichs  von,  Poetische  Werke ;  herausgeg.  von  Joh.  Joachim 
Eschenburg.    Hamburg  1825  in  fünf  Teilen. 

Halliwell,  James  0.,  The  Loyal  Garland:  A  Collection  of  Songs  of  the 
Seventeenth  Century.    London  1850.    Percy  Society,  vol.  XXIX. 

Halliwell,  James  0.,  A  Dictionary  of  Old  English  Plays.    London  1860. 

Ilazlitt,  Carew,  Collections  and  Notes.    1867 — 76.    London  1876. 

Hettner,  Hermann,  Geschichte  der  englischen  Litteratur  von  der  Wieder- 
herstellung des  Königtums  bis  in  die  zweit«  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts. 
1660—1770.    Fünfte  Aufl.    Braunschweig  1894. 

Hoefer,  Nouvelle  Biographie  g6n6rale.    Paris  1862—66. 

Jacob,   An  Historical  Account  of  the  Lives  and  Writings  of  the  most 

Eminent  English  Poets.    1725.    Sub  Behn. 
Jäger,  Oskar,   Weltgeschichte  in  4  Bdn.    Zweite  Aufl.    Bielefeld  und 

Leipzig  1894.    3.  Bd. 
Körting,  Geschichte  des  französischen  Romans  im  17.  Jahrhundert  Leipzig 

und  Oppeln  1885. 
K  oll  mann,  Nash's  „Uufortunate  Traveller"  und  Head's  „English  Bogae". 

Leipziger  Dissertation.    Halle  a.  S.  1899. 

Langbaine,  Gerard,  An  Account  of  the  English  Dramatick  Poets.  Ox- 
ford 1691.    Sub  Behn. 

L  0  w  n  d  e  s ,  The  Bibliographer's  Manual  of  English  Literature.  New  Edition, 
enlarged,  by  H.  G.  Bolm.    11  parts.    London  1857 — 64.    Sub  Behn. 

Pepys,  Samuel,  The  Diary  of  S.  P.  Esq.,  F.  R.  S.  With  Memoir  edited  by 
Lord  Braybrooke.    London  1891. 

Philanders  von  der  Linde  Galante  Gedichte,  darinnen  sowohl  eigene 
verliebte  Erfindungen,  als  allerhand  auswärtiger  Poeten  übersetzte  Liebes- 
gedichte.   Leipzig  1710. 

Prechac,  Nouvelles  galantes  du  temps.    1681. 

Raleigh,  Walter,  The  English  Novel,  being  a  short  Sketch  of  its  history 

from  the  earliest  times  to  the  appearance  of  Waverley.    London  1894. 
Recueil  de  diverses  pieces,  comiques,  gaillardes,  et  amoureuses 

Suiv.  la  Copie  impr.  de  Paris.    Leide  1690. 
Recueil  de  diverses  pieces  curieuses  et  nouvelles,  Tant  en  Prose  qu'en 

Vers.    La  Haye,  1694—96. 
Recueil  de  diverses  pieces  curieuses  pour  servir  k  Thistoire [Par 

Didier  Viard].    Cologne,  1664. 
Recueil  de  pieces  en  prose,  Les  plus  agreables  de  ce  temps.    Comp,  par 

divers  Autheurs.    Paris  1658. 
Recueil  de  quelques  pieces  nouvelles  et  galantes,  Tant  en  Prose  qu'en 

Vers, Cologne,  1663. 

Dasselbe    P.  L  n.    Cologne  1667. 


APHRA  BEHNS  GEDICHTE  UND  PROSAWERKE.       385 

Rochester,  The  Poe tical  Works  of  the  Earls  of  R.,  Roscomon,  and  Dorset. 

With  Memoirs  of  their  Lives.    In  two  Vols.    London  1739. 
Schiller,    Lehrbuch    der  Geschichte    der  Pädagogik.     Dritte  Auflage. 

Leipzig  1894. 
Sharp,  A  Dictionary  of  English  Authors.    London  1897. 
Southerne,  Oroonoko:  A  Tragedy.    As  it  is  Acted  at  the  Theatre-Royal. 

By  His  Majesty's  Servants.    London  1696. 
The  Spectator,  A  new  Edition,  reprodncing  the  original  Text.    By  Henry 

Morley.    London,  Glasgow,  New  York  1888. 
Taine,  H.,  Histoire  de  la  Litt^rature  Anglaise.    Paris  1863. 
Tallemant,  Le  voyage  de  l'isle  de  Tamour,  k  Licidas.    Paris  1663.    Le 

second  voyage.    Paris  1664. 
Tonson,  Aphra  Beim;  in  Biographia  Britannica.    Vol.  L    London  1747. 
Ward,  A  History  of  English  Dramatic  Lit«rature. 
Whitney,  The  Century  Dictionary.     An  Encyclopedic  Lexicon  of  the 

English  Language.    New  York.    10  Vols. 
Witkowski,    Georg,   Die  Vorläufer  der  anakreontischen  Dichtung  in 

Deutschland  und  Fr.  v.  Hagedom.    Habilitationssch.    Leipzig  1889. 
Wülker,  Geschichte  der  englischen  Litteratur.    Leipzig  1896. 
Ziegler,  Geschichte  der  Pädagogik.     München  1894.     Bd.  I  von  Bau« 

meisters  Handbuch  der  Erziehuugs-  und  Unterrichtslehre. 

Leipzig.  P.  Siegel. 


Anglia.    N.  F.    XIII.  25 


zu  ALT-  UND  MITTELENGLISCHEN 

DENOIÄLERN. 
XVI. 


65.    E 1  e  n  e. 

V.  30f.  ist  fiberliefert: 

lungre  scynde 
ofer  burgenta        headupreata  mdbst 

Dass  eine  der  zahlreichen  erklämngen  oder  emendationen  des 
merkwürdigen  Wortes  burgmta  überzeugend  sei,  wird  schwer- 
lich jemand  behaupten  wollen.  Weder  bürg  enta  oder  Burg- 
endas,  -dan  (Grimm),  noch  bürgeatu  oder  burggeatu  (EttmflUer), 
noch  Burgenta  (Grein)  dürften  besonderen  anspruch  auf  glaub- 
würdigkeit  machen,  und  Zupitza  versieht  daher  im  glossar 
zu  seiner  ausgäbe  das  wort  mit  zwei  fragezeichen.  Ob  Kent 
in  seiner  ausgäbe  oder  Gamett  und  J.  Menzies  in  ihren  Über- 
setzungen etwas  neues  zu  dieser  stelle  vorbringen,  ist  mir  nicht 
bekannt,  da  mir  diese  bücher  hier  nicht  zugänglich  sind;  ans 
demselben  gründe  muss  ich  auf  eine  einsieht  in  die  recensionen 
und  abhandlungen  in  Le  Moyen  Age  2, 186 ,  Mod.  Lang.  Notes 
5,  39  und  166,  Athenaeum  nr.  3236,  595,  Mod.  Lang.  Notes 
1892,  123  und  193,  Museum  7, 12  verzichten.  In  der  stillen 
hoffnung  aber,  dass  noch  kein  anderer  die  von  mir  hier  yor- 
zuschlagende  besserung  veröffentlicht  hat,  möchte  ich  burgenta 
in  burglocan  *  bürgen'  ändern.  Die  entstehung  dieser  textver- 
derbnis  denke  ich  mir  so,  dass  zuerst  ein  abschreiber  burgocan 
—  also  mit  auslassung  des  l  —  geschrieben  hat,  was  bei  der 
ähnlichkeit  von  o  mit  e  und  von  c  mit  t  wieder  leicht  zn 
bur getan  entstellt  werden  konnte;  aus  letzterem  machte  dann 
der  vei*fertiger  unsrer  handschrift  schliesslich  durch  umstellimg 
burgenta,  Burgloca  kommt  zwar  sonst  in  den  erhaltenen 
dichtungen  Cynewulfs  nicht  vor,  wohl  aber  dreimal  bei  seinem 
nachahmer  und  schüler,  dem  dichter  des  Andreas  (y.  940, 
1038,  1065). 


F.  HOLTHAUSEN,  ZU  ALT-  U.  MITTELENGL.  DENKMALEBN.      387 

66.  Zu  alt-  und  mittelenglischen  Glossen. 

1.  Im  24.  bände  s.  428  ff.  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht 
Manitius  eine  anzahl  medizinischer,  hauptsächlich  aber  pflanzen- 
glossen  aus  Dresdener  hss.,  die  teils  ae.,  teils  me.  lautform 
zeigen,  und  mancherlei  interessantes  bieten.  Leider  hat  jedoch 
der  herausgeber  offenbar  so  wenig  kenntnis  von  altenglischer 
Schrift  und  spräche,  dass  sein  abdruck  von  den  elementarsten 
fehlem  wimmelt.  Besonders  durch  die  beständige  Verwechs- 
lung von  p  (=w)j  p  und  p,  von  n  und  u,  t  und  c  sind  die 
englischen  Wörter  oft  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt.  >)  Ob 
der  herausgeber  im  übrigen  den  text  getreu  wiedergegeben 
hat,  entzieht  sich  meiner  beurteilung.  Ich  suche  im  folgenden 
die  fehler,  soweit  dies  auf  grund  andrer  glossen  und  glossare 
möglich  ist,  zu  verbessern,  um  dadurch  die  Publikation  we- 
nigstens einigermassen  benutzbar  zu  machen. 

8.  429.  7  a,  2  ent  1.  et  —  ib.  6  blaucsel  1.  blancsel  — 
Sa,  1  aveu  1.  avero[ine],  —  18,  19  mugpurt  1.  mugwurt  — 
18,  27  veteris  1.  ventris\  heavocpurt  1.  -wurt 

8.  430.  19  a,  4  J>egbrade  1.  weg-,  —  ib.  13  suthernePuda  1. 
'Wuda,  —  ib.  27  haispurt  1.  -wurt  —  ib.  30  supheme^uda  1. 
suj>hernewuda.  —  21  a,  13  mascitur  1.  nascitur,  —  30  a,  31  phic 
1.  whit  —  ib.  38  pip  1.  tvip.  —  30  b,  1  pi^phoste  1.  wip  whosie, 

8.  431.  30  b,  42  pip  1.  wipi  pyve  1.  wyve.  —  32  b,  4  pip 
1.  wip,  —  33  b,  21  pyP  1.  wyp,  —  34  b,  3  colicos]  rop  perc  L 
colicas]  rop'Werc,  —  ib.  10  pip  1.  wip,  —  35  b,  5  pip  cyrules  1. 
tvip  cyrneles.  —  ib.  8  penne  1.  tvenne.  —  ib.  42  pip  sydperc  1, 
wip  sydwerc.  —  36  a,  9  pip  1.  wip,  —  ib.  11  pip  lugene  1.  wip 
lungene.  —  ib.  14  pip  1.  wip.  —  37a,  3  liverpurt  1.  -wurt] 
feldpurt  1.  'Wurt;  lungepurt  1.  -wurt.  —  ib.  11  sprincpurt  1. 
'Wurt  —  ib.  14  pude  1.  wude. 

8.  482.  28  a,  9  smerepyrt  1.  -wyrt.  —  33  b,  29  hisceoppirt 
1.  'Wirt.  —  39  a,  8  simaringuuerc  1.  -uuert  (=  smeringwyrt 
WW.  135  a,  1).  —  ib.  9  alferthinguerc  1.  -uert.  —  ib.  31  stmae- 
ringport  1.  -wort.  —  ib.  Ihenep  1.  senep. 

8.  438.  174,  9  pid  1.  wid  (=  wiÖ).  —  unterrand:  nedMer- 
pyirt  1.  -wyirt.  —  leo  pyrt  1.  wyrt  —  177,  13  puduclate  1. 
wudu'.  —  178,  2  ope  1.  oye  (frz.  oie  <  lat.  auca).  —  haldsmife 


>)  In  einzelnen  fällen  könnten  drnckfehler  vorliegen,  diese  annähme 
erklärt  aber  längst  nicht  alle  versehen! 


388  F.  HOLTHAÜSEN, 

ist  wohl  =  balsminte,  —  heofbrembel  1.  heop-,  —  185,  12 
cneopholen  1.  cneow-,  —  189, 17  angem  1.  angorem;  toangbreoste 
1.  thrang-  (vgl.  schwed.  trängbröstad).  —  190, 19  ein  L  an.  — 
216,  3  ^ude  1.  wude.  —  219,  17  brunepurt  1.  -wurt 

8.  434.  Z.  1  f.  gekruugen  1.  gepruugen,  pari  prt.  von 
Pweran  ?  —  274,  10  mild  1.  milt  —  Sub  IV :  artemisia]  mogwed 
1.  -wert,  —  ahrotanum]  hibernewode  1.  supeme-,  —  urtica]  miete 
L  netele.  —  eruca]  blancpenre  1.  -peure  (cf.  WW.  580,  38),  — 
de  caulibiis  etc.]  conel  1.  cotiel,  —  verbena]  berneyne  I.  berueyne. 
—  morella]  atterlobe  1.  -lope. 

2.  Im  selben  bände  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht  herr 
Schlutter  s.  525  ff.  einen  „Zur  Steuer  der  Wahrheit"  über- 
schriebenen  aufsatz,  in  welchem  er  meine  in  der  Anglia  21, 
231  ff.  gedruckte  kritik  seiner  leistungen  auf  dem  gebiete  der 
altenglischen  glossenlitteratur  als  „ganz  unqualiflzierbare  an- 
griffe" bezeichnet  und  s.  531  von  fehlem  spricht,  die  ich  bloss 
dafür  ausgebe  bez.  „aus  eigener  Unkenntnis"  falsch  beurteile. 
Nebenbei  hält  er  es  nochmals  für  nötig,  Sweet  wegen  der  aus- 
lassung  verschiedener  glossen  resp.  der  fehler  in  deren  wieder- 
gäbe oder  erklärung  scharf  zu  tadeln  und  versteigt  sich  sogar 
(s.  531  unten)  zu  der  behauptung,  Sw.  habe  es  „fast  ge- 
flissentlich ...  vermieden  ...  die  beitrage  deutscher  ge- 
lehrten seinem  gegenstände  zu  gute  kommen  zu  lassen."  Dieser 
angriff  auf  den  hochverdienten  gelehrten,  der  so  neidlos 
deutsche  forscherarbeit  anerkannt  hat  (man  lese  nur  sein  Vor- 
wort zur  History  of  English  Sounds !),  ist  ebenso  hässlich  wie 
ungerecht. 

Da  Sweet  die  angriffe  Schlutters  mit  schweigender  Ver- 
achtung bestraft  hat  und  ein  kenner  der  altenglischen  glossen 
wie  Sievers  in  P.  Br.  B.  XXIV,  551  f.  von  dessen  „elaboraten" 
urteilt,  dass  sie  „in  bezug  auf  Unkenntnis  und  methodelosig- 
keit  bisher  unerreicht"  daständen,  so  könnte  ich  vielleicht  auch 
schweigen.  Jedoch,  damit  dies  von  herm  Schlutter  selbst  nicht 
etwa  falsch  aufgefasst  werde,  möchte  ich  doch  jenem  auf- 
satze  noch  einige  worte  widmen  und  zeigen,  wie,  selbst  nach- 
dem Hart  (in  den  Mod.  Lang.  Notes  XIV)  und  ich  a.  a.  o.  ihm 
so  viele  grobe  fehler  nachgewiesen,  er  „mit  der  ihm  eigenen 
Unverfrorenheit"  (Sievers)  immer  wieder  die  geduld  der  leser 
und  die  spalten  unserer  philologischen  Zeitschriften  missbraucht. 
Gelernt  hat  er  inzwischen  offenbar  vom  altenglischen  mclLt8. 


zu  ALT-  UND  MITTELENGLISCHEN  DENKMÄLERN.  389 

S.  526.    Zu  ageanhwerfende  fehlt  die  Seitenangabe:  469b. 
ageanhworfennys  steht  nicht  s.  469  b  sondern  470  a. 

dlaöian  hat  nichts  mit  unserm  'laden'  zu  thun,  und  intentahat 
ist  also  nicht  als  invitdbat  gelesen,  sondern  ist  ableitung 
von  lad  'leid',  also  dlaöian  zu  schreiben,  das  Sweet  übrigens 
verzeichnet!  Für  tyhtet  ib.  1.  tylite,  t,  (=  vel)  und  statt 
523  1.  519.    Im  übrigen  vgl.  Napier,  0.  E.  Gl  p.  127,  4958. 

dsivcepe  ist  vielmehr  dswcepe  zu  schreiben  und  die  glosse  bei 

Bouterwek  s.  420  b  lautet  ceswcepe,  nicht  aswcepe ! 
dwcetan:  1.  begledednm  statt  begleddedum. 
beclypping:  die  gl.  521  lautet  beclipungum,  nicht  beclypyngum. 

S.  527.     besceaiwurpan:  die  gl.  steht  s.  511b. 

bladesian  (d?)  steht  419b,  nicht  a. 

borgiend:  warum  mir  diese  glosse  „zu  ganz  besonderer  be- 
achtung  empfohlen"  wird,  entgeht  mir.  Ich  hatte  doch 
Anglia  XXI,  236  bloss  Schlutters  erklärung  borhhand  = 
borhand  (particip!)  zurückgewiesen  und  das  bekannte  borgian 
nicht  in  abrede  gestellt !  Uebrigens  ist  die  gl.  zu  unrecht 
besternt :  N.  thut  dies  nicht,  da  borgiendre  doch  einfach  das 
flektierte  part.  prs.  von  dem  bei  Sw.  verzeichneten  borgian  ist. 

briostgyrd  steht  s.  483b,  nicht  a.  Da  dasselbe  kompositum 
auch  bei  Napier  2,  188  erscheint,  wo  noch  uiminibus  als 
lat.  glosse  daneben  steht,  ist  an  eine  Verlesung  von  scep- 
trinae  als  pectrinae  nicht  zu  denken.  Ersteres  wird  über- 
dies, was  Schi,  verschweigt,  an  erster  stelle  durch  tcenene 
(Nap.  3303)  glossiert!  Warum  virga,  vimen  'gerte,  stab, 
rute'  durch  breostgyrd  wiedergegeben  ist,  weiss  ich  aller- 
dings nicht  sicher  zu  erklären;  vielleicht  ist  hier  doch  an 
das  verbum  breotan  zu  denken,  vgl.  mhd.  brieten  'hervor- 
brechen, aufschwellen  (von  knospen  und  ausschlagenden 
zweigen)',  ahd.  mhd.  bro^  'knospe,  sprosse',  mhd.  bro^^en 
'knospen  treiben,  sprossen'.  Ist  das  richtig,  so  bedeutete 
brcost-gyrd  einfach  'sprössling'! 

cwfing :  1.  cdefing ;  eorpreonas  1.  ear-, 

gecroced:  an  der  betreffenden  stelle  steht  gecrocedere,  nicht 
gecrocedre.  Zu  dieser  gl.  wäre  auf  Napier  1,  5204 :  rubenti, 
deage,  gecrogede  hinzuweisen  gewesen.  N.  bemerkt  in  der 
fussnote,  dass  die  form  mit  innerem  -g-  die  bessere  sei 
Ueberdies  ist  das  o  lang ! 


390  r.  HOLTHAUSBN, 

feohleastncs:  aus  gehceftfceste  [feasce\aftnys ,  wie  Napier  über- 
zeugend ergänzt,  macht  Schi,  mit  seinen  bekannten  yer- 
wandlungskünsten  gchcvft  feacleastnys,  was  =  feoMeastnys 
sein  soll!!  Das  *  ist  übrigens  falsch,  da  N.  das  wort  gar 
nicht  verzeichnet,  und  Sw.  hat  in  seinem  wSrterbuche 
fcohlcasnes ! 

fanhyrd  steht  477  b,  nicht  476  b. 

S.  528.  geondreman  hat  Sweet  wohlweislich  ausgeschlossen, 
da  gewiss  für  das  geondremedre  der  hs.  =  lat.  matre  can- 
sentiente  mit  Napier  s.  106,  4000  getmnendre  medre  zu  lesen 
ist.    Schi,  sagt  hiervon  kein  wort!! 

gitvettan:  flagitäbat  Aus  dem  nach  Bouterwek  überlieferten 
l^ette  macht  Schi.  [gt\tvette.  Nun  steht  aber  nach  Haus- 
knechts coUation  der  Brüsseler  hs.  Anglia  VI,  96 ff.,  die 
Schi,  offenbar  nicht  kennt,  an  der  betr.  stelle  (fol.  47  B,  14) 
petic,  wofür  doch  wohl  petit  (lateinisch!)  zu  lesen  ist!  Also 
gitvettan  ist  mal  wieder  blauer  dunst. 

gyrran  fehlt  nicht  bei  Sw.,  wie  Schi,  behauptet,  sondern  steht 
richtig  unter  der  aws.  form  gierranl    Das  *  ist  zu  tilgen. 

1i(cmedrim:  1.  hckmcdrim. 

hütmece  steht  424  a,  nicht  426  a.  Napiers  besserung  des  über- 
lieferten hiltine  als  hiltinc  =  hilting  ist  viel  einleuchtender 
als  Schlutters  *hütmece.  Wozu  dies  kompositum  nach  vor- 
hergehendem mece? 

hlafordgiftes:  1.  hldford-. 

hleian:  Schi,  erwähnt  nicht,  dass  Napier  s.  113,  4337  in  diesem 
Worte  eine  entstellung  aus  bletan  =  blcbtan  erblickt,  was 
gewiss  richtig  ist. 

horhlic:  1.  horxUc,  horsclic  (vgl.  Napier  1789). 

Iwrsymes  steht  476  b.  Nach  Napier  könnte  auch  hors-em 
*pf erdehaus'  darin  stecken,  vgl.  yppodromi :  J>cbs  hüses  bei 
Wr.  Wü.    Schlutters  horsryne  ist  also  gar  nicht  so  sicher ! 

hreonian:  der  Lib.  Scint.  hat  hrenige  :  redoleat ,  fragtet,  nicht 
hreonian  (so  hat  es  nur  Bhodes  im  glossar  angesetzt)! 
Die  glosse  ist  von  Napier  als  fragwürdig  bezeichnet. 

gehwceriend:  Schi,  weiss  immer  noch  nicht,  dass  die  ae.  part 
präs.  auf  -ende  auslauten! 

S.  629.    ofdscoren  steht  s.  510  a,  nicht  570  a. 

Zu  onbelcedan :  B.  bietet  inrogaret  (nicht  -rit) ;  intuleris,  ahbeUet 
ist  mit  N.  4764  in  onbeldtst  zu  bessern ! 


zu  ALT-  UND  MITTELENGLISCHEN  DENKMÄLERN.  391 

onhesettan:  warum  soll  für  impingere  denn  imponere  gelesen 
sein  ?    Daneben  steht  ja  noch  die  gl.  inmittere  (Nap.  4229). 

onbesencan:  onhesettan  kann  nicht  onhesScton  gelesen  werden, 
weil  die  ags.  schritt  bekanntlich  diese  abkürzung  für  n 
nicht  gebraucht. 

ongeanhlöwan:  remugiat  1.  remugiet 

onhetting:  onhettinga  1.  onhettincga, 

onhigian:  onhige  steht  487  a,  nicht  478  a. 

plegestre :  plegestr[en]a  ist  gl.  zu  luctatorum,  nicht  zu  palaestram. 

plihtere  steht  ganz  deutlich  bei  Sweet! 

gerynelic :  die  richtigkeit  dieser  gl.  wird  von  N.  s.  70  mit  fug 
bezweifelt.  Er  vermutet,  dass  geornlic  gemeint  sei.  Ich 
habe  auch  an  gerisenlic  gedacht. 

8.  630.  steor-mearcung  und  -reonung  sind  aus  der  angezo- 
genen glosse  nicht  zu  erschliessen ! 

swcepig  steht  s.  474  a,  nicht  b. 

tdngedropa:  steht  417  b,  wo  es  dactylicum,  nicht  dactylum 
heisst  I 

töwritan:  an  der  betr.  stelle  steht  nur  towrl 

üpdbrecan  am  Schlüsse  1.  522  a  statt  488  a. 

updliöan  muss  natürlich  updliöian  heissenl 

updlyman  ist  nach  den  ausführungen  Napiers  zu  4784  eher 
updmylan  zu  lesen. 

updspringan:  1.  exortam, 

8.  531.     ütdflyman :  1.  utaflemendum, 

ütdleonian:  es  ist  dlynnan  (resp.  -lynian)  anzusetzen,  vgl. 
Napier  zu  1134. 

wesing:  524a  steht  in-,  nicht  conficerel 

tcocige:  489  b  steht  noch  catenarum  und  wociga  statt  wocige. 
Da  429a  wocie  der  acc.  sein  muss,  kann  der  nom.  natür- 
lich nicht  ebenso  lauten! 

wuduhyrpra:  427  a  steht  calo, 

ymbhlemman ,  -hlednian  ist  nach  N.  anmerkung  zu  1,  24  viel- 
mehr als  ymbhlennan  zu  fassen. 

J>^este :  1.  Jtenestre  =  ^egnestre !  Mit  ^^nan,  ^^ian  '  dehnen' 
hat  es  doch  nichts  zu  thun.  Zum  überfluss  verzeichnet 
Sweet  dies  angeblich  bei  ihm  fehlende  wort  als  pegnestre  \  1 
Man  sieht,  wohin  blinde  leidenschatt  unsem  kritiker  führt. 

Herr  Schi,  hat  durch  seinen  aufsatz,  wie  ich  genügend 
dargelegt  zu  haben  glaube,  bloss  von  neuem  bewiesen,  dass 


392      F.  HOLTHAUSEN,  ZU  ALT-  U.  MITTELENOL.  DENKMÄLERN. 

ihm  zur  erfolgreichen  mitarbeit  an  der  ae.  glossenforschnng 
die  nötigsten  Voraussetzungen  fehlen:  genauigkeit,  kenntnisse, 
methode.  Ich  werde  in  zukunft  auf  etwaige  neue  anzapfungen 
nicht  mehr  antworten.  —  Zu  meinem  aufsatze  in  dieser  zs. 
XXI,  231  ff.  habe  ich  nur  folgendes  zu  berichtigen:  s.  232  ist 
iesen  wohl  in  lesca  zu  bessern ;  s.  236 :  hyrgan  existiert ,  vgl 
Napier,  0.  E.  Gl.  p.  101,  3812;  s.  238  unten:  nach  Glogger  ist 
figl  als  fi(jnraliter  aufzulösen.  Das  sind  m.  w.  die  fälle,  die 
ich  „aus  eigener  Unkenntnis  falsch  beurteilt"  habe,  wie  herr 
Schi.  XXIV,  531  sagt.  Und  nun  genug  von  diesem  neuesten 
„  Schlutterskandal " . 

Kiel,  2.  Januar  1902.  F.  Holthausen. 


DIE  VOKALE 
DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS. 


Einleitung. 

I. 

In  den  angelsächsischen  Urkunden  liegt  ein  ausgedehntes 
material  verborgen,  das  bis  jetzt  seitens  der  Sprachforscher 
nur  teilweise  beachtung  gefunden  hat.  Der  grund  hiervon  ist 
gewiss  in  der  beschaffenheit  dieses  materials  zu  suchen.  Nur 
verhältnismässig  wenige  jener  Urkunden  sind  uns  im  original 
erhalten,  weitaus  die  meisten  in  sammelhandschriften  auf  uns 
gekommen,  die  erst  nach  der  normannischen  eroberung  ent- 
standen, und  demgemäss  nui'  mehr  oder  weniger  sorgfältige 
kopien  älterer  dokumente  aus  der  angelsächsischen  zeit  bringen. 
Gerade  in  solchen  Schriftstücken  könnte  der  eine  oder  der 
andere  versucht  sein,  ein  für  sprachliche  zwecke  sehr  unzu- 
längliches material  zu  finden.  Aber  wenn  wir  das  auch  zu- 
geben möchten,  selbst  dann  kann  es  keinem  zweifei  unterliegen, 
dass  es  bei  dem  heutigen  fortgeschrittenen  stand  der  Sprach- 
wissenschaft erforderlich  wird,  auch  das  anscheinend  minder- 
wertigste material  einer  genauen  betrachtung  zu  unterziehen. 
Es  ist  sicher,  dass  hierbei  manche  interessante  einzelheit  zu 
retten  ist,  die  sonst  spurlos  verschwinden  würde.  Von  diesem 
Standpunkt  ausgehend  befasst  sich  vorliegende  arbeit  mit  einer 
Sammelhandschrift  obenangedeuteter  art,  nämlich  dem  Addi- 
tional  Manuskript  15350,  dem  sog.  Codex  Wintoniensis  im 
Britischen  Museum.  Folgende  beschreibung  dieses  Ms.,  die  der 
List  of  Additions  to  the  Department  of  Manuscripts  1845  ent- 
nommen ist,  verdanke  ich  der  gute  von  herm  F.  G.  Kenyon 
vom  Britischen  Museum :  "  Ancient  Cartulary  of  the  Priory  of 
St.  Swithin,  Winchester,  containing  a  large  collection  of  royal 

AngUa.    N.F.    XUL  26 


394  B.  A.  WILLIAMS, 

and  other  charters,  in  Anglo-Saxon  and  Latin,  from  the  reign 
of  Ceadwalla  of  Wessex,  a.  d.  668,  to  the  reign  of  Edward  the 
Confessor,  a.  d.  1046;  with  the  addition  of  a  few  others  of 
later  date,  granted  by  William  I,  Stephen  and  Henry  L  The 
volume  is  very  finely  written  throughout,  with  omamental 
initial  letters,  and  was  probably  compiled  in  the  time  of 
Henry  de  Blois,  Bishop  of  Winchester  (brother  of  King  Stephen) 
between  the  years  1130 — 1150."  Die  in  diesem  cartulariam 
enthaltenen  Urkunden,  abgesehen  von  den  nach  der  regienmgs- 
zeit  Eadwards  des  Bekenners  entstandenen,  finden  sich  abge- 
druckt in  folgenden  zwei  werken,  die  ich  meiner  arbeit  zu 
gründe  gelegt  habe :  W.  de  Gray  Birch,  Cartularium  Saxonicum. 
3  Bde.  London  1885—1893  und  J.  M.  Kemble,  Codex  Diplo- 
maticus  Aevi  Saxonici.  6  Bde.  London,  1839 — 1848.  Das 
Cart.  Sax.  bringt  eine  diplomatisch  genaue  wiedergäbe  der 
texte,  reicht  aber  leider  nur  bis  zum  jähre  975  herunter.  Für 
die  nach  diesem  jähre  datierten  Urkunden  war  ich  daher  auf 
das  Eemble'sche  werk  angewiesen.  Eemble  ist  seinem  material 
gegenüber  freier  verfahren  als  de  Gray  Birch.  Nach  eigener 
angäbe  hat  er  versucht,  den  text  aller  nicht  im  original  vor- 
liegenden  Urkunden  zu  normalisieren  (cf.  Cod.  Dip.  I  Efnl, 
s.  cxiv).  Dass  er  jedoch  hierin  nicht  sehr  weit  gegangen  ist^ 
wenigstens  was  Add.  Ms.  15350  anbelangt,  beweist  ein  ver- 
gleich der  Urkunden  vor  975  mit  denselben  in  der  gestalte 
wie  sie  sich  bei  de  Gray  Birch  finden.  Er  hat  die  hand- 
schriftlichen akzente  weggelassen  und  eigene  zur  bezeichnmig 
der  vokallänge  eingeführt.  Femer  rückt  er  komposita  zu- 
sammen, die  im  Codex  vom  Schreiber  auseinander  gehalten 
sind,  verbessert  offenkundige  Schreibfehler,  liest  gewöhnlich 
^öel  oder  ^If  statt  Aöel  bezw.  Eöel  oder  Alf  bezw.  Elf, 
und  ähnliches.  ^    Solche  kleinigkeiten  jedoch  sind  von  wenigem 


^)  Znr  Yeranschaulichung  seien  hier  die  ergebnisse  eines  Vergleiches 
der  texte  von  etlichen  Urkunden  bei  den  beiden  herausgebem  beigegeben. 
Ich  hebe  nur  wichtigeres  hervor.  (Die  zahlen  beziehen  sich  auf  die  num- 
mem  bei  Birch.  Bei  jedem  beispiel  setze  ich  die  form  des  wertes  bei 
de  G.  B.  voran.) 

27  witan  wyröe  —  piian  wyröe;  ende  —  csnde;  fies  fiwyrea  —  der 
fiwyres;  landsccere  —  landscecere;  Cynewalc — CyneuiuUc;  Ceolof — Ceoiue; 
Vnwana  —  ünuuana;  Lvüing  —  Luütng;  Vibäld  —  ütbäld.  102.  ford 
(adv.)  —  ford;  inon  —  m  on;  Fartheres  —  FarÖeres,     168.  I^ridogifda  — 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     395 

belang  und  ich  glaube  seinen  text  als  im  wesentlichen  zu- 
verlässig ansehen  zu  können. 

n. 

In  vorliegender  arbeit  soll  versucht  werden,  das  im  Codex 
Wintoniensis  vorhandene  material  zwecks  einer  darstellung 
der  lautverhältnisse  der  tonsilben  mit  möglichster  Vollständig- 
keit heranzuziehen.  Ich  will  dabei  in  erster  linie  präzisieren, 
inwieweit  die  angelsächsische  Urkundensprache  in  der  form, 
in  der  sie  uns  grösstenteils  überliefert  ist,  für  solche  zwecke 
ausreicht.  Daneben  kommt  es  darauf  an,  die  einheitlichkeit 
des  dialekts,  sowohl  zeitlich  wie  örtlich,  und  sein  Verhältnis 
zum  Früh-  und  Spätws.  zu  prüfen.  Da  die  Überlieferung  nicht 
direkt  ist,  wird  es  auch  erforderlich,  solche  späte  formen,  die 
die  Schreiber   aus  ihrer  eigenen  spräche  eingestreut  haben 


FriÖogyÖa;  üping  ford  —  ücingford;  more  —  mör;  wiÖig  üede  —  toi^- 
sUde;  wiÖig  leagdte  —  wiÖiglia  gate;  hcsriht  gimcere  —  bce  rihtgemctre ; 
gyrd  wig  —  gyrdweg;  cecSras  —  ceceras;  gata  forÖ  —  gdtaford;  Frydo- 
gydce  —  FryÖogyÖce,  594.  Ueberschrift  To  Hyssebuman  bei  K.  wegge- 
lassen.   Alfred  —  Alfred;  Orferd —  OsferÖ;  gi  erian  —  ge-erian;  gerawan 

—  gesawan;  gauol  heerer  —  gauolboeres ;  afid  hiora  agenre  fhjwile  —  on 
htora  agenre  hwile;  ecUa  sceapan  —  eald  sceapan;  and  (Schreibfehler)  — 
an;  ganddagan  —  Gangdagan;  lang  gemero  —  landgemSro;  bitan  cnoüe 

—  bican  ctwüe;  tciwindlan  —  pitcinölan;  Off  erb  —  OsferÖ.    595.  AÖeiundf 

—  JEÖelwtdf;  Wvlhere  —  Wulfhere;  dissa  —  Öissa;  Beorstan  —  Beomstan; 
JEdelferd  —  JEddferÖ;  Ocea  —  Occa,  599.  ared  —  äned  (fehlerhafte 
yerbessemng !  ared  =  praet.  zn  ärotdan);  agyfeÖ  —  agyfed;  to  hynÖ  —  tö 
hyrÖ;  fol  —  folc;  dara  —  Öara;  standad  —  standaÖ;  acennesse  —  acen- 
nfednjesse;  .^kielstan  —  ^Öelstan,  605.  crinig  —  einig;  Dentdfe  — 
Deneulfe;  stotnne  —  sUtnnene;  däpem  —  sUbpern;  twodcdanne  —  tö- 
ddblanne;  Donne  is  9i8  se  eaca  —  Donne  is  bisse  edca;  beoÖoem  —  be- 
orboprn;   sttÖstrete  —  siibstrctte;    bas  simbganges  —  bas  imbganges;   driu 

—  priu;  EaÖwearb  —  Eadweard;  Deormob  —  Deormod;  Adelsian  — 
jEbelstan.     611.  Epelweard  —  JEbeltceard;    Osferd  —  OsferÖ;  Byrhnelm 

—  Byrnhelm;  Withbord  —  Wiöbord;  Elfred  —  Alfred;  Elfstan  — 
^Ifstan;  Eperic  —  JEberic.  948.  Eadgi  —  Eadwi;  Eadvvig  —  Eadutäg; 
fieow  waJi  —  heoppah;  Alfwold  —  ^Ifwold;  ^Öelgearb  —  JEÖelgeard; 
Byrhtferd  —  Byrhiferb,  959.  AÖelwold  —  jEÖelicold;  well  piü  —  toelwiü; 
weüpyUce  —  welioyüce;  wrostlan  wyl  — prostlan  wyl;  genespom  —  genes 
pom;  scypeladiBS  pyllce  —  Scypeladces  tcyüa:;  of  pam  pyücB  on  mer  pyü 
of  pam  pyücB  —  of  bäm  wylke  on  mencyü  of  bdm  wyüce;  well  pyü  — 
wellwyll;  Alfwold  —  alfwold;  Byrhtfert  —  Byrhiferb;  JEperced  — 
.^CÖelrced;   Byrhferö  —  Byrhtferd, 

26* 


396  R.  A.  WILLIAMS, 

können,  sorgfältig  auszuscheiden,  um  so  ein  reineres  bild  der 
ursprünglichen  Verhältnisse  zu  gewinnen.  Diese  letzte  auf- 
gäbe wird  dadurch  einigermassen  erleichtert,  dass  einige  von 
den  Originalurkunden,  die  bei  der  herstellung  des  Codex  Win- 
toniensis  wahrscheinlich  benfitzt  wurden,  uns  noch  erhalten 
sind,  obwohl  leider  in  sehr  geringer  zahl.  Diese  müssen  dann 
natürlich  zur  yergleichung  sorgfältig  herangezogen  werden. 

m. 

Die  direkte  vorläge  des  Codex  Wintoniensis  ist  eine  an- 
dere handschrift  ähnlicher  art  gewesen;  d.  h.  seine  Schreiber 
haben  nicht  etwa  die  im  Cod.  enthaltenen  Urkunden  zusammen- 
gestellt und  so  zu  sagen  redigiert,  sondern  sie  haben  eine  schon 
fertige  Sammlung  vor  sich  gehabt,  die  sie  einfach  abgeschrieben 
haben.  Dies  geht  aus  folgenden  erwägungen  klar  hervor :  ein 
teil  des  Cod.  sticht  vermöge  eines  besonderen  merkmals  vom 
rest  der  hs.  deutlich  ab.  Dieses  merkmal  besteht  nämlich  in 
der  überaus  häufigen  anwendung  der  ligatur  ce,  nicht  nur  in 
ton-  sondern  auch  in  unbetonten  Silben,  an  stellen,  wo  nach 
der  gewöhnlichen  regel  nur  e  berechtigt  ist.  Allein  durch  die 
regelmässigkeit,  womit  in  allen  ein  e  enthaltenden  flexions- 
enduDgen  und  mittelsilben ,  sowie  in  den  unbetonten  prokli- 
tischen  Partikeln  wie  he,  Öe,  ge  etc.,  dieses  ce  fär  e  wieder- 
kehrt, kann  man  diesen  teil  der  hs.  mit  der  grössten  leichtigkeit 
vom  rest  des  Codex  absondern.  Wir  könnten  also  vermuten 
wollen,  dass  der  besagte  abschnitt  nicht  von  demselben  Schreiber 
herrühre  wie  die  übrigen  teile,  mit  anderen  werten,  dass  er 
von  einer  anderen  hand  geschrieben  sei.  Dies  ist  jedoch  nicht 
der  fall.  Wie  ich  von  meinem  gewährsmann  erfahre,  ist  am 
anfang  dieses  teils  des  Codex  kein  Wechsel  in  der  hand  des 
Schreibers  erkennbar.  Sowohl  dieser  teil  wie  der  vorher- 
gehende rührt  also  von  ein  und  demselben  Schreiber  her.  Es 
ist  jedoch  nicht  möglich,  dass  dieser  Schreiber,  als  er  am  anfang 
des  in  betracht  kommenden  abschnitts  angelangt  war,  alle 
seine  gepflogenheiten  bezüglich  die  Setzung  von  (e  und  e 
plötzlich  umänderte,  wir  müssen  vielmehr  annehmen,  dass  er 
eine  vorläge  vor  sich  hatte,  worin  der  entsprechende  teil  schon 
diese  Verschiedenheit  aufwies,  folglich,  dass  diese  vorläge  von 
mehreren  Schreibern  herrührte,  deren  eigentümlichkeiten  in 
der  späteren  abschrift  entweder  mit  absieht  oder  durch  gleich- 


DIB  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      397 

giltigkeit  bewahrt  wurden.  Wir  ersehen  zum  weiteren  daraus, 
dass  oben  genannter  Schreiber  (des  Cod.),  der  übrigens  fast 
den  ganzen  Codex  geschrieben  zu  haben  scheint,  denn  es  tritt 
nach  herrn  Kenyon  erst  gegen  ende  der  hs.  ein  merklicher 
unterschied  in  der  hand  ein,  in  einem  völligen  abhängigkeits- 
verhältnis  zu  seiner  vorläge  stand.  Sonst  hätte  er  ja  nicht 
diese  merkwürdige  abweichung  in  der  orthogi-aphie  herüber- 
genommen, ohne,  soweit  wir  beurteilen  können,  irgend  welchen 
versuch  zu  regeln.  Hieraus  geht  weiter  hervor,  dass  der  anteil 
dieses  Schreibers  an  der  gestaltung  der  Orthographie  unseres 
Cod.  sehr  gering  war,  so  gering,  dass  wir  ihn  ausser  acht 
lassen  dürfen.  Insofern  ein  gegensatz  zwischen  den  Schreibern 
in  betracht  kommt,  ist  dieser  gegensatz  zwischen  den  Schrei- 
bern der  vorläge  nicht  des  Cod.  selbst.  Auch  die  oben  er- 
wähnte zweite  hand  im  Codex  scheint  ganz  ohne  besondere 
characteristica  zu  sein. 

Anmerkung.  Das  Verhältnis  der  verschiedenen  bände  in 
der  hs.  des  Cod.  selbst  wird  von  herrn  Kenyon  wie  folgt  dar- 
gestellt (ich  schicke  die  bemerkung  voraus,  dass  nach  meinem 
gewährsmann  "the  main  body"  des  manuskripts  zwischen 
blatt  6b— 116b  enthalten  ist.  Auf  blatt  3b  —  6  und  dann 
wieder  116  b  — 120  sind  verschiedene  Urkunden  nachgetragen. 
Diese  nachtrage  sind  teilweise  aus  der  vorläge  des  Codex, 
teilweise  sind  sie  die  schon  erwähnten  jüngeren  Charters,  die 
für  unsere  zwecke  nicht  in  betracht  kommen):  "The  main 
body  of  the  MS  was  certainly  written  at  one  time,  though 
several  scribes  seem  to  have  been  employed  on  it;  it  is  im- 
possible  to  say  exactly  how  many.  There  is  a  marked  change 
of  hand  in  the  middle  of  f.  111b,  but  the  new  hand  (which  is 
smaller  than  those  which  precede)  is  still  of  the  12th  Century." 
Wie  gesagt,  fallen  diess  unterschiede  für  unsere  zwecke  nicht 
ins  gewicht.  Im  folgenden  habe  ich  nur  den  oben  dargestellten 
unterschied  der  bände  in  der  vorläge  berücksichtigt.  Den 
Schreiber,  dessen  hauptcharakteristicum  ich  schon  angedeutet 
habe,  nenne  ich  im  weiteren  verlauf  der  arbeit  X.  Wo  die 
ihm  zugehörigen  belege  hervorzuheben  sind,  geschieht  dies 
durch  vorsetzung  eines  Sternchens  vor  der  Seitenzahl. 


398  B.  A.  WILLIAMS, 

IV. 

Um  das  Verhältnis  der  Schreiber  des  Cod.  Wint.  zu  ihrer 
vorläge  in  klares  licht  zu  setzen,  erachte  ich  es  f&r  ratsam, 
hier  eine  Zusammenstellung  der  hauptsächlichsten  arten  von 
schreibfehlem,  welche  ihnen  untergelaufen  sind,  mitzuteilen. 
Bemerkt  sei,  dass,  obwohl  Schreibfehler,  buchstabenverwech- 
selungen  usw.  häufig  wiederkehren,  dies  keine  besondere  eigen- 
tümlichkeit  unseres  denkmals  ist,  sondern  von  den  meisten  hss. 
aus  derselben  epoche  geteilt  wird.  Die  erscheinungen  auf 
diesem  gebiet  bilden  für  sich  eine  spezielle  frage,  die  noch 
der  lösung  harrt,  obwohl  durch  Schröer  in  der  einleitung  zu 
seiner  ausgäbe  der  Winteney -Version  der  benediktinerregel 
etwas  vorgearbeitet  worden  ist.  Eine  eingehendere  Unter- 
suchung ist  aber  wohl  dem  paläographen  von  fach  zuzuweisen. 

Für  den  Codex  charakteristisch  sind  folgende  klassen  von 
fehlem:  Auslassung  von  buchstaben  (bei  jedem  beispiel  setze 
ich  den  fehlenden  buchstaben  in  klammem) :  suil{c)  IE  162,  28, 
s{c)(et  n  135, 17 ,  meol{c)forda  HI  247,  4,  Mare{d)  H  77,  27, 
Äreo(d)m(B(fe  m  607, 16,  Or(d)?a/'n207, 11.  234,18,  ^l(f)wold 
n  305,  8,  ^Hf)stan  I  594,  6,  ^l(f)red  U  164, 19.  289, 16, 
El(fyed  n  305,  9,  Wul(f)here  U  243,  23,  Wul(f)sige  U  252,  85, 
beaddi{n)gbr6c  11  74, 16 ,  Beor{n)stan  U  244,  28 ,  Beor{n)sige 
ebda.  32,  Fear{n)ham  U  98,  25,  slaMfor(n)toeg  HL  632,  10, 
h(Bbba(n)  ini32,2S,  Wi{h)ibrordJI 298,d9,  Tri(A)^ar H 380, 86, 
Ead(h)eage  HI  227,  2 ,  Eal(h)stan  II  381,  1 ,  Eai(h)mund  JI 
170,  22,  WealtQi)am  Jl  299,  20,  JEscbyr{h)t  II  359,  24,  geQiy 
wylcum  m  501,  23,  {h)(efed  {=  hcefd)  I  544, 10,  HeHfn)8tanus 

I  594,  24,  Wighel{m)  II  274,  7,  Pa{m)  JH  446, 19,  P(B{m)  TR 
305,  21,  Beorh{t)sige  II  380, 18,  Byrh{t)sige  II,  383, 16,  on  ge- 
riUfyna  I  548,  20,  te{r)sian  H  164,  13,  hromhy{r)ste  m  632, 16, 
cyrog{r)afum  HI  417,  6,  Ädelwo{T)d  UI  292,  38,  Eadu([)f  11 
290,  35. 

Einschiebung :  lyt(h)lan  III  520,  8,  gese{h)tnesse  JH  417,  5, 
gewit{h)ne$$e  II  207,  28,  HI  306,  22 ,  Bur(h)ghardu8  I  541,  25, 
wyr{h)ttruman  III  305,  36,  Beor{h)nstan  II  302,  7,  Byr{h)nelm 

II  271,  30,  jE(l)öelnod  lU  4  fussnote  2,  Ceo(i[)seldene  11 240,  24, 
middelc(l)nolim,lS,  Ea{l)nulf  II 64, 6,  hea{T)mfneresI14S,31j 
c{r)img  II  262, 1,  cy{r)twara  m  655,  37,  Wlf{r)ard  I,  545,  20,. 
Win{d)sige  II  252,  31,  cra{d)wancrundul  1 47,  21,  Cynewdl{w)ho 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.      899 

n  286,  8,  Wul(w)ßere  II  71,  20,  t(w)odcelanne  11  262,  10, 
BruJi(t)ham  I  257,  29,  (e{c)scfald  TR  849, 27,  s{c)l€ede  U  456,  29, 
in{g)on  I  229,  8  u.  ö. 

Doppelsetzung;  Icecce  HI  655, 88,  micclan  TU  188, 9.  855, 81, 
iccenan  HI  117, 15,  eescce  H  413,  2,  hrocces  H  549,81,  hanggran 
m  478, 15,  ge^aßncge,  -a  m  432, 2. 83,  Wynsicge  k  m  177, 16, 
Ecblertus,  -i  I  543,  21.  35,  deoppan  II  288, 10,  ibihttan  U  171, 
34,  Beorhttanwille  11  568,  3,  hlidgeattce  11  288,  4,  bcecwedden 
m  432,  31,  Orddulf  H  172,  14,  beoddcem  Jl  296,  83,  2>äet  IH 
296,  24,  nordJ>eweardne  U  442,  33,  llullan  11 171,  85,  Ticcest- 
stede  n  530, 1,  swua  IH  172,  14. 

Metathese:  mcersic  III  356,  3,  dies  IH  482,  11,  drihtnes 
111502,3,  ÖeowresJll&hh,!^,  1539,32,  wigtSe, wigiff- (=  wifftg) 
m  296, 19.  655,  21,  Ticcetesde  U  529,  6.  21,  Ferhnam  I  452,  26, 
Cuderö  n  381,  4;  metathese  von  h  und  t  in  der  Verbindung  ht 
ist  überaus  häufig  in  eigennamen :  Beorth-  11  99,  30.  33,  Egc- 
byrth  H  292,  7,  Ecgbrith  H  238,  16,  JEpelbyrth  H  290,  30, 
F^Äred  H  380,  24,  üthred  I  549,  13,  Wühbrord  H  289, 17.  293, 
21  etc.,  Wethelmes  I  555, 16.  Hier  bemerke  ich,  dass  die  Ver- 
bindung öh  gewöhnlich  durch  th  ausgedrückt  wird  in  dem 
namen  Swithun  H  64,  3.  71, 16.  72, 10  etc. 

Verwechselung.  Das  runenzeichen  für  w  führt  ziemlich 
häufig  zu  missverständnissen  seitens  der  Schreiber,  z.  b.  es  er- 
scheint dafür  das  ^orn  in  2>iö  I  515  mehrere  male,  stoöce  H 
282,  25 ,  umgekehrt  wonon  =  ^onon  U  492,  20  und  ähnlich 
cradwancrundul  I  47,  29;  femer  erscheint  Pulfsie  H  295,  17 
statt  Wulf-,  und  umgekehrt  Äwceldran  I  229, 11,  wofür  B.  und 
K.  mit  recht  Apceldran  einsetzen;  auch  r  begegnet:  driores 
I  515,  29.  35 ,  und  f  in  fyröe  I  545, 7.  Andere  fälle  von  Ver- 
wechselung sind:  J^om  statt  g:  beord  DI  632,  32,  ^eradigod 
m  417, 5,  statt  c :  Upingford  1 228, 25 ;  t  statt  c :  bitan  1 540, 6 ; 
c  statt  g:  WiJ^iclea  III  142  letzte  zeile,  Eadwic  HI  145,  11, 
beorcleage  IE  413,  1;  m  statt  n:  lufandum  U  76,  37,  Carintum 
III  501,  7,  smede  II  529,  32,  myöerweardne  III  655,  34 ;  n  statt 
m :  ynbos  II  282,  22 ;  nn  statt  m :  Pann  11  533,  29 ;  s  statt  m : 
pas  in  520,  7.  9;  d  statt  t:  hid  II 103,  6,  wridwale  U  444, 15, 
stradford  I  545,  16;  r  statt  ^:  ä?r  I  542,  27;  t  statt  d:  watdcene 
n  409,  31;  Ä  statt  c:  hlinh  JR  296,  29,  buchanforda  U  74,  23; 
ß  statt  c :  /er^e  11  290,  2 ;  i  statt  5 :  hü  III  654,  2 ;  r  statt  5 : 
gauoU)cerer  II  241,  27,  statt  l:  mercfrot  U  164, 13;  n  statt  r: 


400  B.  A.  WILLIAMS, 

to  hynd  n  252,  4;  s  statt  t:  Ms  Stoce  U  171, 12,  statt  r:  Ses 
n  135, 17,  statt  d:  Milres  II  74,  37.  Durch  eine  art  assiini- 
lation  kommt  d  statt  g  vor,  und  umgekehrt:  ganddagan  11 
241,  34,  andland  dune  U  304,  31,  langgemero  U  241,  35,  lang- 
gemcero  TU  62,  21.  Ziemlich  häufig  ist  h  statt  2>om:  farh  III 
607, 14,  Wighegni,  -o  1  540,  24.  542,  1;  einmal  h  statt  s:  heo 
n  208,  4.  Ein  immer  wiederkehrender  fehler  ist  die  Setzung 
von  d  statt  tf  und  umgekehrt.  Hierfür  begegnen  fast  auf  jeder 
Seite  beispiele,  mit  der  beschränkung  jedoch,  dass  ff  statt  d 
fast  durchgehends  im  silbenauslaut  vorkommt,  df&r  ff  dagegen 
im  silbenan-  und  -inlaut. 

Ziemlich  häufig  erscheint  im  silbenanlaut  ein  unberech- 
tigtes Ä :  hryct  =  ryht  II  341, 17,  bce  hrihton  gemcere  TL  288, 22, 
on  gehriUe  III  476,  22,  hriscsteorte  IL  409,  36,  hriscmere  HL 
478, 10  [ich  halte  es  für  verfehlt,  wenn  Binz  in  einer  be- 
sprechung  von  Sweets  Wörterbuch  E.  St.  bd.  24  s.  269  einer 
Urkunde  unseres  Codex  zufolge  ein  hrysc  ansetzen  wilL  Allen 
analogieen  nach  ist  dies  ein  blosser  Schreibfehler  für  ri$c]j 
heälßeages  (zu  JSlfheah)  III  651,  23,  hafuchcdras  IL  76,  28, 
healdan  U  504,  24,  /^cr  =  c§r  H  568,  36,  hut  HL  655, 14,  hup- 
pan  ebda.  z.  33. 

Zuweilen  werden  buchstaben  aus  einem  wort  zum  vorher- 
gehenden herübergezogen  und  umgekehrt:  J>e  sgares  =  Pces 
gares  I  555,  2,  ]>ast  ret  =  ]>d  strebt  LH  117, 14,  peth  wite  = 
poet  hwite  III 145,  27 ,  twegroem  et  gyrda  =  ttoegra  metgyrda 
m  416,  28. 

Aehnlich  entstanden  ist  dces  simbganges  IL  262,  20. 

Ein  häufiger  Schreibfehler  ist  of  statt  off.  Statt  pane 
acsm.  von  se  wird  auch  ponne  gesetzt,  z.  b.  DI  62,  32.  157, 17. 
655,  39.  40.  wofür  auch  ffonon  III  292,  21. 

Gelegentlich  fällt  ein  wort  aus :  Stigandes  bisceopes  (cUeg) 

n  80,  24,    on  ffone  mylensteall  cet  ( )  stve  IL  163,  27,    bae 

Pcere  (....)  ofer  ffona  HL  S05,  26,  ffonan  (pn)  wulfstanes  mearce 
in  632,  28,  pys  sinff  ffa  { )  ffen  into  HI  649,  28. 

Wiederholung  eines  ganzen  Satzteiles  kommt  11 242, 15  vor. 

Es  kommt  noch  eine  menge  anderer  Schreibfehler  hinzu, 
welche  sich  nicht  so  leicht  in  den  rahmen  einer  klassifizierong 
zwingen  lassen,  und  die  später,  wo  es  darauf  ankommt,  bei 
der  lautlehre  berücksichtigung  finden  werden. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     401 

Zur  vergleichung  mögen  hier  eine  reihe  Schreibfehler  ans 
gruppe  2  (siehe  unter  VI)  mitgeteilt  werden: 

Auslassung:  Byrh{t)ferd  HI  298, 19,  an{ä)  Cot.  Ch.  X  17, 
t€%d{ig)Uagate  II  436,  35,  Cy{n)red  H  366, 17,  Bur(g)herd  U  365 
letzte  zeile,  JSl(f)red  U  285,  32,  JEde{Tyred  H  449,  4,  JEde^l)- 
stan  Harl.  Ch.  43  C  8,  JEd{elh)elm  H  366,  4,  JEtä(elh)elm  11 
365,  26,  Sig{h)elm  U  365,  5,  Ord{h)eah  U  449,  6,  Ord(h)eh  U 
437,  23.  (Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dass  die  auslassung  eines 
anlautenden  h  in  nebentoniger  silbe  sehr  gut  auf  der  wirk- 
lichen ausspräche  beruhen  kann.) 

Vereinfachung  einer  geminata :  hric  TU  3,  35,  hricweges  11 
448,  9,  bacegeate  U  284,  34. 

Einschiebung :  berghe  JIS63,27,  gehrihtum IL 284,31,  ingon 
n  436,  27,  ing  to  HI  4,  30,  ^tdelm  H  365,  26. 

Doppelsetzung:  donne  (acs.)  III  3,  34,  klinge  11  437,  1, 
ucingcford  II  436,  36. 

Verwechselung:  hardacnudes  C.  C.  X  17,  gehyret  JH  105,  5, 
wwa  (swa)  U  437,  1. 

V. 

Die  buchstaben  im  Codex  sind  die  gewöhnlichen,  w  wird 
fast  durchgehends  durch  das  runenzeichen  wyn  wiedergegeben. 
Gelegentlich  erscheint  statt  dessen  uu,  u,  vv  (cf.  bd.  I  nr.  27, 
377).  Statt  des  vokalzeichens  u  kommt  auch  v  vor.  Das  u 
schwindet  zuweilen  nach  w,  z.  b.  wlf  ziemlich  häufig  in  eigen- 
namen.  f  als  bezeichnung  des  tönenden  labialen  reibege- 
räusches  wechselt  gelegentlich  mit  u,  v,  b  ab,  z.  b.  kaue,  loue, 
seluan  (11  96),  reve  I  514,  23,  ober,  ubanweardne  (I  515).  Wie 
gewöhnlich  wechselt  J>  regellos  mit  Ö  ab ;  diesen  Wechsel  habe 
ich  bei  der  anführung  der  belegstellen  ausser  acht  gelassen  — 
ich  gebrauche  durchgehends  ö.  Statt  ]>  oder  Ö  steht  vereinzelt 
ih.  Auch  nicht  unbekannt  ist  das  zeichen  k  statt  c.  Statt  ae 
erscheint  ein  paar  mal  ae,  ebenso  j  statt  i.  Das  weitere 
hierüber  bei  der  lautlehre. 

Anmerkung.  Akzente  sind  im  Codex  Wintoniensis  häufig 
verwendet.  Diese  behandle  ich  später  in  einem  anhang  zu 
der  lautlehre. 

VL 

Bei  der  darstellung  der  lautlehre  habe  ich  die  von  mir 
behandelten  Urkunden  in  zwei  gruppen  eingeteilt,  von  denen 


402  B.  A.  WILLUMB, 

die  erste  und  gleich  weitaus  umfangreichere  die  aus  ags.  zeit 
stammenden  Urkunden  des  Codex  Wintoniensis  enthält  Wie 
aus  dem  schon  mitgeteilten  bericht  des  herm  Kenyon  ersicht- 
lich, umfasst  das  manuskript  einige  Urkunden  aus  jfingerer 
zeit  (regierungszeit  Wilhelms  des  Eroberers  etc.);  diese  in 
lateinischer  bezw.  französischer  spräche  aufgezeichneten  Schrift- 
stücke waren  mir  nicht  zugänglich,  weil  sie  ausserhalb  des 
rahmens  des  Eembleschen  sowie  des  Birchschen  Werkes  liegen, 
und  demgemäss  dort  nicht  gedruckt  sind,  üebrigens  haben 
sie  mit  dem  ursprünglichen  Codex  nichts  zu  thun  gehabt,  der 
offenbar  ein  cartular  derselben  art  ist,  und  dieselben  zwecke 
verfolgte,  wie  das  am  ende  des  11.  Jahrhunderts  in  Worcester 
von  Hemming  verfasste  (vgl.  Keller,  Die  litterarischen  Be- 
strebungen von  Worcester  Q  F  LXXXIV  s.  77  ffg.).  In  gruppe  2 
habe  ich,  zwecks  vergleichung  der  spräche,  eine  kleine  anzahl 
sog.  Originalurkunden  aufgenommen,  für  deren  verlässlichkeit 
die  thatsache  bürgt,  dass  sie  in  den  facsimiles  des  Britischen 
Museums  einen  platz  gefunden  haben.  Für  diese  gruppe  habe 
ich  mit  einer  ausnähme  nur  solche  Urkunden  aus  Winchester 
herangezogen,  die  im  Codex  selbst  in  derselben  oder  doch 
wenig  veränderter  form  erscheinen,  was  wohl  den  beweis 
liefert,  dass  sie  zur  direkten  vorläge  des  ursprünglichen  ma- 
nuskripts  des  Codex  gehört  haben.  Die  eine  ausnähme  ist  die 
Urkunde  Cotton  Charter  X  17,  die  an  und  für  sich  selbst  schon 
deswegen  beachtung  verdient,  weil  ihre  entstehung  an  der 
grenze  der  Übergangszeit  liegt;  leider  ist  das  zeugnis  dieser 
Urkunde  aus  palaeographischen  gründen  kein  ganz  verläss- 
liches.  Ich  habe  es  dennoch  für  zweckmässig  erachtet,  ihre 
formen  in  den  kreis  meiner  betrachtung  zu  ziehen.  Ausser 
der  letztgenannten  befinden  sich  alle  diese  Urkunden  bei  Birch 
und  Kemble  abgedruckt,  Harley  Charter  43  C  8  jedoch  bei  K 
nach  einer  modernen  kopie.  Diese  Urkunde  habe  ich  daher 
ebenso  wie  Cot.  Ch.  X  17  nach  eigener  abschrift  aus  den 
facsimiles  benutzt  (zum  abschreiben  war  ich  genötigt,  weil 
das  werk  mir  nur  auf  einige  tage  zugänglich  war).  Für  die 
anderen  beziehen  sich  meine  belege  auf  den  abdruck  bei  B. 
bezw.  K.  Beide  herausgeber  drucken  nach  den  Chartera  In 
zwei  fällen  teilt  B.  die  form  der  Urkunde  im  Codex  getrennt 
mit,  und  in  drei  fällen  giebt  er  in  fussnoten  Varianten  aus 
demselben.    In  der  einen  Urkunde,  die  ich  nach  K.  citiere^ 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  OODEX  WINT0NIEN8IS.     40S 

stimmt  seine  wiedergäbe  vollständig  zu  den  facsimiles,  etwaige 
abweichungen  des  Cod.  werden  jedoch  nicht  berücksichtigt. 
Nur  wo  diese  Urkunden  von  Birch  getrennt  gedruckt  sind, 
habe  ich  sie  für  gruppe  1  verwertet;  in  anderen  fällen  habe 
ich  mich  damit  begnügt,  unter  gruppe  2  in  klammem  auf  die 
Varianten  des  Cod.  zu  verweisen.  Statistische  angaben  unter 
gruppe  1  beziehen  sich  daher  lediglich  auf  die  hiemach  unter 
diese  gruppe  zusammengefassten  nummem  von  B.  und  K 
Folgendes  ist  ein  Verzeichnis  dieser  nummem,  mit  angäbe  des 
entstehungsjahres  jeder  Urkunde  nach  den  herausgebem.  Wo 
zwei  nummem  durch  )  verbunden  sind,  deutet  dies  in  jedem 
fall  an,  dass  nach  Birch  die  zweite  der  so  zusammengezogenen 
nummem  eine  „andere  form"  der  vorhergehenden  Urkunde 
ist,  vermutlich  von  demselben  datum.  Die  mit  einem  kleinen 
X  bezeichneten  Urkunden  stammen  aus  dem  von  X  geschrie- 
benen teil  der  vorläge. 


(i^roppe  1. 

478 

Birch. 

Bd. 

I. 

479 

x491 

493 

Nummer. 

Jahr. 

27 

ante  672 

495 

53 

680 

x508 

72 

688 

520 

102 

701 

543 

158 

737 

544 

179 

749 

549 

180 

550 

324 

803X 

805 

565 

377 

824 

566 

389 

825 

590 

390 

— 

592 

391 

826 

594 

392 

— 

595 

x393 

— 

599 

398 

ohne  jahreBzahl 

605 

423 

838 

611 
612 

Band  U. 

613 

x468 

854 

614 

473 

617 

474 

— 

x618 

475  \ 

x619 

476  1 

621 

477 

— 

622 

I 


1043-53 
856 
nach  856 
858 
863 
868 

871x877 
877 
880 
882 
ohne  datum 

901 


902 

901x904 

904 


905 
879x908 

901x906 
909 


14  • 

B.  A.  Wn<T<UM0, 

623 

^_ 

905 

955 

x624 

931 

956 

625  \ 

626  1 

9381 
939  1 

— 

627 

x948 

— 

628 

— 

x953 

— 

629 

circa  909 

x959 

— 

663 

928 

960 

— 

674 

931 

962 

— 

679 

— 

x969 

— 

689 

932 

974 

— 

690 

circa  932 

976 

— 

x705  \ 
x706 

x979 

„^ 

934 

x980 

ante  1051-1062 

x707 

935 

982 

956 

713 

937 

983 

— 

729 

938 

987 

957 

730 

— 

1004 

-^ 

731 

938 

1027 

958 

740 

939 

1037 

— 

x742 

— 

X1042 

— 

x758 

940 

1051 

959 

763 

— 

1054 

960 

764 

1068 

961 

765 

941 

1071 

— 

770 

1076 

— 

786 

943 

1077 

— 

787 

1078  0 

•••• 

788 

1114 

968 

x796 

i/'x.*JL 

1118 

— 

810 

945 

1119 

— 

819 

946  X  955 

1146 

0.  d. 

830 

947 

1147  \ 

1148  1 

831 

. 

^^ 

832 

— 

1149 

— 

1150 

^^ 

Band  111. 

1151 

.. 

863 

948 

1152 

~— 

864 

^— 

1153 

— 

865 

1154 

— 

875 

949 

1155 

— 

x902 

953x955 

1156 

— 

>)  Von  Birch  nicht  datiert;  die  Urkunde  wiederholt  jedoch  in  gekflntar 
fassung  und  ags.  spräche  die  hestimmungen  von  1077  und  ist  jedenidli  it 
derselben  zeit  ausgestellt  worden,  wenn  sie  nicht  etwa,  wie  mir  ans  ianncm 
gründen  wahrscheinlich,  einen  teil  davon  gebildet  hat. 


DIE  VOKALE  BEB  TONSILBEN  IM- CODEX  WINTONIBNSIS.      405 


1157 

— 

648 

985 

1158 

650 

— 

1159 

— 

652 

— 

1160 

655 

986 

1161 

0.  d. 

x658 

987 

1163 

— 

664 

988 

X1174 

965x971 

x673 

990 

1183 

circa  956 

698 

997 

1199 

967 

712 

0.  d. 

1200 

— 

713 

— 

1217 

968 

717 

996-1006 

1219  \ 

1220  J 

720 

1012 

^^^ 

x721 

— 

1230 

969 

722 

0.  d. 

1292 

973 

1302 

974 

Band  IV. 

1307 

973x974 

x739 

1023 

1314 

975 

743 

1026 

1315 

— 

750 

1033 

1316 

752 

1319 

0.  d. 

753 

1035 

763 

1042 

Eemble. 

Bd.  IM. 

768 

1038-1044 

774 

1044 

611 

977 

775 

— 

622 

979 

776 

1045 

x624 

980 

780 

— 

626 

783 

1046 

633 

982 

786 

1049 

636 

983 

x820 

1060-66 

638 

— 

891 

0.  d. 

x639 

897 

— 

640 

— 

9220 

— 

642 

circa  984 

943 

0  Diese  nammer  wird  yon  Eemble  der  band  sowie  den  spracbformen 
nach  als  jünger  als  der  rest  der  handschrift  bezeichnet.  Auch  dem  inhalt 
nach  gehört  sie  kaum  in  den  Codex  hinein,  dessen  Urkunden  sich  fast  ohne 
ausnähme  auf  ländereien  im  besitze  der  kirche  bezieheUi  während  diese  ein 
brief  eines  alten  mönches  an  seinen  bischof  gewesen  zu  sein  scheint  Sie 
hat  nur  das  mit  dem  Codex  gemein,  dass  sie  eine  kopie  eines  viel  älteren 
dokumentes  ist,  und  auf  die  zwei  klöster  in  Winchester  bezug  nimmt: 
dcet  ealde  und  Öcet  niwe  Mynster.  Weil  diese  Urkunde  aber  im  wesent- 
lichen ein  anderes  und  zwar  ein  viel  jtLngeres  gepräge  aufweist,  habe  ich 
ihre  formen  in  die  lautlehre  nicht  angenommen.  Bei  der  darstellung  der 
lautyerhältnisse  des  Codex  konnte  ihre  aufnähme  nur  den  ttberblick  er- 
schweren. 


406 


B.  A.  WILLIAMS^ 

Band  IV. 

Band  TTT. 

1284 
1291 
1347 

circa  988 
996 
0.  d. 

862                          948 

926                          956 

1072                          961 

Gruppe  2. 

Eemble.    Band  IV. 

620 

Birch.    Band  11. 

909 

781                         lOiß 

677 
678 

931 

Charten. 

727 
734 

938 
939 

Farley  43  G  8                1042 
B.  M.  Cotton  X  17          1061-6& 

Von  obigen  Urkunden  ist  nr.  734  nicht  ganz  voUstSiidig. 
Das  mangelnde  hat  B.  aus  dem  C!odex  ergänzt  ausser  in  einem 
fall,  wo  sowohl  der  Codex  wie  die  Urkunde  eine  Iftcke  auf- 
weist. Letztere  thatsache  beweist  den  engen  Zusammenhang, 
der  im  einzelnen  zwischen  dem  Codex  und  den  Urkunden  be- 
steht. Die  palaeographische  kritik  stellt  nicht  alle  diese  wt- 
künden  auf  gleiche  linie:  die  nummem  620,  727  sowie  Oot 
Ch.  X  17  unterliegen  dem  verdacht,  kopien  zu  sein.  Wie  dem 
auch  sei,  bilden  die  Urkunden  dieser  gruppe,  mit  ansDahne 
vielleicht  des  Cot.  Ch.  X  17,  sprachlich  gegenüber  dem  Oodez 
ein  geschlossenes  ganze.  Sie  bieten  daher  in  manchen  stflcken 
feste  anhaltspunkte  für  die  erschliessung  der  Verhältnisse  der 
vorläge,  aus  welchen  das  ursprüngliche  manuskript  des  Codex 
hervorgegangen  ist. 

Terzeichnis  der  gebrauchten  litteratnr, 

W.  deGrayBirch,  Cartnlarinm  Saxonicum.   3  Bde.   London  1885— IW 

(Cart.  Sax.)    Hierzu,  Index  Saxonicus.    Lond.  1899. 
J.  M.  Kemble,  Codex  Diplomaticus  Aeyi  Saxonici.    6  Bde.    London  ISS^ 

1848.    (Cod.  Dip.) 
E.  Sieyers,  Angelsächsische  Grammatik.  3.  Auflage.  HaUel898.  (Sier.Or.) 
P.  J.  Cosijn,  Altwestsächsische  Grammatik.    1.  und  2.  Hälfte.    Ougltt 

(Cos.  Gr.) 
L.  Morsbach,  Mittelenglische  Grammatik.    Halle  1896.    (Monb.  Or.) 
A.  Pogatscher,  Zur  Lautlehre  der  griechischen,  lateinischen  und  vmtr 

nischen  Wörter  im  Altenglischen.    Strassbnrg  1888.    (PogmtMher.) 
H.  Sweet,  A  History  of  English  Sounds.    Oxford  188a    (RES) 
H.  Sweet,  The  Oldest  English  Texts.    London  1885.    (OET) 
H.  M.  Chadwick,  Studies  in  Old  English.    Transaotiou  of  tlMGuaMIg» 

Philological  Society.    Vol.  IV  189rt— 99.    (Ch.  S  0  E) 


DIE  VOKiliB  DER  TOKSILBEN  IH  CODEX  WTNTONIEK8I8.      407 

F.  Kluge,   Nominale  Stammbildungslehre  der  altgermanischen  Dialekte. 

2.  Auflage.    Halle  1899.    (Kluge,  Stammb.) 
M.  Beimann,  Die  Sprache  der  mittelkentischen  Evangelien.    Diss.  Berlin 

1883.    (Reim.) 
W.  H.  Hulme.    Die  Sprache  der  altenglischen  Bearbeitung  der  Soliloquien 

Augustins.    Diss.    Darmstadt  1894.    (Hulme.) 
H.  Meyer,  Zur  Sprache  der  jüngeren  Teile  der  Chronik  von  Peterborough. 

Diss.    Jena  1889.    (P.  C.) 
B.  Müller,  Abriss  der  Lautlehre  des  northumbrischen  Liber  Yitae.    Basler 

Diss.    Berlin  1900.    (L  V) 
B.  Wolff,  Untersuchung  der  Laute  in  den  kentischen  Urkunden.    Diss. 

Heidelberg  1893.    (Kent  Urk.) 
E.  M.  Brown,  Die  Sprache  der  Bushworth  Glossen  Matthäus  und  der 

merclBche  Dialekt.    Diss.    GKSttingen  1891.    (Brown  B  0 
B.  Zeuner,  Die  Sprache  des  kentischen  Psalters.    Halle  1881. 

G.  Schmidt,   Ueber  die  Sprache  und  Heimat  der  "Vices  and  Virtues". 

Diss.    Leipzig  1899. 
H.  Leyin,  Das  mittelenglische  Poema  Morale  in  kritiBchem  Text    Halle 

1881.    (Enthält  sprachliches  in  der  Einleitung.) 
B.  Carstens,  Zur  Dialektbestimmung  des  mittelenglischen  Sir  Firumbras. 

Diss.    Kiel  1884. 
Pabst,  Die  Sprache  der  mittelenglischen  Beimchronik  des  Bob.  von  Glou- 

cester.    L  Lautlehre.    Diss.    Berlin  1889. 
K.  D.  Bülbring,   Geschichte  des  Ablauts  innerhalb  des  Südenglischen. 

Strassburg  1889. 
A.  Schröer,  Die  Winteney-Version  der  Begula  S.  Benedicti.    Halle  1888. 
H.  Logeman,  The  Bule  of  S.  Benet    London  1888. 

A.  Schröer,  Die  angelsächsischen  Prosabearbeitungen  der  Benediktiner* 

regel.    Bibl.  der  ags.  Prosa.    Bd.  11.    Kassel  1885—88. 
W.  Keller,  Die  litterarischen  Bestrebungen  von  Worcester  in  angelsäch- 
sischer Zeit.    Strassburg  1900. 

B.  Wülker,   Grundriss  zur  Geschichte  der  angelsächsichen  Litteratur. 

Leipzig  1885. 
Kluge  and  Lutz,  English  Etymology.    Strassburg  1898. 

An  Wörterbüchern  und  lexikalischen  arbeiten  habe  ich  die  bekannten 
Yon  Sweet  (StD),  Leo,  Bosworth-T  11er  (B-T),  Stratmann-Bradley,  Skeat, 
sowie  Förstemanns  altdeutsches  Namenbuch  (woraus  ich  alle  zum  vergleich 
angeführten  ahd.  namen  eitlere)  benutzt.  ^)  Des  weiteren  habe  ich  bei  der 
Untersuchung  der  zahlreichen  zeugennamen  verschiedene  namenregister  zu 
ausgaben  altnordischer  denkmäler  (Lslendlnga  Sögur  etc.)  herangezogen. 
Dazu  kommen  noch  mehrere  aufsätze  etc.  in  Zeitschriften,  worunter  ich 
diejenigen  von  Bülbring  in  der  Anglia  hervorheben  möchte.  Diese  sind  im 
weiteren  verlaufe  der  arbeit  genügend  gekennzeichnet. 


*)  Hier  seien  auch  erwähnt  Kembles  einleitung  zu  seinem  dritten  bände 
und  der  index  zu  dem  ganzen  werke,  sowie  A.  Holder,  Altceltischer  Sprach- 
schatz, bd.  I,  Leipzig  1896. 


408  B.  A.  WILLIAMS, 

Vokalismiis  der  tonsilbeiL 

Vorbemerkung.  Bei  der  darstellung  des  vokalismns  der 
tonsilben  gehe  ich  vom  lautstand  des  Altwestsächsischen  ans, 
so  wie  er  vorzugsweise  in  den  grammatiken  von  Sievers  and 
Cosijn  dargestellt  ist  Ich  behandle  daher  die  entwickelang 
folgender  vokale  im  dialekt  des  Cod.  Wint. ,  nämlich  ä,  ä,  g, 
t,  S,  ü,  ij  und  der  diphthonge  ea,  ea,  eo,  eo,  ie,  ie.  Dies  hat 
zur  folge,  dass  ich  gewisse  historische  unterschiede  ausser  acht 
lasse.  Es  ist  z.  b.  für  meine  zwecke  gleichgiltig,  ob  ein  (b  auf 
tonerhöhung  eines  wg.  a  in  geschlossener  silbe  oder  auf  t-am- 
laut  genannten  vokals  beruht,  usw.  Der  ausgangspunkt  ist 
für  mich  in  jedem  fall  die  form  des  Wortes,  die  für  das  Alt- 
westsächsische  der  ^Ifredschen  denkmäler  und  der  Parker 
handschrift  der  chronik  charakteristisch  ist.  Dass  also  das  te 
in  cUeg  geschichtlich  auf  anderem  wege  zu  erklären  ist  als  das 
ce  in  cesc,  brauche  ich  nicht  in  betracht  zu  ziehen.  Es  genügt, 
dass  beide  Wörter  aws.  ein  ce  haben. 

Die  belegstellen  citiere  ich  nach  band-  und  selten-  sowie 
Zeilenzahl.  Die  römischen  Ziffern  I,  ü,  m  beziehen  sich  auf 
die  bände  des  Cart.  Sax. ,  IV,  VI  auf  diejenigen  des  Cod.  Dip. 
Ein  vorgesetztes  K  unterscheidet  den  dritten  band  des  Cod. 
Dip.  vom  dritten  des  Birchschen  Werkes. 

Beim  eitleren  der  beispiele  habe  ich  es  öfters  als  unwesent- 
lich unterlassen,  den  Wechsel  zwischen  einem  e  und  cb  u.  dergL 
in  unbetonter  silbe  zu  bezeichnen. 

In  jedem  Paragraphen  führe  ich  zuerst  ohne  besondere 
bezeichnung  der  gruppe  die  belegsteilen  aus  gruppe  1  an,  und 
lasse  dann  darauf  diejenigen  aus  gruppe  2  folgen.  Weil  letz- 
tere sehr  viel  weniger  zahlreich,  war  es  nicht  immer  zweck- 
mässig, die  gleiche  einteilung  des  Stoffes  in  beiden  fällen  ein- 
zuhalten. 

Kapitel  I.    Kurze  vokale. 

§  1.    Aws.  a. 

Aws.  a  erleidet  keine  beeinträchtigung  seines  gebiets, 
sondern  bleibt  in  vollem  umfange  erhalten.  Hie  und  da 
tritt  ausserdem  eine  kleine  erweiterung  seiner  geltung  auf. 
Vgl.  I.  b). 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      409 

I.  a  in  offener  silbe. 

a)  Vor  ursprünglich  gutturalem  vokal  einer  ableitungssilbe : 
stapol  I  47,  27.  II  81,  12.  295,  41.  IH  145,  28.  478,  17;  stapul 
11305,2.  in5,6.  K III 302, 4;  Stapel II i94:,22i  stapoleU 80,24. 
485, 16.  in  651, 21 ;  stapöle  II 304, 14. 19 ;  stapolwege  U  495,24; 
stapolÖom  in  303, 34;  fineesstapel  HI  176, 18 ;  hicanstapol  K  HI 
337,  29  (einmaliges  stopul  11  382,  17  ist  wohl  als  Schreibfehler 
anzusehen);  gafole  II  251,  35.  280,  7;  gauoltininga  II  241,  30; 
gauolbcerer  (=  -bceres)  H  241, 27;  gauolmcede  ebda.  z.  28;  gauol- 
wyda  ebda.  z.  29;  hafoces  III 519, 26.  520, 10;  hafeces  11 444, 19 
Aa/ocÄKwcIII204,21;  hafocwylleI2i3,S4;  hafuclilinceIb45,U 
afocanlea  II  296,  27 ;  hafucalras  II  76,  27 ;  hafucford  11  77,  18 
apoldre  U  242, 18.  357, 27.  413, 3.  III  164, 21 ;  awceldran  (Schreib- 
fehler) I  229, 11 ;  apoldran  II 303, 35 ;  apeldran  IV  34, 13,  93, 3; 
apelduran  IV  90,  25;  dpoldre  II  413,  3.  III  651,  24;  mapolder 
II  242,  12;  mapoldrastoc  III  292,  25;  mapoldreget  IV  108,  23; 
fald  III  349,  24 ;  falde  ebda. ;  Faleölea  K  HI  203,  31 ;  wifiling- 
falod  II  368,  1 ;  stodfald  HI  141, 31 ;  (eesfald  III  349, 29 ;  wudu- 
faldan  II  529,  32;  gagolmor  III  8,  13;  gagelbroce  II  532,  14; 
geöafuncge  IH  432,  2 ;  geÖafuncga  ebda.  z.  33 ;  geÖa fange  TL 
280, 10.  III  306, 2 1 ;  geöafiunga  K  UI 359, 33.  36] ,  1 ;  gestadohde 
II  262,  6 ;  Afonos  (ne.  Avon,  flussname)  K  III  229,  25 ;  afene  I 
545,  4  etc.;  afenan  11  409, 24;  Äfintun  III  292, 17;  Äweltune{s) 
1 541, 1.  542, 20.  543, 39;  Äultune  1 542, 19;  Cateringatun  K  IH 
363,  10;  badecandcene  (vgl.  Baduca  OET  s.  472)  HI  632,  27 
{bedecanlea  HI  632,  17  beruht  vielleicht  auf  suffixablaut); 
hadaca  lea  (wegen  des  Suffixes  vgl.  OET  s.  471  Cadaca) 
IV  108,  30. 

Anmerkung  1 .  Mit  cegefceles  H  208,  6  sind  zu  vergleichen 
ähnliche  formen  in  den  ältesten  glossen.  Hierüber  vgl.  man 
Ch.  S  0  E  s.  135  f ussnote,  dessen  erklärung  vielleicht  das  rich- 
tige trifft.    Vgl.  aber  auch  Sievers,  Zum  ags.  Vocalismus  s.  23. 

Anm.  2.  Hinsichtlich  des  Stammes  al{p)r  bin  ich  unsicher. 
Belege  sind  häufig:  alr  II  171,  34.  IH  355,  30;  alre  II  171,  34. 
355,  31 ;  alrford  II  172,  5;  alarsceatces  I  548,  16.  III  460,  36; 
alorbroce  II  74,  19;  alercum  II  243, 16;  alerburnan  II  358,  36; 
Alresford  1 148,  8  etc.  Sweet  setzt  das  wort  mit  kürze  an, 
Kluge  und  Lutz  dagegen,  an  ein  got.  *ailiza  anknüpfend,  mit 
länge.  Der  vergleich  mit  ne.  alder  kann  nicht  entscheiden, 
denn  alder  kann  ebensogut  auf  länge  wie  auf  kürze  zurück- 

▲nglia     N.  F.    XIII.  27 


410  B.  A.  WILLIAMS, 

gehen,  man  vergleiche  ne.  all  <  me.  all  zu  aws.  eall,  und  ne. 
aldernian  <  me.  äldertnan  <  spätags.  äldorman{n),  [Morsbach, 
Gr.  §  57  c).] 

Anm.  3.  Hier  erwähne  ich  das  lehnwort  apostol  II 163,  4 
etc.  und  die  eigennamen  üagenan  (vgl.  Hagana,  Kent.  Urk.  s,  4) 
1 148, 14;  Harold  IV  104,  6.  105,  5  etc.  Das  häufige  Adulf 
scheint  eine  blosse  Verkürzung  von  JEÖelwulf  zu  sein  (vgl. 
unten  §  2  anm.  7).  Auch  gehört  hierher  wohl  Hafunt  III 415, 25. 
K  ni  203,  29,  wenn  man  nach  dem  von  K  im  index  (bd.  VI) 
angeführten  ne.  Havant  urteilen  darf. 

Anm.  4.  Das  nur  in  einer  Urkunde  vorkommende  grafet 
n  358,  4 ;  grafette  I  357,  25.  358,  26.  27 ;  grauet  ebda.  z.  24, 
wird  von  Sweet  mit  kurzem  vokal  angesetzt,  dagegen  von 
Leo  als  deminutiv  zu  grdf  bezeichnet.  Dementsprechend  weicht 
die  bedeutung  bei  Sweet  von  der  bei  Leo  ab. 

Anm.  5.  Das  einmal  belegte  taregan  E  III  363, 12  hat 
vielleicht  svarabhakti-vokal.  Es  scheint  überhaupt  nur  hier 
und  an  einer  anderen  stelle  vorzukommen.  Leo  vergleicht 
ahd.  an.  targa. 

b)  vor  ursprünglich  palatalem  vokal  einer  ableitungssilbe : 
Die  beispiele  beschränken  sich  auf  die  mit  ^Öel-  gebildeten 
eigennamen,  statt  dessen  häufig  Adel  erscheint.  Dies  beruht 
wohl  auf  latinisierung,  vgl.  unten  §  2,  II,  a). 

c)  vor  gutturalem  vokal  der  casus-  oder  tempusendungen. 

1.  Plural  der  a-stämme :  dagas  U.  410, 38 ;  dagum  IV  51, 21 ; 
dagon  ITC  501,  22 ;  gangdagan  II  208,  1 ;  ganddagan  U  241,  84; 
fata  II  583,  22 ;  Baöan  HI  432,  6. 

2.  o-stämme:  ns.  lacii  III  6, 19;  landscaru  K  III  338,  4; 
hurhwaru  VI  207,  24;  gpl.  fyrdfara  IV  51,  18;  Meonwara  I 
548,  19.  n  460,  40;  citwara  III  176,  20;  iwtoara  H  412,  36. 
K  m  176,  8. 

Anm.  6.  Das  leider  nur  einmal  belegte  fearnbraca  H 
295,  41  acs.  scheint  mir  auf  einen  nominativ  -bracu  zurück- 
zugehen.   Hierzu  würde  ne.  brake  stimmen. 

3.  w-stamm :  HaÖored  I  48,  8. 

4.  n-stämme:  ns.  haga  III  305,  30;  fiduscaga  11  76,  27; 
wyrtwala  II  494,  21 ;  haredene  lU  356,  9  (vgl.  haretcffrt  St.D.); 
haranwylle  (ne.  Harewcll  K  VI  Reg.  s.  295)  HE  446, 19 ;  wara-^ 
wylle  (Schreibfehler)  in  446, 1;   casus  obliqui:  hagan  pasaim, 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8IS.      411 

scagan  11 379,  7.  442, 35.  444, 15 ;  torscagan  IL  291, 7 ;  cirscumbe 
hracan  HI  655,  32;  wyrttvalun  K  III,  219,  6;  schwache  dekli- 
nation  der  adjektiva:  blacan  11 74, 15.  81, 3  etc.,  smalan  passim. 
Anm.  7.  Vielleicht  zu  3.  oben  zu  ziehen  ist  lagan  II 
409,  40.  41,  wenn  dies  mit  lagu  zusammenhängt,  das  von  Sweet 
als  nur  in  der  poesie  vorkommend  bezeichnet  wird,  üebrigens 
Hesse  sich  an  einen  Schreibfehler  für  hagan  denken,  l  statt  h 
ist  sonst  nicht  unbekannt,  man  vgl.  on  gehrilte  (geryht)  HL  476, 22. 

5.  in  der  verbalflexion :  togehagaö  IL  207,  29;  magon  IV 
76,  19;  magen  11252,3. 

Anm.  8.    gehafod  in  501,  23  vermag  ich  nicht  zu  deuten. 

d)  vor  palatalem  vokal  der  flexionsendungen :  In  der  flexion 
des  Singulars  der  ö-stämme  steht  gewöhnlich  a  infolge  von  aus- 
gleichung  mit  dem  nominativ  (hierzu  Ch.  SOE  s.  61):  getale 
K  III  362,  1;  geantalce  HL  172,  19;  hregltahe  II  410,  30;  land- 
scare  III  227,  27;  lace  II  568,  30.  596,  36.  341,  21.  22  etc.;  Idee 
II  341,  21.  596,  35;  foslace  II  533,  26.  III  177,  31.  498,  19; 
wudalace  III  655,  30;  saec  III  416,  9;  earaee  VI  169,  16.  Es 
kommen  noch  eine  anzahl  beispiele  vor,  wo  a  statt  os  in  der 
flexion  des  Singulars  von  a-stämmen  steht.  Diese  führe  ich 
nachher  unter  os  an. 

Anm.  9.  dicwale  (acsf.)  III  106,  5.  227,  30  lässt  vielleicht 
einen  nominativ  dicwalu  erschliessen,  den  ich  jedoch  in  keinem 
der  Wörterbücher  finden  kann.   Vgl.  aber  weallwalan  Ruine  z.  21. 

II.  Vor  ursprünglich  doppelter  konsonanz:  Nach  der  ge- 
w^öhnlichen  regel  geht  wg.  a  in  geschlossener  silbe  ws.  in  cb 
über.  Neuerdings  jedoch  hat  Chadwick  (SOE  s.  31)  bezweifelt, 
ob  diese  regel  fürs  ags.  überhaupt  richtig  ist  in  dem  falle,  wo 
wg.  a  vor  doppelter  konsonanz  steht,  und  das  gegenteil  durch 
beispiele  aus  dem  Liber  Vitae  zu  bekräftigen  versucht.  That- 
sächlich  begegnen  auch  im  ws.  eine  menge  beispiele,  wo  a  vor 
verdoppeltem  konsonant  auftritt.  Nach  Bülbring  AB  IX  92 
und  Sievers,  Zum  ags.  Vokalismus  s.  16  (vgl.  auch  Kaluza,  HLst. 
Gr.  s.  98,  8)  ist  die  erhaltung  von  wg.  a  an  dieser  stelle  durch 
das  Vorhandensein  eines  gutturalen  vokals  in  nächster  silbe 
bedingt.  Dazu  stimmen  fast  durchgängig  folgende  beispiele 
aus  unserem  Codex:  ahhod  I  544,  7.  III 107,  2.  416, 18  etc.; 
abhodes  LI  304,  29.  305,  4.  IV  234,  3 ;  abbode  LIL  416,  30 ;  Ab- 
bodestun  K  III  203, 27 ;  abedesse  HL  416, 20 ;  hassue  m  223,  25; 

27* 


412  B.  A.  WILLIAMS, 

catthola(n)  11  81,  10.  79,  3;  cattesflot  HI  106,  8;  habban  U 
282, 15.  K  III  353,  10.  IV  279,  31 ;  habbaf  U  162,  25.  208,  5. 
K  m  362,  31;  Acca  U  172, 14;  Babba  U  172,  17;  Wadda  I 
107, 11 ;  waddan  IV  95,  32  zweimal,  K  in  337, 30;  hagganleage 
II  296,  21;  Baggaheorge,  -an  IV  233,  20.  25;  Äbbandune  11 
238,  14;  Äbbaduniensis  K  III  303,  26;  Haccabuma  U  206,  24; 
hacceburnan  ebda.  z.  39 ;  Jiaccubuman  U  207,  4 ;  Maccanig  II 
568,  5 ;  Maccanige  III  6,  19 ;  Maccanice  III  5,  31 ;  McLcanim 
ebda.  z.  17;  maccanetge  II  206,  31;  baccangeate  11  304,  18; 
bacegeatce  11  288,  11;  faccancumbes  U  118,  24;  pattandene  HL 
632,29;  waccanhamUl  655,21;  tcassanduneIU0,5.  11135,23; 
wassadicdune  IV  34,  9.  Eine  ausnähme  scheint  zu  sein  ((ettu- 
canstan  IL  94,  23.  III  62,  35;  dieses  wort  kann  jedoch  suffix- 
ablaut  haben,  man  vgl.  das  H  E  S  s.  296  aus  ^IMcs  Homilien 
belegte  tcettec-.   Hierher  gehört  auch  waxan  (inflnitiv)  IT  241, 32. 

Anm.  10.  Taddanleage  II  299,  19  ist  nicht  ganz  sicher 
wegen  Tadanleage  II  297, 14.  III  407,  11.  Möglich  ist  jedoch, 
dass  der  Schreiber  leftztere  form  an  das  jedesmal  gleich  nach- 
folgende Bradanleage  angeglichen  hat. 

Anm.  11.  Neben  Alla  H  262,  27  besteht  JElla  TL  411, 26; 
Ella  II  413, 22.    Ueber  diese  formen  vgl.  unter  cp  §  2,  I  b). 

Anm.  12.  Zu  habban  begegnen  infolge  von  angleichong 
an  die  formen  mit  regelrechtem  ce :  hasibbene  II 162, 27 ;  hebbanne 
m  354,  2 ;  hcebba  (1.  s.  praes.)  IE  432,  23. 

Anm.  13.  Hierher  gehört  das  lehnwort  Ajsser  (an.  Q/surr) 
II  235, 22.  241, 13  etc.;  Atsere  VI  121, 22;  wohl  auch  baüestran 
(lehnwort?)  II 494, 14.  stacginwicum  IL  485, 32  ist  wahrschein- 
lich zu  einem  eigennamen  Stacga  (vgl.  alem.  stacco,  stacko) 
zu  ziehen.  Auch  zu  beachten  sind  Saggelord  VI  122,  3.  4  und 
Cwattes  (gs.  Ortsname)  K  III  363,  16.  Oder  wäre  vielleicht 
ersteres  aus  Sdgol  und  ord  entstanden? 

Anm.  14.  Dunkel  bleibt  crutte  bracca  1 515, 36,  dazu  crute 
brace  ledge  III  478,  9 ;  criite  brece  ledge  II  379, 12.  Vielleicht 
ist  zu  vergleichen  nhd.  brach.  crut{t)e  steht  jedenfalls  statt 
crut(t)anj  also  eigenname. 

in.  In  geschlossener  silbe  ausser  vor  doppelter  konsonanz : 
Regelmässig  in  oc  m  402,  18.  24.  416,  10 ;  arcebiscop  K  TU 
353, 3;   arcebisceop  IV  76, 12;   archebisceop  IV  76,  12.  229,  25; 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8I8.     413 

statt  eines  zu  erwartenden  ce-,  in  den  eigennamen  mit  JElf 
(worüber  später),  in  crafte  IV  279,  28 ;  sceapwascan  m  66, 12. 
268,  33;  acra  (gpl.)  I  B15, 31 ;  blacne  (oder  zu  bldc?  vgl.  N.E.D 
unter  black)  K  m  362,  35 ;  Oacseleheal  IH  655,  20.  21  etc. 
Beachtenswert  sind  auch  fals  K  DI  353, 22 ;  Carcel  n  583,  25 ; 
Caln(B  K  m  302,  22 ,  wovon  das  erste  als  französisches  lehn- 
wort  anzusehen  ist. 

Anm.  15.  Zu  dem  oben  vermuteten  hracu  wäre  vielleicht 
zu  stellen  das  compositum  hracweg  n  494, 17.  Diese  form 
könnte  dann  aus  *bracuweg  auf  dieselbe  weise  entstanden  sein, 
wie  carfull  aus  *carufull  Aehnlich  zu  denken  ist  möglicher- 
weise auch  die  entstehung  von  walweg  I  542,  32.  n  208, 18 
aus  einem  waluy  das  vielleicht  in  dem  oben  anm.  9  angeführten 
dicwale  wiederkommt. 

ni.   Vor  nasalen. 

Wg.  a  ist  schon  vorlitterarisch  an  dieser  stelle  in  einen 
offenen  o-laut  übergegangen,  da  aber  im  Ws.  die  bezeichnung 
dieses  lautes  mit  o  niemals  durchgedrungen  ist,  behandle  ich 
die  einschlägigen  formen,  der  bequemlichkeit  halber,  gleich  hier. 

Im  Cod.  Wint  sowie  in  gruppe  2  erscheint  vor  nasalen 
fast  durchgehends  a.  Der  lautwert  dieses  a  ist  wohl  nicht 
ganz  mit  Sicherheit  zu  ermitteln,  vielleicht  darf  man  aber  eine 
entrundung  des  ursprünglichen  ()-lautes  annehmen,  wie  Ch.  OES 
s.  59  es  schon  für  die  Epinaler  glossen  gethan  hat.  Dass  jedoch 
dieses  a  niemals  ein  dunkles  zum  q  hinneigendes  timbre  ver- 
loren hat,  scheint  daraus  hervorzugehen,  dass  noch  in  me.  zeit 
im  dialekt  des  mittleren  Südens  ein  starkes  schwanken  zwischen 
a  und  0  herrscht.  Man  vergleiche  die  angaben  von  Morsb.  Gr. 
§  93  anm.  1  über  folgende  denkmäler,  welche  örtlich  dem  Cod. 
Wint.  nahe  stehen :  Poema  Morale  (Süd-Hampshire  oder  Dorset), 
Owl  and  Nightingale  (Dorset),  Katherinegruppe ,  Usages  of 
Winchester  (2.  hälfte  des  14.  jahrh.),  Urkunde  Wiltshire  um 
1375  und  Urkunde  Wilts.  und  Dorset  (1381).  Von  diesen  hat 
das  älteste,  das  um  1170  entstandene  Poema  Morale,  stets  a, 
was  jedoch  wohl  der  tradition  zuzuschreiben  ist,  da  das  nur 
50  jähre  jüngere  Owl  and  Nightingale  schon  ein  schwanken 
zeigt.  Die  Katherinegruppe  zeichnet  sich  besonders  durch  das 
konstante  setzen  von  o  vor  nasalen  aus. 


414  R.  A.  WILLIAMS, 

Die  beispiele: 

a)  vor  m  bezw.  mm:  fram  I  542, 38.  11  74, 20.  208, 23  etc.; 
/rom  II 164, 11.  262,14.  411,9;  /Jörn  H  410, 33 ;  /ron 0262, 13; 
nam  K  HI  363, 17. 18;  com  U  96,  7.  22.  97,  2;  Äam  H  441,  2; 
hamme  U  358, 2.  441,  2  etc.;  hammas  II  492, 18. 19.  495,  23; 
hamman  ebda. ;  cealchammes  lU  304, 1 ;  widighamme  TU  632, 11; 
Fernhamme  III  410,  4  etc.;  turlanhomme  U  494,  21;  naman 
n  96, 1.  163,  3. 4. 7.  208, 2  etc.;  einmaliges  noman  IE  502, 18; 
ambra  U  289,  26;  scamelan  II  304,  18;  Zamfta»  II  141,  31; 
Lamhhyrste  K  III  219,  9;  lamhyrsdce  II  412,  35;  LamhyrsUe 
Km  176,  11;  Hamerdene  1 148,  32.  554,  33.  IH  117,  9;  harne- 
landune  III  166,  30.  167,  1 ;  Hamaladuna  IV  114,  3 ;  Hamelan- 
dene  K  III  362,  36 ;  rammaford  III  247,  4 ;  rammadcene  ebda, 
z.  5;  hramnesctimhes  IH  117, 10;  hromhmescumbes  ebda.;  jiim- 
beresburg  II  99,  26 ;  seolforhammene  K  III  362,  32. 

Anm.  16.  Sclimerigkeiten  machen  die  composita  auf  -ham^ 
denn  es  ist  möglich,  dass  hier  hdm  und  hamm  zusammenge- 
fallen sind.  Vgl.  langham  II  504,  22 ;  Embresham  Hl  349, 1 ; 
TTcBcAam m 432, 8 ;  Cocchamebi,;  Wealtham TU ill,l.  Ebenso 
schwer  zu  bestimmen  ist  Hamtiinsdre  1  544,  7.  11  300,  30.  UI 
172,  25.  IV  170,  25;  Homtune  1  543,  11;  Omtune  I  548,  29 
wegen  ne.  Hampton. 

Anm.  17.  Hamele  (personennamen)  11  293,  26  ist  keine 
sichere  form,  da  in  derselben  Urkunde  zweimal  Hemele  vor- 
kommt. Hamele  ist  auch  ein  flussname  gewesen,  wie  aus  einer 
anderen  quelle  (Ms.  Cot.  Dom.  A  XIV  f.  72  b,  siehe  n  247, 1. 2) 
erhellt;  vielleicht  sind  die  oben  angeführten  composita  zu 
diesem  Hamele  zu  ziehen. 

b)  vor  n  bezw.  nn:  man  11 162,  28.  207,  26.  241,  33  etc.; 
man  IH  306,  28;  ma7in  K  III  360,  6.  IV  76, 18.  233, 10. 18; 
mannes  I  544,  3;  maymce  IL  493, 14;  manna  II  162,  27  etc.; 
mannum  III  106,  40.  K  UI  361,  3.  IV  76,  8;  manningstan  TU 
349,  24;  Mannws  bricge  IV  96,  5;  ealdorman  K  HI  203,  4; 
ealdermannces  II  63,  35;  aldcermannces  II  135,  25;  cypmanna 
1257,14.  n  303,  22.  in  66, 16;  6?odcwan  K  IH  338,  23;  5«- 
mannes  IV  170,  26;  Heremannus  IV  96,  24.  103,  34  etc.;  da- 
gegen erscheint  o  in  diesem  stamme :  mon  n  96, 11.  282, 10. 
289,  25.  m  8,  19.  K  III  361,  30;  mon  II  252,  6.  IH  183, 18 ; 
ann  (sing,  praet.-praes.)  K  III  360, 2. 14. 25;  geann  111416,30  etc.; 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      415 

an  m  432,22.  K  HI  360,  9;  gean  TU  106,  34.  432, 18  etc.; 
gedn  III  432,  3.  14;  lanan  (acs.)  IH  141,  32;  waniungce  U 
282,24;  gewante  II  410, 37 ;  wanige  U  411,2;  gewonian  HL 
183,  19;  manig  IV  76, 18;  manega  III  227,  32;  wanwcege  11 
485,18;  tvantvyllII3b4,27]  wdnwylle ehia.,;  uuonhlinc II 94,9] 
tvonhlinc  »)  II 549, 26 ;  woncumh  1 542, 23.  11 208, 10;  wonbroces 
III  277, 31 ;  cranwylle  III  446, 24.  607, 15 ;  crammcere  H  304, 30 ; 
sivonlcagc  III  519, 28.  IV  93, 4;  swonlege  ebda.;  swondcene  ebda. 
Z.2;  stcomveg  III  519,28;  Bananwylle  U  273,18.  DI  501,4. 
502,11;  JBanet(;?7/an III 404, 1 ;  Hanningttin lY 26,22;  Hanitune 
IV 27, 4.  28,3;  lehnwörter:  JfawneZ II 136, 8;  iJfancan^ II 380, 10; 
Daniel  III  157,  28  etc.  Eine  Sonderstellung  nehmen  ein  die 
praeposition  on,  der  ac.  s.  m.  von  se,  die  conjunction  Öonne  und 
das  adverbium  Öanon,  Mit  diesen  Wörtern  hat  es  folgende 
bewandtnis:  on  weicht  von  dieser  norm  fast  nie  ab,  an  steht 
nur  an  folgenden  stellen:  1174,21.  242,17.  243,32.  448,7. 
549,28.  111176,13.  227,24.268,29.  416,28.432,1.11.  KIH 
338,9.  223,25.  336,29;  angerihta  Ib42,21',  angerihtra  II  207,8; 
and  =  an  III  157, 16.  607, 21.  K  III  238,  28 ;  en  =  on  II  440,37. 
Öonc  erscheint  als  öanc  nur  in  folgenden  fällen :  I  542, 25. 32. 
548,:i  1180,4.  96,26.  208,12.18.  297,35.  304,15.  111117,12.13. 
303,  35.  446,  20. 29.  519, 32.  520,  5,  fehlerhaft  statt  des  dativs 
VI  122,5;  Öan  KIII  302,13;  danan  I  539,32;  Öane  kommt 
22  mal,  Öene  4  mal  vor,  diese  form  gehört  aber  nicht  hierher, 
s.  unten  §  2,  II  b) ;  das  Verhältnis  wäre  somit  20  formen  mit 
a  gegen  mehr  als  300  solche  mit  o.  Öonne  ist  mehr  als  370 
mal  belegt,  darunter  11  mal  Öcenne,  zweimal  Öenne  und  zwei- 
mal danne,  nämlich  III  432,  24.  KIH  172,  33.  donon  (hier 
nehme  ich  bloss  rücksicht  auf  die  tonsilbe)  ist  häufiger  als 
öanon.  Nach  meinen  belegen  gestaltet  sich  das  Verhältnis 
wie  280  :  193.  Sonderbar  ist  jedoch  in  bezug  auf  dieses  wort 
die  thatsache,  dass  es  in  den  nach  975  datierten  Urkunden 
sehr  selten  zum  Vorschein  kommt,  obwohl  die  belege  bis  dahin 
überaus  zahlreich  ausfallen.  Nach  jener  zeit  ist  auch  das 
allgemeine  Verhältnis  umgekehrt,  da  Öanon  mit  25  :  3  belegen 
sehr  stark  überwiegt.  In  Urkunden  des  11.  jahrh.  finde  ich 
das  wort  überhaupt  nur  viermal  gebraucht. 

Anm.  18.    Hierher  gehören  wohl  folgende  formen:  wannan 


^)  Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  dass  dieses  wort  zu  tcoh  gehOrt 


416  R.  A.  WILLIAMS, 

1178,32.  81,5;  tcanescandüne  HI  S05,29;  jfanka  111655, 34. 35; 
cannaendene  HI  632,  29 ;  Hrani  IV  27,  33 ;  Vnwana  I  48,  9 ; 
canuc  in  157, 12;  canu  rih  ebda,  ist  wahrscheinlich  statt  canuc- 
hrycg  verschrieben,  man  vgl.  die  nächstfolgenden  worte. 

c)  vor  gedecktem  n. 

1.  vor  n  +  dental:  land,  den  simplex  habe  ich  gegen 
70  mal  mit  a  notiert,  o  kommt  vor  in  lond  U  282, 25.  IH  402, 14. 
502,13;  londes  Ib42, 20.  H  163, 22.  208, 7.  282,7.22;  lande  I 
515,14.  11252,14;  composita:  landgemcero  passim;  landscaru 
K  ni  338,  4 ;  landare  II 583, 11 ;  landhoc  U  293, 25 ;  landmearce 
11358,35;  er^anrf65  1 118,26;  beodland  II  410,  SO;  Iglandces 
11410,28;  Portland  lY  229, 17 ;  fostorlande  111402,26',  med- 
land  111520,12;  o  erscheint  in  londgemero  11494,11;  lande- 
gcemere  ebda.  z.  14;  Ceoligland  Hl  412,  18;  hand  U  96,  14. 
m  432, 27  etc. ;  handa  III  501, 19.  IV  51, 28.  76, 9.  K IH  353, 10; 
handsex  III 432, 12 ;  himdsetana  (Schreibfehler)  11 280, 10 ;  norff- 
hand  II  485, 31.  Statt  der  conjunction  und  Vorsilbe  and  er- 
scheint meistens  das  bekannte  zeichen  ]  ausser  bei  K,  der  es 
gewohnheitsmässig  auflöst,  ond  als  conjunction  finde  ich  nichts 
wohl  aber  onheafda  TU  520, 8 ;  onheafdon  ebda.  z.  9,  ondlanges 
n  494,12;  onlang  HL  145,25  gegen  endlang  Hl  145,27.30; 
andlang  passim;  andheafda(n)  11163,23.  549,28.  596,35  etc.; 
handheafdum  II 485, 34;  anheafdan  H  596, 35 ;  andesware  K  HI 
363, 30. 36 ;  standan  K III  364, 5 ;  standaä  H  163,  7.  IH  306, 23. 
Km  176,6;  standadH2b2,8.  290,17.  295,35.  412,24;  stände 
H  96, 25.  III  106, 40.  IV  76, 9;  stondan  K  m  361, 26 ;  stände 
K  m  362,  30;  brandes  K  III  362,  21;  sandlace  H  56§,  34; 
sandlice  ebda. ;  gandran  II  291, 7 ;  Ceolbandingtune  K  HL  203, 21 ; 
Burbrand  K  HI  362, 18 ;  randaford  H  410, 4. 

2.  vor  n  +  guttural:  Dances  1196,25.  Km  362, 6;  Sance 
III  416, 25 ;  dancodon  II  96, 23 ;  dancige  K  III  363, 29 ;  manccBS 
III  416,  25 ;  mancussa  III  502,  7. 8.  K  III  360, 10;  nuindcussa 
K  m  360,  7 ;  mancusa{n)  III  432, 10. 12. 16.  K  IH  361, 19;  man- 
cosun  11583,21;  sancte  H  208,2  etc.;  cancheler  IV  229,26; 
lange  H  357,  24.  m  607,  17.  IV  45,  20;  langan  H  291,  11. 
297,  33  etc.;  langsumun  HL  501,24;  langport  m  176,6;  lang- 
gan  hamme  IV  90, 16;  niöerlangan  II  460,25;  t4^estlangan  TJI 
106,  1;  eastlangan  ebda.  z.  5;  andlang  (gelegentlich  -langes^ 
langan)  passim;  zweimaliges  o  in  andlong  II  494;  12;  ondfanges 


DIB  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.      417 

ebda.;  furlang  III  446, 26.  607, 17;  furlanges  II  71, 13.  262, 20; 
fiirlange  K  III  172,  30;  hangran  II  291,  3.  304,  16  etc.;  (bs- 
phangran  11  295,  35;  dchangran  II  298,  2;  mearchangran  II 
485,28;  brochangran  111305,20;  clophangran  11118,27;  cep- 
phangran  11291,2;  cadanhangran  111305,24;  gangdagan  II 
208, 1 ;  ganddagan  II  241, 34;  simbganges  II  262,  20;  embegang 
VI  135,  14;  verbum:  gange  II  290, 13.  III 106,  39.  501,  20  etc. 
gangan  IV  280, 1 ;  dgangen  II  41 1,  9 ;  agangene  III  502,  16 
onhangodce  II  413, 1.  KIII 176, 13;  befangan  (ppt.)  VI  207, 17 
Ongol  Saxna  II  410,  27.  411,  12;  stranga  II  282, 13;  tidmngam 
II  290,11;  tidsongum  ebda.  z.  7;  flce^c]fnangere  VI  135,  17; 
flcescmangara  ebda.  z.  18;  frangsingcecer  (?)  III  268,  29. 

Gruppe  2. 

Zu  I,  II,  III  oben:  falde  II  284, 35 ;  mfilingfalod  II  364, 5; 
apeldran  II  436, 42;  mappeldre-  II  448, 12, 16;  afene  III  3, 30; 
Harold  IV  106,  5 ;  dagas  II  366, 21.  367, 11. 15 ;  Citware  Harl. 
Ch.  43  C  8 ;  haga  III  100,  4.  IV  105, 14;  hagan  II  364, 5  etc.  (4), 
smalan  II  436, 32.  448, 1.  III  3,  38 ;  blacan  II  364, 8 ;  [h]acan 
penne  II  448,  7 ;  lace  (acs.)  III 3, 30 ;  saka  Cot.  CL  X  17 ;  habban 
ebda. ;  habbene  II  366,  24.  367, 1 ;  hcebbene  (Cod.  hebbcene)  II 
367, 17 ;  yl/^er  Harl.  Ch.  43  C  8;  bacegeate  II  284, 34;  Carl  IV 
106,  7 ;  Hardacnut  Harl.  Ch.  43  C  8  zweimal. 

IV.  (Bt  Hamme  II 363, 17.  366, 14 ;  beotvanhammes  II 364, 6; 
sealtham  und  -hamme  II  448, 4 ;  lamba  II  448, 10 ;  nama,  fram 
zweimal.  Cot.  Ch.  X  17,  ealdormonnes  II  284,38;  hcereman  Cot. 
Ch.  X  17;  an  (1.  s.  praes.)  II  366, 19. 25.  367, 2. 3;  an  (praep.) 
passim;  einmaliges  an  111100,4;  dbnne  passim ;  (föne  II 364, 3. 
436, 32. 33  etc.  (kein  ffane) ;  äonan  II  284, 37.  436, 37 ;  äonon 
11284,40  etc.  (9);  äanan  11436,41;  ädnan  IV  105,9;  äanon 
11284,29;  and  (conj.)  IV  105, 10,  Cot.  Ch.  X  17  dreimal;  an 
=  and  Cot.  Ch.  X 17  zweimal,  landcs  II 336, 14. 19. 25.  367,2.4; 
landboc  III  298, 21 ;  landgemmro  II  447, 28.  III  99,  31 ;  -land 
II  448,  9 ;  'landes  ebda.  z.  12 ;  andlang  IV  105,  5. 6. 8.  11  448, 
7.8.14.15,  HarLCh.  43  C 8  viermal;  anfenjf  II 448, 13.  1113,35; 
ondlong  II  363,  27.  364,  1. 4. 9 ;  handan  Cot.  Ch.  X  17 ;  langan 
II  364,  11;  furlanges  II  448,  5;  hangran  11  364,  4. 11;  scyU 
hangran  II  448,  2;  andlang  passim;  ondlong  s.  belege  oben. 


418  R.  A.  WILLIAMS, 

§  2.    Aws.  ce. 

Aws.  OB  wird  im  Codex  durch  cb  ,  e  und  gelegentlich  a ') 
und  ea  vertreten.  Die  ea,  die  übrigens  ganz  sporadisch  auf- 
treten, müssen  wir  als  ausätze  zu  dem  me.  gebrauch  ansehen, 
wonach  in  den  nördlichen  dialekten  ea  häufig  einen  ceAaut 
vertritt  (Morsb.  Gr.  §  98  anm.  2,  HES  §  642).  Durch  diese 
buntheit  in  der  Schreibung  sticht  der  Codex  sehr  von  gruppe  2 
ab,  die  fast  nur  ce  kennt.  Hier  begegnet  e  tur  ee  (das  zweifel- 
hafte bece  ausser  acht  gelassen)  nur  in  einer  Urkunde :  C.  C. 
X  17,  die  auch  die  jüngste,  und  in  manchen  stücken  von  den 
anderen  in  derselben  gruppe  verschieden  ist  Innerhalb  des 
Codex  selbst  stimmt  der  Schreiber  X  (vgl.  einleitung  HI  und 
anm.)  zu  gruppe  2,  denn  er  setzt  ce  für  etymologisches  ce  fast 
konsequent;  die  wenigen  fälle,  wo  er  dafür  e  bringt,  zeichne 
ich  im  folgenden  durch  setzen  eines  Sternchens  vor  der  Seiten- 
zahl aus.  Im  anderen  teil  des  Codex  herrscht  ein  starkes 
schwanken  zwischen  ce  und  6,  ein  merkmal,  das  ja  auch  für 
die  meisten  handschriften  aus  dieser  epoche  charakteristisch 
ist.  Von  einem  schwanken  im  lautwert  kann  jedoch  nicht  die 
rede  sein;  das  w  blieb  im  Süden  im  gegensatz  zum  Mittel- 
ländischen noch  me.  erhalten.  Es  handelt  sich  wohl  bloss  um 
eine  Schreibergepflogenheit :  Das  setzen  des  einfachen  a-zeichens 
statt  der  komplizierten  ligatur  wird  zur  mode.  Immerhin 
kann  man  im  Codex  gewisse  tendenzen  beobachten.  Häufige 
Wörter  wie  cet,  äect,  Öces  bewahren  grösstenteils  die  traditio- 
nelle Orthographie.  Vor  einfachen  konsonanten  ist  e  häufiger 
als  vor  konsonantgruppen ,  und  vor  palatalen  konsonanten 
(e,  g)  häufiger  als  vor  anderen.  Gewisse  stamme  scheinen 
sich  enger  an  die  neue  mode  anzuschliessen,  als  andere,  so 
z.  b.  degy  bec  (dies  vielleicht  von  bece  beeinflusst),  sied,  aieö 
und  der  simplex  peöy  bei  denen  sich  das  e  besonders  fest  ein- 
gebürgert hat.  Es  ist  möglich,  dass  hier  eine  leise  neigung 
bestand,  die  Orthographie  zu  gunsten  der  einen  Schreibweise 
zu  regeln.  Merkwürdig  ist  der  Wechsel  zwischen  überwiegen- 
dem e  in  ns.  sied,  pedy  sied  und  a  in  den  casus  obliqui :  slad€{8\ 
paöe{s)y  staÖe{s),  Hier  handelt  es  sich  wohl  um  Verallge- 
meinerung des  a  aus  dem  plural. 


')  Vgl.  §  1,  m  oben. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     419 

I.  ce  in  geschlossener  silbe. 
a)  Vor  einfachen  konsonanten. 

1.  Vor  gutturalen :  dflBöfI544,3.  11290,14.  296, 32  etc.  (11); 
dceghtvamlice  III 402, 22 ;  deg  1 544, 3.  II 162, 26  etc.  im  ganzen 
15  mal  (worunter  zwei  belege  bei  X ,  nämlich  II  282, 5.  III 
172,12);  degfeorme  K III 362, 25;  messedeg  ebda.  z.  26.  K  III 
363,31;  hcec  IV  103,5;  hcec  III  655,37;  heowhcBC  III  176,16; 
hec  II 379, 6 ;  heowbec  III 655, 32 ;  mceg  3.  s.  III 227, 33 ;  tosprcec 
1.  s.  ind.  praet.  II 583, 29;  Bcecham  III 432, 8. 

Anm.  1.  Hierher  zu  ziehen  ist  wohl  Dregtune  1 148, 34. 
III 116, 9.  117, 12 ;  dreigtune  1 555, 1 ;  vgl.  ne.  Brayton  und  die 
composita  mit  Drccg-  bei  K.  bd.  VI  index  s.  280. 

2.  Vor  dentalen :  cet  passim ;  et  nur  1 545, 5. 7.  II 299, 19. 
1115,3.5.  398,38.  Kin301,6.  302,3.  304,21;  aMII117,ll; 
dcety  det  passim,  in  den  Urkunden  bei  B.  ist  Öcet  viermal  so 
häufig  wie  äet,  bei  K.  überwiegt  äcet  noch  viel  stärker,  da  er 
die  häufige  Verkürzung  dafür  (p)  in  diese  form  auflöst;  fces, 
des  passim,  die  traditionelle  Schreibung  verhält  sich  zu  des 
wie  3:1;  das  (=  dcBs)  III  432,  3 ;  hwcet  II  96, 23 ;  lochwet  IV 
51, 19;  hw(BS  ebda.  z.  13;  wiÖigslwd  II  171,33.  111227,30;  sied 
II  *409, 37.  III 296, 24;  wiöigsled  II 171, 32.  504,  25;  wiöisled 
11441,5;  bitansled  1540,6;  headdantunesled  11533,30;  bitan- 
sleö  II 135, 24;  llullansled  II 171, 35;  mörsUd  ebda.  z.  33;  fugel- 
sied  m  520,4;  peÖ  II  164,15.  IU356,5;  stodped  III  203,22, 
kein  pced^  einmal  päd  II 357, 30 ;  letzteres  wort  ist  als  zweites 
glied  des  compositums  herepced  bekanntlich  einer  besonderen 
entwickelung  unterworfen  gewesen.  Unter  dem  einfluss  der 
unbetontheit  und  in  der  nachbarschaft  des  labials  ist  (b  hier 
in  a  >  0  übergegangen.  Das  a  überwiegt  zwar  stark,  aber 
die  beispiele  mit  o  weisen  deutlich  auf  eine  Verdunkelung  und 
rundung  des  ursprünglichen  lautes:  her(ey  bezw.  h(Br{e)pad  I 
540, 1.  545, 6.  II 135, 19  etc.  etc.;  hearepod  II  382, 14;  h€rle)poä 
II  488,  7.  504, 14. 22  [weitere  beispiele  auf  o  siehe  unten  II  b)] ; 
cwceä  K III 353, 8 ;  bcecwceä  III 172, 8. 18 ;  b(BCweä  III  *172, 7 ; 
bcecwed  ebda.  z.  11;  sted  11242,30;  steä  ebda.  z.  19;  weststeÖ 
111273,31;  w(BS  1196,11.14.  135,22.  163,6  etc.  (14);  noss  II 
282,17;  M?a5  n290,16.  KIII353,12;  M;e5  H  252,  7. 9.  262,9. 
290,14  etc.  (11,  worunter  ein  beleg  bei  X:  III  172,11);  wes 
II  252, 9.  280,  5. 


420  R.  A.  WILLIAMS, 

3.  ceh  in  (jelmihtig(es)  II  80,  3.  296,  30.  410,  35.  HI  402, 
16. 19.35;  celmihtige  II  290,  8.  12;  celmeahtiges  II  163,  3;  eh 
mihtigiiie)  K III  364, 12.  IV  52, 6;  nwMöfum  VI  136, 13,  und  im 
lehnwort  celmesse  KIII  203,  9.  362,28;  celmessan  II  282,  21. 
K III  362, 30  (hierzu  vgl.  Pogatscher  §  64). 

b)  Vor  konsonantgruppen. 

1.  Vor  doppeltem  konsonant:  trrcBcoena  II  494, 20 ;  (lad- 
dceres)  scecdnge  II  94,9;  sccxcinge  II  549,26;  (Bcces  (vgL  CBcd 
OET  s.  477)  KIII  172,36;  tc(ecces')  11242,9;  boBCcefunian  lY 
27,15;  mceccanfer  II  77,13;  cceccam  wwl  II  206,34;  FrcecccBn- 
dune  KIII  252,29;    gcecgcs  (vgl.  geaggan  treow  KIII  215, 80) 

II  485,16;    h(ebbe  II  208,6.  282,3  etc.  (10);    hebbe  U  252,  12. 

III  6,23.  *172,  15  etc.  (11);  tceppeleäge  II  288,9;  CBppenlega, 
hceppenlege  K III 219, 3 ;  Eppelhyrste  1 257, 30;  JSUa  II  411,26; 
Ella  II  *413,22;  AUa  II  262,27;  ^ffa  II  172,22.  IV  35,2; 
Effanhamme  KIII  172,34;  sceffanmor  KIII  215,20.33;  {ettan- 
wenn  II  533,27;  ätanpcen  III  177,32;  ettapenn  ITL  498,20; 
hier  erwähne  ich  die  wenigen  formen  von  äonne  [vgl.  §  1,  III  b)], 
die  (B  aufweisen :  dcenne  II  289,  24.  296,  34.  412,  28.  29.  81. 
413,1.5.  549,25.  KIII  175,35.  336,26;  (fenna  KIH 175, 33; 
ifenne  II  280, 7.  *412,  27 ;  zur  entstehung  ies  cb  <  lat  %  im 
lehnwort  nKBSse  (belege:  mcesseprestes  II  163,2;  MasssanwffrOcs 
K III  360, 17 ;  messedeg  K III  362, 26.  363, 31)  vergleiche  man 
Pogatscher  §  77,  §  80  ffg. 

Anm.  2.  Von  ^ffa  jedenfalls  nicht  zu  trennen  ist  asHh 
banmore  III 650, 13 ;  ebbanmor  ebda.  z.  11.  Der  Wechsel  ff — hb 
ist  in  unserm  denkmal  nicht  unerhört,  man  vergleiche  Vbba 
II  207, 12  mit  Vffa  II  235,  34.  244,  28;  Vfa  II  235,  20.  Zu 
JtJbba  zu  stellen  wäre  dann  wohl  Ebincgtuun  II 235, 6 ;  Ehineg- 
tune  II  234, 28.  In  demselben  Verhältnis  wie  JEffa  zu  ^bba 
stünde  dann  vielleicht  Hcefa  11457,19;  Hefa  U  413,  22;  He- 
fesylüng  III  412, 18  zu  Hebbeshamm  II  171,  28. 2) 

Anm.  3.  Die  beurteilung  der  stamme  mit  m  vor  doppeltem 
konsonant  bietet  zum  teil  grosse  Schwierigkeiten,  zumal  da 


1)  Vgl  unten  anm.  4. 

*)  Diese  gleichung  wird  jedoch  dadurch  etwas  zweifelhafter  gemachti 
dass  in  gruppe  2,  in  welcher  sonst  cß  mit  e  nicht  wechselt,  Hefa  H  864,  8$ 
vorkommt. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     421 

Öfters  neben  den  formen  mit  (ß  solche  mit  a  bestehen.  Man 
vergleiche  folgende  Wortpaare  (die  belege  für  die  a- formen 
s.  §  1,  II):  Acca  —  (Bccesy  tcaccanham  —  wcecces,  baccangedte  — 
bceccefuntan ,  Alla  —  ^lla,  Abbandune  —  cebbanmor,  JEffa. 
Femer  tritt  hinzu  wassandune  —  wassandune  II 135, 23.  Be- 
achtenswert ist  sodann  der  Wechsel  zwischen  schwacher  und 
starker  flexion ,  z.  b.  ^lla  kommt  auch  im  Liber  Vitae  vor, 
daneben  begegnet  JElli  (Ch.  SOE  s.  31);  Sweet  OET  s.  551 
belegt  auch  aus  dem  Lieber  Vitae  ein  masculinum  Ebbe,  das 
kaum  von  JEbba  trennbar  ist,  daneben  besteht  ein  weiblicher 
eigenname  ^bbe,  der  ebenfalls  in  den  kent.  urk.  vorkommt 
(vgl  Wolff  s.  1).  Ferner  darf  man  wohl  neben  Acca  —  oecces 
auch  Hcefa  und  Hebbesham  in  betracht  ziehen,  sowie  gcecges 
und  geaggan.  Ich  mache  hier  auf  diese  Schwierigkeiten  auf- 
merksam, ohne  vor  der  band  eine  lösung  vorschlagen  zu  wollen, 
neige  jedoch  zur  ansieht,  dass  ein  erklärungsversuch  die  von 
Kluge  (Stammb.  §  12,  §  14)  dargestellte  Wechselwirkung  der 
zur  bezeichnung  persönlicher  wesen  dienenden  ja- ,  jan-  und 
an -Suffixe  zu  berücksichtigen  haben  würde. 

Anm.  4.  Zu  wcecces  oben  ziehe  ich  Wceclmm  III  432, 8 ; 
wcechingastrcet  III  650, 18;  woecha  hric  IV  27,  6;  weca  hric  ebda. 
Das  ch  von  wcecha  deutet  wahrscheinlich  auf  cc  in  der  vorläge; 
Ä  f ür  c  ist  sonst  nicht  unbekannt,  vgl.  hlinh  III  296, 29;  buchan- 
forda  II  74, 23  (statt  Buccan-). 

2.  Vor  5-  und  /"-Verbindungen :  cesc  II 367, 27.  413, 2.  K  m 
176,14;   ^scÄ  11444,13;  cesce  HAU,  12.  K III 199, 31;   (escce 
11413,2.  KIII 176, 15;  wgscce  II 444, 14;  composita  (ich  gebe 
nur  je  einen  beleg  an,  ausser  wo  e  für  a  eintritt)  oescstede  I 
546, 27 ;  (escdcene  II 409, 41 ;  cescstybb  III 305, 36;  (ßScwyllcB  III 
141,29;  cescfald  111349,27;  cescforda  111227,29;   (BScholt(ßS  II 
77,9;   J?5c/brda  III 227, 12 ;   esc/brtf  III 655, 22,  wohl  fungiert 
es  als  eigenname  in  JEscesbyrig  II  93, 21.  94, 7  etc.;  einmaliges 
Ascesbyrig  11549,24;  ^scesdune  11583,23;   cescesslepford  III 
632,21;  an  eigen-  bezw.  Ortsnamen  auf -^"sc  erscheinen:  ^sc- 
mere  II  118, 16;    Escmer  II  *118,6;    EscnieresvoeorÖ  II  409,3 
^scburgce  I  229, 19;  JEscbryht  U  342, 19;  Escbyrth  II  359, 14 
^sclieard  II  71,  20;    ^sculf  II  457,  22;    JEscar  lU  172,  23 
Escwig  111477,1;  hcesl  11413,4;  hcesle  ebda.;   hceslwriÖ(e)  II 
358,3.4;    JiCdslhille  11  Qb8,S;    hcBselhoU  U  460,4:1]    heslea  U 


422  R.  A.  WILLTAMSy 

164,  15;  hesleabroc  III  446,  24.  606,  15;  fcestan  KIH  219,  4 
zweimal.  IV  51,  33;  festcen  III  632,  19;  staOelfest  IV  262,  6; 
faestan  (subst.)  I  515,21;  faestenes  ebda.;  festcengewceorccB  11 
*410,  34;  fcstergeweorc  II  252,  6;  fcestergeat  III  632,  14;  ge- 
fastnode  II  96,9;  gefcestnedce  II  411,13;  gpfestnod  II  96,30; 
cesphangran  II  295,35;  ^pshangran  III  305,  21  (hierzu  (Bpp- 
Imngran  II  291,  2  Schreibfehler?);  epsgweg  IV  90, 18;  sceqp- 
wcesce  III  268,  26 ;  sceapwofscan  1  257, 10.  II  296, 24. 25.  303, 18. 
III  268,  33;  sceapwescan  II  303,  18;  sccepwescan  III  66,  11; 
mcestm  III  8,  20;  aefter  1  544,  3.  4.  II  80, 7.9.  96,5  etc.  etc.; 
ceftre  III  172, 10;  ccftergenga  III  402, 13  und  in  versch.  casus 
obliqui  ebda.  z.  8,  13,  17.  VI  207, 9;  efter  II  280,  8.  IV  52,  7; 
eftcer  III  417,  2;  eftergenga  KIII  353,  24;  efterfyliendra  IV 
51,  25;  sedrucrceft  III  183, 19;  hcefd  II  282, 13.  530,2  etc.  (7); 
(est  (statt  hcefst)  II  282,  8;  eefed  (statt  hwfd)  I  544,10;  heaf/f 
III  172, 27 ;  hcefde  II  96, 23.  252, 15  etc.  (8) ;  heafde  H  96, 18 ; 
Ufde  K  III  353, 6. 21 ;  n(efde  III  416, 10;  hefde  K  III  *198, 37. 
353, 25 ;  hefd  IV  261, 27 ;  nefde  ebda.  z.  5 ;  lueddan  K  UI 238, 24. 

Anm.  5.  Zu  assc  wäre  vielleicht  zu  ziehen  ceses  beorge  TL 
241,  37 ;  Schreibfehler  ? 

3.  Vor  anderen  als  den  genannten  konsonantverbindungen: 
gcershmes  II  135,  20.  21;  gerstunes  I  540,  3;  horsgerstun  IV 
108,19;  garstunces  Ib'iO,  2;  beoddcern  11296,35;  heoÖeem  U 
262, 13 ;  hcddarn  II 207, 28 ;  hceddern  II 208, 3 ;  sUpern  H  262, 3; 
slepcrn  ebda.  z.  4 ;  tigelcernan  III  632, 12 ;  heer festes  II  252, 1. 
280,6;  Äer/e5^e5  II  241,  24 ;  Are^fZ/ate  II  *410,30;  wcena  gpL 
111296,32;    wea'dena  III  127, 19. 20;    5a?de  II  583, 29 ;    forsiBde 

II  96, 33  (die  letzten  drei  Wörter  haben  wohl  gelängtes  4b, 
wegen  ausfalls  des  g);  eigennamen  auf  JElf-  (rfd,  heah,  rie, 
here,  sige,  heard,  nöÖ,  heim,  wold,  wine,  tvig,  stdn,  gyfu,  sinus, 
gdr,  weard  und  einmal  waru:  KIII  360, 29)  passim,  hierfär 
begegnen  häufig  Elf  und  Alf  letzteres  wohl  durch  latinisierung; 
ea  in  Ealfric  III  623,23;    Ealfivard  ebda.  z.  25;   healfheages 

III  651, 23.  Hierher  vielleicht  wocneardes  II 529, 22 ;  weiMardes 
ebda.  (=  wcegngeardes'i), 

II.  ce  in  offener  silbe  vor  palatalem  vokal, 

a)  einer  ableitungssilbe :  cBcer  11241,28.  242,13.  549,28 
oBceras  I  229, 10.  543, 3.  II 171, 37  etc.;  cecera  I  282, 19.  533, 26 
cekera  II  568, 37;  cekergeat  K  III  338, 2;  cecersploUea  VI  186, 11 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.      423 

swyrdceceras  II 80, 7 ;  mcedceceras  III 305, 29 ;  healfcecer  HI  145, 32 ; 
oflingcecer  III 519, 31 ;  dieser  stamm  weist  fast  durchgängig  ce 
auf,  e  nur  in:  ecera^  11358,14;  ecera  III 177, 32,  zweimal  a  in 
kytelaceras  IV  96,  36.  37;  waster  III  416,  28;  wmterdellcB  III 
651,21;  W(etcrpytKlliZh%\h\  weterweg  lllim.i^',  weter- 
tceges  II  379,16;  weter furh  II  78,  26;  weterseype  III  416,22; 
tcetergedte  11301,21;  Bradanwcetere  11583,24;  einmaliges  a 
in  watceres  111303,30;  fceder  1196,4.  K III 361, 13. 18;  fcedcer 
111432,29;  gefceäeran  ebda.  z.  15;  foröfcedren  VI  207, 13;  feder 
K III  361, 21.  23.  362,12.37.  363,3.5.33.  364,5.8;  feöer  KIII 
363, 31 ;  einmaliges  a  in  fader  gs.  II 262,  7 ;  mcegenstan  II 94, 8. 
549,  25;  mcegenstanes  III  297,  30;  Mcogenstanes  I  229,  3.  II 
436,35;  we^5/an65  III 143, 9;  mcegenöry mm  111402,16;  nur  6 
begegnet  in  fegerhilde forde ,  -a  147,28.  III  5,8.  KIII  302, 6; 
fegerhyldeforda  I  545, 10.  II 382, 18 ;  JEgelric  IV  233, 3 ;  ^geles- 
byrig  111432,9;  mit  vokalisierung  des  g:  JEüwine  IV  234, 9; 
Egelberhti  1199,5;  togcedere  1149,2.  555,5;  %edre  II 492, 19 ; 
Ze/eZ  III  502,  7 ;  ce^m^c  II 96, 28 ;  tp^eZmc  K III 361, 11 ;  (BÖe- 
lingce  III 432, 16.  K III 360, 20 ;  ceäeles  II 358, 24;  eigennamen 
mit  ^öel'  {woldy  stdn,  gar,  wulf,  nöä,  mund,  rtc,  weard,  heim, 
rSdy  sige,  heorht,  ferö,  geard,  bald,  heard,  heah,  hild,  fridu,  ÖryÖ) 
passim,  wie  bei  ^If-  so  sind  auch  hier  formen  auf  e  und  a 
häufig;  an  abweichenden  Schreibungen  kommen  vor  AeÖelgar 
III 27, 22 ;  Eaöelred  II  99, 33 ;  swceöelinge  II 288, 6 ;  swasdeling- 
wylle  [V  95, 27 ;  swedcelingford  K III 338,  3. 

Anm.  6.    Statt  (b  erscheint  einmal  y  in  YÖelbeard  II 290, 
31.    Kentisch  ? 

Anm.  7.  Adulf  passim,  scheint  eine  Verkürzung  von 
^delwulf  zu  sein,  man  vergleiche  ^öulf  II 295, 28.  Die  ein- 
zige andere  möglichkeit  einer  erklärung  wäre  die  anknüpfung 
an  das  im  Liber  Vitae  belegte  Aäigils,  EaÖugils  (vgl  OET 
s.  627),  sowie  das  in  den  kent.  urk.  vorkommende  AÖugils 
( Wolff  s.  4) ;  ich  finde  aber  nirgends  die  spur  eines  frühags. 
Adi'  oder  Aöuivtdf,  das  eventuell  Aöulf  hätte  geben  können. 
Wäre  vielleicht  nordischer  einfluss  anzunehmen  ?  Im  an.  geht 
ja  bekanntlich  die  Verkürzung  von  eigennamen  sehr  weit. 
Ein  name  Aäulf  scheint  nordisch  nicht  belegt  zu  sein,  aber 
denkbar  wäre  dennoch ,  dass  Aöulf  <  ^Öelwulf  seine  ent- 
stehung  den  skandinavischen  eingewanderten  in  England  zu 
danken  hätte. 


424  R.  A.  WILLIAMS, 

b)  einer  flexionssilbe :  dceges  II  96,  21 ;  dasge  11  282,  24. 
m  432, 16.  172,10.17;  dege  II  163,6.  252,3  etc.  (elf  mal,  da- 
runter zwei  mal  bei  X) ;  dvgc  II 207, 28 ;  gemundedege  U  208, 1 ; 
einmaliges  a  in  daga  (ds.)  III 65, 24;  slcedes  II 485, 16.  III 520, 6; 
slcede  IV  92, 34;  lullanslcede  11171,35;  bicansclwde  11456,29; 
(hlceivan)  slcede  IV  92, 34 ;  riscslcedes  II  549, 31 ;  sleades  1 515, 18 ; 
sledes  II  208,  22  etc.  (4) ;  siede  II  *409,  37.  III  520,  4.  K IH 
172,  28;  widigslede  I  229,  1;  rahsiede  II  206,  36.  494,  19,  in 
diesem  stamm  erscheint  ziemlich  häufig  a  (vgl.  s.  418) :  slades  I 
542,36.  11288,5.  304,20;  ^/eZan^Zadcps  II 409, 38 ;  «fade  11305,2 
zweimal.  533,  25.  KIII  172,32;  pmöe  II  357,26.  111355,29; 
pades  II  357,  26.  31.  32.  III  296,  30;  paöe  II  357,  30.  K  XU 
175,36.  176,6;  was  schon  über  her{e)pad  gesagt  worden  ist^ 
gilt  auch  selbstverständlich  für  dessen  casus  obliqui,  man  vgl. : 
her{t)pades  I  47,27.  II  208,29  etc.;  lier{e)pade  I  543,3.  11208,8 
etc.;  1^r{e)podes  II  367,23.  504,15;  her{e)poOe  II  171,36  zwei- 
mal. 208,  27.  29.  III  8,  16;  hasce  (acs.)  III  163,  28;  hceces  II 
163,  23.  379, 9.  III 176, 20 ;  hoice  II 207, 2.  3.  379, 7. 8.  IV  34, 14. 
103, 5 ;  gaferbcBce  II 596, 35 ;  bcecce  III 655, 38 ;  becces  0  11  379, 6; 
becun  III  166,  33;  becon  III  176,  20;  beca  II  167,  1.  176,  4; 
heowbeces  III  655, 33 ;  gaferbice  (Schreibfehler)  II  568, 29 ;  steöes 
II  242, 19;  Stades  II  242,  20;  weststades  III  273,31;  staOas  II 
409, 24;  unorganische  Verdoppelung  des  c  zeigt  unibesasccen  (ppt) 
11290,13.  296,32.  Hier  führe  ich  die  formen  vom  ac.  s.  m. 
von  se  an,  die  w  aufweisen  [vgl.  §  1,  III  b)]:  Öcme  I  546,  27. 
1180,4.6.  96,34.  412,28.33.34.36.40.  413,2.3.  444,16.17. 
448,7.  568,39.  111183,14.15.  356,1.  KIII  176,16.  336,23. 
338,  7.  IV  95,  33 ;  dem  II  382, 34.  K  III  238, 27.  VI  207,  15; 
den  III  5,  14.  Je  einmal  kommen  vor  smales  II  290, 1  und 
blake  VI  122,  5.  Hierher  ziehe  ich  hnosfes  III  632, 17;  ostBrcege 
VI  134,30;  bcedewyllan  (zu  6a?(??)  III  240,  30. 

Anm.  8.  Zu  bcee  lässt  sich  vielleicht  bexean  I  515, 24  (aus 
bceces  +  ean^f)  ziehen. 

Anm.  9.  Für  einen  Schreibfehler  halte  ich  horswaöes  11 
77, 10.  Der  Schreiber  hat  wahrscheinlich  das  p  der  vorläge 
mit  dem  wyn  verwechselt. 


1)  Die  beispiele  mit  e  könnten  ja  zu  hece  gehören;  es  ist  jedenfidli 
nicht  ausgeschlossen,  dass  diese  zwei  Wörter  {poec  and  hece)  sich  berOhrt 
haben. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WIKTONIEN8I8.      425 

Gruppe  2. 

dmg  II  366, 20. 23. 26. 30  (Cod.  deg),  II  367,  2. 4. 6. 12. 14. 16 
(Cod.  deg) ;  gemynddceg  (Cod.  gemynddedeg)  II  366,  20 ;  ost  II 
284, 28  etc.  (kein  et) ;  Öost  II  284. 30.  364, 3. 4  etc. ;  oddcßt  (Cod. 
det)  II  367. 7,  nur  zweimal  det  in  Cot.  Ch.  X  17;  d(Bs  II  448, 2. 
336, 14. 19. 25  etc.  (kein  des)\  sUbÖ  IV  105, 13;  (bsc  II  364, 3. 
isomere  II  367,  8 ;  ^scberht  II  365,  16.  25  (Cod.  Escberht), 
pced  II  448, 10;  herpaöes  ebda.  z.  8;  harpaÖes  II  436,  34;  Äear- 
pade  II  284,35  zweimal;  herpodes  II  363,28.  III  297,29;  5ted 
II  448, 15;  sl(Bde  III  297, 27;  widigslcede  II  436, 33.  IH  297, 27; 
slades  II  284, 29 ;  bece,  beces  Hart.  Ch.  43  C  8 ;  hcebbe  II  366, 27 ; 
JEffe  II  367, 10;  ^'ff(in  II  366, 20. 26.  367, 13. 19;  tceppeleage 
II  284, 32;  moBssepreoste  (Cod.  messe-)  II  366, 20;  gearwcestma 
(Cod.  -tvestma)  II 366, 27 ;  searncegles  II  284, 29 ;  Cröp/?  II 367, 2; 
Acp/i?  111298,22;  celmihtiges,  elmessan,  elmesse,  cefter,  fcestlice, 
stedefest  C.  C.  X  17;  mcegenstanes  II  436, 35.  III  297, 30;  ceceras 

II  436,  40. 41 ;  dcene  acs.  III  3,  39;  fcegerhyldeforda  III  3, 34; 
f(eder  gs.  II  366,29  zweimal,  acs.  367, 12;  fcederes  C.C.  X17; 
swceöelinge  II  284, 30 ;  eigennamen  mit  ^del  passim,  ich  finde 
kein  e,  a  nur  in  AÖulf  II  285,  29.  34;    Ädelwold  II  437, 19. 

III  298, 14;  Adelmund  ebda.  z.  16;  eigennamen  Kvi^lf-  passim, 
nur  einmal  e  in  Elfgyuu  C.C.  X  17,  a  in  Älfwold  II  437,17. 
III  298,  8. 15.  Diese  letzten  zwei  stamme  bringen  je  einmal 
ae  =  CB,  nämlich  AeÖelstan  II  366, 11 ;  Aelfsige  ebda.  z.  12. 

§  3.    Aws.  e. 

Das  aws.  e  sowohl  umlauts-6  wie  auch  =  wg.  e  wird  im 
Cod.  durch  6,  (b  und  gelegentlich  ea  (=  Schriftbild  für  «)  i, 
y  (u)  vertreten. 

1.  öp  =  wg.  e  ist  so  gut  wie  beschränkt  auf  Schreiber  X, 
die  wenigen  ce  =  e\  die  sonst  auftreten,  *)  lassen  sich  wohl  auf 
die  herrschende  Unsicherheit  in  der  anwendung  des  ce-zeichens 
zurückführen.  Es  fragt  sich,  welchen  lautwert  diese  ce  beim 
Schreiber  X  haben.  Entspricht  die  Setzung  von  ce  statt  e 
einem  wirklichen  lautwandel  im  dialekt  des  Schreibers,  oder 
haben  wir  es  bloss  mit  einer  graphischen  eigentümlichkeit  zu 
thun?    Diese  frage  wird  dadurch  komplizierter,  dass  oe  statt 


>)  Abgesehen  natürlich  yon  fällen  wie  ^mgrif  cefen,  die  eine  besondere 
erklärong  zulassen. 

AngUa.    N.  F.    ZIII.  28 


426  R.  A.  WILLIAMS, 

e  ungemein  häufig  (vgl.  einleitung  III)  auch  in  den  unbetonten 
mittel-  und  endsilben  vorkommt ;  ein  umstand,  den  wir  selbst- 
redend hier  nicht  ausser  betracht  lassen  dürfen.  Zur  beant- 
wortung  der  aufgeworfenen  frage  wollen  wir  zuerst  ein  wenig 
näher  auf  den  thatbestand  eingehen,  a)  was  die  tonsilben^ 
b)  was  die  vor-  und  nachtonigen  silben  angeht. 

a)  Das  (B  für  wg.  e  erscheint  beim  Schreiber  X  fast  aus- 
schliesslich an  die  nachbarschaft  von  w,  r,  l  gebunden,  s.  die 
belege  unten.  Dies  stimmt  zu  dem  dialekt  des  Rushworth^, 
wo  ce  für  wg.  e  in  etwa  der  hälfte  der  fälle  vorkommt,  gleich- 
falls grösstenteils  an  die  nachbarschaft  von  to  und  liquiden 
gebunden.^)  Soweit  ich  aus  Meyers  belegen  ersehen  kann, 
scheinen  die  Verhältnisse  bei  der  P.  C.  ganz  ähnlich  zu  liegen. 
Aus  diesen  analogien  scheint  es  daher  nicht  unmöglich,  dass 
unser  Schreiber  eine  dialektstufe  vertritt,  auf  der  e  zu  (b  wurde. 

b)  Die  Vorliebe  für  ce  statt  unbetontes  e  erstreckt  sich 
bei  X  nicht  oder  wenigstens  in  weit  geringerem  masse  auf 
die  namen  der  zeugen.  Bei  einer  durchsieht  von  zwölf  von 
ihm  geschriebenen  Urkunden  finde  ich  unter  den  namen  der 
zeugen  bloss  drei  auslautende  ce,  obwohl  eigennahmen  auf  cyne, 
sige,  here  etc.  sehr  häufig  sind.  In  dieser  hinsieht  hat  er  also 
einem  bruchteil  der  von  ihm  geschriebenen  Urkunden  eine 
abweichende  behandlung  zukommen  lassen.  Wäre  aber  dies 
nicht  der  fall,  so  könnten  wir  aus  den  vielen  oe  für  unbetontes 
altes  bezw.  neu  entstandenes  e  den  schluss  ziehen,  dass  es  sich 
hier  um  eine  rein  mechanische  verliebe  für  das  ce-  anstatt  des 
6-zeichens  handelte.  Hätten  wir  alsdann  diese  as  auf  eine 
mechanische  Schreibergewohnheit  zurückzuführen,  so  könnten 
wir  doch  erwarten,  dass  sie  gleichmässig  an  allen  stellen 
auftreten  würden,  wo  ein  unbetontes  e  zu  stehen  kommt  Weil 
die  thatsachen  jedoch  anders  liegen,  müssen  wir  annehmen, 
dass  er  aus  irgendwelchen  gründen  die  herkömmliche  Ortho- 
graphie der  zeugennamen  hat  auf  sich  beruhen  lassen  wollen : 
d.  h.  er  hat  einerseits  absichtlich  geändert,  andi'erseits  mit  ab- 
sieht stehen  lassen.  Es  scheint  mir  also  nicht  ausgeschlossen, 
dass  wir  es  hier  mit  einem  versuch  zu  thun  haben,  eine 
tendenz  durchzuführen,  die  anderswo  zu  beobachten  ist    m  ffir 


^)  Auf  diese  regel  für  R^  hat  mich  herr  prof.  SieTen  aufinerkum 
gemacht.    Vgl.  dazu  jetzt  auch  Bülbring,  Ae.  Elementarb.  §  92  am.  1. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.      427 

tonloses  e  ist  nicht  anhäufig  in  dem  anderen  teil  der  Cod., 
einige  wenige  beispiele  erscheinen  ebenso  im  Ms/Cotton  Otho 
B  n  der  Cura  Pastoralis,  und  eine  kentische  Urkunde  aus  der 
mitte  des  X.  jahrh.  (B.  M.  Stowe  Ch.  XXVI,  de  G.  B.  III  s.  213) 
weist  ziemlich  viele  ce  in  end-  und  mittelsilben  auf ,  so  z.  b. 
genitivendung  -(bs  häufig,  gectvedwn,  weäcer,  gerednces,  celdcestum, 
eallcen  dpi.,  unbesprecam.  Es  wäre  wahrscheinlich  leicht,  der- 
gleichen fälle  zu  häufen.  Diese  ce  sind  alsdann  vielleicht  dahin 
zu  deuten,  dass  sie  einen  versuch  darstellen,  einen  gemischten 
vokal  zu  bezeichnen,  unter  den  allmählich  die  alten  vollen 
unbetonten  vokale  des  ws.  nivelliert  wui'den:  etwa  wie  im 
modernen  Englisch  eine  vulgäre  bezw.  mundartliche  ausspräche 
von  very,  fellow  durch  die  Schreibung  verray  fellow  angedeutet 
wird.  Diese  (b  bilden  dann  vielleicht  den  Übergang  zu  dem  e, 
das  in  me.  zeit  überall  an  unbetonter  stelle  eintritt. 

Wenn  wir  nun  diese  ergebnisse  zusammenfassen,  so  scheint 
es,  dass  ein  rückschluss  aus  b)  auf  a)  in  dem  sinne  verfehlt 
sein  würde,  dass  die  ei-scheinung  von  a?  statt  e  als  bloss  gra- 
phische eigentümlichkeit  des  Schreibers  aufzufassen  ist.  In 
beiden  fällen  hat  der  Schreiber  absichtlich  cb  für  c  gesetzt, 
obwohl  in  jedem  fall  aus  verschiedenen  gründen. 

2.  ce  für  umlauts-e  ist  eine  bekannte  erscheinung  (hierzu 
vgl.  Morsb.,  Gr.  §  107  anm.  1,  §  108  und  Bülbring,  Ae.  Elemen- 
tarbuch §  170),  die  im  ags.  öfters  vor  n  auftritt^  z.  b.  in  den 
Epinaler  glossen  (vgl.  Dieters  Diss.  und  Ch.  SOE  s.  60);  auch 
zu  erwähnen  wäre  die  hs.  Cotton  Otho  B  11  der  Cura  Pasto- 
ralis. In  dem  Cod.  kommt  (b  stark  zum  Vorschein,  und  zwar 
verhältnismässig  noch  viel  stärker  bei  dem  Schreiber  X  als 
bei  den  anderen,  denn  es  kommt  ihm  etwas  mehr  als  die  hälfte 
der  gesamtbeispiele  zu.  Das  ce  erscheint  in  allen  stellen,  ist 
aber  vor  n  und  r  viel  beliebter  als  vor  anderer  konsonanz. 
Einigermassen  eine  Sonderstellung  nimmt  das  wort  denn  ein, 
denn  hier  sind  die  cb- formen  die  überwiegenden  den  ganzen 
Cod.  hindurch. 

Anm.  1.  Mit  obigen  ausführungen  sind  zu  vergleichen  die 
angaben  von  Hulme  §  4,  §  9,  III  über  die  Vertretung  von  aws. 
e  in  der  ungefähr  gleichzeitigen  handschrift  der  Soliloquien 
Augustins.  In  letzterer  ist  cb  =  e  durchaus  nicht  unbekannt, 
aber  doch  in  viel  geringerem  masse  vertreten. 

28* 


428  R.  A.  WILLIAMS, 

3.    Gruppe  2  fusst,   was  das  e  angeht,  ganz  auf  awd. 
grundlage. 

Folgende  sind  die  beispiele: 

I.  für  e  =  wg.  e:  weg  passim,  composita:  mearctvege  I 
554, 27 ;  gyrdweg  I  229, 6 ;  walweg  I  542, 32 ;  bracweg  II 494^  17; 
cernincgweg  II  568, 33 ;  tümveg  II  495, 24 ;  stapolwege  II 495, 24 
etc.,  mit  auflösung  des  g:  wei  11206,29;  stanwei  ebda.  z.  80; 
margtvei  ebda.  z.  29 ;  getncerweige  II  207,  3 ;  ce  erscheint  in 
wceg  II  *94,15.  *296,  27.  *549,  30.32.  III  *157, 14;  tecBges  I 
*547, 26.  II  *409, 27.  *94, 8. 13. 15. 16.  *288, 4. 22.  K III  *176, 18. 
II  *549, 25. 30. 32. 33.  III  *62, 27 ;  wcegoe  U  *485, 26.  K  UI  *176, 
18;  hrycivopg  II  *94, 11 ;  hryctvcege  ebda.;  hrucivcege  11  *549, 29; 
wcelivceg  III  *141,  28;  byrigwcege  IV  *27, 7;  hrittanwceg  und 
'Wcege  IV  *27,  14;  einmaliges  ea  in  liorsweages  KIII  219,  3 
west  passim ,  composita :  wesieweard,  westrichte  II  262,  15. 18 
westlangan  III  106, 1 ;  iveststeö  in  273, 31 ;  westende  U  600,  7 
westhlide  III  649,15;  westmestan  III  166,31  etc.;  ce  in  waest 
1*548,7.  11*295,40.  *413,5.  *460,27.  *485 ,  neun  mal.  HI 
305, 27 ;  wcestmceste  I  *548,  7.  II  *460, 27;  wcesterran  II  *296, 27 ; 
wcestran  KIII  *176,  19;  wcestetveardnce  II  *295,  36;  wceste- 
weardan  K III  *252,  32 ;  wcestlegce  II  206,  35 ;  wcestcendce  II 
*440,  20;  ea  in  tveaste  I  515,  25;  weasteweardan  IV  49,  13 
/eZd  147,27.  545,8  etc.,  composita :  /eWden«  I  554, 30 ;  feU 
beorga  II  242, 2 ;  Forscanfeld  I  452, 21 ;  Oxenafeld  11  76,  27 
weardfeld  II 303, 21 ;  hcegfeld  III 632, 16. 17 ;  feldles  K  UI  338, 3 
cp  kommt  vor  in :  fceld  II  *296, 13 ;  ticnesfosildu  II  *288, 8 ;  hrom 
fceldm  II  *460,  35;  UceÖfoiJda  K III  *360, 16;  Öegen  H  96,  38 
Öegne  11340,2.  442,2.  493,14.  503,31.  529,2.35.  533,5.  548, 
33  etc.;  formen  mit  (b  sind  sehr  häufig  und  kommen  fast 
durchgehends  X  nicht  zu:  doegne  II  378,15.  439,13.  456,2. 
*486,33.  111177,6.  203,30.  248,2.  295,24.  446,2.  497,27. 
519,2.  175,9.  KIII  194,4;  scyrdosgenas  lY  hl,2h\  Jajr»  als 
zweites  glied  eines  zusammengesetzten  eigennamens:  WigÖegnus 
1516,8;  Wigdegni  1543,25.  547,1  etc.;  Flegmund  VI  271, 29 
etc, ;  FlemunÖ  II  262, 23 ;  Fleigmund  II  273, 37 ;  hehn  in  eigen- 
namen :  Helmstanus  I  594, 33 ;  Wethelmes  I  543,  34.  555, 16 
Wehhelm  I  549,3;  Ealhhelm  I  549,16;  Wulf  heim  ebda.  z.  5 
Byrhtelm  1 516, 2;  JEdilhelmum  II 277, 11 ;  Seaxhelm  U  359, 29 
JtJlfMm  II  380,  42;  Sighelm  II  383,4;  Tidhelm  II  410,  22 
Mealdoslmes  III  *432,  6;    ellene  KIII  219,  8;    eUmstubip)  II 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      429 

533.27.  III  476,15  etc.;  ellestüb  HI  607,  11;  ellenstubbe  lY 
122,7;  ellestubbe  eM,]  ellenford  lY  103,2;  Ellenforda  KIII 
336,33;  ellenforÖ  II  291,  2.14.  444,10;  Ellandune  III  126,20; 
cellensiub  111*62,27;  cellenstybbce  111*127,23;  oellanstubbe  III 
607,11;  j^lkendtme  in  HS2, 4-,  wegeras  11290,2;  wederan- 
grafe{s)  II  442, 35.  III 106, 10;  wasöcera  II  *282, 14;  ferse  (so  K, 
B  liest  ferse)  II  290,  2;  fmrscmcerus  III  *141,  36;  gemet  III 
501,19;  milgem(Bt}LMl''2h2,21;  metgeurda  11  262,  20 ;  met- 
gyrda  III  416,  28;  emnes  H  358,  18.23;  emnihte  II  241,  24. 
252,1.  280,6;  oncefen  1542,24.  11208,11.  367,27;  setl  1257, 
14;  seile  ebda.;  wearösetl  11166,14;  drymsetle  11411,3;  biea- 
setle  III 304,  2;  hicafed  (aus  setl  verstümmelt!)  i)  ebda.;  wearöseö 
III  268, 30 ;  weardsede  ebda. ;  edmeltide  11  289,  25 ;  edniwar^  11 

596.28.  381,9.  K III 304,  22;  geedniwodeKI1120i,12;  eferbroc 
III  268,  27;  efcerescimb  UI  632, 19;  heiteres  U  303, 19;  bceueres 
III  66, 12 ;  swelgend  III  227,  28 ;  swelgende  11  529, 29. 30 ;  ge- 
beddredenne  II  583,18;  medwe  K III  215, 31;  medwe  sice  ebda. 
Z.32;  legerstowe  IV  279,  28;  selfce  11410,38;  seluan  1196,32; 
scelf  II  *282,  9 ;  süfne  II  96, 29 ;  sylfne  HI  402, 35.  IV  52, 6 ; 
himsylf  K  III  353,  9 ;  himsulf  ebda.  z.  25  (zur  erklärung  dieser 
formen  vgl.  Bülbring,  Anglia  Beibl.  IX  s.  96);  medomlice  111 
306,30;  medeman  III  176,17;  medemunge  III  177,23  zweimal, 
niedenmnga  II  533,  28.  III  498,  21  zweimal;  mcedemunge  11 
533,28;  fela  III  432,  13;  fala^)  (vgl.  die  von  Pabst  belegte 
form  väle  im  reim  mit  täte,  Diss.  §  11,  f))  K  m  *360,  20; 
iwentig  1178,23.  282,15.  289,20.26.  111519,13;  twentigum 
111  7, 21 ;  twa'fitig  II  *282, 17 ;  hundtwcentiga  III  *432,  7 ;  end- 
Iwftig  II  282, 16;  (endlceftig  II  *282, 14;  Cerswyll  Km  219,7; 
cwrscumhe  111*127,19;  Cceorswylle  KIII  219,7;  abrecan  Hl 
402,30.  502,1.  IV  51,35;  gecweden  11290,10;  gecwedan  lY 
279,  24;  bcecwedden  III  432,  31;  bicweöen  IV  229,  17;  fore- 
cwedenan  II  358,  37 ;  gectvceöen  III  *432, 2 ;  gewrecen  3.  pl.  conj. 
m  183, 20 ;    aberendlic  II  289,  24 ;    snelles  IH  446, 26.  607, 17 ; 


*)  Wie  diese  merkwürdige  Verstümmelung  hat  entstehen  können,  lässt 
sich  leicht  denken.  Die  Verwechselung  von  8  und  f  ist  häufig,  und  durch 
ihre  form  öfter  geboten.  Statt  l  hat  dann  weiter  der  Schreiber  h  verlesen, 
was  auch  gelegentlich  vorkommt,  und  das  auf  diese  weise  sich  ergebende 
t?i  mit  Ö  wiedergeben  wollen,  hat  aber  den  strich  oben  vergessen. 

*)  s.  Kluge,  Stammb.  §  182 ;  der  gr.  noXv  vergleicht,  und  der  Wechsel 
eo  —  ea  m  diesem  stamm  durch  ablaut  erklärt. 


430  K.  A.  WILLIAMS, 

snellescumb  11  76, 16;  lehnwörter:  Swegen  IV  91, 16.  94^2  etc.; 
Gregories  11  262,  13. 14.  Gewöhnlich  mit  gedehntem  e  wird 
angesetzt  wel  II  96, 2. 24.  K III  203, 9.  IV  260, 23. 

Anm.  2.  Bei  sesölar  11  241,  25  vermute  ich  entstellimg 
aus  sexter. 

Anm.  3.  Schi^ierig  zu  erklären,  insofern  sie  nicht  dem 
Schreiber  X  zufallen,  sind  die  formen  mit  cb  statt  6.  Vielleicht 
dürften  wir  in  dieser  Schreibweise  eine  rückwirknng  der 
tendenz  erblicken,  die  in  me.  zeit  im  sUden  häofig  zur  er- 
setzung  von  ce  durch  e  führte,  und  deren  ausätze  sich  schon 
im  Cod.  Wint.  beobachten  lassen.  Einige  beispiele  jedoch 
lassen  sich  vielleicht  auf  bestimmte  momente  zurückführen: 
bei  dcegen  z.  b.,  das  übrigens  schon  im  dialekt  von  R  *  (Brown, 
§  15  b))  die  herrschende  form  ist,  vermute  ich,  dass  mg  und 
eg  im  Schriftbild  zusammenfielen.  Dies  konnte  um  so  leichter 
gesehen,  weil  zweifelsohne  die  zwei  Verbindungen,  wenigstens 
auf  gewissen  dialektstufen,  einander  sehr  ähnlich  klangen, 
etwa  wie  zuweilen  im  Neuenglischen  ac  und  ec  in  tadk  und 
wreck.  Ebenso  ist  die  form  onoBfen  (wobei  zu  merken  ist^ 
dass  die  bestandteile  immer  auseinander  gezogen  sind,  also 
on  (Bfen  in  zwei  Wörtern)  wohl  im  Schriftbild  mit  äfen  zu- 
sammengefallen. Wir  müssen  uns  vergegenwärtigen,  dass 
unsere  Schreiber  in  der  hauptsache  am  wahrscheinlichsten 
ziemlich  mechanisch  ans  werk  gingen,  und  vielfach  das,  was 
sie  vor  äugen  hatten,  niederschrieben,  ohne  sich  um  die  be- 
deutung  zu  kümmern.  Wenn  nun  ein  Schreiber  das  wort  efen 
vor  sich  hat  und  nicht  an  seine  bedeutung  denkt,  so  kann  er 
leicht  dafür  cefen  einsetzen,  umsomehr  wenn  er  gewöhnt  ist, 
dieses  wort  auch  efen  zu  schreiben,  wie  thatsächlich  bei  unseren 
Schreibern  der  fall  war. 

Anm.  4.  Die  ea,  die  oben  in  ein  paar  formen  belegt  sind, 
fasse  ich  als  =  ob  auf,  und  daher  auf  ähnliche  weise  erklär- 
lich.   Das  ceo  von  Cceorswylle  ist  wohl  =  eo  =  e. 

Gruppe  2. 

weg  n  436,  33 ;  gyrdiveg  ebda.  z.  37 ;  mcerwege  II  447, 29 ; 
Weges  II  284, 28.  285,  2 ;  west  II  364, 2 ;  westeweard  m  3, 39 ; 
westeweardne  II 364, 5 ;  clcenefelda  II 285, 3;  cules  felda  U  284^  31 ; 
ticnes  felda  ebda.;  Öegne  111100,2;  dlenford  11285,6;  inefen 


DIE  VOKALE  DER  TONdILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      431 

n  364, 3 ;   setle  11  447, 31 ;   hremberwudu  HI  3, 33 ;   cwefe  1.  s. 
praes.  11 367,  7 ;  ednywon  lU  4, 29 ;  Flegmund  11 283, 19.  285, 9 
^Ifhelm  n  366, 11;  Byrhtelm  HI  100, 14;  ^Öelm  H  365, 38 
Ealhelm  ebda.  z.  33;    Sigelm  11  365,  5;    Tidelm  ebda.  z.  13 
Seaxhelm  ebda.  z.  22 ;  Wighelm  11  285, 15 ;  Wulflielm  ebd.  z.  22. 

II.  f ür  c  =  t-umlaut  von  wg.  a  (bezw.  wg.  o): 

a)  vor  nasalen. 

1.  vor  n  bezw.  nn:  denn  (ns.  fälschlich  statt  ac.  und  ds.) 
III  349, 25  zweimal ,  dene  bezw.  dcene  passim ,  nach  meinen 
belegen  überwiegt  die  cß-form  um  ein  weniges,  das  Verhältnis 
gestaltet  sich  ungefähr  wie  55  :  50 ,  von  den  a?-f ormen  ver- 
fallen 22  auf  den  Schreiber  X;  an  compositis  sind  folgende 
belegt:  felddene  I  554,  30;  wyrtden  I  148,  29;  mearcdene  11 
304,25;  bromdene  I  515,  35;  waddcene  IL  *409,  31;  (Bscdcene 
ebda.  z.  41 ;  haredene  m  356, 9  etc. ;  scealdedeninga  IV  108, 24; 
eadenne  (vorausgeht  of  dan)  11  78, 24  lässt  sich  vielleicht  zu 
denn  stellen;  Enedford  II  409, 1 ;  Enedforda  II  408, 22.  409, 23. 
410,30;  enccdesforda  11296,14;  cenedtville  11298,9;  henna  11 
367,  26.  441,  5.  504,  25;  hcenna  II  367,25;  men  11252,14. 
280,8.  IV  51, 27;  men  11252,16;  portmen  111402,14;  mosnn 
Kin*361,6;  m«w  n*282, 17.25;  Dene  IV  51, 11;  Deniscan 
ebda.  z.  12;  Denewulf  II  172, 10.  234, 15.  235,21  etc.;  Dmne- 
Wulfe  11289,20;  acennednessce  11411,10;  acennesse  11252,9; 
acynnednesse  11  80, 9.  III  502, 17  (dies  vielleicht  eine  einge- 
schleppte kentische  form?);  penega  TL  241,  24.  Km  362,27; 
penegas  IV  233, 6;  heoröpenegas  IV  233, 5. 13. 21. 26;  hundred- 
penegas  ebda.  z.  5.  14.  21.  27 ;  posniga  K  in  *360,  27 ;  fen 
III  632, 20. 

Anm.  5.  Verlesen  scheint  zu  sein  oettanwenn  (dafür  liest 
K.  wohl  mit  recht,  -penn)  11  533, 27 ;  man  vergleiche  ettanpden 
m  177, 32;  ettapenn  IE  498, 20;  penne  LH  176, 12. 13  und  die 
fussnote  zu  letzterem.  Auf  dieses  wort  geht  wahrscheinlich  ne. 
pen  (in  sheep-pen  etc.)  zurück.  Nach  Skeat  ist  im  ags.  nur 
einmaliges  onpennan  swv.  belegt,  B.-T.  setzt  jedoch  penn, 
pennes  masc.  an,  unter  berufung  auf  zwei  stellen  im  Cod.  Wint. 
Ne.  pen  bringt  Skeat  mit  lat.  penna,  pinna  zusammen,  da- 
gegen lässt  Sweet  im  St.  D.  diesem  wort  umlauts-e  zukommen. 
Aehnlich  wie  cettanwenn  ist  vielleicht  auch  wenne  III 655, 26. 27 
zu  beurteilen« 


432  B.  A.  WILLIABfS, 

2.  vor  n  +  guttural :  Enghüande  11  96, 10 ;  Ef^UUmdes 
IV  51, 10;  lAiglisc  1196,21;  Engliscan  IV  51, 12;  ^ngelham- 
stcede  K  III  *252, 27 ;  englan  (zu  enget)  in  403, 1 ;  leng  adv 
111306,28.  402,17.  432,22;  Zewcöfc(zuZ€w^(o))  subst.in416,28; 
geÖcencce  EQ  *432, 25 ;  ÖcencÖ  K III  *360, 3 ;  f orgenge  11  290, 4  ; 
forgenga  IV  51,24;  ceftergengen  III  402,8;  ceftergenga  ebda, 
z.  13 ;  ceftergcngcana  ebda.  z.  17 ;  hengestes  11 436,37.  in  520, 12. 
K III  211,26;  i/encÄ^e«  ebda.;  ifengfe^te^  I  229, 6;  drenchom 
K  ni  361, 29. 

Anm.  6.  Wohl  statt  heng(e)$tes  verschrieben  ist  hincstes 
m  655, 12. 

3.  vor  n  +  dental :  ende  1 47, 28. 33.  148, 35.  545, 10.  553, 3 
etc.;  amde  1*547,28.29.  *548,6.  n*63,33.  m  306,30;  cmde- 
dege  lY  279,27]  noräcmide  II  H60, 19;  tccetoende  ehdo..  z.20; 
eastcende  ebda.  z.  26 ;  wend  3.  s.  III  106, 6;  atoendan  TU  402, 31. 
417,  7.  502,  2.  IV  52, 1 ;  awende  3.  s.  conj.  praes.  11  80,  5.  6. 
ni  417,  7;  awended  3.  s.  praes.  K  III  364, 12;  warnt  3.  s.  praes. 
111*62,24;  M;öpnde  n  *296, 33. 34 ;  onM;cpn(te  11*410,36;  bendan 
m  402, 35.  IV  52,  5;  bcendes  K IH  *360, 36;  sende  3.  s.  praet 
Kin203,7.  363,31;  gehcendre  II 204.,  4;  Stent  Ibl5, 22.  542,30. 
II  78, 25  etc.  (9) ;  stcent  II  *485, 26.  HI  *432, 15.  *172, 19.  K  m 
*360,  4;  entanhlew  II  492,  21;  entaMew  IV  49,  4;  cmta  die 
IV  34, 11. 

4.  vor  m :  genemned  H  290, 18 ;  temcese  H  206, 32 ;  hremmes 
II 242, 12 ;  hremmescumb- 1 148, 32.  554, 33.  DI  116, 7;  hremnes- 
beorh  III  176, 4 ;  stenmes  II  164, 14. 

Anm.  7.  Hierher  wohl  Embresham  HE  349, 1.9;  cmbresham 
ebda.  z.  22,  vgl.  das  oben  §  1,  IV  angeführte  Äniberesburg. 

b)  vor  liquiden. 

1.  vor  r:  here,  nur  einmal  im  simplex,  nämlich  hmres  gs. 
II  290, 6 ,  im  compositum  her{e)paÖ  passim ;  e  ist  zweimal  so 
häufig  wie  m,  die  belege  für  ce  scheinen  sich  ziemlich  gleich- 
massig  zwischen  X  und  den  anderen  Schreibern  zur  verteilen, 
sind  also  verhältnismässig  viel  häufiger  bei  jenem,  da  er  nur 
einen  bruchteil  des  Cod.  geschrieben  hat ;  ein  paar  mal  kommt 
hear{e)  vor:  11  *288, 19.  382, 14.  III  106, 3  zweimal,  ebda.  z.  11; 
sonst  erscheint  Imrepocfe  K  III  302, 1 ;  hasregeatvoa  TL  583, 19 ; 
Jierestrcete  111166,33;  an  eigennamen  sind  belegt:  HereferiH 
I  543, 28 ;  Heremod  11  290, 33 ;  Heremannus  IV  96, 24 ;  herredea 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      433 

II  412, 39 ;  Wulfhere  H  163, 12 ;  JSlfhere  IL  163, 21 ;  Forfhceres 
I  229, 14;  Hcerredes  K  HI  *176, 11 ;  Mlfhcere  I  *549, 10 ;  Wulf- 
hcere  H  77,  27;  JElhcerce  U  *486, 15;  eallue^res  III  *127,  20; 
Herfordensis  IV  96,  21;  Miclamersce  K  III  218,  16;  middel- 
mcersce  II  341,  22 ;  mcBrsic  III  356,  3 ;  mcerscce  II  *412, 26.  K III 
*175,32;  berigancumb  Ii7,S2.  11382,22.  1118,16.  K  0  302,11; 
berena  npl.  III  632,  30;  b(üren€  II  241,  27;  wer  III  303,  26. 
304, 3;  weres  VI  136, 11 ;  were  III  303, 26 ;  mylewere  IV  92, 30; 
hwer  (verschrieben !)  K  IE  362, 8 ;  wcbt  II  206, 38 ;  wcßre  IV 
92, 31 ;  beamwcer  II  249, 19;  smwcBre  IV  96, 4 ;  erien  m  227, 33; 
geerian  JI  2il,  25;  «<;man  II  96, 12.  111402,27;  werige3.s. 
conj.  K  III  203, 14;  werode  3.  s.  praet.  III  402, 8;  gewered  HI 
106,  40;  gewcered  II  *282,  7 ;  ce^sce  II  *288, 9.  *485, 22  zweimal; 
spcera  II  583, 20.  K  HI  *360, 20.  HI  *432, 13 ;  spceresholte  IV 
*170, 20 ;  Heeringes  IV  *27, 11. 12 ;  heriag  K  lU  364, 11 ;  mere 
1515,20.24;  mcere  II  H85,  SO.  HI  *62,  29.  81,4.  476,22; 
(on  ane)  mcere  K  III  215, 23. 

Anm.  8.  Da  cb  für  e  eintreten  kann,  und  e  häufig  statt  ck 
geschrieben  wird  (s.  unten  §  12, 1),  so  ist  es  nicht  immer  leicht 
zwischen  mere  und  mcere  (gekürzte  form  zu  gemdere)  zu  unter- 
scheiden. Der  verdacht  liegt  also  nahe,  dass  die  Schreiber 
diese  zwei  formen  mechanisch  verwechselt  haben.  Ich  habe 
daher  bloss  die  formen  oben  angeführt,  welche  genus  mascu- 
linum  aufweisen.  Aber  es  kommen  auch  eine  anzahl  composita 
mit  mere  bezw.  mwre  als  zweitem  glied  vor,  welche  wenigstens 
teilweise  hierher  zu  ziehen  sind,  wie  sich  aus  der  bedeutung 
erschliessen  lässt.  Solche  sind  z.  b. :  Butermere  (vgl.  ne.  Butter- 
mere)  II 118,  6. 16 ;  JEscmere  ebda.,  riscmere  1 515, 14.  II 379, 11, 
verschrieben  hriscmere  (dazu  mere  ds.  an  gleicher  stelle)  III 
478,10;  rihcmere  1515,37;  riscm(ere  11298,15.  495, 20  zwei- 
mal. IV  108,26;  wigiömere  (statt  wiöig-)  IQ  655,21  zweimal; 
tvidigmeres  I  515, 19.  II  447, 31 ;  widigmasre  II  444, 17  zweimal, 

III  354,24  (dazu  mosre  ds.  ebda.);  mintmere  III  116,4.  117,7; 
clwfcermcere  111*127,22  (dazu  mcere  an  gleicherstelle);  cram- 
mcere II SOi/dO,  Dazukommen:  hnottan mcere U 94=^16,  549,33; 
fulan  mcere  Hl  141, 30 ;  blacan  mcere  II  206, 37 ;  Öyrran  mcerce 
11*118,27. 

Anm.  9.  Ich  bin  Streitberg  (Urg.  Gramm,  s.  244)  gefolgt 
in  der  ansetzung  von  spere  mit  umlauts-e.  Sweet  und  Sievers 
legen  ihm  wg.  e  bei. 


434  B.  A.  WILLIAMS, 

2.  vor  l:  del  I  547,26.  548,21  etc.  (10);  de«  H  444,11. 
460,42;  delle  I  257, 15.  554,  29.  II  71,  8  etc.  (11);  säpdel  I 
257,15.  III  66,15;  scipdelle  I  257,14.  III  66,16;  scirdel  H 
303,  21;  berandel  HI  116,  14;  hyrstcedel  ü  549,  27.  94,  10; 
healfandell  II  63,  31;  wceterdellw  III  651,21;  dcel  U  *413,7. 
304,32.  Kin  *176,20;  dcel  II  529,32;  dcelle  I  *547,26.  II 
*288, 10.  *413, 7 ;  sellane  III  354, 3;  scelle  1.  s.  praes.  11  *410, 29; 
syllan  (zur  erklärung  dieser  form  vgl.  Ch.  SOE  s.  19  fussnote, 
etwas  anders  Bülbring,  Anglia  BeibL  IX  s.  96)  n  208, 3.  K  m 
.  360, 32;  gesylle  K III  362, 26 ;  sullan  (u  =  y)  II  208, 4;  scelene 
(subst.)  II  *410, 28;  iwelf  II  71, 11. 12.  289, 25  etc.  (6);  kund- 
twelfiig  III  416,  24;  hundtwelftigum  11  583, 21 ;  hundtwcelftigum 
KIU*360, 18;  helle  lY  52,8]  hellewite  11  96,  S2.  m  417,9; 
Mlcwite  m  183,20;  hellesusle  lU.  502,4;  healle  m  403,2; 
elUcs  II  381, 13;  sivelcan  II  207,29  zweimal;  suil{c)  11  162,27; 
swilcum  III  416, 11 ;  swylc  IV  279,  29;  swylce  1  544, 4  zweimal; 
III  172,14.  306,23.  416,11  etc.  (8);  stvylcne  lY  279,2i;  swylcre 
II  96,30;  stvylcan  1  544,4.  IV  170,21;  scwlcon  (wohl  statt 
swtdc,  w  =  y)  m  172, 14;  eghwcelces  II 163, 1 ;  hwylce  IV  233, 1; 
gehwylces  III  306, 24 ;  gchwylcum  III  501, 22  anm. ;  gewylcum 
111501,22;  rindesele  111176,8;  rindgesella  (verschrieben?)  I 
515, 23.  6  <  0  +  i,  j  weist  das  lat.  lehnwort  ele  in  elebeam(e) 
1  515, 15.  n  357, 28;  helebmme  III  655, 34  auf. 

c)  vor  dentalen:  5ted^  IV261,30;  5^(Bde  III *141, 33.  KDI 
*360, 29 ;  hamstede  III  296, 20 ;  hamstcede  II  206, 36 ;  tycchäm- 
stede  1  515, 37 ;  ^ngehanistcede  K  DI  *252, 27 ;  bienestede  m 
134,19;  cescstede  1546,25;  linestede  111655,15;  treotostede  11 
79, 5 ;  mylnstede  IV  96, 5 ;  Ticcestede  11  495,  9 ;  eacesstede  11 
379, 5 ;  Wolcncesstede  III  432, 18 ;  heanstcede  II  *288, 5 ;  cyric- 
5^CBdcm*141,33;  ^CÄe^e  II  96,21.34.  111402,17.19.  111417, 7; 
gesetton  HI  402, 11 ;  gesetten  K  III  203, 11. 14;  sehtte  IH  172, 5; 
gesetedncsse  HI  402, 30.  IV  51, 35;  gesetnesse  K  m  203,9;  ge- 
sehtnesse  HI  417, 5;  gesGet  11  *411,  8;  gescette  ebda.  z.  13;  hund- 
setena  11280,10;  setige  (entstellt!  aber  jedenfalls  zVisettan  zu 
ziehen)  III  416, 24;  lest  1  544, 4;  gebeddan  III  502, 8;  mete  DI 
106, 40.  K  m  353, 16 ;  fetels  K  III  361,  28 ;  reste  (1.  s.  praes.) 
Km  361, 17;  rc^^ad^  II  96, 32.  IV  51, 15.  280,3;  rcestan  vaL 
Kin  *360,3;  Esne  II  74,31.  77,  35  etc.;  ^sne  H  *64, 13. 
71,17.   73,7. 


DIE  VOKALE  DBB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      435 

Anm.  10.  Hierher  ist  wohl  zu  ziehen  Qlestingabyrig  TU 
107,2;  Glestingensis  III  106,33,  obwohl  das  ne.  Glastonhury 
eigentlich  für  eine  (jp-form  spricht 

d)  vor  gutturalen :  hege  II  447, 31.  III  476, 25 ;  heges  ebda, 
z.  26 ;  hecgan  (df .)  11,  368, 6,  genus  nicht  bestimmbar  IV  108, 
21.30;  Ä(3BöfflP5  Kni*229,25;  hegerewe  U  379,1,  485,21.  HI 
519, 34;  hcegerewce  K  III  *176, 20 ;  hcegercewe  ebda.  z.  21 ;  heglea 
111632,30;  hegcumbe  11301,17;  hegerawe  1515,31;  hceccgeat 
IV  *27, 16;  hceccgetas  ebda.  z.  17;  ueccerhege  (K.  liest  ceccer-)  I 
515, 31 ;  hocrdhaehgfe  K  HI  *229, 25 ;  tyrighege  II 444, 13;  ginnan- 
hecce  K  HI  199, 6 ;  wudugeheg  II  413, 30.  K  III  176, 1 ;  hcccginge 
IV  90, 6 ;  ecge  H  533, 28.  in  62, 32.  498, 21 ;  upcecgiB  II  *485, 25 ; 
oecges  (eigenname)  11  301,23;  eacges  I  554,34;  als  erstes  glied 
zusammengesetzter  eigennamen :  egwulfes  II  74,  24 ;  ecgerdes 
111519,35;  Egberht  1593,28;  Egheard  0  64,10;  JSgfrido  I 
86,  18;  jEghreht  11  136,  4;  segbroce  III  143,  10;  gefecce  IV 
279,27;  lecge  gsf.  (nach  Leo  =  Schenkung)  III  432,12;  ege 
(=  furcht)  K  III  353, 9 ;  secges  II  357, 31  zweimal,  K  HI  215, 24 ; 
Begenwold  II  359, 23 ;  Regnwald  II  380, 22. 

Anm.  11.  Die  form  hecgan  oben  lässt  sich  vielleicht  so 
erklären :  Durch  übertritt  in  die  ja  -  deklination  (vgl.  hierzu 
Siev.  Gr.  §  263  anm.  3)  entstand  ein  nom.  hecg  neben  hege,  und 
hieraus  durch  contamination  Jiecge.  Diese  form  wurde  nun  als 
ein  femininer  jon-stamm  empfunden,  und  demgemäss  schwach 
abgewandelt. 

Anm.  12.  Hierher  Heglingaig  HE  171, 10;  Heglingaigce  LEI 
170,  24;  HeilincigiB  VI  198,  6?  Diesem  entspricht  nach  K. 
(Bd.  VI  index)  ne.  Uayling, 

e)  vor  labialen:  ewe  11  241,31;  efes  11412,32;  efsUa  IV 
45, 23  zweimal ;  cefese  11  367, 26 ;  (Bfsan  U  358, 30.  31 ;  norÖ- 
Cef  es  Kin  *176,  2  (dieses  beispiel  hat  e  <  wg.  o);  eft  bezw. 
(Bft  passim,  letztere  form  überwigt  stark. 

Anm.  13.  Dass  (Bft  häufiger  auftritt  als  eft,  ist  vielleicht 
der  anpassung  an  asfter  zuzuschreiben.  Diese  anpassung  wäre 
um  so  naheliegender,  weil  die  Verbindung  -eft-  eine  äusserst 
seltene  war.  Neben  eft,  eftgian  finde  ich  nur  noch  weft{a)\ 
demgegenüber  steht  -mft-  in  (Eftan,  cefter,  hwft,  hceftan,  rmfter, 
crceft,  grceft,  die  noch  z.  t.  ableitungen  neben  sich  haben.   Einen 


436  B.  A.  WILLIAMS, 

ähnlichen  Vorgang  hat  übrigens  Brown  für  den  dialekt  von 
R*  vermutet. 

Anm.  14.  Hierher  lässt  sich  wohl  ziehen :  efisc  TL  379, 
2.10.  504,23.  529,24.25.32.  in  655, 18;  euiscIL  Ul,2',  cefisc 
II  *288, 19.  297, 35.  304, 17.  455, 23.  Dieses  wort  findet  sich 
in  keinem  der  Wörterbücher,  wolil  aber  trifft  sich  bei  B.-T. 
ein  ofesc,  das  kaum  davon  zu  trennen  ist. 

Anm.  15.     Wohl  zu  seghroce  zu  stellen  ist  scechbroc  IE  77, 19. 

Gruppe  2. 

dene  ds.  H  436,  35.  447,  29.  III  297  31 ;  (et  Denforda  TL 
367, 4 ;  inearcdene  II  284, 32 ;  pytteldene  II  448, 10 ;  hennadene 
n  364, 1 ;  aredene  IL  285, 3 ;  bradan  dene  II  285, 1 ;  peningas 
n  366, 33 ;  Jwnna-  II  364,  1 ;  (ende  LU  3,  33. 37 ;  grendles  11 
364, 11 ;  hengesies  II  436,  37 ;  her{e)paöes  II  448, 8.  m  3, 33 ; 
herpoöes  111297,29;  [h]arpades  11436,34;  hearpaÖe  11284,34 
zweimal,  ebda.  z.  39 ;  jElfhere  IL  364, 28 ;  Wulfhere  II  285, 28 ; 
(jgrendl^)  mere  II  364, 1;  fugelmere  11  364,9;  cet  Butermere 
n  367,  6 ;  ^scniere  ebda.  z.  8 ;  ersce  II  284, 33 ;  deUe  ds.  11 
284, 34;  selU  3.  s.  conj.  11  366, 22,  1.  s.  ebda.  z.  31 ;  to  seUane 
II  366, 25.  367,  2. 17 ;  twelf  11  367, 11 ;  swelce  npl.  [Cod.  swcelce\ 
n  367,  8 ;  beanstede  IL  284, 29 ;  werstede  IV  105, 11 ;  reste  3.  s. 
conj.  praes.  11366,22.  367,15;  betst  ebda.  z.  9;  hecgan  (acs. 
vgl.  oben  anm.  11)  II  364,  7,  dsf.  ebda.  z.  11;  eft  TL  285,  5. 
364, 12.  436,  36.40  etc.  (kein  (vff).  Cot.  Ch.  X  17  weist  auf: 
awcendan,  awcende,  hcerefnan,  rceimbald  (=  Begnbaldf),  HarL 
Ch.  43  C  8  liefert  denc  zweimal  und  Herford[ensis\. 

Wir  ersehen  hieraus,  dass  ce  für  umlauts-c  in  den  Original- 
urkunden sehr  selten  vorkommt.  Thatsächlich  begegnet,  ab- 
gesehen von  dem  verdächtigen  zeugnis  des  Cot.  Ch.  X  17  nur 
zwei  ce  =  umlauts-e,  beide  vor  nasal.  Merkwürdig  ist  das 
dreimal  vorkommende  hearpade,  in  einer  Urkunde,  die  das 
datum  909  trägt,  aber  „in  einer  etwas  jüngeren  schritt"  auf- 
gezeichnet ist. 

§  4.    Aws.  i. 

Das  WS.  i  ist  im  grossen  und  ganzen  im  Cod.  gut  erhalten, 
obwohl  es  aucli  öfters  mit  y  wechselt.  Das  frühws.  unfeste  t 
scheint  mir  auf  dialektischer  verscliiedenheit  (sog.  dialektstufen) 
innerhalb  des  ws.  zu  beruhen,  denn  es  erscheint  erstens  an  die 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      437 

nachbarschaft  gewisser  konsonanten  (vornehmlich  w,  r  und 
labialen?)  gebunden,  sowie  dann  im  Wechsel  mit  io,  eo,  d.  h. 
u,  ö-umlautsformen,  die  auch  auftreten,  wo  sie  echt  ws.  nicht 
berechtigt  sind ,  z.  b.  vor  gutturaler  konsonanz  ohne  voraus- 
gehendes w,  etc.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  das  gebiet 
des  u,  o-umlauts  auf  einigen  dialektstufen  innerhalb  des  Ws. 
selbst  eine  erweiterung  erfährt  —  wenigstens  insofern  das  i 
in  betracht  kommt  —  ähnlich  den  Verhältnissen  in  den 
ausserws.  mundarten.  Hiermit  hängt  sodann  der  eintritt  des 
unfesten  y  (d.  h.  hier  des  y,  das  mit  urspr.  i  wechselt)  zu- 
sammen. Wir  bekommen  also  zwei  momente,  die  den  Wechsel 
urspr.  i  -  y  bedingen ,  nämlich,  der  einfluss  von  nachbarkon- 
sonanten,  und  ein  frühzeitiges  eintreten  von  umlautsformen, 
auch  da,  wo  sie  echtws.  nicht  lautgesetzlich  sind.  Die  Wirkung 
dieser  zwei  lautlichen  momente  kommt  dann  auch  im  Spätws. 
zum  Vorschein.  Damit  wird  nicht  gesagt,  dass  alle  fälle  des 
erscheinens  von  y  statt  i  in  spätws.  texten  geschweige  denn 
im  vorliegenden  notwendigerweise  auf  diese  weise  zu  erklären 
sind,  wir  werden  vielmehr  oft  annehmen  müssen,  dass  eine 
bloss  autogi'aphische  eigentümlichkeit  der  Schreiber  hier  im 
spiel  ist. 

Im  folgenden  behandle  ich  zuerst  das  sog.  unfeste  i,  d.  h. 
das  i,  das  frühws.  im  weclisel  mit  io,  eo,  te  steht. 

I.  Das  unfeste  i:  Es  kommen  zuei-st  vornehmlich  in  be- 
tracht die  3.  plur.  ind.  praes.  von  wesan,  und  verschiedene  casus 
obliqui  von  dis  und  dem  geschlechtigen  pronomen  der  3.  person : 
synd  I  148,  26.  545,  3.  H  71,  5  etc.;  synt  I  47,  21.  546,  24. 
554,  25  etc.;  syndon  I  542,  20.  547,25  etc.;  sind  11  206,34. 
304,23  etc.  (6);  sind  III  649,18;  sint  11411,11.  HI  273, 25. 
446,30.  IV  229, 24;  sindon  III  501,17.  11206,27.39.  207,7; 
siondon  11  282, 11;  seondon  II  494, 11,  die  y-formen  sind  mehr 
als  zweimal  so  häufig  wie  alle  andere,  und  gehen  auch  in 
gruppe  2  durch ;  ffis  passim  hat  festes  i,  nur  einmal  y  in  Öyss 
(^sint)  IV  229,  24 ,  dagegen  in  den  casus  obliqui  öfters  y  (das 
zuerst  im  d.  plur.  und  acs.  entsteht,  und  dann  infolge  von 
analogie Wirkung  in  die  anderen  casus  eindringt) :  Öises  I  544, 6. 
II  96, 11  etc.  (5);  Jj.  ses  II  358, 37  (vgl.  Reim.  s.  18);  ffyses  II 
96,  23.  410,  28  etc.  (10);  äyse  IV  51,28  ist  dunkel,  wahrschein- 
lich jedoch  als  druck-  oder  Schreibfehler  für  Öyses  aufzufassen ; 
es  steht  nämlich  nach  unnan,  welches  ws.  den  genitiv  regiert ; 


438  R.  A.  WILLIAMS, 

gisne  1196,8.15.29  etc.  (7);  Sfysne  (acsm.)  111402,28.  502,  L 
K  m  364, 11.  IV  51,  35;  (Ws(s)tnn  I  543, 37.  HI  172, 7.  501, 18 
etc.  (7);  Sisam  HI  402,  34;  Nissan  DI  417,  6.  IV  52,5;  At 
(statt  gissum)  III  432, 1 ;  öfysutn  11  96, 2.  HI  416, 5.  IV  76, 1; 
dysan  K  III  364,  10.  IV  229,  24 ;  gisse  (gsf.)  E  lU  363,  36; 
äissera  (gsf.)  m  432, 33;  (fysse  (äst)  K III  362, 25;  äyssere  (dat) 
IV  51,30;  äissa  (gpl.)  I  544,8.  H  296, 34.  rV170,26;  «s» 
(gpl.)  III  172, 26 ;  dissa  (gpl.)  11  244, 14;  (on)  fissa  (gewitttesse) 
11411,10  ist  dunkel,  es  scheint  mir  jedoch  wahrscheinliGli, 
dass  es  für  den  gen.  plur.  steht,  and  dass  darnach  ein  woit, 
etwa  witena,  ausgefallen  ist;  einmal  y  in  fyssa  IV  76,20; 
hira  (gpl.)  H  208, 3.  252, 19  etc.  (10);  hira  H  411,6;  hire  gpL 
U  252, 17;  hwra  11162,27.  163,5  (9);  heora  0  96,25.  163,7 
(im  ganzen  18  mal);  heore  (gpl.)  11  296,  33;  hiera  (gpL)  II 
290, 13. 17;  hyra  (gpl.)  II  241,  25.  HI  417,  3.  432,  28.  Km 
353,  14. 15 ;  hare  (gpl.)  II  207, 29 ;  hire  (gdsf.)  H  207, 27. 29. 
208,  5  etc.  (17) ;  hi  (statt  hire)  U  207,  31 ;  hyre  II  244,  12. 
432,26  etc.  (6);  hine  (acsm.)  II  96,  29.  252,2.  HI  402,28.35 
etc. ;  einmaliges  hyne  K  lU  359, 30.  Von  formen,  die  den  dmdi 
umlaut  bedingten  Wechsel  i — y  noch  aufweisen,  sind  belegt: 
ni^fonn  171,37.  282,13.  IV 233,4.19;  wsfann 252,9;  niogonüs 
II  282, 18;  nygan  K  III  359, 11;  nygon  ebda.  z.  14;  nygoSa  n 
96, 7 ;  niöer  >)  III  305, 25 ;  niÖORr  1 548, 6 ;  niöcerlangan  U  460,25; 
nideran  II 206, 8 ;  nideweard{e)  III  66, 14.  Km  172, 35;  hemSm 

II  290, 17.  III  305, 24;  nyÖer  II  305, 3.  358, 13  etc.  (10);  mgöt- 
wearde  III  141,32;  nyÖewerdncB  ebda.  z.  28;  nydeweardme  III 
176,17;  mydcrwedrdne  111655,34;  siödan  11  96, 5;  siÖSun^ 
282,10;  sioddanlh\h,Z\\  «eod^^a» II 494, 22 ;  sy(}%m  11 529,82. 

III  105, 36. 39.  402, 8.  416, 7 ;  sydan  K  HI  193, 8.  196, 10. 

In  ein  paar  anderen  Wörtern  kann  es  zweifelhaft  sein, 
worauf  das  y  zurückzuführen  ist,  so  nämlich:  FryÖegydJl  598>9; 
FrydegyÖa  II  436, 7 ;  Frydogydce  l  229, 17 ;  FryÖerieo  UI 26, 23 
gegenüber  Fridegyd  II  75,15;  Friöegyd  1173,24;  Fridogi/ia 
1228,10;  l-ndetW^  ebda.  z.  6;  FriÖestar^  II  2%1,Z\.  290,21; 
Fridestanum  II  277,9;  FriÖestano  II  286,5.25  (Cosijn  belegt 
formen  von  Friöu-  mit  eo  aus  der  Chronik,  s.  Gr.  s.  52);  (tyftes 
oran  III  176, 17;  Brytfordinga  I  48, 1.  KIII  302, 16;  Britkmet 
(i  <  e  konigiert)  I  540, 16 ;    brytenwalda  II  410,  27.  411, 12; 


')  Fonuen  dieses  Stammes  mit  nmlant,  b.  nachher  §  9^  IV,  o). 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIEN8I8.     439 

BriUanice  111304,33;  Bryttanie  111408,2;  Brettones  1543,6 
(belege  für  6o  in  diesem  stamm  siehe  man  bei  B.-T.  s.  v.).  0 

Anm.  1.  Als  zweites  glied  zusammengesetzter  eigennamen 
weist  friöu  eine  besondere  entwickelung  aul  Hier  geht  be- 
kanntlich nach  metathese  des  r,  «  in  e  über.  Beispiele  sind 
sehr  zahlreich:  Wilferä  II  342, 18;  HereferÖi  I  543,  28  etc.; 
statt  e  erscheint  auch  «:  Wüfcerd  II  262, 25;  OsfcBrÖ  II  *288, 8; 
Hedhfcerd  ebda.  z.  11.  Das  i  hat  sich  ohne  metathese  des  r 
in  einigen  belegen  aus  alten  Urkunden  erhalten:  Wüfridus  I 
107,  5;  HunfriÖl  2b7, 18;  JEdüfridi  1 257, 23;  JEgfrido  1 86, 18 
etc.    Hierüber  vgl.  man  Cosijn,  Gr.  s.  57. 

Anm.  2.  Frühws.  finden  wir  in  der  flexion  von  verschie- 
denen Stämmen  einen  Wechsel  zwischen  t  und  io,  eo  durch 
umlaut,  z.  b.  leomu,  tiolode,  deopian  etc.  Es  wäre  nun  zu  er- 
warten, dass  spätws.  ein  y  hier  entstehen  würde.  Bekanntlich 
ist  aber  die  tendenz  des  ws.  in  solchen  fällen  nach  ausgleichung 
zu  gunsten  des  einfachen  vokals,  und  diese  tendenz  ist  auch 
in  unserem  Cod.  massgebend  für  die  gestaltung  jener  formen. 
Ich  ziehe  es  daher  vor,  die  hier  in  betracht  kommenden  stamme 
im  nächsten  abschnitt  dieses  paragraphen  zu  behandeln. 

Gruppe  2. 

syndon  II  437, 30;  synd  IV  105, 3,  Harl.  Ch.  43  C  8;  syni 
II447,28(Cod.5?nO;  syntIll9%SL  297,25;  Öise (stSitt gis(s)um) 
C.  C.  X  17 ;  hiere  (gs.)  II 366, 20. 23. 30.  367, 15 ;  hyre  C.  C.  X  17 ; 
FHöestan  11285,11.  437,11;  Fridestano  11283,2.22.  435,28; 
Fridestane  II  437,  30;  FrydegyÖa  H  436,  7  (als  zweites  glied 
immer  -ferö:  HeahferÖ  11285,24;  tüferdes  U  447, 30  etc.). 

IL  Das  feste  i. 

Dieses  ist  massenhaft  belegt,  und  erscheint  mit  grosser 
regelmässigkeit  als  i.  Am  häufigsten  scheint  y  in  der  nachbar- 
schaft  von  r  aufzutreten.  Die  spuren  von  einer  einwirkung 
benachbarter  konsonanten  sind  jedoch  gering,  und  lassen  kaum 
bestimmte  regel  gewinnen.  Im  folgenden  führe  ich  die  bei- 
spiele  alphabetisch  an: 

Wd  II  290, 6;  ftidded^  II 282, 20.  mi83,17;  6ittKIII359,30; 
hidde  KHI  360,26.  362,36;    gehidd^  IV  233,29;    gehiden  IV 


^)  Hierzu  ist  zu  vergleichen  das  unten  im  glopsar  bemerkte. 


440  R.  A.  WILLIAMS, 

51,30;  Blr(in)e  II  96,5;  Birino  II  286,12.  HI  405,1;  Byrinus 
II  382, 3 ;  byme »)  III  403, 1.  IV  52, 9;  bisc(e)op  passim,  akzen- 
tuiert II 296, 29;  blissiaä  III  in,  9;  6nnjan  II 252, 3;  gebringan 
II  241,  27 ;   ein  starkes  schwanken  weist  das  alte  lehnwort 
cirice  auf :  hier  teilen  sich  die  belege  für  %  und  y  gleich ;  mög- 
licherweise ist  das  schwanken  bloss  autogi*aphisch  und  Ifist 
sich  nach  analogie  des  wechseis  cy  —  ci  in  cyning  bezw.  dnini 
erklären,  andernfalls  müssten  wir  es  dem  einflnss  des  r  zu- 
schreiben: cirican  II  262, 8, 13;  ciricean  II  282, 21 ;  ciricean  JH 
127,24,  ohne  akzent  K III  360,1;  circsceati(as)  IV  233, 13. 20. 
24.26;  cirksceattas  ehiei,  zA]  ciricsceattan  II  16Sj2;  ciriemiUa$ 
II  241, 24;  cmcJüda  II  494, 22;  Windcirican  II  262,2;  Hwä» 
cirican  II  293, 25 ;  cyrican  II  290, 14.  568, 39  etc.  (6) ;  cyrt{e)m 
1196,32.  1116,23;  Cyncestun  11170,27.  171,11;  Cyricesumk 
ebda.  z.  18;  cyricsicede  III  141,33;  cyricsceat  III  305,5;  eynt 
ceattas  II  280,  7;    Hwitancyrice  II  294,  1;    Htvitcyrcan  KIII 
203,  23 ;    einmaliges  e  in  cericlican  III  306,  24 ;    Ciseldenm  U 
205,21;   Ciseldenu  11206,8;  Cysledun  lU  i09,2S;  CeolsMm 
II  240,  24;    clif{e)  II  78,  29,   ebda.  z.  30.  KIII  223,  30  cte; 
hnutclif  III  520, 10;  seade  clif  KIII  223, 30;  easiclife  H  341,25; 
cZy/b  III  157,  15.    519,27;    /mw^c/y/"  ÜI  519,  26 ;    Hoggandf^ 
KIII  363, 13;    cm^c5  II  163,8.   111502,17;    cm/cnH  96, 14; 
cristenes  III  402,  22;    cHstendomes  ebda.  z.  6.  KIII  203^10; 
cwidce  III  432, 2 ;    ct4:yde  K  III  364,  3. 5;    cwydes  KIH  359, 32; 
cwydun  IV  229,  22 ;    cyde  K  III  364,  6 ;   zweimal  erschemt  ii 
diesem  stamm  e,  was  wohl  auf  falsche  angleichung  an  ewei» 
zurückzuführen  ist:  civede  KIII  364,11;  cwefie  11207,12;  äet 
(statt  disc)  III  432, 11;  discöene  KÜI  363, 10;  offnngdise  KIII 
360,11;  drincmhornm  KIII  361,8;  finces  111176,18.  655^85; 
findoe  I  544,5;  findon  IV  170,22;  fyranlicra  IV  51,33;  /teö- 
burnan  II  296,0;  flicca  II  280,9;   fliccu  II  289,3;  unbeftitmü 
80,5;    unbeßtan  II  280,9;    gefnöodon  II  96,6;   gif  II  96,15. 
296,33  etc.  (7);    ^z//*  II  290,  3.   HI  432,22.27  etc.  (6);  ^H 
290,4.  111306,28;  angtjnne  III iQ2,Q]  griÖbriceVf  2^1.\h.l&\ 
Hildan  (gs.)  I  257, 9. 15.  II  303, 17. 22;  hilda  (statt  Hüäm)  HI 
06,10;    %W«M  II  296, 10.    11166,16.  268,31;    ^ÄflMfcto  DI 
134, 2 ;  JEöelMld  ebda.  z.  9.  VI  207, 3. 22 ;  j^ÖelMde  ebda.  1 7; 


^)  Zu  diesem  wort  und  zu  yrnan  unten,  TgL  Bülbring,  AngliABdU. 

IX  B.  97. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8IS.      441 

beahhüdce  (hyrigels)  II 94, 14 ;  beaghildce  II 549, 32 ;  lehhüdesloh 
II  80,25;    bcehildestoccce  III  651,22;    syndhUdetnere  I  515,27; 
gibhüd  (flussname)  1116,19;  Gyhhild{e)  11568,10.36;  hurgilde 
(treowe)  II  207,  2 ;  fegerhildeforda  K III  302,  6 ;  icenhildeweg  II 
81,5.6;    icenüdeweg  III  446,22;    ycenüdeweg  III  607,  13;    id- 
hildestan  III  349,  26;    higranlwngran  II  206,  28;    higanholtes 
(statt  higran-  verschrieben?)  III  292,22;   hiltan  K III  362, 21; 
hyltan  K III  361,27;  seolferhiltan  KIII  362,16;  hindsceata  II 
291,12;  hit  passim,  häufig  akzentuiert;  hyt  111501,15.  KIII 
189, 6.  9.  K III  353, 16;  his  passim;  hys  III  177,  7.  501, 19;  him 
passim;    heom  (dpi.)  II  96,24.   KIII  363,28;    hiom  II  163,6; 
heam  IV  279,21 ;  hlidgeat  IV  108,21 ;  lidgeat  II  206, 35.  412, 40; 
hlidgeate  III  SOb,Si;    hlidgcet  II  16i,  16;    hlidgate  ebiei,  z AI; 
hliögeatas  II  63,  30;    hlinc  (nom.  und  casus  obliqui)  passim; 
einmaliges  y  in  hlynces  II  358,10;  hlincrcewe  II  485,21;  meos- 
hlinc  (handschrift  meosh  hlinc)  II  368, 1 ;    wonhlinc  II  549, 26 ; 
öornhlinch  K III  223, 29 ;    fearnhlince  II  241, 36 ;    westhliöe  III 
649, 15 ;  hlyöehroc  K III 215, 26 ;  ilcan  II  290, 10.  486, 26  etc.  (6) ; 
geilcan  IV  233,  24;  hilcan  II  241,23;  ylce  1197,1.  111402,25. 
501, 19 ;  ylcan  II 96, 16. 17.  III 402, 34  etc.  (7) ;  ylcasn  \I  207, 11 ; 
geyUan  IV  233, 31 ;    imhstoc  K  III  338, 7 ;    ymbstoc  II  444, 20 ; 
imhcBS  dcel  II 413,  7.  K III  176, 20;  ine  K III  353, 2;  Ini  1 149,8; 
{h)in{n)an,  -on  passim;    einmaliges  y  in  bynnan  III  305,30; 
onyrnö  III  416,27;  innüng  III  501,20;  is  sehr  oft  akzentuiert, 
passim;  t/5 III 446, 27.  501,12.  KIII  359, 29.  360,18.  rV233,32; 
libbe  II  208, 6.  III  402, 34.  K III  353, 20.  IV  52,  5;  lyfode  (vgl. 
anm.  2  oben)  K III  353, 20;  ligeö  I  540, 1.  542, 29;  ligd  IH  6,20. 
VI  207,16;  ligged\I2Q9>,llAh;  %ceIV52,8;  //ci^ad^II492,19. 
568,37.  III  273, 28  etc. ;   ziemlich  oft  tritt  in  der  3.  s.  praes. 
vokalisierung  des  g  ein,  wohl  unter  längung  des  vokals:   UÖ 
II  242, 1. 8.  III  415, 15.  632, 27  etc.;  bcelid  IH  6, 20;  einmaliges 
y  in  bilyö  IV  229, 17 ;  lima  (gpl.)  III  502, 1 ;  bcelimpaö  H  290, 10; 
lindan  (dsf.)  IV  90,18;    lindam  (dsf.)  ebda.  z.  19;   lindoran  II 
441, 3  zweimal ;  lindhoran  II  504, 23. 24 ;  durchgehends  festes  i 
hat  die  wiirzel  ig.  ^medh,   ich  gebe  daher  nur  wenige  beleg- 
stellen  an :  nüd^ie  II  568, 30 ;  middes  K  III  363, 31 ;  (on)  midnces 
1  548,2;  middeiveardne  III  163, 19;  middanweardes  K  III  189,  7; 
midmcstan  I  542,  39;  middemestan  IV  103,5;  midies  III  355, 32; 
Middeltun  11379,33;  Middclhcetna  KIII  211,23;  der  Wechsel 
i  —  ym  folgendem  stamm  ist  bekannt :  micel  II  282, 14.  K  III 

AngU».    N.  F.   zin.  29 


442  R.  A.  WILLIAMS, 

189,11;  micelne  I  542,27.  11208,13.14;  wickn  II  291,  2. 9. 
358  passim,  485, 3.  485, 6. 19 ;  micdan  III 183, 9.  355, 31 ;  mycel 
111415,14.'  K  III  203,16;  wycfan  III  402, 16.  KUI  363,27; 
mycelan  II  79,  4 ;  Miclamersce  K  III  218,  16 ;  Micelanigensis 
KüI  303,30;  Myceldefer  lll  Ai5,2S.  26.  K  III  203,26;  mid 
(praep.)passim;  mintledge II 296,23;  mintniere III  116,4.  117,6; 
myntledge  II  296,  23 ;  nime  K  III  361, 30 ;  pirigan  II  241, 87 ; 
pirgraf  II  532, 10;  hringpyt  HI  62, 26;  hringwoldes  11  441, 4. 
504, 25 ;  ringwoldes  II  76, 16 ;  hrimwoldes  II  74, 21 ;  hryngpyt  II 
549,38;  hrungpütt  1194,21;  gerysenlic  IV  279,30;  rindesele 
111176,8;  rindgesella  1515,23;  ripe  (ds.)  11280,8;  riscmere 
1515,14.  11379,11;  riscmcere  II  298, 15.  495,20.  IV  108,26; 
hriscmere  III  478, 10 ;  rihctnere  I  515, 37 ;  riscslcedes  II  549, 31 ; 
riscsteorie  II  409,  35;  hriscsteorte  ebda.  z.  36;  riscleage  HL 
476, 21 ;  riscean  IV  27,  16 ;  risccean  ebda.  z.  15 ;  Risciune  H 
73, 26 ;  Eisetun  II  169, 14 ;  einmaliges  y  in  hryscslmdes  11 94, 13 ; 
wenrisc  (flussname,  ne.  Windrush)  III  519,26;  wenric  ebda, 
z.  35;  scil^ingas]  II 252, 1 ;  scipdel  I  257, 14.  UI  66, 15 ;  sdrdd 
(Schreibfehler  ?)  II  303,  21 ;  säpleage  II  287,  9 ;  scipfyrde  IV 
51, 18;  sibbe  III  416, 20.  417, 4;  sibbes  Ua  II  298, 15;  sibhes  weg 

III  632, 28 ;  siblincghyrst  III  649, 18 ;  sehr  häufig  in  eigennamen 
ist  sige,  y  tritt  nur  bei  vokalisierung  des  g  ein;  belegt  sind 
(ich  führe  nur  je  eine  belegstelle  an,  ausser  wo  y  vorkommt) 
Sigeric  K  III  196, 36 ;  Sigegar  III  650, 27 ;  Sigered  II  342, 19 
Sigeferd  III  269, 20;  Sighelm  II  383, 4;  sigbriktes  III  305, 26 
Sigulf  I  549, 14 ;  JElfsige  K  HI  159, 12 ;  ^Öelsige  K  HI  176, 31 
Wulfsige  ebda.  z.  34 ;  Beorhtsige  II 280, 23 ;  Wynsige  HI  177, 7 
Hunsige  II  63,  27 ;  Cynesige  II  359,  23 ;  Byrmige  III  296, 4 
Leofsige  III  499,2;  Ead^ige  III  172,23;  Siric  II  486,21;  Sired 
1164,15;  Si^ar  K  III  176,32;  Siweard  IV  91,15.17;  JSlfsie 
W  233, 33;  Hunsie  II  62, 19 ;  Wulfsie  II  494  letzte  z.;  Syrie 
K  III  212, 8 ;  Syricus  K III 338, 11 ;  Syeweard  II 360, 4;  Sywerd 

IV  94, 4 ;  Syweardus  IV  96, 15 ;  simne  II 252, 1 ;  symle  III  417, 9; 
symlie  K  III  360, 26 ;  syndhüdemere  (vgl.  ahd.  Sindhüt)  1 515, 27 ; 
sticacf  II  529, 33.  III  519,  29. 30.  446, 21.  K  III  211, 22 ;  sHcad 
n  358, 18. 36.  111446,28;  5%e  K  III  215,28;  stiganaxsa.  U 
118, 27 ;  stigele  I  148,  30. 31. 33.  548,  17. 19  etc.  etc.;  ticcenes- 
felda  II  304, 24 ;  timesfeldu  II  287, 8 ;  ticcefeldes  II  304,  27 ; 
tigel<Brnan UI 632,12;  Ugelleage II 494, 12;  tihell€ahemi76,14t; 
tychelleache  III  655,28.29;    tiggulbeorge  II  485,35;   getOaä  II 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  lU  CODEX  WINTONIEirSIS.     443 

96, 33 ;  timberhricges  1 515, 26;  getintragod  IQ  502, 4 ;  gmtidoäon 
UI  172,14;  tuilan  H  494, 21;  twitcelingoB  11485,34;  Twifyrde 
in  412,1;  Tuifyrde  ebda.  z.  16;  Twyfyrde  11241,36.  242,20. 
K 111203, 20;  twMime  111117,6;  twigbytme  111116,3;  twig- 
btihne  I  554, 30  (zu  twi  vgl.  Siev.  Gr.  §  330,  Pogatscher  E  St. 
XXIV,  424);  twisledan  III  478, 10. 11. 12;  twysUdan  II  529, 25; 
tyswledan  ebda.  z.  25 ;  Öiecan  I  540, 8.  11 135, 26  etc. ;  dydaer 
II  381, 12.  411, 4:  Öydcrinnan  IV  279, 20;  öincg  K  HI  364, 6; 
dinges  11163,1;  Öinga  111417,6;  Öingum  111416,12;  dingon 
K III  203, 13;  (fin^on  IV  76, 8,  akzentuiert  III 105, 41 ;  öing- 
leage  II  296, 7. 13;  ÖingicB  3.  s.  konj.  K  in  360, 21;  Öistelleage 
II  492, 22. 23.  IV  49, 2. 3 ;  Öisteledge  in  164, 9 ;  Örim  n  241, 33. 
m  305, 21  etc.  (5);  ÖHm  11492,17;  drym  in  417, 6.  432,11. 
IV  49, 15;  drimnisse  n  96, 26;  drimncesse  in  183, 17 ;  drynnesae 
ni402,3.  417,2;  ^ridde  I  544, 9.  H  241, 34.  290,1  etc.;  ein- 
maliges y  in  öryddan  KIU  198,34;  Öriddehealf  KTÜ  m\,2\; 
drittig  n  412,  27;  Öritig  Vi  529,  30;  Öryttig  K  in  175,  34; 
driwa  IV  233, 16;  wilU  vb.  II  410,37.  411, 1.4  etc.  (11);  wile 
IV  279, 31 ;  wylle  in  417, 4.  IV  51, 16. 35;  wylw  K  in  360, 2. 5; 
wulla  (1.  s.  ind.  praes.)  II  410,  32;  wullan  (dass.)  ni  432,  30; 
«;t7eKm360,33.  362,29;  PFt7/ndMS  1107,5;  WilferÖUWi,!^; 
(rivuli)  Willite  H  76, 39;  Willettun  II  273, 12^  Wütune  1 544,9. 
n  70,31;  Wütuniensis  IV  91,5.  93,28;  Wülensis  IV  91,10. 
103,35  etc.;  wmes  n  444, 21.  291,14.  IV  103,2;  als  zweites 
glied  zusammengesetzter  eigennamen:  ^Iftoine  in  268,  2 
Eadwine  U  380, 16 ;  Leofwine  WL  476, 8 ;  Godwine  in  432, 19 
JiJMwine  in  297, 6 ;  Ostoine  1 107, 22 ;  uEsctoine  HI  498, 36 
Wintanceastre  11282,20;    Winteceastre  II  29Q,  29;   Winceastre 

II  443,  29  etc.;  einmaliges  y  in  Wyncheastre  IV  229, 18;  wita 
IV  234,  2 ;  mtan  U  262, 11.  K III  364, 3;  witena  n  80, 1. 9. 
252, 7  etc.;  witena  II  280, 10;  swurdwitan  KUI  363,24;  wytan 
IV  229,15;  geamwindan  ds.  HI  273,27;  wintcer  II  282, 13; 
wintra  II  24:1,  U;  </eM;i(c)Äte  K  m  361, 19. 20. 22 ;  Gewisorum 
11596,11;  GcMworum  II  243, 26 ;  Geuuissorum  1540, 16.  543,6; 
lewissorum  11277,1;   wit  (pronomen)  Kin  353,16;   geuitnes 

III  416,14;  gewitnes  IV  233, 32.  279,30;  gewitnesse  l  544,6. 
II  80,9  etc.;  wid^passim;  wydlO.  157, 17.  IV  170,21;  gewissod 
K  III  362, 1 ;  gewrindoda  IV  34, 9;  gewHten  II  241, 21;  awriten 
II  290, 16 ;  awritene  II  80, 10.  lU  4C2, 32.  IV  52, 2 ;  hcBslwriÖ(e) 
11358,3.4. 

29* 


444  B.  A.  WILLIAMS, 

Anm.  3.  Die  u,  welche  zuweilen  oben  mit  y  wechseln, 
fasse  ich  als  Schriftbild  für  dasselbe  auf. 

Im  anliang  an  das  vorhergehende  führe  ich  hiemach  eine 
anzahl  werter  an,  deren  anfang  nicht  durchsichtig,  denen  aber 
mit  grosser  Sicherheit  festes  i  beizulegen  ist:  Sie  sind  grössten- 
teils eigen-  bezw.  Ortsnamen ;  einige  sind  Wörter  deren  bedeu- 
tung  unklar,  und  die  icli  in  den  Wörterbüchern  nicht  finde. 

Bicca  (vgl.  hM,Bicco)  I  107,14;  hiccanhlew  IE  145,28; 
licanbricge  III  204, 21. 26;  Bicanleag  II  271, 25  etc.;  einmaliges 
y  in  lycan  (gcerstunes)  II  135,  21;  Bilsatena  K  III  215,  24; 
hindwaldes  II  301,20;  Bintungom  I  106,17  (nicht  ganz  sicher 
ist  hitan  I  540, 6.  II 135, 24.  II  242, 6,  wofür  K.  jedesmal  viel- 
leicht mit  recht  hican  liest.  Bekanntlich  sind  die  t-  und  c- 
zeichen  in  ags.  schrift  einander  sehr  ähnlich,  Bs.  lesart  dürfte 
also  auf  einem  missverständnis  des  Schreibers  beruhen,  wenn 
nicht  der  herausgeber  selbst  falsch  gelesen  haben  sollte); 
hiwinölan  11242,15;  wiwindlan  ebda.;  Cicelingwege  1542,31. 
11208,17;  Cütemmb  II  419,30;  CiKancMwfees  III  402,3  etc. 
(11  mal  i);  Cyltancumh{es)  III  399, 3.  400, 6. 16;  Cisi  1 106, 17; 
dssanheorg  II  298, 1 ;    CissanluimnKB  K  III  229, 23;    Ciitandene 

III  166, 5. 12. 23 ;  cittanwara  III  166, 33 ;  ütwara  III  176,4,  ebda. 
z.20  zweimal;  Cykvara  III  655,  37;  cyrtwara  ebda.;  clinca  leage 

IV  107,  7  zweimal,  II  495,  22;  cUncan  leage  II  529,  21.  33; 
Cridiensis  IV  69, 11.  91,7  etc.;  Criswan  1106,17;  fiducfarda 
IV  45, 22 ;   fiduscaga  II  76, 27 ;  ßedleage  III  227, 26 ;  fUoüeage 

I  548,14;  ßoelea  II  460,34;  fitelan  (eigenname:  ags.  Fitda  = 
an.  Sinßgtli)  sladces  II  409, 35 ;  flitgaran  ebda.  z.  37.  410, 2 ; 
gibhild  (flussname)  III  6, 19;  gybhild(e)  II  568, 10. 36;  Gisa  (vgl 
ahd.  Giso)  IV  233,  33;  Gistrceldes  (vielleicht  zu  vergleichen 
slM. Gisalrat  m.j  Gisleradat?)  KIII  172,36;  ^Ztm (flussname?) 
III  247,  6;  grindanbroc  II 164, 15 ;  hiceleswyrÖe  1 47, 25.  XU  5, 5; 
K  III  302, 3 ;  hicMeswyrde  II  382,  15 ;  TiyceleswyrÖe  I  545, 7 ; 
hntbbanlege  11494,17;  nybbanbeorh  ebda.  z.  18;  himanbeorgctö 

II  379, 16;  hwingles  burnan  II  494, 15;  icenhildeweg  TL  81,5. 6; 
icenüdeweg  HI  446, 22;  ycenildeweg  III  607, 13;  Iccene  I  555, 5; 
Icenan  1 149, 1  zweimal,  555, 4.  II  287, 4. 14. 24 ;  iciinan  ebda, 
z.  17;  ycenan  II  163,23;  Yccenan  I  540,9;  Iliacum  TV  234,7; 
Imper  (vgl.  ahd.  Imbert)  II  380,25;  Incgences  harn  (vgL  ahd. 
Ingina)  111432,9;  Licetfeldensis  KIII  302, 12.  IV  91, 12  etc.; 
lidegeard  II  77, 1;    Lidegceard  II  234,  5;   Lidgerd  ebda.  z.  23; 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIEN8I8.      445 

Lidgeard  II 235, 7 ;  lüles  (ieam)  IH  632, 25 ;  litscBtna  IH  355, 29 ; 
lilanmere  II  118,  25.  30  (Sweet  OET  s.497  belegt  Ulla  sm.); 
Lindissi  K III  303, 22 ;  lippan  hamme  II  304,  18 ;  micces  dorne 
II  298, 14;  micghcema  KIII  193, 12.  196,14;  Müred  (vgl.  ahd. 
mirat)  II  64,12;  Mure  II  77,27;  Mildunhad  1452,22;  7iican' 
sncedes  II  296, 11;  Pippingmynstre  II  504, 5. 13;  Pipingmynstre 
II  439,12.24.  440,31;  Pipigmynstrce  II  503,30;  Pipmynster 
IV  89, 19;  Pipmynstre  IV  90, 5;  Pypmynstre  IV  91,  25;  pidles 
und  piples  beorge  IV  90, 21 ;  HnutscilUng{c)  II  287, 2. 36;  Ifnw^ 
scillingm  111415,18.  Kill  203, 21;  sdndlas  111305,5;  scitere 
(flussname)  1176,22;  sciteres  11495,21.  504,20.  529,31  etc.; 
scyteres  III  478,9;  siladcene  I  515, 16;  scrippan  I  542,40,  oline 
akz.  II  208,  25 ;  Stricca  II  271,  36 ;  tibbcelde  lace  II  206,  31 ; 
Ticcebuman  I  148,36.  149,1.  555,4  etc.;  Ticestede  11495,1; 
Ticc€st€deeMB,.z,9.  379,10.  529,1  etc.;  (tycchdnistede  1515, 37?); 
Tislea  IV  27,5.6;  irindellea  III  141,34;  trindlea  II  304,  22. 
379,  17  etc.;  trind(jelgraf{e)  II  485,  33  zweimal;  Twinteles 
ham(nie)  IV90, 10. 11;  Wicciarum  KIII  304, 5  (vgl.  zu  diesem 
namen  Keller,  Die  litterarischen  Bestrebungen  von  Worcester, 
s.  1  fussnotel);  wifeles  111273,29.  632,31;  Wilig  11583,11; 
bi  Wilig  II  243,  1 ;  Bhvilig  ebda.  z.  16 ;  Wylle  ford{a)  K  III 
158,25.30;  Tf t/He5  (m«^a)  K III  200, 1 ;  wiles  yge  IL  ^92,19>\ 
Windoprlceh  K III  229, 2.  6 ;  Bedewinde  I  452, 23 ;  Winfles  beorg 

II  78, 30 ;  tvisclea  (B.-T.  setzt  dieses  wort  nach  einer  kentischen 
Urkunde  an  und  vermutet  die  bedeutung  =  sumpf)  II  298, 7 ; 
stucan  wisc  II  412,28.  KIII  175,35;  tcissan  leage  II  296,12; 
Wittanige IV92,lb.28]  WitanigeUlblQ,!.  IV 94, 11;  Wyttanige 

III  519, 10. 25;  writeles  III  655, 16;  wryteles  III  478, 16. 

Anm.  4.  scirhiltce  (acsn.)  I  548, 11.  460, 31  ist  wohl  für 
'hylte,  neutralen  kollektivstamm  zu  holt  B.-T.  belegt  scoom- 
hylti  aus  Wr.  Voc.  II  39.  60. 

Gruppe  2. 

äis  passim;  hü  II  284,39  etc.;  his  UI  100, 17,  C.C.  X  17 
dreimal;  hys  11367,19;  him  C. C.  X17  zweimal;  hine  ebda.; 
is  II  366, 14.  437, 29  etc. ;  wi(f  II  284, 37  etc. ;  mid  (praep.)  II 
285, 5,  C.  C.  X  17  dreimal ;  hlinc  II 448, 10;  hlingc  II  437, 1  etc.; 
hlidgeate  II  284,28;  ans%o(n)  II 363, 28. 29 ;  (?nm dpi.  II 367, 10; 
driddan  ebda.  z.  12;  gif  (Cod.  gief)  ebda.  z.  5;  gif  (Cod.  gyf) 
ebda.  z.  14;  dingon  C.  C.  X  17;  midne  III  100,3;  middetcearde 


446  B.  A.  WILLIiJIBy 

II  363, 25. 29  etc. ;  scipleage  II  284, 82 ;  tüige  U  366, 20.  367,14; 
Wille  1.  s.  praes.  II  367, 10;  willcB  3.  s.  conj.  C.  C.  X  17;  wtUat 
ebda.;  bewitanne  11366,26;  bidde  C.  C.  X17;  ylkan  ebda.;  t» 
n  366, 30. 31  etc.;  uuiltuniensis  IV  105, 81 ;  UuiUensis  HarL  CJt 
43  C  8;    Ucetfeldensis  IV  105,36;    Hnut  SciUinge  U  283,32; 
Hnut  Scillinc  II  284, 24 ;    hnutscyUinga  IV  105, 5 ;    fmgerhfldit 
/brda  1113,34;  OeZ^ancumt II 283, 14. 30;  Cyltancumbe$ll2IB&,^\ 
Cridiensis  IV  105, 30,  Hart.  Ch.  43  C  8;  Geuuisarum  JH  99, 19; 
Winteceastre  II  366, 23 ;  ingepenne  II  866, 26;  icenan  U  284, 28. 
36.  285,4;  hiceles  1113,32;  ticceburnan  11284^40;  ticnesfeldaL 
II  284, 31 ;  wifilingfalod  II  364, 5 ;  citware  mearce  HarL  C9l  43 
C8  zweimal;  trinitate  11367,16;  Sigelm  11365,5;  Sigeredl3. 
437,21;  Sigulf II U9,7;  Siweardus lY  105,25;  SiwerdlY  106,^ 
Harl.  Ch.  43  G  8  zweimal;    Wynsige  II  364,  8;    Cynsige  ebdci 
z.  13  etc.  etc.;   Eadwine  II  365,18;  Godwine  IV  106,1;  J?«/ 
wine  III  298, 14  etc.  etc. 

Gruppe  2  biingt  also  nur  5  mal  y,  wovon  4  vor  L 

§  5.    Aws.  y, 

Aws.  y,  der  t-umlaut  von  u,  bleibt  in  der  späteren  spräche 
meistens  erhalten,  nur  unterlag  es  in  der  nachbarschaft  g^ 
wisser  konsonanten,  wenigstens  zum  teil,  dem  flbergang  in  i. 
Auf  diese  weise  entsteht  der  wandel  von  aws.  cy  in  d  joi 
von  y  in  i  vor  palatalem  konsonant  bezw.  vor  liqoida  oder 
nasal  +  palatal  (vgl.  Siev.  Gr.  §  31  anuL).  Es  bleibt  also  n 
prüfen,  inwieweit  sich  diese  Verhältnisse  in  dem  dialekt  des 
Cod.  Wint.  wiederspiegeln.    Ich  behandle  zuerst: 

I.  die  ausAveichungen  von  älterem  y  nach  i  hin. 

a)  cy  >  ci.  Die  hauptbeispiele  im  Cod.  für  aws.  cy  and 
cyning,  cyne  und  cymd  3.  s.  praes.  Mit  diesen  drei  Wörtern 
hat  es  folgende  bewandnis:  Bei  cyning  scheint  der  fibergaag 
in  i  so  gut  Avie  durchgedrungen  zu  sein,  ich  habe  94  beispide 
mit  i  gegen  60  mit  y  gezählt:  Bei  cyne  hingegen,  das  nur  in 
compositis  begegnet,  kommen  formen  mit  %  nur  in  einer  nr* 
künde  (3  mal)  vor.  Es  heisst  weiter  durchgehends  cymö  und 
nicht  cimö  (letzteres  lässt  sich  jedoch  ein  paar  mal  in  gmppe  2 
belegen,  s.  unten).    Die  beispiele : 

Für  cyning,  da  es  so  massenhaft  vorkommt^  brauche  ich 
die  belegstellen  Avohl  nicht  anzuführen.    Ich  bemerke  nur,  diSB 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.      447 

das  wort  in  allen  möglichen  Varianten  erscheint,  nämlich 
cyning,  cynig  (K  ÜI  203, 4),  cyng,  cining,  einig  (II  529, 1),  cing, 
Composita :  Cingestun  1  593, 33 ;  hynyngriches  IV  229, 22. 

cynehlaford  II  583,14.  111402,2.  416,18  etc.;  cynelic  II 
208, 1.  411,8  etc.  (4) ;  cynerices  HI  417, 2;  cynehamum  III 501, 18; 
cynescypce  K III  359, 32 ;  cynehlafordce  K III  359,  29.  360, 15 ; 
cinelaford  K  III  361,  5;  als  erstes  glied  zusammengesetzter 
eigennamen  (ich  gebe  nur  je  einen  beleg) :  Cynibaldi  I  257, 21 ; 
cyncebeorhtes  II  485,  17;  Cyneburgan  I  548,  10;  Cynegisl  HI 
398, 1 7 ;  Cyneheah  II 64, 4 ;  Kynelaf  11 136, 1 ;  Cynedeaüe  (rodce) 
K III  252, 22;  Cyneferd  II  342, 14;  Cynred  I  594,  9;  Cynesige 
II 359,  23 ;  Cynewald  III 402, 6 ;  Cynewalh  1 544, 23 ;  Cyneweard 

III  649, 26 ;  Cynewulf  II  64, 14;  Cynestan  II  280,  7. 

ct/m(?  n  304, 25. 26. 27.  305,4.  443,16  etc.;  cymef  11367 j 
25. 26.  III  183, 11. 12. 15;  cyme  (conj.)  II  504, 15.  Einmal  er- 
scheint  u  in  cumff  11  440, 36. 

b)  vor  palataler  konsonanz:  Hier  kommen  hauptsächlich 
die  beiden  Wörter  hrycg  und  brycg  für  unser  denkmal  in  be- 
tracht.  Von  diesen  hat  hrycg  fast  ausschliesslich  i,  z.  b.  ricg 
1229,6;  ÄWc  147,30.  11382,20.  1115,10;  hricg  lY  103,2; 
kriege  II  304, 31 ;  ricges  II 169, 18;  hriegwege  TL  357, 29;  tiniber- 
hricges  I  515,  26;  Tenhrie  III  409,28  usw.  mehr  als  40  mal. 
Dagegen:  hryeweg  II  Qi,  II;  hryegwege  II  412, 37 ;  wieehrycg 
II  74, 22 ;  wieeryege  ebda.,  und  zweimaliges  u  (=y):  hruetoeg 
II  549, 28 ;  hruegwcege  ebda.  z.  29.  Bei  bryeg  überwiegen  auch 
die  formen  auf  i  (20  i,  11  y):  hriege  II 169, 17.  412, 27  etc.  (4); 
brieweg(e)  II  568, 32  zweimal ;  örocbriggce  I  548, 12 ;  wuduhricge 
111446,29;  wudubrigge III 607, 21;  stanbriegeUlh20,4:;  biean- 
bricge  11600,6,  HI  204,21.26;  utelanbriege  11412,27.  KIH 
175,33;  eeomman  briege  K III  219,  5;  portes  briege  IV  96,4; 
Mannces  briege  ebda.  z.  5 ;  hreodbricge  IV  105, 4. 12 ;  bryege  II 
163,1.  252,6.  111354,26;  bryeggewctore  II 410, 34;  bryggeweorc 

IV  51,19;  hreodbryege  UI 99, 32.  100, 4 ;  Brombryege  HE  415, 17. 
Km  203,  20;  Wealpaöa  bryege  KIH  179,  25;  heofesbryeee  m 
655, 24. 

Von  anderen  beispielen  giebt  es  nicht  viele:  drihten  UI 
417, 8 ;  drihtnes  IV  52, 3 ;  drihtne  HI  432, 3 ;  drithnes  TU  502, 3; 
drichtenes  111402,33.  502,3  anm.;  dryhtene  IV  51,29;  biht(B  I 
539, 32;  byhte  II 135, 18;  byge  II  296, 4;  bygce  U  94, 13.  549, 31; 


448  R.  A.  WILLIAMS, 

gebiege  3.  s.  con j.  IV  233, 29 ;'  Hygebeorht  I  48, 5 ;  hryce  (sa1)6t) 
in  106, 39 ;  hrycen  HI  402, 26 ;  gridbrice  IV  283, 7. 15. 23 ;  mfnär 
brceces  IV  51, 26;  twybyce  IV  27, 17  zweimal.  Man  yergldclie 
auch  das  zu  aws.  ryht  bemerkte,  §  9,  DI  2. 

c)  vor  liquida  oder  nasal  +  palatal:  efterfyliendraTN hl^2&\ 
dbilhd  3.  s.  praes.  II 96, 31 ;  forwyrce  TL  96, 29;  wircen  U  241, 33; 
scyldwyrhtana  YllSb,  19;  /yrA(acs.)  111446, 20,  (gs.)  476, 23. 24 
n  94, 10.  409, 37;  furh  (ds.  und  gs.)  ebda.  z.  40,  gs.  lU  476,18; 
firh  (acs.)  III  607,11;  byrg  (zu  nom.  bürg)  hat  festes  y  und 
fast  durchgehends  svarabhakti- vokal :  byrig  n  71, 13.  304, 29. 
529,36  etc.;  hceöbyrg  U  207,6;  byrigweg  IV  27,  6;  ebenso 
byrgels  III  632, 26. 27 ;  byrgeUe  III  127, 19. 20. 27;  byrgdsas  11 
582,8;  byrigels  m  62, 2b.  11298,4.  304,21  etc.  etc.;  einmalig» 
i  in  birigelsum  I  548,5;  dince  11  208,1.  Km  361,4;  Öyndl 
n  282, 22. 

n.  Sonst  bleibt  älteres  y  ziemlich  rein  erhalten:  Spora- 
disch erscheinen  dafür  u  (=  Schriftbild  ffir  y),  %  und  das  köh 
tische  e  (ce).    In  alphabetischer  anordnung  sind  die  beispiele 
folgende:   bydene  IV  108,18.32;  BrinJielm  II  262, S2;  bymm 
Kin  362,  17;   inberöan  (acplm.)  11  252,11;   burb(erde,  Öeow- 
berde  ebda.  z.  16 ;  byrstosdel  II  549, 27 ;  brystcedel  IE  94, 10  {yigu 
Binz  KSt.  24  s.  268);  gebyraö  I  544, 1.  KIH  189,12;  gtSbyrtl 
n  494,23.24;    gebyriad  II  h36,l.    HI  305,29  etc.;    hytmml 
542,28.11208,15;   tivigbytme  lO.  116, 3;   ttoigbuinie  I  hhi,^\ 
twibütme  IH  117,6;  dyde  1197,1.  0  501,21.  IV  233,18;  gt- 
dyde  III  410, 8 ;   gedyrstignesse  III  502, 1 ;   Gedyrstinysse  ebdn 
anm.;   dyrstignesse  III  402,29;    dyrstnysse  IV  51,34;   firmdis 
II  282, 2;  firmdige  ebda.  z.  11;  gefyrörian  II 96, 15;  gefyrOr^km 
ebda.  z.  6 ;  fyrörunge  ebda.  z.  19 ;  Twifyrde  HI  412, 1 ;  Tuißfri$ 
ebda.  z.  17;    tivyftjrde  II  241,26.  242,20.  K  HI  203, 20;  fyn- 
leage  U  504, 17. 18;  gyldenan  (adj.)  KIII  362,34;  gegrynd  IH 
416, 15 ;  hylle  1 47, 22.  257, 13  etc. ;  broehylle  U  532, 10;  lochgOe 
K  III  302,  11;    beorchhylle  K  III  302,  11  etc.;   ♦  erscheint  in 
hille  11382,12;  hügrafon  11358,6;  ManhüU  1176,19;  JiMÜr 
kille  11358,5;  einmaliges  u  in  hulgrafnm  11358,7;  heahkjfUe 
II  444,  15;    sdrhiltw  (vgl.  §  4  anm.  4)  I  548, 11.    H  460,31; 
hyndemcn  III  501, 17;  hyrne  II 164, 15;  hyman  I  540,3.  543,1 
II 185, 21  etc.;  bremboslhyrnan  II  94, 18;  hynÖ  (3.  s.  Ind.  praea.) 
IV  92, 29. 31 ;   hyrstce  I  548, 10.  H  296, 13  etc. ;  Ödmh^ste  Hl 


DIE  VOKALE  DER  TOMSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.     419 

305,25;  sealhyrstce  11485,23;  Lamhhyrste  K  111219,9;  wcen- 
Äyr5^  KIII  218,32;  Eppelhyrste  I  257,20;  siblincghyrst  JH 
649, 18;  smeagelhyrst  HI  349,  28;  ulanhyrste  Hl  649, 15:  Hysse- 
human  II  238, 1.  240, 16  etc.  (8);  Hisseburna  U  241, 3;  Hissan- 
burnan  II  206, 8;  hyssapol  U  243, 22 ;  myln  TL  568, 38.  K III 
189, 10;  mylen  IH  6, 21.  K IH  253, 2 ;  mylne  IH  62,  24.  303, 30 
etc.;  mylensteall  II  163,27;  mylenhui^ian  TL  172,35;  mylenham 
Km  189,10;  mylnstede  IV  96, 5;  mylewere  IV  92, 30;  mylan- 
Weges  IH  303, 37 ;  mxjlehroc  IV  105, 4;  einmaliges  i  in  mügemwt 
K  III  252, 21;  e  in  melehroce  11199,32;  ntelebroces  111100,1; 
getnynd  II  289,23;  gemund  II  290,  7.9;  gemund  ebda.  z.  11; 
gemundedege  11  208, 1 ;  7nynster  TL  96, 19.  262, 6.  K  IH  360, 3. 
IV  51,16;  mynstre  I  539, 14.  543, 38  etc. ;  minstre  III  416, 23; 
metister  III  402,17;  tcyrdmynte  II  96,20.  IV  51, 29;  nymÖce 
II  411,  3;  nellad  3.  pl.  K  HI  362, 30;  pyllw  HI  142, 3  di-eimal; 
merpyll  ebda.;  wellpyll  ebda.  z.  4;  wellpyllos  111141,28;  weil- 
pill  ebda.  z.  27;  pytte  1181,4.8.  242,11.  111403,1  etc.;  pyte 
II  357,27;  ptjt  TL  81,3.8  etc.;  wylfpyttce  II  460,41;  drocpyttce 

I  548,  20 ;  collpyUw  IV  27, 13 ;  lampytfas  K  III  252, 24 ;  hringpyt 
11162,22;  hryngpyt  Ilb4:9,38;  cealcpyt  TTl  157,17;  uwterpyt 
K  III  359, 15 ;  pyttedan  K  III  362, 21 ;  putte  1 554, 29 ;  hningpütt 
1194,21;  sprittan  (infin.)  H  96,16;  stylhce  111127,24;  (Bllen- 
stybbce  ebda.  z.  23;  (cscstyb  TTL  305,  26;  öornstyb  11  94,12; 
(stybban  snade  ?  III  273, 28) ;  viel  häufiger  ist  jedoch  in  diesem 
stamme«:  5^w&&  111476, 18;  stub  15^8,7;  ellenstubbeTlI 4:46,19. 
607,11;  eUenstiMe  III  U6,  20;  ^scstübbe  111205, 3S;  eilen- 
stubb  in  446, 23;  (Bscstubb  11444,17;  ellenstub  H  533, 27.  HI 
62,27.  476,15.  607,14;  ellestüb  eUa,  z.  11 ;  ellenstub  TU  177, 32; 
domstub  n  533, 29 ;  synna  IV  51, 33 ;  gesynta  TTL  502, 23 ;  öryni- 
seile  TL  411, 3 ;  mcegendrymm  III  402, 16 ;  öyrran  (adj.)  11 118, 27; 
yferan  1545,11.  11382,19.  K  HI  302, 8;  yferan  HI  5, 9;  ynib 

II  244, 10.  282, 2.  III  247, 8;  ymbe  II  583, 15;  ynbce  H  282, 22; 
ymbutan  III  607, 12;  embegang  VT  135, 14;  wynna  wudu  TTL 
106,8;  Tryw5/(7e  11380,12.38  etc.  (6);  Wynsicge  TTI 177, 16; 
uynsies  IH  240, 28 ;  Wynnelm  K  m  304, 18 ;  Winsige  TL  235,32. 
290,22  etc.  (6);  Winstan  0  280,22;  Wunsige  11411,27.  HI 
502,  31  anm. ;  IV  34, 33.  35, 4 ;  gewyrpes  I  543, 1.  II  208, 27 ; 
tvyrtdene  I  148,29;  tvytleage  (Schreibfehler!?)  1 148,33;  wyrt- 
rtman  II 341, 25.  III  176, 13  etc. ;  wyrtwalan I55i,28.  11242,14 
etc.;  wridivale  TL  443, 15;  wurtruman  KIII  172,  33. 


450  B.  A.  WILLUMS, 

Anm.  1.  Die  verhältnismässig  häufige  Vertretung  des  aws. 
y  durch  u  scheint  ein  besonderes  merkmal  des  Cod.  Wint.  zu 
sein.  Sie  ist  nicht  bekannt  in  den  Solil.  Augustins  und  der 
P.  C.  (s.  Hulme,  Meyer),  wohl  aber  kommen  bei  Reimann  (s.  22) 
einige  belege  aus  den  kent.  Evangelien  vor. 

Gruppe  2. 

I.  a)  cing  II4S7,29.  111100,17  etc.  (10  mal);  cyngc  m 
4, 29;  cipigcs  IV  105, 10. 13;  Cynewalho  II  283, 5;  CyneuulfUl 
3, 14;  Cynestane  II  367,4  etc.  (kein  i  in  diesem  stamm);  cymd 
(3.  s.  praes.)  11 285, 5 ;  cimd  II 284, 39 ;  cimed  II 364, 1. 2 ;  cynetan 
II  448,4.  II;  (et  Cynetan  II 447, 14;  Cynetanhy^ig  11  366,28,30. 
367,  11. 

b)  Tiric  in  3, 35 ;  rigc  11  436, 37 ;  hricges  ebda.  z.  38 ;  hric- 
Weges  H  448, 9 ;  hreodbrycge  III  99, 32.  100, 4 ;  hreodbricge  IV 
105, 4. 12. 13 ;  brombrigce  U  284, 28. 

c)  byrgelsas  U  448, 13 ;  Cynetanbyrig  s.  oben  a). 

n.  mynstre  11  366, 25.  367, 19.  C.  C.  X  17 ;  mylebroce  IV 
105,4.  106,10;  mylebroces  IV  105,8;  Melebroce  m  99,  23.32, 
100, 17.  IV  104, 23 ;  melebroces  JR  100, 1 ;  tymgeate  11  284, 41 ; 
(wereffan)  hylle  III  3, 29 ;  tvyrtwalan  IL  364, 3 ;  (scropes)  pyt 
n  448,  6 ;  gemynddceg  II  366, 22 ;  Wynsige  (Cod.  Winsige)  U 
365, 9.  367, 3 ;  gebyraÖ  3.  s.  praes.  IV  105, 14 ;  gebyret  HL  100, 5; 
pytteldene  (vgl.  a.n,pyttla,  das  Leo  anführt  s.  v.  pytt)  H  448, 10; 
ymm£,  fymiest  C.  C.  X  17. 

Anm.  2.  Wohl  statt  Cynred  verschrieben  ist  Cyred  11 
366,  7. 

Anm.  3.  Aus  den  obigen  beispielen  geht  hervor,  dass 
sich  gruppe  2  von  gruppe  1  dadurch  am  meisten  abhebt,  dass 
sie  keine  u  statt  y  bringt;  sonst  liegen  die  Verhältnisse  ganz 
ähnlich.  Interessant  ist  die  in  beiden  gruppen  vorkommende 
schreibimg  Melebroc,  welche  vielleicht  auf  eine  mundartlich 
gefärbte  ausspräche  der  einwoliner  des  ortes  deutet. 

§  6.    Aws.  0. 

Das  aws.  feste  o  bleibt  in  der  späteren  spräche  und  dem 
gemäss  im  dialekt  des  Cod.  unversehrt  erhalten.  Ueber  das 
offene  o,  das  mit  a  vor  nasalen  wechselt,  habe  ich  schon  §  1, 
rv  gehandelt.    Bei  der  anführung  des  materials  in  diesem 


DI£  YOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      451 

Paragraphen  halte  ich  es  für  unnötig,  in  der  regel  mehr  als 
eine  belegstelle  für  jedes  wort  anzugeben.  Ich  gebe  wieder 
alphabetische  Ordnung. 

apostolcB  I  541,  3 ;  Icehodd  U  282,  25 ;  hoebod  11  296,  34 ; 
ungeboden  IV  233, 23 ;  hoddanstan  U  164, 14 ;  hoddingmed  ebda. 
Z.13;  gelohte  KUL 361,18.21.  363,5;  hoxeU 358,33;  hrocenan 
I  229,  1;  abrocenan  K  III  172,  30;  tohvccenan  HI  632,  31; 
Brord  I  48, 10;  WihthrorÖ  H  303,37;  hrocc<BS  KHI  252,  25; 
clofenan  II  298,  1. 5 ;  aclofenas  U  241,  29 ;  Clotheris  (vgl.  ahd. 
Elodhari)  186,20;  cnöl  111227,28;  cnolle  11242,6;  cobbelea 
IV  49,14;  cobhan-  II  298,  3.  IV  49,  1;  cocrodce  HI  157, 15; 
coua  0  (cofa)  HI  127, 19. 20;  coferantreow  I  257, 12.  11  303, 20. 

III  66, 13;  cofringtreow  HL  268, 28;  coggan  beam  HL  478, 13; 
collpytt  IV  27,13;  cobriäe  11  301,21;  Colenceaster  II  359,7; 
coppeddn  11  241,  39;  gecorenum  HL  306,30;  Corvinensem  VT 
277,  10;  cotstowe  III  446,25;  wudacotan  IV  27,20;  doccena 
/brda  II  301,  20;  Dodda  IV  234,  6;  doÄ/er  ds.  HI  416,  22; 
adolfen  I  540, 4.  11 135, 22 ;  dolhcrundcel  II  409,  22 ;  domnes  I 
548,19;  dufandoppeVf  92,3h\  Dorcen«'^ IV 93, 29;  Dorceceaster 
n  277, 20;  Dorovemia  I  86, 9;  Dorubernensis  11  292, 18;  Dro- 
cenesforda  I  547,14;  ford  I  148,  34;  sehr  häufig  als  zweites 
glied  zusammengesetzter  Ortsnamen :  rode  ford  I  540, 9 ;  sunes- 
forda  II  206, 27;  scealdanford  II 485,  35;  bestlesforda  II  206,34; 
tudeford  II 171, 31 ;  Widigford  K  III  252, 36  etc.  etc.;  fobban 
wylle  147,27.  545,9  etc.;  for  1541,2.  1196,11.  262,6;  for- 
seaöas  II  295,39;  forsteall  IV  233,7.22;  fordsteall  ebda.  z.  27; 
foryrde  II  74,27;  fomangean  II  600,10;  foragean  11304,15; 
foreweardne  III  176, 18;  forewearde  (adv.)  K  HI  238, 29,  (subst.) 

IV  76, 1 ;  forecwedenan  II  358, 37 ;  cetforan  II  96, 8 ;  beforan 
ebda.  z.  17 ;  forg  1  540,  2. 3 ;  fordrihte  II  74, 28 ;  fordfcedrcn  VI 
207, 13;  fordsigc  lU  417,  8;  cetford  KIH  203, 12;  Fordhwres  I 
229,15;  Fordred  U  136,3;  gefordian  {inta.)  KIH  362, 30;  ge- 
fornuedon  VI  207, 10;  foxec  IV  90, 9;  foxholum  I  548, 1;  froxor 
felda  m  432, 22;  Forscanfeld  I  452,  22;  glottes  wylle  11  78, 28; 
God  VI  136, 12;  godcundnessce  11  410, 36;  Godwine  HI  477, 12; 
goldes  HI  416,  25.  432, 10;  hloswuda  II  301, 23;  hlosmoc  (?)  I 
229,8.10;  hnottan  11568,35;  hnottanford  11533,29;  hnottan- 


*)  Dieses  wort  setzt  Sweet,  O.E.T.  s.  643  mit  länge  an,  dagegen  StD 
mit  kurze. 


452  R.  A.  WILLIAMS, 

nuerce  U  549,23;    Hogganclyfe  K  TU  36S,  IS;    hol  lU2,2i 
Holaforda  IV  233,30;  foxholum  IU8,1;  holdingstowe  IL 30i,26 
h(FscelhoU  I  548, 20 ;   cescholtces  11  77, 9 ;   bullanholt  11  206, 29 
higanholtes  m  292, 27 ;  hordwyllce  11 549, 29 ;  hornford  IV  45, 26 
horninga  IV  92, 33 ;  horoweg  11  295, 40 ;  hors  TL  583, 22 ;  hors- 
ford  11171,5;   horsgeat  KIII  158,28;   horswaÖes  {-paÖesT)  II 
77, 10 ;  horsweges  K  HL  219, 2 ;  Hrofensis  K  HL  303, 16 ;  hrofan- 
hricge  KIII  223,  25;    hrofanhric  KHI  302,  8;    hOiylle  KUL 
238,29;  lofe  (ds.)  11381,10;  loddcerces  1194,9.  549,26;  loxan 
wuda  in  142, 1 ;    Mocca  I  107, 24 ;    moxes  dune  I  542,  28.  32. 

II  208, 18. 24.  m  296, 20;  nwrddic  H  442, 31;  noräere  acsm.  11 
242, 20;  noröeweardne  11  206, 28;  noröeast  U  358, 11. 28;  norÖ- 
wcst  II  358, 17 ;  nordcendce  II 460, 19 ;  norÖefes  II 412, 32 ;  norÖ- 
geatt  III  62, 32;  nordwealle  III  416, 27;  norÖhealfce  II  460, 17 
noröhand  II  485,  31;  Odda  II  244,  35;  oddun  IL  495,19.25 
Oda  n  383,  7 ;  odenford  (zu  öden  =  "threshingfloor''?)  11 244^  2 
o/'passiin;  Ofcertun  HI  26, 25;  offringdi^c  KHI  360, 11;  oft  IL 
341,30;  Ord^ar  11241,16;  Ord^ard  III  520, 39 ;  Ordheah  U 
505, 12;  OrdlafIL  234, 27 ;  Orferd  II  241, 13  (dazu  wohl  Offerf 
n  242, 27) ;  Ordiriht  HI  477, 4 ;  Ordnoff  K  HI  190, 5 ;  Ordric 
Km  239, 15;  OrdteZ/"  K IH  190, 1 ;  Orceard  11  73, 28 ;  orcerd 
n  74, 19;  orcercumh  II  76,  8;  orcerdford  IL  171,4;  Oterbuman 
Km  203, 20;  oteriford  II  76,14;  oUanforda  11301,15;  öxan 
hcedfelda  11298,7;  oxena  IV  90, 19;  Oxenafeld  1176,17;  oöde 
m  402, 30.  K  m  353,  7 ;  cocersplottes  VI  136, 12 ;  poddan  heorge 

III  297, 27;  populfinige  K  m  219, 8;  porte  IL  568, 37 ;  portmen 
m  402, 14;  portstret  111303,28;  portwealle  VI  207, 18;  Port- 
Zand  VI  121, 21 ;  Porteceaster  UL  iU,  17;  langport  111176,6; 
roccancampces  II 485, 18 ;  scobban  byrgels  K  m  252, 32 ;  scoccera 
weg  II  80,  24;  scole  subst.  11  96,  21;  scolde  ebda.  z.  12,  22; 
scortan  II  71,  12;  scörtan  II  367,4;  Snoccan  I  107,23;  sol  11 
379, 14  zweimal ;  söppcuppan  LIL  432, 11 ;  sopcuppan  K  m  360, 
19. 24;  sotceorles  11  242, 13;  tollan  dene  IL  379, 19;  Torhtred  11 
136,7;  ^orre  (ds.)  II  494, 13 ;  ^or5ca(/an  II  291,  7 ;  tottencumbe 
II  207, 1 ;  stocc  IL  412, 33;  to  Stöce  III  8, 12;  stocwyllebroc  HL 
446,28;  stocfliot  LH  2AQ,  27;  heafodstoccas  IL  80,28;  imbstoc 
Km  338,7;  dorn  I  548,3;  dornhlinc  III  296,29;  gomr(Bwe 
K  III  199,  31;  öormvic  III  478,  15;  dornhyrste  UL  305,  25; 
crawandorn  IV  103,4;  mcerhöorne  LI  485,28;  stapoWom  Hl 
303,34;  wrostlanwyl  (Schreibfehler  für  örostlan-?)  m  134,34; 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      453 

örocfnere  IL  118,27.32;  wocces  geate  11242,5;  woddes  geat  I 
542,29.  n  208, 15;  wolde  II  96, 15. 16;  wopUnc  (flussname)  III 
655,28;  worhte  K  HI  361, 27. 28 ;  gewohrte  1196,20;  worhtan 
I  543,38;  worton  IV  76,3;  wrobban  lea  II  297,39. 

Gruppe  2. 

brocenan  II 436, 34 ;  Wihtbrord  II 285, 31 ;  Collinga  11 366, 9 ; 
coltan  n  448,  7;  Borcensis  IV  105, 33;  Dombernensis  11 283, 19; 
forda  II  284,39;  aforeworda  C.  C.  X  17;  tefore  ebda.;  forÖ  IL 
284, 29 ;  Godes  II 366, 21 ;  Godtvine  IV  106, 1 ;  6fodWc  ebda.  z.  9 ; 
hole  weg  IL  448, 11 ;  norö  II 284, 35 ;  Odda  II 285, 31;  of  passim; 
oääe  C.  C.  X  17;  ofer  II  366,23;  Ordgar  II  285,  23;  Ordlaf 
ebda.  z.  20 ;  Ordeah  II  449,  6 ;  ottesforda  II  364, 10 ;  poddan 
beorge  111297,27;  scortan  11364,8;  heafodstoccum  11284,36; 
gemcerdornan  ebda.  z.  38 ;  wordum  IL  367, 8 ;  hlosmoc  IL  436, 40. 

§  7.    Aws.  w. 

Im  dialekt  des  Codex  bleibt  das  u  fast  durchgehends  er- 
halten. Statt  dessen  kommen  aber  auch  einige  male  o,  y  vor. 
Die  y  sind  leicht  zu  erklären,  aus  der  spätws.  Verwechselung 
dieser  zwei  zeichen  an  manchen  stellen,  vorzugsweise  aber 
nach  w  (vgl.  Siev.  Gr.  §  71,  72).  Die  o  veiTaten  vielleicht 
den  ansatz  zu  dem  in  me.  zeit  herrschenden  gebrauch  des  o 
statt  w.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  dieses  o  in  P.  C.  sowie 
in  den  Solu.  Aug.  noch  fehlt.  Dem  gegenüber  scheint  es  ziem- 
lich häufig  in  den  mk.  Evangelien  vertreten  zu  sein  (vgl. 
Reimann  s.  19).    Die  beispiele: 

Bucca  IL  172,15;  Bucgan  oran  1 148,28.  554,28;  bucgen 
oran  III  117,4;  buchan forda  II  74,23  (mit  diesem  stamm  vgl. 
man  ahd.  Bucco,  Buggo);  bude  3.  s.  praet.  conj.  IV  233, 9;  Buda 
I  107, 13  (vgl.  ahd.  Btido,  Buddo,  Bodo,  Boddo  etc.);  Buga  II 
244,22;  bugan  stöc  LLL6bl,2'i;  bullanhoU  LI  206, 29;  bulan- 
nujedxB  II  94, 18.  549, 34.  III 62, 28;  Bullede  U  79, 14;  gebunden 
HL  402, 34.  IV  52, 4 ;  bunningfald  III  349,  27 ;  bunteles  pyte  LI 
357,27;  bürg  IL  171,36;  burhwaruYL  207,  2i;  burhgerihtu  IV 
233, 26 ;  stanburg  1 548, 1 ;  eoröburgegeat  II 485, 31 ;  Burhgensis 
K  III  303, 31 ;  Burhheardi  1 516, 13 ;  burgilde  II 207, 2 :  Burgnc 
IL  461, 18;  BurlafLL  172, 21;  JEseburgce  I  229, 19;  Cyneburgan 
I  548, 11 ;  Eadburge  II  459, 12;  burnan  I  47, 33.  547, 13. 14; 
hurnstow  11412,38;  Ticceburnan  11289,20;  Scealdebuman  H 


454  R.  A.  WILLIAMS, 

271, 8 ;  aloriurnan  H  296, 24;  hysseburnan  11  242, 7;  seoles- 
human  EU  478, 18  etc.  etc.;  Butermere  U  118,  6. 16;  cumb  I 
229,7;  Cttw6e(s)  1228,25.  1174,19;  cymJe^  II  494, 20;  afer- 
cynibe  ebda.  z.  19 ;  Cumbtune  II  273, 17 ;  Cütancumbes  11  96, 3 ; 
Crauuancumbe  II  273, 17 ;  alei'cumb  11  243, 36 ;  ccerscumbce  DI 
127, 19  etc.  etc. ;  cume  (conj.)  II  440, 33 ;  cumad  1 149, 2.  555, 5 ; 
Cumman  I  149, 12 ;  Cuman  11  359, 15 ;  oncunnan  U  282,  23 ; 
cuntan  heale  III  273,29;  söppcuppan  HL  432,11;  sopcuppan 
K  m  360, 19. 24 ;  Cupping  III 172, 25 ;  curs  U  96, 33;  crund- 
w?yKe  III 145, 24. 30 ;  crwndwi  I  47, 21. 29.  545,10;  Crundelas 
m  631, 20 ;  dolhcrundosl  II  409, 27 ;  Dudda  H  99, 31.  164,  20 ; 
dtiddanftroc m 632, 20 ;  duddmcgbearuÖuJn&^\^\  dundebuman 
11412,32.  Kin  176,4;  dunneburnan  ebda.  z.  3;  dünnes  (vgL 
ahd.  Tunno)  stigele  1 148, 33.  554, 35 ;  dürre  3.  s.  conj.  m  402, 31. 
IV  52,1;  Fugeisled  Iilh2Q,4:\  Fugelmerc  JI1Q^2,1Q\  futticce 
n  410, 39;  fullan  11  411,  6;  fiicges  (vgl.  ahd.  Fucco,  Focco  etc.) 
flodan  n  358, 19.  20 ;  fulluht  II  96, 4 ;  foldo  11  252, 5 ;  fuUumien 
n  252, 4;  fultume  UI  502, 9 ;  gefulstan  K III  364, 11 ;  scrudfuTr 
turne  II  583, 18 ;  fund^n  H  282, 3 ;  Hamanfunta  11 412, 9.  K  LEI 
175,9;  JByrA/wntonni 415,25;  JByrA/MntonKm203,29;  Hafunt 
m  415, 25.  K  m  203, 29;  bceccefuntan  IV  27, 15;  furh  (acs.)  H 
163,  26.  Km  238,28,  (gs.  II  409,26.27.31.32;  furlang  HI 
446,  26 ;  furöe  TL  252, 8 ;  grundleasan  HL  403, 1.  IV  52, 8 ;  hnut- 
clif  m  520,  10;  hnutUage  II  379,  9;  hnutwic  K  HI  176, 17; 
HnutscilUngw  K  HI  203, 21;  Nuisdllinge  11164,4;  Humbre  I 
594,15;  humbracumb  III  446, 22.  607, 13 ;  Nordatüiumbrensium 
K  III  304, 3 :  humwil  III  268,  33 ;  hummincgiun  HL  145,  31 ; 
hunigweg  I  257, 9 ;  hunigwiellce  II  296,  25 ;  Hunigham  K  HI 
238,30;  Ätmijferöces  III  105, 30 ;  7m«dII252,9;  hundtwelfligum 
II  583,  21;  Imndseofontig  III  415,  28;  hunenlyftig  ebda.  z.  21; 
hundredpenegas  IV  233  passim ;  hundeahtati  HL  432, 12 ;  hund- 
twcentiga  III  432,  7 ;  hundatüne  H  304,  28 ;  hyndes  LR  296, 23 ; 
huntan  K  III  230,  25;  huntena  H  494,  15;  huntoäe  H  280,  8; 
üm/J^  ds.  I  541,  3;  lufan  ds.  II  282,  21.  290,  7.11;  lufum  K  IH 
361,  6;  als  Aveiblicher  eigenname:  Lufe  II  252, 12;  lufcehammas 
IV  27,  8;  Lullan  seile  (vgl.  ahd.  Lullo)  K  HI  213, 1;  luOan 
sloede  II 171,  35;  Lulle  II  74,  37;  LulheU  II  77,  29;  LulUde  H 
64, 10.  73, 11;  Lulles  beorge  I  229,  2.  H  436,  30.  m  143,  8. 13; 
iMllingLAß.ll,  1164,13.  74,39;  lundenwegHL^Q^,^l\  lunden- 
Ä^rpa^ßn304,13;  LundoniensisLU8,S8.  IV 69, 10.  VI  135,34; 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     455 

getnunen  IL  207,  80;  gemundedege  H  208,  1;  ntyndbrceces  IV 
51,  26;  Sealemudda  K  in  198,  36;  -mund  als  zweites  glied  zu- 
sammengesetzter eigennamen :  ^Öelmund  II 380 1.  z.;  Ceohnund 
n  271,  35;  Eadmund  II  486,  22;  Garmund  IV  234,  4;  Beorht- 
mund  n  136,  5;  Heahmund  U  135,  39;  Niömund  11  64,  16; 
Osmundces  I  540,  2;  Plegmund  U  271,  29;  rodmundes  II  410,1; 
Gudmund  II 77, 24;  Edlmund  (Schreibfehler?)  II 170, 22 ;  mune- 
cos  m  402,  19;  munecan  ebda.  z.  18;  monekan  IV  229,  19; 
munuclife  HL  416,  8;  nunnena  HL  306,  24;  nunnanmynstre  HL 
416, 21 ;  nunhiredes  III 416, 23 ;  pund  II 280, 6 ;  pünd  U  241, 27 ; 
Puttuces  1149,11;  sculan  H  241, 23. 32.  IV  51,27;  scuhn  IL 
282,15;  succan  HL  296,  26.  27;  suggadenescumb  HL  141,32 
sugehroce  II  288,6;  sugarode  HI  519,29;  sulunge  K III  362,3 
5wm6  m  416, 24.  II  441,  6.  504,  26;  sumeres  K  IH  363,  31 
sunu,  -e,  -a  II  96,  13.  HI  402, 6  etc. ;  sunesforda  LI  206,  27 
sundermedHL  145,32;  gesundfuUnessce  LL28ljlS;  Trundlesham 
Kin  172,35;  tudeford  (vgl.  Tudda  OET  s.  564)  H  171, 13; 
turdingsceat  K III  252,  21 ;  turlan  (homme)  II  494,  21 ;  Öurh 
passim;  durhwunien  H  410,  32;  Burhferd  II  380,  28;  durfa 
(3.  s.  conj.)  n  282, 23;  Dwwm  I  548, 12.  H  460,31;  gedurstig 
(vgl.  geöyrstig  unter  y)  II  410, 35.  IH  306, 28;  Vhha  H  207, 12; 
ü/ran235,34.  272,1.  244,28.  in241,9;  Vfinctune  HL i0%,l2\ 
Ufintune  LH  415,16;  uhbanleage  11242,24;  uferan  11600,7. 
m  292, 24;  bufan  H  210, 10;  onbofan  H  367, 28;  ufeweard  I 
542, 24 ;  ufeweardne  II 118, 30 ;  ufeweardon  H  297, 1 ;  ufanwerdu 
1174,26;  ofeweardne  11118,29;  ufwyrd  IV  95, 29;  Vueratune 
H  297, 1 ;  Uferantune  K III  203, 23 ;  ummanig  (vgl.  ahd.  Ummo) 
m  349, 23. 30;  unc  IV  279, 27;  uncer  K  0  361,25;  uncre  LH 
432,25;  undcer  UL305,29.  KIH  360,6;  tinferode^^  IH  416,29; 
umbeflttan  II  280, 9 ;  umbcesceccen  II  296, 32 ;  geunnen  IV  51, 23; 
geunne  I  544, 4 ;  gaunnan  II  262, 9 ;  unnun  H  282, 5 ;  up(jf) 
sehr  häufig  akzentuiert,  passim;  upan  II  504,24;  uppan  II 
600,7;  uppcecgcelL  A8bj2b]  uppinghcema  HL  6b0,  Ib.  17;  up6ode 
I  149, 2 ;  op  III  632, 23 ;  Wuddan  1 107, 16 ;  wuUre  I  541, 3 ; 
wulfpytLV  ^%1;  wylfpyttcB  H  i60, 4:1;  wulfpyit(B  L  b^,  20; 
wulfhoran  II  301,17;  wulfruscan  LH  632,23;  wulf  \si  sehr 
häufig  als  erstes  und  zweites  glied  zusammengesetzter  eigen- 
namen; im  ersten  glied  wird  häufig  das  u  nach  w  nicht  ge- 
schrieben: Wulfbold  II  359  1.  z.;  Wulfgar  KIH  189,27;  Wulf- 
geat  KHL  304,  10;    Wlfhere  H  64,  8;    WulfhearÖ  H  305, 12; 


456  R.  A.  WILLIAMS, 

WulfheahKni239,13]  Wulßac  (?)  Kill  230, 19;   Wülfhelm 
1548,33;   Wlflaf  II  64,11  (dazu  Wullaf  TI  74,  S9);   Wulfnot 
II  383, 14;    Wulfme7'  I  549,  10  (dazu  Wulfncer  K  IH  203,4) 
Wulfred  II  74,40;    Wulfric  I  543,38;    Wulfrun  Kin2H27 
Trwi/5?t>KIII176,34;  Wulfsinus lY 69,16;  Wulf8tanU2aS,2S 
Wulföryö  (dazu  Wulfriöe  II  162,27)  II 135,  38;  Wulfweardm 
172,11;  ^Öelwulfuslh93,\2\  heorhtulfes\iI6hh,Vl;  Beomulf 
II  251, 34;  Cenewulf  II  77, 22;  Denewulfus  H  170, 12;  Eadw^ 
11135,40;   EaUwulf  11112,13;   Eanulf  111241,22;    EofMf 
11244,36;    egwulfes  II  14,24;    Garulf  II  172,18;    HerndfU 
163,  11 ;     Kynewulfo  K  III  300,  29;     Keanulf  K  lU  303,  30; 
Orclulf  II  163, 15 ;   Ostclf  II  271, 37 ;   Sigulf  I  549, 14;  SwüMf 
II  380, 38 ;   Werulf  II  241, 20 ;   Wüulf  II  244, 26;   Wulluees  U 
77,3;  wuncges  dune  II 358, 26;  wunces  hyl  III 176, 7;  umnimli 
252, 15;  durhwunien  II  410, 32;  midwuniud  IV  52, 10;  wummf 
III 417, 8. 

Anm.  1.  In  einigen  an.  lehnwörtern  entspricht  u  eineB 
ursprünglichen  o,  so  z.  b.:  Curig  (an.  Kort)  II  273, 12;  Owri  IV 
234,  6;  curigie  II  74,  17;  Bureytel  (an.  Porkell)  III  520,83; 
Burgüs  (an.  Dör^f/Z^)  IV  69,  24;  Vrm  (an.  Ormr)  II  380,28; 
zwischen  m  und  o  schwankt  huredes  (an.  Horef,  ahd.  ^oriil) 
K  III  336, 16, 27 ;  Horeö  K  III 193, 32.  196. 35. 

Anm.  2.  Schreibfehler  scheint  zu  sein  punges  (statt 
wunges?)  dune  11358,26. 

Gruppe  2. 

Buga  II 365, 33 ;  hurghardes  II 363, 28 ;  Butermere  11 367,6; 
human  II  284, 40;  ciimhe  II  436, 39;  cumed  (3.  pL  C.  C.  X 17; 
crundelas  III 3, 36 ;  cules  felda  II  284, 31 ;  dunnan  stan  11 448^»; 
fug  ebnere  II  364,  9;    furlanges  II  448,  5;    Crunner  11  365>  U; 
£fMw^  Scillmgc  II  283, 32 ;  luiielice  C.  C.  X  17;  Zu«««  H  436,35; 
Fleymund  II  285,9;    Ceohnund  ebda.  z.  16;    Deormufid  eUa. 
z.  29;    Eadmund  111  4,29;    Mdelmund  III  4,27;    sugebroce  ü 
284,30;  ^wwm  IV  105,9;  i^wr/ere?  H  365,12;  AirA  U  364^2; 
uferantun  II  447, 15;    Oferantiines  (wir  haben  es  hier  wah^ 
scheinlich  mit  einer  Verwechselung  von  ofer  praep.  mit  der 
w/'-sippe,  d.  h.  w/a/e,  w/erm  etc.,  zu  thun)  II  449,  8;    üffa  II 
285,  23;  U7icer  II  360, 20;  up  II  284, 28. 30;  üp  ebda.  z.  Sfi,  89; 
IT/T^i  II  365, 8 ;  und  zahlreiche  eigennamen  auf  wulf. 


DIE  VOKALE  DES  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     457 

Kapitel  II.    Die  kurzen  diphthonge. 

§  8.    Das  aws.  ea. 

Die  schon  angeführte  thatsache,  dass  ea  einige  male  für  cb 
erscheint,  zwingt  uns  zur  annähme,  dass  zui-  zeit  der  ent- 
stehung  des  Cod.  das  ea  monophthongiert  war,  und  ist  ebenso 
für  seine  lautliche  geltung  beweisend.  Trotzdem  hat  sich  das 
ea  in  weitaus  überwiegender  masse  erhalten,  und  hierin  kommt 
das  streben  der  Schreiber  deutlich  zum  Vorschein,  die  Schrift- 
bilder der  überlieferten  ws.  spräche  zu  erhalten.  Wo  die  Schrift 
monophthongierung  aufweist,  schwankt  die  bezeichnung  zwi- 
schen cea,  a,  ce,  e.  Die  a  lassen,  wenigstens  z.  t.  eine  beson- 
dere erklärung  zu,  siehe  unten  I,  5.  Die  cea  sind  ein  beson- 
deres kennzeichen  des  Schreibers  X,  sind  jedoch  auch  in  dem 
anderen  teil  des  Cod.  nicht  unbekannt  (je  einmal  cmMy  gceat). 
cea  statt  ea  kommt  häufig  in  den  Sol.  Aug.  vor,  und  wird  von 
Hulme  als  eine  mittelstufe  in  der  entwickelung  ea  —  ce  an- 
gesehen. Was  das  gegenseitige  Verhältnis  des  ce  und  e  an- 
geht, so  fällt  es  auf,  dass  das  e  überwiegt.  Dies  hängt 
vielleicht  davon  ab,  dass  e  schon  an  gewissen  stellen,  nament- 
lich vor  h  und  nach  c,  g,  sc  aus  dem  Spätws.  überliefert  war. 
Sonst  können  mr  bemerken,  dass  e  für  ea  in  der  P.  C.  gar 
nicht,  und  in  den  Sol.  Aug.  nicht  häufig  belegt,  in  den  mkent. 
Evangelien  aber  eine  bekannte  erscheinung  ist. 

Anm.  1.  Eine  Verwechselung  der  diphthonge  ea  und  eo 
tritt  sehr  selten  auf,  und  dürfte  im  einzelnen  aus  bestimmten 
gründen  zu  erklären  sein,  vgl.  unten.  Einmaliges  aso  statt 
cea  =  ea  bei  X  kann  nur  für  einen  Schreibfehler  gehalten 
werden. 

Anm.  2.  In  gruppe  2  ist  natürlich  erhaltung  des  ea  regel, 
ausser  wo  besondere  momente  (tonlosigkeit  etc.)  in  betracht 
kommen. 

Anm.  3.  Wo  es  darauf  ankommt,  die  beispiele  aus  X 
kenntlich  zu  machen,  deute  ich  diese,  wie  schon  früher  ge- 
schehen, durch  Setzung  eines  Sternchens  vor  die  Seitenzahl  an. 

I.   ea  vor  l  +  konsonant. 

An  dieser  stelle  bleibt  ea  fast  durchwegs  erhalten:  an 
abweichenden  Schreibungen  begegnen  t»a,  a,  ce,  sehr  ver- 
einzelt e. 

▲ngU*.    N.  F.    XIIL  dO 


458  B.  A.  WILLIAMS, 

1.  Die  belege  für  ea:   eäll  {ealles,  edlne,  eallum,  ecüra, 
ealle,  eallan,  ealswa,  ealling  II 442, 32)  passim;  ealfolc  III  306,25; 
eald  (ealdes,  ealdne,  ealdum,  ealdra,  grösstenteils  aber  in  der 
sw.  form  ealdan)  passim;   ealdan  III  476,19;   sehr  häufig  als 
erstes  glied  zusammengesetzter  eigennamen:  Ealdred  II 359, 17. 
383, 21  etc.;  Eald{w)ulf  II 172, 18.  KIII  303, 8  etc.;  Ealdelm  II 
496, 13 ;  ealdlmnces  II 296, 26 ;  Ealdincburnan  III 432, 19 ;  ealdor 
II,  296, 30.   III  416, 11 ;    ealdre  IV  51,  27;    ealdorman,  -mon  II 
96,28.  583,16.  111432,1  etc.;    ealdwrmannce  1540,7;    ealdor- 
modor  K III  364, 9 ;  hcalf  I  540, 4 ;  healfe  I  542, 25.  547, 27  etc. ; 
healfcecer  III  145,  31 ;  healfhund  III 502, 8 ;  norÖliealflli&O,  22 ; 
easthedlfe  II  357,  21 ;    westhedlfe  II  379,  18 ;    OÖerhealf  K  III 
203,21;    cealcgraf  II  304,  31;    cealcgrafas  und  cealcgrafon  II 
295,  40 ;  cealcpyt  III  157, 17 ;  cealcliammces  III  304, 1 ;  cealcride 
IV  49,  10  zweimal;    Calhtune  K  III  362,  13;    cealcan  gemere 
I  545,13;    cealfa  I  542,39.  II  208,25.  296,20;    cealfhangran 
III  478, 15;   wealU  VI  207, 17;   weallum  II 409, 24;   tceallon  U 
409,25;   wealdtc  III  157, 12 A3  \   wealgewuorc  lY  51,19;   Weah 
paddbrycge  K  III  179,  25.  26;     norö-y  suÖwealle  III  416,  27; 
portwealle  VI  207,18;   steallcere  III  172,23;    mylensteall,  -e  H 
163,27;  tunstealKmi93,U.  196,17;  forsteall lY 283,7, U.22; 
forsteallas  IV  51,  25;    forösteall  IV  233,  27;    sealt  II  290,  2; 
sealtera  I  229,  7.  II  436,  38 ;    ctvealnistowe  II  81, 7 ;    swealtcan 
66rn  II  460, 18 ;   swealewan  hlypan  IV  27,  13. 14 ;    healdan  II 
296, 16 ;  hrunigfealles  III 632, 22 ;  anwealdes  III 502, 17 ;  wealde 
3.  s.  opt.  m  417,2;    gesealde  I  541,2.    U  96,14.   244,11  etc.; 
sealde  K  UI  353, 25 ;  sealdan  II  163, 6.  III  402,  7.   IV  279, 21 ; 
sealdon  II  411,4.  VI  207, 18;  gesealt  III  502,9;  seolde  (Schreib- 
fehler) 111416,20;   healdan  111402,28;  gehealde  ebda.,  KIH 
363, 26 ;  Scealdeburnan  II  270, 30.  273, 18  etc. ;  SceaUehuman- 
stoce  111501,4.  502,12;  scedldosmeres  11291,4;  Scealdanfleote 
1593,1.7;  scealdanford  II  4Sh,  3b]  scealdedeninga  lY  108,24; 
Wealtham  11297,16.  298,10.   111167,1  etc.;   wealtheminga  II 
288, 22 ;  Cynedealle  K  III  252, 22 ;  Mealdubiensis  K III  303, 31 ; 
Mealdcelmes  III  432, 6 ;    Wealda  II  274,  5 ;    wealderes  weg  IV 
90, 20;  wealdenes  wege  II  441, 4.  504, 24;  häufig  sind  die  eigen- 
namen mit  Ealh-:  Ealhstani  I  555, 10.  540, 24.  II  75, 12;  EaJh- 
«ton  n  77, 23. 31.   94,31  etc.;   jBaZÄwund  II  274, 4  etc. ;  Eath- 
hdm  I  549, 16.  II  461,27  etc.;   ealhceres  UI  127, 20;  Ealcheres 
1179,7;  EalhferffU  162, 26.    Auf  analogie  der  zweisilbigaii 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8I8.      459 

casus  beruhen  folgende  formen:  heal  II  291,5.6;  JiweÖelsheal 
III  176,  11;  hwedelesheal  III  655,  25;  oddanheal  II  495,25; 
leasheal  II  295, 37 ;  dacselehml  III  655, 20. 21 ;  gewöhnlich  wird 
für  die  obliquen  casus  gelängter  vokal  angenommen  (vgl. 
Sievers,  Gr.  §  242),  und  demzufolge  wäre  es  denn  wohl  logisch, 
auch  länge  für  heal  zu  beanspruchen,  wie  denn  Sweet  that- 
sächlich  es  thut  (vgl.  St.  D.  s.  v.) ;  gegen  diese  annähme  spricht 
jedoch  das  einmalige  nasddcerheall  IV  103, 8 ,  das  kaum  der 
Unachtsamkeit  des  Schreibers  zugeschrieben  werden  kann,  denn 
heall  kommt  auch  in  -^Ifrics  grammatik  vor  (vgl.  Cosijn  s.  11). 
Diese  form  deutet,  meines  erachtens,  auf  erhaltene  kürze ;  das 
doppelte  l  ist  kaum  anders  zu  erklären,  als  durch  analogie 
von  kurzvokaligen  formen  wie  eall  Dass  der  Schwund  des  /* 
nicht  notwendigerweise  die  längung  des  vorhergehenden  vokals 
nach  sich  zog,  versucht  Chadwick  (OES  s.  8,  s.  30)^)  wahr- 
scheinlich zu  machen,  der  u.  a.  darauf  hinweist,  dass  ne.  Wales 
auf  eine  form  Wälas  nicht  Wälas  zurückgehen  muss.  Die 
obliquen  casus  von  healQi)  sind  zahlreich  belegt:  hcedfeUheale 

III  632,24;  ctintanheale  III  273,29;  Wroccesheale  IV  76,4  etc.; 
an  dieses  wort  schliesst  sich  wohl  seal(h)  in  sealstyb  II  460, 27 ; 
sealstub  I  548, 7 ;  sealhyrste  II  485,  23 ;  seale  II  357, 25. 26  an. 

Anm.  4.  Schreibfehler  für  eald  sind  eallan  forda  III 305, 
22  und  eala  sceapan  II  241,  31.  Ebenso,  statt  Ealh-,  cealc- 
swyäeddl  11444,11? 

2.  Die  belege  für  cea:  (Baidan  II  *94,21.23;  hcBalfcB  KIII 
*229,32;  stcealla^re  111*172,22  zweimal. 

3.  Die  belege  für  (b\  celles  II  96,11;  (eile  IV  229, 5;  celre 
(gpl.)  ebda.  z.  21 ;  ^Idred  III  274, 7 ;  cwcelmstowe  II  *288, 10 ; 
wceldeä  IV  229, 22 ;  ^Iferff  (zu  JSalh-)  II  163, 10. 

4.  Die  belege  für  e:  geseid  (i^^t)  IV  279,26;  felghyrste  II 
*296,7;    ecgerdes  hei  (zu  healh?)  III  519,35;    wt  Faules  Hele 

IV  234, 8;  Hegsteldescumb  II  77, 18. 

5.  Die  belege  für  a:  half  II  135,21;  alda^rmannces  II  135, 
25  zweimal ;  stvalwanöörn  I  *547,  27 ;  stvalan  (schreib-  oder 
druckfehler  für  swalt€an?y)  IV  34,  12;  Waltham  II  274, 3. 11; 
CalncB  K  III  302,  22;    balderes  U  *118,  26;    salde  II  252,  17; 

*)  Vgl.  aber  auch  Sievers,  PBB  X,  489.  In  diesem  artikel  wurde 
schon  vor  jähren  der  Wechsel  zwischen  länge  und  kürze  hervorgehoben  und 
hinlänglich  erklärt.         *)  Möglicherweise  auch  statt  smalan, 

80* 


460  R.  A.  WILLIAMS, 

WaldaU  276,3;  Waldo  U  2il,  12.  242,26;  ÄaZÄ  H  206,35; 
alhrewe  111655,28;  Lutcgares  hole  K  HI  363, 20;  WaldanesU 
76, 16 ;  die  grösste  masse  der  belege  für  a  in  hanpttoniger 
Silbe  liefern  die  eigennamen  auf  Bald-  und  Ealh- :  die  formen 
ald'  und  alh-  sind  jedoch  nicht  auf  alle  teile  des  Cod«  gleich- 
massig  verteilt ;  ald-  schwindet  am  ende  des  nennten  ji^L,  *) 
und  nach  932  finde  ich  keine  belege  mehr  für  alh-.  Die  be- 
lege sind:  AUelmus  I  107,  8.  149,  17;  Halduulß  I  86^19; 
Äldmdf  187,26]  Äldred  1173,11.  79,20;  Äldrced  U  *9i,38\ 
Äldrede  II  *93,  14 ;  Äldredo  ebda.  z.  22 ;  Alhstan  I  *547, 5. 
*549,15.  11*64,3.6.15.  79,13  ebda.  z.  19  anm.,  H  80, 12. 18; 
Alcstani  I  543,  27;  Alhmundus  I  452,  17;  Alheim  II  381,8; 
Alhferö  II  135, 38.  Die  zeitliche  Verteilung  des  a  in  diesen 
zwei  Wörtern  ist  interessant,  denn  sie  weist  anf  erhaltong 
eines  altertümlichen  zugs  im  Cod.  hin.  Bekanntlich  hat  die 
Parker  handschrift  der  Chronik  meistens  a  statt  ea  vor  h 
Da  auch  ein  schwanken  im  Orosius  und  C.  P.  vorkommt^  müssen 
wir  wohl  für  das  Frühws.  eine  dialektstufe  annehmen,  woranf 
wie  in  den  ausserws.  dialekten  die  brechung  unterblieb;  der 
einfluss  dieser  dialektstufe  ist  jedoch  später  ganz  verschollen, 
denn  bei  JSlfric  ist  das  ea  durchgeführt.  Diese  stnfe  hat  aber 
spuren  in  den  früheren  Urkunden  unseres  Cod.  hinterhissen, 
die,  was  die  eigennamen  auf  Eald-,  Ealh-  angeht,  sich  durch 
mehrere  abschrif ten  hindurch  (denn  es  ist  geradezu  undenkbar, 
dass  die  ins  neunte  jahrh.  bezw.  früher  datierten  ni'konden  in 
ihrer  original  -  gestalt  im  zwölften  jahrL  noch  vorlagen)  bei 
den  me.  Schreibern  noch  erhalten  haben. 

Anm.  5.    Wahrscheinlich  statt  toaldenes  verschrieben  ist 

Waldes  weg  II  242, 8. 

Anm.  6.  An  nebentoniger  stelle  ist  wohl  die  brechung 
nie  durchgedrungen,  denn  die  frühws.  formen  mit  ea  können 
auf  analogie  der  betonten  formen  zurückgeführt  werdet  Das^ 
selbe  Verhältnis  spiegelt  sich  dann  im  Codex  wieder.  Es 
kommen  vornehmlich  in  betracht  die  composita  auf  -walk, 
'bald,  'ivaldy  neben  -walda  in  brytenwalda  U  410, 28.  411, 12. 
'tvald  ergiebt  im  laufe  des  neunten  jahrh.  -woldy  wohl  unter 
dem  einfluss  des  vorausgehenden  w.    Das  erste  wold  trefCea 


0  Dagegen  liefert  gruppe  2  ein  beispiel  unter  dem  datam  96L 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      461 

wir  826,  nämlich  ^Öelivold  I  549, 8,  das  zweite  ringtcoldes  U 
76,16  anno  854;  nach  975  kann  ich  -wald  nur  fünf  mal  be- 
legen: Oswald  KIII  200,  6;  Oswaldus  K  IH  216,  4.  336,  32. 
338, 12 ;  Garicaldintune  K III  362, 4.  Schreibungen ,  die  wohl 
als  bloss  traditionell  anzusehen  sind.  Belegt  sind  ^Öel-,  ^If-, 
Cen-,  Os'y  Byrht-,  Regemvald  und  -wold,  sowie  Herconwaldus 
I  107,  6 ;  cescwaldes  II  296, 4 ;  bindwaldes  II  301, 20 ;  Eadtvold 
III  177, 5;  Hirwold  VI  122, 14;  Sigewold  II  360, 7;  Scewold  IV 
234,  7;  (Kynewald  II  504,39  ist  nicht  sicher,  III  402,6  ist  es 
statt  Cynewalh  verschrieben).  Dieselbe  entwickelung  hat  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  -bald  durchgemacht :  ^delbald  II  74, 
32.33.  77,25,  80,14.  94,33.  99,3;  £de»a W  II  99, 28 ;  Adel- 
baldi  II  98,  14;  ^öclbaUo  II  98,  24;  Cynibaldus  I  258,  13; 
Cynibald  I  257, 21 ;  Vibald  I  48, 12;  htimbaldinggraf  lY  108,  28; 
dagegen  Wulfbold  II  359,  40;  Rengebold  (=  Regenbold)  IV 
229,  26 ;  Ceolboldingtun  II  287, 3. 36 ;  Ceolboldinctun  II  409,  2 ; 
Ceolboldincgtune  II  408, 22.  Uebrigens  wird  dieser  Übergang 
durch  gruppe  2  bestätigt.  Die  belege  für  -walh:  Cynevalc  I 
47,5;  Cynevvalcl4:8,2]  Cynewalclb54y  10;  Cynewalh  11^8,10. 
544, 23.  III  400, 26  etc.,  dagegen  nur  ein  ea  in  Cynewealh  lU 
398, 17.    Zu  beachten  ist  femer  Ceadivalla  III  398,32. 

II.  ea  vor  r  +  konsonant.  Meistens  erscheint  ea,  gelegent- 
lich oea,  ce,  e,  a. 

a)  vor  r  +  dentalem  verschlusslaut. 

1.  Die  belege  für  ea:  weardces  beorh  II  549,37.  III  62,23; 
tveardan  hylle  II  341,  26  zweimal;  weardsetl{e)  I  257,  13.  11 
532,11.  11166,15;  w;(?ar*e«  III  66, 14;  M;eard/eW  II  303, 21 ; 
weardrode  III  268,28;  foreweard{e)  (subst.)  I  543, 17.  IV  76,1; 
weard  als  zweites  glied  adverbialer  composita  (in  Verbindung 
mit  tvest{e)-,  siid(ey,  nord{e)-,  east(ey,  fore-,  ufe-,  ufan-j  ute-, 
nide-,  midde-,  middan-,  midne-  etc.  und  in  den  formen  -weard, 
'Wearde,  -tveardne,  -weardre,  -weardum,  -an)  passim,  ebenso  als 
zweites  glied  zusammengesetzter  eigennamen  (in  Verbindung 
mit  JE&el-,  jJ^lf-,  Ead-,  Os-,  Wulf-,  Cyne-,  Si  =  Sige-)  passim; 
heardan  geat  II  440,38.  504,19.  IV  90,10;  heardan  leage  II 
367,24;  //eanZ/wc  IV  234, 4 ;  als  zweites  glied  von  eigennamen; 
jEdclheard  liS,  4  etc.,  JElfheard  II  293, 10;  Egheard  II  64, 10; 
^scheard  II  71, 20  etc.,  Burheard  1 540, 26 ;  Witheard  I  540, 27 ; 
gistcardes  ?  III  632, 12  (zusammen  23  formen) ;   gewearÖ  II  96, 


462  R.  A.  WILLIAMS, 

4. 10;  eard  U  96,22;  Eardulf  II  244,36;  Yffelbeard  U  290,31; 
ceardices  II  241,  38;  ceartancumbesford  U  76,  11;  sceard  HI 
145,27;  sceardan  adj.  K  III  363, 11.24;  cet  Orceard  n73,28; 
JEMgeard  II  533, 3.  567, 9. 23  etc.  (27  mal,  wozu  ein  paar  fälle 
kommen,  worin  der  empfänger  einer  Schenkung  in  der  Über- 
schrift als  JE&elweard,  dagegen  im  text  der  Urkunde  als  JEM- 
geard  erwähnt  wird,  vgl.  Cart.  Sax.  nr.  689,  830,  864) ;  Lidgeard 

II  235,  7 ;  Udegeard  II  77, 1. 

2.  Es  erscheint  cea :  wceardces  hceorh  II  *94, 21 ;  forewoearÖ 

III  *172, 15 ;  ufcewceardnce  lU  *62, 31 ;  ufcewceardrce  ebda.  z.  34; 
nordoswceardce  II  *94, 18;  sudcewceardnos  ebda.  z.  22;  norffco- 
toceardnce  II  *549,  34. 

3.  e,  a,  ce  und  in  ein  paar  fällen  y  erscheinen  nur  an 
nebentoniger  stelle. 

a)  ufanwerdu  II  74,26;  ufweröne  III  116,10.  117,12;  uf- 
werdne  III  204,22;  noröeweröne  II  504,17;  westewerdne  III 
296,28;  westcewerÖ  II  135,24;  nydcewerdnoe  III  *142,28;  west- 
cewerö  II  135,24;  eigennamen  -werd:  JElfwerd  II  295,10  etc.; 
Eadwerd  II  262,1.  IV  233,2;  Siwerd  IV  69,  19.21  etc.  (zu- 
sammen 40  mal.  Der  älteste  beleg  ist  aus  der  zeit  zwischen 
900  und  905,  das  hauptkontingent  aber  der  belege  fällt  in  den 
Zeitraum  nach  975);  wulfherdes  III  650,  19;  wulferdes  ebda, 
z.  11;  ecgerdes  111  bl9, 3b ]  ^i/erd  K III  218,4;  Tiesberd  U 
380,25;  orcerd IV 95, 30;  orcercvmb  117 6,8;  JSMgerffllHn,28; 
^öelgerd  III  116,25;  JEöelgerde  III  166,6;  Wulger  (=  Wulf- 
geard?)  IV  234,  8;  Lidiger  de  IV  233, 24;  Udgerd  II  234, 23. 

ß)  forewarde  (adv.)  III  204, 21 ;  suÖewardan  II  207,  3;  suÖ- 
ceward  II  135, 24;  noröeward  IV  45, 23;  norÖewa/rdre  11 440, 36 
Eadward  II  291,27  etc.  (einige  60  mal);    Osward  III  477,10 
Oswardo  III 649, 3 ;  Cyneward  III 623, 24;  Ealfward  HI  623, 25 
JEMward  111607, 29]  Hrodwardus  11 M2, 6',  TFi/rarde  1545, 25 
Wlßardi  1*547,4.  *549,9;  Uulfhardi  1555,15;  Burhghardus 
1  541, 25;    Burghardi  1  543, 29.  555, 14;    Burhardus  I  543,  31; 
Burhardi  1  545, 24.  *547, 3.  *549, 8 ;  Ordgard  lU  520, 39. 

Y)  Es  erscheint  ce :  ^delwcerd  K III  *230, 8 ;  JEMw(Brd(ß 
K  III  *360,  29;  ^Ifwcerd  K  III  *230,  10;  ^Ifwcerdes  UI 
*432,  26. 

6)  y  in  ufwyrd  IV  95, 29 ;  noröeivyrdan  ebda.  z.  37 ;  midde- 
wyrd  n  81, 4. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      468 

Anm.  7.  Alle  die  formen  unter  3  sind  nach  Sievers  Gram. 
§  43,  2.  und  3.  und  §  44  anm.  2  zu  beurteilen. 

b)  Vor  r  +  nasal. 

1.  ea-formen:  hearn  II  96,  15.  252,  15;  hedm  II  252,  2; 
bearna  III 402, 16;  eames  heorh  1 545, 5.  II 444, 18;  eamesbecsrh 

I  47, 23 ;  earnesbeorch  II 382, 13.  K III  301, 37 ;  hearnesbeorh  III 
5, 3 ;  mit  gr- Vorschlag  geames  eg(ce)  II 164, 12  zweimal  (diese 
form  des  diphthongs  ist  bekanntlich  kentisch) ;  ec^ma  bcece  II 
163,  22.  28;  earna  lea  II  295,  39;  fearnleage  II  74,  20  etc.; 
Fearnlceh  K III  229, 8 ;  fearninga  lege  HI  304, 2 ;  feamdun  III 
349, 26 ;  fedrndüne  II 304, 21 ;  feamhlince  II  241,  36 ;  fearnbraca 

II  295, 41 ;  feamgaran  II  532, 6;  Feamfelda  III  477, 25.  478, 6; 
Feamaham  1198,14.  99,2;  Fearnham  111408,23.  409,6.  410, 
23 ;  Cearn  I  228, 13.  III  404, 15 ;  geeamode  II  583, 16.  K  HI 
361,  14;  geeamonge  K  III  363,  4;  earme  II  96,  29;  earmum 
K  III  361, 3 ;  geamwindan  III  273, 27. 

Anm.  8.  Statt  fearn  verschrieben  scheinen  zu  sein.:  Fear- 
harn  III  415, 25 ;  FcarrJmm  K  III 203, 29 ;  fearbürnan  II  304, 25. 

2.  oea  erscheint  bloss  in  Fcearnlceagce  K III  *229, 32. 

3.  Beispiele  für  ee:  FcprndutKe  III  *432, 19;  Ccem  I  229, 11. 

4.  Beispiele  für  e:  Fernham  1  106,16.  452,20.  II  306, 16. 
36.28;  Fernhamme  in  410,4:;  FerÄnam  (Schreibfehler)  1452, 26; 
Ferhnham  I  453, 3 ;  Fermesham  III  414, 3 ;  cem  II  436, 42. 

c)  Vor  r  +  guttural. 

1.  Die  beispiele  für  ea:  mearc  (gewöhnlich  in  der  form 
des  acc.  d.  s. ;  composita :  mearcbeorh,  -weg,  -broc,  -dorn,  -dene, 
'ford,  'beam,  -grosfa  etc.,  etc.)  passim;  gemearcode  II  163,8; 
gemearcodan  II  3b8,Sl,  33;  gemearcodan  11358,30;  amearcode 
IV  76, 19 ;  ongemearcod  K III 363, 21 ;  weargeburnan  III 632, 28; 
weargeburninga  IV  108,22;  Besinga  hearh  I  107,  1. 

Anm.  9.  Nicht  hierher  zu  gehören  scheint  wearcingwege 
II  208, 17  wegen  weascingwege  1  542,  32. 

2.  (EU  in  masarhöome  II  *485, 28. 

3.  a  kommt  vor  in  arcebiscop  K  III  353,1.3  etc.;  Carcel 
II  583, 26 ;  Marcentium, 

4.  ce  erscheint  in  mcercecunib  III 649, 14 ;  mcerchamme  ebda., 
geburna  mcercce  IV  *27, 19 ;  wcerhroda  III  *142, 1. 


464  R.  A.  WILLIAMS, 

5.  e  kommt  vor  in  merc  II  164, 12 ;  mercfrot  (statt  fieof) 
II 164, 13 ;  mercbroc  II  532, 3 ;  merce  IV  *27, 20 ;  merhcUßne  m 
354,  27;  merchdmme  II  238, 15;  fugelmerc  HI  632, 16. 

d)  Vor  r  +  anderer  konsonanz. 

1.  Es  erscheint  ea:  Stamm  aws.  ftearw,  fl^^Bearre  III 182, 12; 
cet  bearre  III  183,  8 ;  acbeara  II  400, 32. 34.  504, 14  zweimal, 
IV  90, 24 ;  eatan  beares  III 106, 4 ;  duddincgbearuöu  (! ?)  II 76, 13; 
higean  beara  II 504, 21 ;  gebeare  II 440, 41  ist  wohl  Schreibfehler, 
zu  vergleichen  ist  der  vorhergehende  beleg  samt  Zusammen- 
hang ;  gearüwe  nplm.  II  280, 8 ;  gcegearwodu  H  282, 18 ;  wear- 
rihtan  11412,33.  K III  176,4;  searucrceft  111183,19;  fmrres- 
cumbes  II 504, 14. 27.  441,  7 ;  Öearfena  KIII 362, 28;  dearßicust 
KIII  361,4;  dearftke  IV  279,  29;  Searu  II  274;  Sedru  II 
276, 2  (?) ;  seamegles  II  288, 5. 

2.  Je  einmal  kommen  cea  und  e  vor :  Öcearfoe  III  *432, 3 ; 
gehwerfes  VI  207, 20.  25. 

Anm.  10.  Offenbarer  Schreibfehler  ist  searres-  II  440, 32 
statt  fearrescumbes, 

in.  ea  vor  ä.  Hier  ist  erhaltung  des  diphthongs  wieder 
regel:  Es  kommen  aber  auch  die  üblichen  Varianten  cea,  a, 
e,  ce  vor. 

1.  ea  haben :  edhta  U  163, 2.  UI  502,  16.  K  HI  359, 13. 
IV  104,11.  233,6;  EaJitan  II  252,28;  eahtatigum  U  583,22; 
eahtatyne  III  416, 29 ;  hundeahtati  III  432, 13 ;  West  Seaxna  II 
262,11;  su&secuvna  11301,18]  East  Seaxena  U  484,12;  Fast 
Seaxnatune  II  485,  15.  486,24;  Seaxhelm  II  359,30.  380,  19. 
383,17;  seaxes  seaöe  11304,26;  geffeahte  suhst  11262,8.  III 
402,2.  416,18.  501,12;  gereahte  11207,27;  ceahhan  mere  m 
520,  7 ;  celmeahtiges  II 163, 3. 

2.  cea  hat  ceahta  III  478,  6. 

3.  a  haben  Ongol  Saxna  II  *411,  12  und  das  lehnwort 
axan  (flussname)  III  *142, 4.  Nicht  hierher  gehört  waxan  (inf.) 
II  241, 32  (vgl.  §  1,  II). 

4.  e  weisen  auf:  eÄto III  415, 28.  E III  203, 32;  ehtedanUI 
303, 1 ;  Jiandsex  III  *432, 12 ;  west  Sexan  II 96, 4. 6;  West  Sexna 
II  262,  7 ;  gedehte  II  80, 1. 

Anm.  11.  Vielleicht  hierher  gehört  Execeaster  H  341, 12, 
man  vergleiche  die  formen  in  Kembles  Register  bd.  VI  s.  285, 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     465 

und  ^andlang  eaxan'^   in  einer  Urkunde   der  Bodleiana  (bei 
Birch  bd.  HI  s.  667  z.  2). 

5.  ce  hat  cehta  II  80, 8  anm. 

rV.  ea  durch  u-,  o/a-umlaut :  Aws.  weist  bekanntlich  bloss 
ein  wort  diesen  umlaut  auf;  im  Cod.  jedoch  ist  sein  gebiet 
erweitert  durch  ein  paar  formen,  die  den  umlaut  vor  doppeltem 
konsonant  durchgeführt  haben.  Hier  ist  wohl  ausserws.  ein- 
fluss  im  spiel. 

1.  Es  erscheint  meistens  ea :  ealod  II  289, 26.  290, 1 ;  edlaO 
11241,25;  Headohrihtinge  1542,35;  headohrihtting  11208,21; 
Headdan  (vgl.  OET  s.  495)  1 107, 17;  headdandune  II  533,25; 
headdangrafe  1 47, 24.  545, 6.  III 5, 4.  K III  302, 1  (verschrieben 
healdan-  II  382,14);  headdingbroc  1177,21;  Weattan  igge^)  I 
543,39.  544,1;  leaggan  hyrste  II  2^Q,\2\  ceattan  broc  Kill 
193,  12.14.  196,  13.15;  ceattan  mcere  KIII  193,12;  ceattan 
gfcfwera  K III 196, 15 ;  ceanningamasre  III 171, 23  \  geaggantreow 
KIII  215,30;  ceacgan  seaÖ  II  532,6. 

2.  Statt  des  ea  erscheint  e  in  Hedda  1 107,  7 ;  hegsteldes- 
cumb  (vgl.  OET  s.  471)  II  77, 18. 

V.  ea  nach  silbenanlautender  palataler  konsonanz :  Es  er- 
scheint neben  häufigerem  ea  auch  asa,  a,  eo,  ee,  e.  Die  be- 
lege sind: 

1.  für  ca:  geat  {geate)  sehr  häufig  akzentuiert  (composita: 
hlid'y  cecer-,  fcesten-,  hig-,  die-,  middel-,  norÖ-,  suff-,  east-,  hors- 
etc.  etc.)  passim  (ich  habe  gegen  100  formen  mit  ea  gezählt); 
Wulfgeat  III  521,2.  607,32.  KIII  224,23  etc.;  Wulgeat  IV 
233,  33;  Wurgeat  II  342,  3.  380,6;  ceasterherpaÖ  II  409,  26; 
Wintanceastre  II  2h%lO,U,  282,20.  289,19 etc.;  Wintanceastre 
II  207, 29;  Porteceaster  III 411, 17;  Porceastra  11 275, 9;  Colen- 
ceaster  II  359,  7 ;  Execeaster  II  341, 12 ;  Dorceceaster  II  277, 20 ; 
Srea/- II  486, 23.  K  lU  362, 18. 19.  IV  233,13;  srea/"  H  244, 13 ; 
geeaf  II  529, 35;  forgeaf  IV  51, 30;  ageaf  II  244, 13;  sceatte  I 
544,4.  111402,15.  IV  170, 21;  ciVcscea«  I V  233, 24. 26 ;  circ- 
sceattas  ebda.  z.  13,  20,  30;  cirhsceattas  IV  233,5;  cyresceattas 
II  280,  7;  ciricsceattan  II  163,  2;  cyresceatweorc  YI  280,  7;  land- 
5C6are  II 382, 26.  440,40.  504,20.  UI5,16.  296,28.  K  0302, 16; 


0  Oder  yieUeicbt  zu  Witia  wie  Featia  zu  Pitlaj  vgl.  §  9  anm.  10. 


466  B.  A.  WILLIAMS, 

landsceara  II  600, 10. 11 ;  landsceargeat  III 204, 24 ;  sceal  II 96, 12. 
III  306,  26;  stanceastla  II  367,  21;  stanceastlum  ebda.  z.  22; 
stanceaslanU4:b6, 28.29;  hceregeatwa  U  583,20 \  %eaai 262,1. 
III  402, 1;  begeat  III  106, 36;  sceaftles  oran  III  176, 10;  sceafles 
oran  m  655, 23. 24 ;  Scea/?cwe%nflf  K  III  362,10;  ceaforleage 

II  291, 10. 

Anin.  12.  Vollständig  dunkel  ist  mir  die  Überschrift  der 
Urkunde  K  III  no.  720  ''De  terra  Gode  begeate ". 

Anm.  13.  Für  die  einschiebung  eines  Übergangsvokals 
zwischen  sc  und  a  finde  ich  im  Codex  nur  folgende  beispiele: 
sceaggan  U  357,  32;  trowingsceaddas  III  649, 18. 

2.  cea  hat  gceate  K  HI  172, 36. 

3.  In  der  flexion  von  geat  wechselte  ea  mit  a,  indem 
letzteres  dem  plural  zukam.  Es  können  nun  durch  analogie- 
wirkung  pluralformen  auf  ea,  sowie  solche  im  Singular  auf  a 
entstehen.  Dass  letzterer  Vorgang  thatsächlich  stattfand,  er- 
hellt zur  genüge  aus  folgenden  beispielen :  gdte  III  655, 20 ; 
hlidgate  11 164,11;  hemerdenegat  III  116,7;  hamerdenegat  III 
117,9;  widigleagdte  1229,3;  wiöleagate  11436,35;  widileagate 

III  297,31;  wissanleage  gatce  II  296,  12;  isenhyrstegate  Hl 
632, 10.  An  geat  schliesst  sich  landscaru  an,  das  dekliniert 
wird  ns.  -scaru,  gdas.  -sceare ;  es  entsteht  dann  durch  analogie- 
wirkung  der  acs.  landscare  III  227, 37. 

4.  Statt  ea  kommt  zweimal  eo  vor ,  vgl.  oben  anm.  1 : 
saulsceottas  IL  163, 3 ;  sceol  (anlehnung  an  sceolde  ?)  m  416, 29; 
-sceottas  deutet  vielleicht  auf  anlehnung  an  gesc{e)ot  in  der 
bedeutung  „Zahlung". 

5.  Es  begegnet  (b:  gcet  JN  *27,  11;  hlidgcet  H  164,  16; 
dunlmage  gmtW  "^21,9;  ajöp/'VI  207, 18;  CeestcelesJiamme  KEEI 
♦360,  13 ;  landsccere  I  48, 1 ;  vgl.  Bülbring,  Anglia  Beiblatt 
Juli  1900. 

6.  Es  erscheint  e\  ceola  (=  ceorla)  get  und  gete  TU  655, 19; 
cescstedeget  111176,19;  hmccgetce  IV*27, 17;  mapoldre  get  IV 
108, 23;  Wlfget  VI  136,  7;  agef  K IH  353, 5. 21 ;  Wintuncestre 
m  416, 7.  K  m  *252, 37 ;  Porcestre  H  274, 11. 

Gruppe  2. 

I.  eaWan n 284, 33. 35.  367, 16 etc.;  ealdormonnesIl28i,38; 
ealra  11  366,  22;    ealra  dreimal,   ealla,  eallan,  eallon,  ealUwa 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      467 

zweimal,  ealswa  zweimal,  Cot.  Ch.  X.  17 ;  sealtera  II  436, 38; 
sealtham  and  •hamme  U  448, 4 ;  cwealmstowe  U  284, 33 ;  healua 
healdan  Cot.  Ch.  X  17;  weaWuBminga  11  285,  2;  Ealdred  C.  C. 
X  17;  Äldred  (anno  931)  II  365,3;  Lalhstan  II  285,  28;  Ealh- 
heim  n  365,  30  etc. ;  an  nebentoniger  stelle :  Cenwald  II  437, 13. 
365,6;  ^^?/M;aZd  11365,1.  31;  osteoides  II  mi,  21  \  Älfwold 
II  437,  17.  m  298,  8.  15;  JEffelwold  II  364,  29.  449, 1 ;  Adel- 
woU  II  437, 19.  m  298, 14;  BeorhtwoUus  Harl.  Ch.  43  C  8; 
rceimbald  C.  C.  X  17;  Wulfbold  II  366,  7;  Ceolholdingtun  11 
283,  33.  284,  24;  Cynewalh  III  3, 12. 

IL  heardanleage  11  363,  29;  ^Öelheard  U  436,  2.7;  hurg- 
hardes  11  363,  28 ;  Burherd  11  365,  39 ;  Hardacnut  (lehnwort) 
zweimal  H.  C.  43  C  8 ;  easteweardne  II  364,  7 ;  middewearde  IL 
363,  26. 29;  middeweardna  II  436,  38;  ufeweardne  II  448, 11; 
westeweard  III  3,  39 ;  westeweardne  II  364,  5. 6 ;  westeweardre 
II  448,12;  nordeweardne  III  100,2.  IV  105,9;  easteweardan 
11363,25;  middewer(dn)e  U  U8,6;  Eadweard  IL  28b,  6.  IV 
106,11;  JEadweardus LL282, 28.  IV 104, 20.  105,20;  JEMweard 
11366,2.  285,17.  365,28;  ^Ifweard  11285,19;  ^Ifweardus 
Harl.  Ch.  43  C  8:  Siweardus  IV  105,25;  Eadward  II  365,15, 
C.  C.  X  17;  Haward  II  365, 9;  Oswerd  ILL  298, 20;  Siwerd  IV 
106,  3;  JEäelwerd  IV  106,  8;  aforeworda  (adv.)  C.  C.  X  17; 
Sitverd  zweimal  H.  C.  43  C  8 ;  ^öelwerd  ebda.,  ^delgeard  ILL 
100, 16 ;  eamesbeorh  III  3, 30 ;  earneshlingc  II  437, 1 ;  eames- 
hlince  ebda.  z.  2 ;  fearninga  III  99,  32.  IV  105,  7 ;  Cearn  IL 
436,10.  437,29;  cern  11436,42;  mearce  passim;  mearcdene  IL 
284,32;   (fear/e  II  366, 15.   367,14;  searncegles  IL  284,29. 

III.  Seaxhelm  IL  365, 22 ;  kein  anderes  beispieL 

IV.  Keine  belege. 

V.  geat  II 447, 30 ;  linleagegeat  IL  365, 25.  364, 12 ;  dyrnan- 
geat  II  364,12;  pyddes  geate  II  363,27;  hlidgeate  11284,28; 
hacegeate  ebda.  z.  34 ;  tyrngeate  ebda.  z.  41 ;  gate  (ds.)  III  297, 31 ; 
widileagate  III  297, 31 ;  widleagate  II 436, 35 ;  legcat  (3.  s.  praet.) 
II 367, 1 ;  stanceastla  II 363, 26;  stanceastlum  II 363, 27 ;  Winte- 

ceastre  II  367, 16;  [ ]  dingealand  sceare  III  3,  40;  sceagan 

II  364,  7. 

Anm.  14.  Dunkel  ist  sceatte  leage  IL  285, 14  (Schreibfehler 
statt  sceatanleage?). 


468  R.  A.  WILLUM8, 

§  9.    Aws.  eo, 

I.  Die  entsprechungen  von  aws.  eo,  das  durch  brechong 
vor  r  +  konsonant  entstanden  ist. 

a)  vor  rh:  1.  Hier  müssen  wir  uns  zuerst  mit  den  zahl- 
reichen belegen  für  beorht  als  erstes  und  zweites  glied  zu- 
sammengesetzter eigennamen  befassen,  da  diese  die  hauptmasse 
des  materials  für  eo  an  dieser  stelle  liefern:  Sie  lassen  sich 
in  zwei  gruppen  scheiden,  je  nachdem  metathese  des  r  vor- 
liegt oder  nicht,  und  es  scheint  die  entwickelung  in  jedem 
fall  verschieden  zu  seinJ) 

a)  Die  formen  ohne  metathese :  An  haupttoniger  stelle  ist 
das  eo  anscheinend  in  y  übergegangen.  Diese  thatsache  ist 
wohl  dem  einfluss  des  vorhergehenden  stimmhaften  labials 
zuzuschreiben,  denn  y,  wie  wir  nachher  sehen  werden,  tritt 
statt  eo  nach  b  auch  in  Byrn  ein,  ebenso  nach  to  in  ffwyrh. 
Das  Verhältnis  ist  37  mal  Beorht,  einmal  Berht,  nämlich 
Berchferd  IH  116,  29  und  einmal  Byorhtulf  (wohl  eine  ken- 
tische form)  II  457,  11,  gegenüber  120  maligem  Byrht  und 
einmaligem  Birhtnod  HE  241,  11.  Das  zeitliche  Verhältnis 
dieser  formen  ist  lehrreich,  zumal  da  es  auch  durch  gruppe  2 
bestätigt  wird  (s.  belege  unten).  Beorht  ist  schwach  ver- 
treten bis  ins  XI.  jahrh.  hinein,  die  masse  der  belege  aber 
fällt  um  die  wende  des  IX.  bezw.  anfang  des  X.  jahrh.  Byrht 
erscheint  schon  früh  im  IX.  jahrh.,  kommt  aber  erst  im  laufe 
des  X.  stark  zur  geltung.  Es  kann  keinem  zweifei  unter- 
liegen, dass  der  Cod.  in  diesem  punkt  den  gang  der  entwicke- 
lung getreu  abspiegelt.  Wesentlich  anders  gestalten  sich  die 
Verhältnisse  an  nebentoniger  stelle.  Hier  überwiegt  -herhi 
31  mal,  gegen  20  maligem  -byrht]  -beorht  kommt  nach  meinen 
belegen  nur  fünfmal  und  zwar  spätestens  in  der  ersten  hälfte 
des  X.  jahrh.,  dann  aber  in  einem  ganz  vereinzelten  fall,  vor. 
Die  belege  sind  Tunbiorht  II  164, 1.17;  Tunbeortt  I  149, 13; 
Hygebeorht  I  48, 5;  cyncebeorhtces  II  485, 17.  Auf  zweimaliges 
'birht  in  Ordbirht  KIII  189,36;  Ecgbirht  111400,29  ist  kaum 


*)  Ob  die  formen  mit  metathese  rein  westsächsisch  sind  oder  nicht, 
darf  hier  dahingestellt  bleiben.  Nach  Sievers  §  179,  2)  ist  metathese  des  r 
für  das  Nordhombrische  charakteristisch.  Am  frühesten  scheint  sie  an  be- 
tonter stelle  im  Altkentischen  zu  begegnen  (Wolff  s.  26,  s.  66).  Dem  aws. 
und  altnordhumbrischen  (L.  V.)  ist  sie  ausser  in  unbetonter  silbe  fremd 
(Cosijn  §  143,  3),  Müller  §  18). 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      469 

gewicht  zu  legen.  Was  das  gegenseitige  Verhältnis  von  -berht 
und  'byrht  angeht,  können  wir  beobachten,  dass  ersteres  bis 
in  die  erste  hälfte  des  IX.  jahrh.  stark  überwiegt,  um  dann 
am  anfang  des  X.  zu  verschwinden,  indem  -hyrht  sich  dagegen 
bis  zum  ende  desselben  jahrh.  erhält.  Wir  dürfen  annehmen, 
dass  'berht  mit  sog.  palatalumlaut  die  an  unbetonter  stelle 
lautlich  berechtigte  form  ist,  dass  diese  form  aber  durch  an- 
lehnung  an  die  Wörter  mit  Byrht'  im  ersten  kompositionsglied 
schliesslich  verdrängt  wdrd. 

Anm.  1.  Burhtric  II  244,  30  beruht  wohl  auf  der  spätws. 
Verwechselung  von  u  und  y,  die  zuerst  in  der  lautgruppe 
wy  <  wiOy  tveo  eintrat. 

Anm.  2.  Beorht  begegnet  noch  in  ein  paar  Ortsnamen: 
Beorhtantvylle  III  567,  8.  595, 31 ;  Beorht{t)anwille  II  568, 3. 25. 
596,11.31;  Beorhtawille  II  72,37;  den  Übergang  von  eo  in  y 
weist  auf  Byrhfuntan  K III  203, 29.  Merkwürdig  ist  die  ver- 
spätete form  Bertun  K III  363, 26  aus  dem  end  des  X.  jahrh., 
oder  handelt  es  sich  hier  um  dialektischen  einfluss? 

ß)  Die  formen  mit  metathese  des  r:  Metathese  im  ersten 
glied  tritt  erst  im  X.  jahrh.  auf.  Die  belege  verteilen  sich 
zwischen  Briht  24  mal  und  Bryht  20  mal.  Im  zweiten  glied 
überwiegt  auch  i,  das  Verhältnis  ist  16  mal  -briht,  neunmal 
-bryht.  -breht  erscheint  zweimal  in  Urkunden  aus  der  letzten 
hälfte  des  IX.  jahrh. :  JEgbreht  II  136, 4 ;  JEÖelbret  II  73,  8. 
Zum  weiteren  sei  bemerkt,  dass  die  formen  mit  metathese  im 
zweiten  glied  nur  halbmal  so  häufig  sind  wie  jene  ohne  die- 
selbe.   Das  Verhältnis  gestaltet  sich  wie  59  :  25. 

Anm.  3.  Einmal  begegnet  als  simplex  byrht  in  byrhtes 
oran  III  655, 33. 

Anm.  4.  Hier  sei  erwähnt,  dass  "^berht  in  Verbindung  mit 
folgenden  stammen  vorkommt:  Als  erstes  glied  mit  (w)ulf, 
mund,  heim,  ferd  (<  friöii),  wine,  nöff,  (h)ere,  sige,  m^,  wold, 
ric,  tvig,  rSd,  sivyd\  als  zweites  glied  mit  ecg,  cesc,  ceäel,  ead, 
hum  (<  hun),  ceol,  tun,  ord,  hyge,  cyne,  sig{e), 

Anm.  5.  Einmal  erscheint  svarabhakti  in  Byrihtwig  IV 
34,25.  Die  qualität  des  svarabhaktivokals  ist  wichtig,  denn 
sie  deutet  auf  palatale  ausspräche  des  h. 

Anm.  6.  Zu  beachten  ist  Brihtanwylle  II  71, 22,  denn  es 
taucht  schon  in  der  letzten  hälfte  des  IX.  jahrh.  auf,  also  noch 
früher  als  die  ersten  eigennamen  auf  Briht 


470  R.  A.  WILLIAMS, 

2.  Das  einzige  andere  beispiel  für  eo  an  dieser  stelle  ist 
Öweorh,  Hiervon  begegnen  folgende  formen :  Öweores  1 540, 5, 6. 
548,18.  11127,7.  164,19.  296,27.;  dw(Bor(Bs\lHQ0,^9\  dreores 

I  515, 29. 35 ;  öweores  ebda.  z.  28 ;  ffeores  ebda.  z.  23 ;  deowres 
1539,32;  111655,14;  ^M;yre5l  47,31.32.  11242,7.8.  382,21.22. 
III 5, 11  zweimal,  K III 302, 10;  ^Mere5l515,19.  11135,18.23.24; 
Öuores  II  296, 8.  Für  alle  diese  formen  ist  wohl  länge  anzu- 
nehmen, die  nach  Schwund  des  h  in  den  mehrsilbigen  formen 
eingetreten  ist;  Öwyres  geht  wahrscheinlich  auf  ein  *ffwyrh 
zurück  parallel  der  entwickelung  von  beorht  >  byrht.  Der 
Vorgang  ist  wohl  folgender  gewesen :  ffweorh,  Öweores  >  Öwyrh, 
Öweores  und  dann  durch  analogiewirkung  Ötcpres,  woneben  an- 
zunehmen ist,  dass  das  lautgesetzliche  Öweores  noch  fortbe- 
stand. Die  je  nur  in  einer  Urkunde  belegten  Öueres  und 
Öuores  fallen  nicht  ins  gewicht.  Das  erstere  ist  wohl  den 
fterÄ^- formen  gleichzusetzen;  Öuores  zeigt  die  im  ws.  regel- 
mässige einwirkung  des  vorhergehenden  to  auf  eo,  man  vgl 
Sievers  §  72. 

Anm.  7.  Zu  dem  vereinzelten  sweoran  II  243,  36  vgl 
Sievers  §  218  anm.  1. 

b)  Vor  r  +  guttural:  Die  beispiele  beschränken  sich  auf 
beorg  und  weorc.  Hier  ist  trotz  dem  vorhergehenden  labial 
eo  fast  durchweg  erhalten  (es  erscheint  nur  in  einer  Urkunde 
u  statt  eo).  Dieser  umstand  lässt  sich  wohl  auf  den  einflnss 
des  nachfolgenden  gutturals  zurückführen,  denn  wie  wir  ge- 
sehen haben  (oben  anm.  5)  ist  das  h  von  byrht  (und  dem- 
gemäss  wohl  auch  von  öwyrh)  palatal  gewesen.  Belege:  beorg 
(beorge,  beorgas,  beorga,  beorgum)  öfters  akzentuiert  passim, 
u  zweimal  in  burclea  1  554,27;  burchlea  ebda,  nächste  zeile; 
dieses  u  wäre  vielleicht  als  =  y  aufzufassen,  es  liegt  aber 
angesichts  der  zahlreichen  belege  für  eo  in  diesem  stamm  die 
möglichkeit  einer  konfusion  mit  bürg  vor;  composita:  beorhlea 
1148,28;  beorhdu7ie  1180,26;  Wenbeorgan  1178,23;  mcBlan- 
beorge  III  305, 19;  feldbeorga  II  242,  2;  stanbeorges  11  358,  5 
etc.  etc. ;  einmaliges  ece  in  earnesbecerh  beruht  wohl  auf  Schreib- 
fehler;  weorces  III  306, 24. 25.  IV  51, 17 ;  bryggeweorc  IV  51, 19; 
brycgeweorce  11163,2;  woruldweorces  111  S0Q,2b;  cyresceattaeorc 

II  280,  7 ;  festergeweorc  H  252, 6 ;  festcengewceorcce  H  *410, 34 ; 
hrycggewdeorcce  ebda.  Als  Schreibfehler  ist  wohl  wealgewuarc 
IV  51;  19  aufzufassen. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WTNTONIEN8I8.      471 

c)  eo  vor  r  +  nach  silbenanlautendem  w:  Wie  wir  schon 
gesehen  haben,  zeigen  öweorh  und  weorc  im  Codex  von  einander 
abweichende  entwickelung.  Die  übrigen  beispiele  von  eo  an 
dieser  stelle  weisen  neben  einigen  eo,  o,  u,  y  einmal  ie  auf. 
u  und  y  sind  wahrscheinlich  gleichwertige  Schreibungen,  ge- 
mäss dem  schon  im  spätws.  anfangenden  gebrauch ;  die  eo  sind 
als  traditionelle  Schreibweise  anzusehen,  wohl  auch  das  o,  das 
nur  in  einem  stamme  vorkommt.  Belege :  sweord  II  583, 20 ; 
sweordes  K  III  362, 33;  swurd'  III  432, 13;  swurdes  ebda.  z.  17. 
K III  361, 26.  362,  16. 20. 21.  363,  11. 13. 21. 22 ;  swurötoitan 
K III  363, 23;  malswurdes  K III  363, 8. 24 ;  swyrdceceras  II 81, 7; 
swyrheages  K  III  360,21;  geweorÖ  subst.  II  290,6;  weoröelicre 
11411,3;  wyrömyntell9&,2Q,  IV  51,9;  EscmeresweorÖ II  AQ%^\ 
isomeres  weordce  II  410,31;  sonst  mit  der  ausnähme  von 
oBScmeres  wieröe  II  296, 15. 31,  dessen  ie  ich  als  Schriftbild  für 
y  auffasse,  immer  y  in  wyrde  II  358,25.26.  382,15.  III  5,4; 
hiceleswyrÖe  I  47, 25.  III  5, 5 ;  hremreswyräe  II  357, 32 ;  oeöeles- 
wyrde  II  358,24;  tvulfredeswyrde  111305,24;  CeoleswyrÖe  III 
432, 9 ;  cedeswyrde  II  163, 24 ;  oslanwyrö  II  494,  23 ;  JEscmeres- 
wyrde  II  408, 23;  Beowyrde  III  408, 11 ;  Mccssanwyrdce  K  III 
360,17;  durchgehends  o  erscheint  m  wordig  IhiO^l.  11262,9; 
Wordige  I  539, 21.  27.  II  70, 9.  71,  5  etc.;  wordig forda  I  540, 1; 
wordiforda  II  135,19,  ausser  in  Würdige  IV  34, 6.  Der  laut- 
wert ist  wohl  trotz  dem  o,  y  gewesen.  *) 

Anm.  8.  Hierher  wohl  wurd  III  247, 9,  die  stelle  ist  aber 
ersichtlich  verdorben  und  kaum  mehr  sicher  zu  deuten.  Zu 
wordig  zu  ziehen  ist  vielleicht  cet  WyrdoR  III  432, 8. 

d)  Sonstige  fälle  von  eo  vor  r  +  :  Obwohl  die  traditionelle 
Schreibweise  noch  häufiger  ist,  weist  hcorn  den  Übergang  in  y 
auf,  ähnlich  wie  im  fall  von  leorht  Neben  eo  erscheint  io, 
das  vielleicht  eine  Zwischenstufe  zwischen  eo  und  y  darstellt.  *) 
Belege  für  leorn :  Biornlaf  11  163, 10 ;  Biornulf  II  380,  31 ; 
Bcoryvstan  II  252, 22 ;  Beomulf  11  280, 21 ;  Beornmod  I  594, 7 
etc.  (24  mal  im  ganzen) ;  dem  gegenüber  steht  y  in  bynies 
wyllun  II  494, 24;  Byrhnelm  (mit  unorganischem  ä)  II  271, 30; 
JByrw^ton  II 252, 35.  274,3.  280,14.  383,7;  iJyrnncc  IH 163, 31; 


^)  Es  handelt  sich  hier  nämlich  um  einen  Ortsnamen,  was  das  zurück- 
bleiben auf  einer  früheren  orthographischen  stufe  gut  erklärt. 
>)  Vgl.  aber  unten  anm.  11  und  §  19. 


472  B.  A.  WILLIAMS, 

ByrnricJn  164, 5;  Byrnsige  HI  296,  i;  ByrngyaeKTH  21b,  29; 
bymf(B7'inghammum  11  485, 23.  ^)  Was  die  übrigen  beispiele  an- 
gebt, so  finden  wir  das  eo  mit  grosser  regelmässigkeit  erbalten. 
Je  einmaligem  e,  o,  u  ist  wobl  keine  weitere  bedeutung  bei- 
zulegen. Die  belege  sind :  feortne  VI  207, 13 ;  degfeorme  K  HL 
362, 25 ;  dcegfceorman  K III  *360, 32 ;  geformmdon  VI  207, 10; 
gefermien  (3.  pl.  conj.)  II  410,37;  eorl  I  544,6.  IV  76,16  etc.; 
eorlum  IV  51, 11 ;  yerl  (nordischer  einfluss  ?)  IV  234, 7 ;  urlce  (ds.) 
IV  49, 35;  heoröas  II  568, 39.  III  6, 23;  heordpmegas  IV  233, 
5. 14. 21 ;  eordbeorg  III  520, 8 ;  eoröburge  II  485, 31 ;  eorÖbyrig 
Km  189,7;  eoröan  IV  51,32;  eorölecum  11410,33;  georne  U 
96, 24 ;  geornlicm  III  432, 24. 25 ;  ceorUs  11  241, 23 ;  sotceorles 
II  242, 13;  ceorleshlewe  II 382, 19.  in  5, 8;  ceorlesletve  1 545, 10; 
ceorleshlawe  I  47,  28 ;  ceorles  geate  II  529,  28 ;  ceorlageat  und 
geate  111478,11;  ceola  get{e)  IV  655, 19  zweimal;  Ceorlatunas 
m  432,  5 ;  Ceorlacumbes  I  542, 23.  II  208, 10 ;  steortan  leage  II 
444,14;  cynges  sieorte  111519,29;  riscsteorte  11409,35;  hrisc- 
steorte  ebda.  z.  36;  sceorfes  mor  K  III  215, 25. 

n.  eo  vor  Ic,  Ih:  Seolesburna  III  478,  7;  seolesbuman  II 
534,  4. 15.  III  478, 18  etc. ;  Seolescumb(e)  IV  68, 6. 29. 24;  meoU- 
forda  111247,7;  meolforda  (Schreibfehler)  ebda.  z.  4;  meoluo 
cumbce  II  288, 21. 

ni.  eo  durch  brechung  vor  h,  h  +:  Man  vergleiche  hierzu 
die  darstellung  von  Sievers  §§  83,  84. 

1.  Es  erscheint  eo :  /eoÄK  III  361,30;  /coÄw^tcwna  11 448, 12 ; 
Cusanweoh  I  106, 19 ;  seoxtres  II  289, 26.  Ausserws.  einfluss 
erscheint  in  gereohta  (subst.)  II  163, 2  und  seaa  (=  aws.  siex) 
II  252, 13.  lll  432, 13. 

2.  Sonst  herrscht  ebnung.  Der  stamm  aws.  ryht  ist  passim 
belegt  und  zeigt  fast  ohne  ausnähme  den  Übergang  y  >  i: 
gerihtu,  -a  (subst.)  II  241, 23.  252, 3.  III  501, 17. 18 ;  gerihtum 
11290,9;  i)or^(/mÄ/a  III  501,20;  6urÄflfm7t^u  IV  233,  5. 26 
rihtinge  IV  279,  23;  rihte{s)  (adj.)  11440,39.  IV  93, 9. 8;  riht 
goemere  II 288, 20;  rihtwegce  K  III  176, 9;  ownA^(adv.)  11 358, 29 
ongerihte,  -a,  -u,  -ne  passim;  rihtlic  II  207  letzte  z.,  etc.  etc. 
mit  y  finde  ich  nur  hryd  (npln.)  II  341, 17 ;  ryhtre  II  252, 17 


i)  VieUeicht  gehört  hierher  auch  Burlaf  n  172|  21  (Bur-  statt  Brnn^ 
=  Bym-  yerschrieben?). 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      473 

ongeryUa  II  295, 37;  cnthte  K IH  362, 14;  chnihte  K III 363, 21; 
cnihtas  IV  93, 11. 12;  sithre  (Schreibfehler)  III 183, 12. 13;  sihter- 
wie  III 349, 29;  gewihcte  K III  361, 19;  gewihte  ebda.  z.  20,  22. 
363,9;  namen  auf  wiht-:  Wihtgar  11493,3;  Witgar  11412,7; 
WiägarumKUI  175,13  etc.;  WihtlrorÖ  II  303,37;  Withhrord 
n  293,21  etc.;  Witheard  I  540,27;  Withegni  I  545,24;  Wiht 
(Ortsname)  I  546, 27.  IV  76, 5 ;  Sihtric  IV  34, 29. 

Anm.  9.  Wahrscheinlich  zn  wiht  gehören  Wethelmes  I 
543, 33.  555, 16 ;  Wehhelmes  I  545  1.  z.  547, 8.  549, 3,  oder  lässt 
sich  an  stamm  wtoh  [Sievers  §  84,  2)]  anknüpfen  ? 

IV.  eo  <  e,  i  durch  u,  o/a -umlaut.  Die  Verhältnisse  des 
Codex  sind  abweichend  gestaltet,  je  nach  der  nachbarschaft 
gewisser  konsonanten. 

a)  eo  nach  silbenanlautendem  w:  An  dieser  stelle  treffen 
wir  u,  y,  o  und  einige  eo  neben  ein  paar  i.  Die  eö- formen 
sind  als  kentisch  aufzufassen.  Zu  beachten  sind  die  Sievers- 
schen  regeln ,  Gramm.  §§  71,  72,  107  anm.  3.  Belege :  tmidu 
{-a,  -es,  'Ce  acs.  III  292,  26,  -an  in  wudan  more  H  301,  16) 
passim ;  composita :  wudubricge  III  446, 29 ;  wudufaldan  II  529, 
32 ;  wuduforda  I  229, 2 ;  wiidumcere  II  368, 6 ;  wudugeheg  IL 
412,30;  Wudutune  11494,11;  wudacotan  IV  27,20;  hloswuda 
II 301, 23  etc.;  y  erscheint  in  gauolwyda  11  241, 29;  eo  in  weodu 
I  515, 36 ;  weodubeorhhylle  I  545,  13 ;  zu  dem  stamme  *swetul, 
*switul  (vgl.  Sievers  §  105  anm.  1)  swutulu(n)g  I  541, 1 ;  swute- 
lunge  IV  279, 21 ;  geswutelige  K  m  361, 11 ;  swxäulaÖ  IV  233, 1; 
geswutelod  III  402,  1  etc.  (viermal);  geswutelad  II  583,  11. 
in  106, 34 ;  geswutelie  H  96, 3. 8 ;  swytelaÖ 1 543, 27.  IV 170, 18; 
swytelungum  Hl  417,7;  einmaliges  eo  in  sweotehÖ  VI  207,4; 
i  in  swiielige  IV  51, 22 ;  geswitulod  III  416, 6;  geswitulunge  VT 
207, 25 ;  swustur  III  432, 21 ;  swystcer  K  HI  360, 34;  swister  11 
459, 17 ;  cucu  IV  233, 3. 11 ;  wuean  II 241, 33 ;  Wulluces  TL  77, 3. 
Einmaliges  weotena  IL  163, 7  fällt  auf,  da  es  sonst  immer  der 
regel  gemäss  wita  heisst  (s.  §  4,  II).  tuwa  II  290, 5 ;  worulde 
III  183,21.  IV  51,30;  woroUar  IL  96,13;  woruldweorces  III 
306,25;  woruldlican  IV  51, 16;  weorolde  IV  279, 30. 

b)  eoj  io  durch  umlaut  vor  liquiden :  heora  (s.  §  4, 1) ;  dreora 
11493,14.  Kin363,19,  akzentuiert  H  289, 21;  ^reore  1515,30; 
öriora  II  162, 26.  163, 5;  Öryre  (gpl.)  IV  45, 18;  hiorotlege  H 
206, 37 ;  Eeorstan  11 262, 28 ;  Heorulfestune  K  HI  363, 7 ;  seolfres 

▲ngUa.    N.  F.    XUL  31 


474  B.  A.  WILLUMS, 

K  m  361, 20 ;  seolforhUtes  K IH  362, 32 ;  seolferhiltan  ebda.  z.  16; 
seolforhammene  ebda.  z.  22 ;  sylfrene  IL  583, 22.  m  502, 7.  K  m 
362,  6. 7;  sylfrenan  K  IQ  361,  27  (das  y  in  diesen  beispielen 
verdankt  vielleicht  seine  entstehung  dem  einfluss  des  vorher- 
gehenden 5,  etwa  wie  das  y  <  c  im  spätws.  sylf^  syllan)^)\ 
siolucham  K III  253, 31;  sioluchammce  K  DI  253, 32. 

c)  Vor  dentalen:  Hierzu  vgl.  man  das  im  §  4  gesagte. 
Belege:  neoöeweardne  I  542,  23;  neoöeweardne  11  208,  10; 
neodoweardun  11  529,23;  neodotceardne  HE  106,7;  heneoöan 
n80,ll.  163,7.  242,19.252,19;  «;2^neö^an  H  358, 3.  HI  502, 
18;  nioffeweardum  lbi2,30.  11208,16;  nio ff eweardan  11208,19; 
niodoweardreebia>.z,22;  nioffoweardne  lb42jSb;  nioöoweardum 
n  171,  38;  nioÖeweardun  I  542,  32;  hmioÖan  11  252,8;  Hioto- 
mannes  I  516, 16;  Ceolseldene  (mit  unorganischem  l)  H  240,24; 
vgl.  Ciseldenu  11  206, 8. 

Anm.  10.  Wahrscheinlich  kommt  umlaut  vor  in  Beocca 
n  271, 38;  Byocca  U  457, 14;  Beoccingmcedc  IV  34,  8. 15,  wenn 
diese  formen  zu  Bicca  gehören.  Umlaut  in  geonnan  beorh  K  DI 
158, 27,  vgl.  Ginnanhecce  K  IH  199, 6  ?  Entrundung  des  zweiten 
gliedes  des  diphthonges  in  Peattanige  TU  354,1;  Peatanige 
ebda.  z.  11  zu  Pittanige. 

Anm.  11.  Auffällig  ist  für  unser  denkmal  das  bestehen 
von  to-formen  neben  solchen  mit  eo,  denn  das  urwestsächsische 
io  geht  bekanntlich  in  eo  über.  Möglich  ist,  dass  diese  formen 
z.  t.  auf  alter  tradition  beruhen ;  das  nebeinander  jedoch  von 
iO'  und  y-formen,  z.  b.  Biorn  und  Byrn,  hiora  und  hyra,  Öriora 
und  Öryra  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  es  sich  hier  um  eine 
sekundäre  Übergangsstufe  zum  y  handelt.  Sonst  liesse  sich  an 
kentischen  einfluss  denken. 

V.  eo  (mit  unsilbischem  e)  <  o  nach  silbenanlautender 
palataler  konsonanz.  Die  beispiele  sind  an  zahl  sehr  gering: 
sceolde  ID  402,  27 ;  sceoldon  K  TU  353,  18 ;  ceoferingtreaw  U 
532, 12;  gesceotten  ppt.  K  DI  361,  32.  Hierher  ziehe  ich  auch 
ceabhan  (für  ceohban?)  dune  IV  49, 10;  man  vergleiche  cobban- 
dene  D  492, 24.  IV  49, 1. 

Anm.  12.  Bis  jetzt  unerklärt  bleibt  der  diphthong  in 
eom  K  m  353, 2. 19. 


1)  Oder  man  musste  an  eine  fonn  ^aütUffin  denken. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      475 

Gruppe  2. 

Die  Verhältnisse  stimmen  hier  im  ganzen  zum  Cod.  io 
kommt  nur  in  Biorht  vor,  was  die  Vermutung  einer  Übergangs- 
stufe  zwischen  eo  und  y  nur  unterstützen  kann.  Leider  finden 
sich  belege  nur  in  beschränkter  zahl  vor. 

L  Beorhtulf  11 28b,22.  365,34;  Beorhtric IL 366,2;  BeorhU 
woUus  H.  C.  43  C  8  (anno  1042),  Biorhtsige  H  365, 2;  Byrhtsige 
(circa  931)  H  367,6;  anno  956  Byrhthehn  HI  100,14;  Byrht- 
ferd  ebda  z.  17, 19 ;  anno  961  Byrhtehn  Hl  298,  6. 9 ;  ByrhtnoÖ 
ebda.  z.  17;  ByrhferÖ  ebda.  z.  19;  Byrhtric  ebda.  z.  20;  anno 
1045  Bnhtwinus  IV  105,37;  Brihtric  IV  106,  4;  anno  1042 
Byrxsige  H.  C.  43,  C  8 ;  JEscherht  11 365, 5. 16 ;  ffwyres  Hl  3, 36, 
ohne  aczent  ebda.  z.  37 ;  beorh  DI  3, 30. 39 ;  beorge  ID  297, 
27.  28.  29;  heorgas  D  448,  5  etc.;  einmal  berghe  D  363,  27; 
pytan  wyröe  DI  3,31;  hiceles  wyröe  ebda  z.  32;  wordige  D 
284, 37 ;  feormige  (3.  s.  conj.  praes.)  D  366, 21.  367, 10. 14 ;  ceorUs 
ms,  34;  Beom  IV  106,6;  Beomstan  D  285, 27.  364,7. 

n.  Seolescumb  H.  C.  43  C  8  zweimal ;  seolescumbe  ebda, 
zweimal;  seolesburnan  ebda.;  meoluccumbe  D  285,1. 

HL  betweox  D  448, 4 ;  ryht  Qiriht  B)  D  367, 5. 7 ;  rihtre 
n  284, 37 ;  rihton  D  285, 3 ;  rihtgemcere  U  284, 41.  448, 3 ;  on- 
gerihte  ID  297, 26. 27. 29. 30  etc.;  Wihtgar  D  366, 9.  448, 40. 

IV.  tpudu  DI  3, 37 ;  tvuda  U  447, 29 ;  wuduforda  DI  297, 28 
etc. ;  swutelaö  H  367, 18 ;  seofan  ceceras  H  436, 40  zweimal. 

V.  Keine  belege. 

§  10.    Aws.  ie. 

Der  gewöhnliche  Vertreter  des  aws.  ie  im  Codex  ist  y, 
daneben  begegnen  aber  i  und  e  (ce),  welche  wohl  nach  Sievers 
§  97  ffg.  zu  beurteilen  sind,  ie  kommt  nur  ganz  sporadisch 
vor.  Auffällig  ist  das  eu  (ey),  das  in  zwei  Wörtern  (geurd, 
geuldan  =  gierd,  gieldan)  nach  palatal  erscheint,  und  dessen 
lautwert  zweifelhaft  ist.  u  kommt  statt  y  und  mit  dessen 
lautwert  nur  nach  w  vor.  Für  gruppe  2  reichen  die  wenigen 
belege  kaum  aus,  um  ihre  Verhältnisse  zu  bestimmen.    Belege : 

I.  i- Umlaut  von  ea,  eo:  tcylle  (wyl,  wylles,  -as,  -a,  -um) 
passim,  composita:  cewylle  1  542, 21. 37  etc.;  wylleweg  H  243, 1 ; 
ÄrMiwM?yBIV45,23;  hafocwylle I12iS,3i',  streawyllan  111356,8] 
CBSCwyUce  Hl  141, 29;  cranwylle  HL  446,24;  crundtvylle  HE  145, 

81» 


476  B.  A.  WILLIAMS, 

24. 30 ;    cytelwylle  III  520,  9 ;    Bananwylle  HE  501, 5  etc.  etc. ; 
i  erscheint  gegen  20  mal:  wille  TU  268, 33.  K m  172,37;  (Bned- 
Wille  II  298, 9  etc. ;  e  in  welle  (zu  diesem  wort  vgl.  man  Chadw. 
s.  200  fussnote)  II  74, 17.  295, 37;  wellan  HI  650, 15;  wceUe  H 
207,5;   cewelle  11208,23;  wellpill  111141,27;  wellpyllas  ebda, 
z.  28;  wellpyll  HE  142,4;  westwelle  TL  206,30;  HarewelUe  HI 
606, 29 ;  cceccamwcell  IL  206, 34;  cewelforda  1 542, 36;  streawellan 
ni  356,  8 ;  west  wellan  forÖ  III  476,  75 ;  wielles  (kommt  nur  in 
einer  Urkunde  vor,  die  auch  wylle  und  welle  bringt,  und  ausser- 
dem wierd  =^  wyrd  <  weorö  enthält,   also  ie  =  Schriftbild 
für  y!)  11296,7,  ohne  akzent  ebda.  z.  14;  hunigwiellces  ebda, 
z.  26 ;  w?tt  =  wy  in  colwullan  broc  HI  520, 3 ;  hierher  ziehe  ich 
auch  Iradewlle  1 542,21 ;  Suttanwlle  HI  6,2  (vgl.  Einleitung  V) 
(FM;y?m  11379,5;  (ßwylmas, -anJl%0,21.  111117,14.  Kin219,5 
cewylme  II  494, 16;  ewylme  II  379, 15 ;  i  in  mwümas  III  632, 15 
wu  =  wy  in  cewulm  11  94, 24.  549, 37;    andwulmas  III  116, 11 
yldran  H  280,  5  etc.  (7  mal);   yldrena  Hl  501, 21;   gieldran  (an 
das  unmittelbar  in  der  nähe  stehende  giengran  angeglichen)  n 
282,4;    yrd^tond  II  460, 27 ;    yrdlandeis)  II  48b,  24. 26.  568  37. 
m  6, 21 ;  foryräe  U  74, 27.  III  296, 22. 28 ;  erölandes  H  118, 26 
infyld  (3.  s.  praes.)  III  416,28;   gehylt  3.  s.  praes.  m  432,23 
gewelde  (ppt.)  11  163,  5 ;    wilisc  II  289,  26 ;    Welisc  I  107, 15 
awyrged,  -um,  -an  III  402, 31. 36.  IV  52, 1.  7. 10;  awyrgednesse 
in  402, 32 ;   awyrgednyssan  IV  52, 2 ;   awurgednesse  TU  502,  3 ; 
gehwyrfdon  (3.  pl.  praet.)  VI  207, 6 ;  Merdorum  I  87, 24 ;  Mer- 
censium  U  243, 27 ;    Mercionihus  11  277, 19 ;    gyrde  I  543,  39 
gyrda  I  544, 1.    II  241,30.    412,  28  etc.;    gyrdweg  H  436,  37 
gyrdweg  I  229, 6 ;  metgyrda  HI  416, 28 ;  girda  K  m  359, 12. 14 
gerda  II 262, 4;  geurda  II 262, 5. 15 ;  geurde  ebda.  z.  15, 16, 17, 19 
metgeurda  ebda.  z.  20;   fyröe  (acs.)  II  252,6;   fyrdgeate  11  71, 
9.10;  fyrdfara  IV  51, 18;  fyrdwite  IV  233, 8;  säp-,  landfyrde 
IV  51, 18;   firdcB  11410,33;  ferde  11163,2;  gewirdelandes  VI 
207, 15;  yrfe  passim;  irfces  II  282, 13;  ierfce  ebda.  z.  9;  ierfce- 
Iceas  ebda.  z.  8;  erfe  II  262,  9. 12;  wyrde  (adj.)  m  501, 17  zwei- 
mal, K  III  359, 32.  361,  7 ;   arwyrdan  11  262, 6 ;   gymendcB  IH 
172,  11 ;  hirdas  II  282, 15;  hyrcmcere  HI  240, 30. 

Anm.  1.  Schon  frühws.  geht  ie  =  i-umlaut  von  ea  vor 
h  +  in  i  über.  Dieses  i  erhält  sich  im  Cod.:  mihte  praet  I 
544,5.  Km  353, 23.  IV  170,32;  celmihtig  TLL  402, 3b;  CBlmih- 
tig{e)s  n  280,  8.  12.    296,  30.    410,  35  etc.;    nihtea  TL  96,  21; 


DIB  vob:alb  dbe  tonsilbbn  im  godbx  wintonibnsis.    477 

nihtan  II  208, 1 ;  emnihte  II  241, 24.  252, 1.  280, 6 ;  einmaliges 
y  in  myhta  (subst.)  IV  51, 31. 

n.  ie  =  palatalumlaut  von  eo  vor  h :  Hierher  gehört  aws. 
s^iex,  die  entsprechungen  sind:  syx  111292,23.  K HI  172, 29. 
360,19.  IV  108, 16;  syxtig  UIb02, 10]   ^m  292,23;   sixtig 

III  502, 10  anm.;  sextunce  U  439, 11;  seaxy  s.  §  9,  III,  1. 

III.  ie  nach  palatalen  konsonanten :  gyfe  subst.  DI  416, 8. 

IV  51, 10 ;  agyß  3.  s.  praes.  III 106, 36 ;  agyfe  3.  s.  conj.  n  252, 6; 
agyfcen  II  282, 12;  agyfeÖ  (zu  giefeöe?)  II  252, 1 ;  gyfaufeld  III 
296, 37 ;  Eadgyfu  IH  6, 30  etc.;  ^Ifgyfu  IV  52, 23  (15  y  gegen 
8  t,  inklusive  Eadwifoe  HI  654, 2,  das  sicher  verschrieben  ist), 
i  erscheint  auch  in  gife  (subst.)  11410,27.36.  411,1.13;  e  in 
gefe  (acs.)  HI  183, 19,  (3.  s.  conj.)  HI  501, 19;  scylda{s)  II  583,20. 
m  432, 14.  Km  360,20;  ÄcyWw^rAtona  VI  135, 18  zweimal; 
hocscyldes  K  III  363, 14 ;  ascyred  HL  402, 33.  502, 3 ;  sciran  (inf.) 
II  241,32;  geyldende  KIII  361,31;  geuldende  KIH  363,28; 
{hinoefes)  scylfe  HI  632,  17;  {succan)  scylfe  III  296,  26.  27; 
l^utingä)  scylf  IV  49, 14 ;  Scylftune  IV  92, 29.  Nordisches  lehn- 
wort  ist  cytel  in  Oscytel  III  66,37.  134,30  etc.;  Oscitel  VI 
241,4;  Burcytel  ni520,33. 

Gruppe  2. 

tWdran  U  366, 29.  367,13;  ^f^rdM^c^f  11  436,  37 ;  yrfe  U 
449,9.  111100,23.  298,22.  IV  106,12;  legite  1.  s.  praes.  IV 
367, 3 ;  Elfgyuu  C.  C.  X  17 ;  ^Ifgyfu  H.  C.  43  C  8. 

Kapitel  III.    Die  langen  Yokale. 

§  11.    Aws.  a. 

Das  WS.  d  hat  sich  im  dialekt  des  Cod.  fast  durchgehends 
erhalten.  Ungefähr  ein  dutzendmal  erscheint  statt  dessen  o. 
Dieses  o  ist  übrigens  in  anderen  denkmälern  aus  derselben 
epoche  nicht  unbekannt:  z.  b.  in  den  Soliloquien  Augustins, 
sowie  in  den  mkent.  Evangelien  und  beim  jüngsten  Schreiber 
der  P.  C.  Morsbach  nimmt  an,  dass  der  tibergang  von  d  in  ö 
schon  in  der  ersten  hälfte  des  XII.  jahrh.  angefangen  hatte, 
vgl.  seine  erörterungen  Me.  Gr.  §  134,  wo  das  nötige  zur  ver- 
gleichung  zusammengetragen  ist.  Meyers  annähme,  dass  zur 
zeit  der  P.  C.  das  d  schon  gerundet  (low  back  round)  war, 
halte  ich  für  zu  gewagt.    Der  ae.  a-laut  ist  wohl  "clear  back" 


478  B.  A.  WILLUBiS, 

gewesen,  der  me.  laut,  der  dafür  eintritt,  wird  gewöhnlich  als 
"low  back  round"  angesetzt.  Zwischen  diesen  beiden  lag  dann, 
meines  erachtens,  das  a,  dem  wir  in  handschriften  des  XTT. 
jahrh.  begegnen,  d.  h.  dieses  ist  "mid  back  lowered"  oder  "low 
back"  ohne  rundung  gewesen.  Dieser  laut  klingt  einem  ge- 
rundeten vermöge  seines  sehr  dumpfen  klangcharakters  un- 
gemein ähnlich,  was  seine  gelegentliche  bezeichnung  durch  o 
leicht  erklärt.  Erst  als  im  laufe  des  XIII.  jahrh.  die  rundung 
hinzukam,  ist  die  Verwandtschaft  mit  der  o-sippe  so  deutlich 
herausgefühlt  worden,  dass  man  auch  für  diesen  laut  ein  o 
setzte.  Anders  ausgedrückt  können  wir  sagen,  dass  in  ae. 
zeit  das  d  die  länge  des  kurzen  offenen  a  in  da^m  war, 
während  es  im  XII.  jahrh.  in  die  länge  des  kurzen  "retracted" 
a  in  man(n)  überging. 

I.  a  im  auslaut  einsilbiger  Wörter :  a  (adv.)  öfters  akzen- 
tuiert, n  410, 33.  411, 5  etc.  (13  mal);  na  11  252, 2;  swa  passim, 
dies  ist  im  Cod.  die  fast  ausschliessliche  form,  sw(b  begegnet 
nicht  ausser  in  zwei  fällen  nämlich  sude  I  515,  21;  swe 
n  163,  27;  0  erscheint  zweimal  in  swo  11  288,  8.  VI  122,  6; 
Öa  (adv.)  I  543,38  etc.  (sechsmal);  da  (pron.)  passim;  Öo  11 
80, 28.  m  117, 6 ;  tfc  m  227, 21 ;  ga  (3.  s.  conj.  praes.)  IH 172, 10. 
432,26.28.  IV  76,  7;  twa  1543,39.  n252,9.  412,34  etc.;  iwo 
n  241, 31 ;  hwa  11  80, 6.  296, 33  etc.  (zehnmal);  hwo  IV  229,22. 

U.  d  inlautend  (ich  unterscheide  nicht  zwischen  d  aus 
wg.  ai  und  d  aus  ^.  Vgl.  Vorbemerkung  s.  408) :  oc  HE  66, 14; 
de  n  241,  39 ;  composita :  dchangran  U  298, 2 ;  ddea  11 290, 11 ; 
ocfceara  n  440, 33 ;  dcsceates  111176,9;  ocKcA  11  164,12;  oc- 
stedeleage  IV  103,  U;  ad  TU  183, 10. 11 ;  adfini  U  357, 27;  age 
(3.  s.  conj.)  Kin  362,29;  agen{e)  VI  207,11.  0  207,26  etc.; 
agenum,  -an  DI  501, 18.  II  241, 26 ;  dgenre  ebda. ;  oA  3.  s.  E  DI 
361,31.  363,29;  ahte  DI  416, 13  etc.;  nahte  KID  353,8;  an  I 
542,25.  544, 9  etc.;  nan  DI  183,18.  402,16.  417,3;  non  (in 
einer  Urkunde  "tampered  with  in  a  later  handwriting")  ID 
402,  16  (der  acc.  s.  lautet  14  mal  anne  I  542, 27  etc.,  gegen 
cenne,  enne  16  mal,  weitere  belege  im  nächsten  §);  anstiga,  -c 
D  367, 23.  DI  305, 26 ;  anstigan,  ron  II  289, 8.  367, 24 ;  ar  D 
96,12;  aV  111416,10;  arc  ebda.  z.  12;  Kandare  K  DI  363, 17. 
D  583, 15;  arwyrdan  II  262, 6;  ad  IV  233,  8. 15. 22. 28;  hradan 
I  257,12.  540,1  etc.;    Iradest  D  262,4;    iradewlle  I  542,  21; 


DIE  VOKALE  DES  TONSILBEN  IH  CODEX  WINTONIENSIS.     479 

bradanbuman  TU  183,18;  bradanleage  U  298,18;  bradanhamme 
TL  358,2;  BradantvcBtere  11  588,  24;  crawaneuwib  11  118,  29; 
crawancrundul  I  543, 3.  lH  5, 9  etc ;  crawanmor  Hl  854,  25 ; 
crawanersce  lU  649,16;  Cratoelea  11304,6;  claffes  IV  261,4; 
claäheale  m  176,  9;  claffleahe  ebda.;  daäeage?  TL  296,  8.  9; 
ofgan  (inf.)  m  172,  12;  agdn  (ppt.)  11  252,  9;  agan  (ppt) 
11280,5;  /a^fan  (gs.)  K  m  363,  11 ;  Oatrrfftttrna  I  546,  1; 
gar  in  zusammengesetzten  eigennamen:  Qa/rulf  TL  172, 18; 
Garmund  IV  234,  4;  JElfgar  HL  9,  8;  ^Öelgar  m  477,  6; 
^scar  (=  JEscgar)  HL  172, 13;  Eadgar  IL  605,80;  Ordgaa- 
n  241, 16;  Osgar  m  477  2 ;  Sigegar  HI  650, 27 ;  Bruögar  TL 
280,19;  Wtcgar  11  359,35;  TFiA^flror  11  493,3  (dazu  Wiffgaro 
K  m  175, 17);  Wulfgar  H  359, 38;  garan  I  542, 26.  548, 1  etc.; 
flitgaran  IL  409, 38.  410, 2 ;  feamgc^an  TL  532, 6 ;  fieggesgaran 
m  446, 21.  607, 12 ;  gores  1 148, 35 ;  gastan  IV  52, 10 ;  gataford 
1229,11;  5fra/*n485,17;  flfra/*! 229, 12 ;  cealcgraf{a8)IL2%hj^l. 
304, 32 ;  trindcelgraf  IL  485, 33;  prigraf  11  532, 10;  hilgrafon  11 
358,6;  headdangrafe  14:7,24.  1115,4;  trcderanflrm/es  HI  106, 10; 
wiöiggrafas  I  257,  14.  H  303,  21;  Cytelniggraf  KHI  252,80; 
humhaldinggraf  IV  108, 28 ;  dra/te  11  409, 30 ;  hades  11 410, 36 ; 
hadode  (ppt.)  IV  76, 18;  gehadodon  11  97,1;  gehadode  KUL 
364,4.  IV  229, 16;  halgaU96,33;  ÄaZgfa»  n  74,17  etc.;  je- 
^{joä  U  96, 14;  haligdom  ebda.  z.  27 ;  haligdcmce  IV  860,  8; 
Aa2^  n  96, 26;  haUige  HL  417, 1;  halsaO  HL  183, 17;  AoZelon 
(Schreibfehler  statt  halegan)  H  413, 26 ;  hane  (dsf.)  m  292, 25 ; 
hdm  n379,7;  harn  IV  261,6;  hamsUede  n206,36;  hdmdic  U 
80, 28;  amwican  IL  409, 32;  hamleas?  11  857,32;  hamsom{e)  TV 
233, 7. 22. 14. 27.  IV  51, 25 ;  Hamanfimta  H  412, 9.  K  m  175, 9; 
haran  IL  78,  31.  242, 18  etc.;  harandune^)  HL  607,  15;  hdte 
(3.  s.  conj.  prs.)  11  241, 33 ;  gehdte  I  542, 21 ;  behaton  H  208, 5 ; 
hlafhwetes  IL  241, 25 ;  hlafes  H  290, 1 ;  hlaford  H  207, 26 ;  laford 
n  282,8;  hlaforde{s)  IL  583,15.  I  544,2.3;  cynehlaforde  H 
583, 14.  m  502, 6;  Oslac  HL  498, 87;  Uf  (=  witwe)  K  m 
361,31;  als  zweites  glied  zusammengesetzter  eigennamen:  ^laf 
IV  27, 32;  Bwrto/*  H  172,21;  Btomto/*  H  163, 10;  HunlafH 
381, 6  (dazu  hunlafinghammün  IH  305, 33);  Kynelaf  11 186, 1; 
Ordlaf  n  234, 27 ;  Wiglaf  H  280, 15 ;  Wulfhf  H  73, 3 ;  lammme 


0  Dies  konnte  aber  auch  zu  hara,  hase,  gehören.    Vgl.  haranwyUe 
§l,Ic)4. 


480  B.  A.  WILLIAMS, 

m  305, 35 ;  lammeres  1 148, 30.  554, 32 ;  lampyttas  IV  95, 31 ; 
lare  JR  402, 30.  IV  51, 34 ;  magas  II  411, 4 ;  maga  IV  229,  21 ; 
male  (acsm.)  K  HI  362, 7 ;  malswurdes  K  m  363, 8. 24 ;  gemanan 
subst.  n  358, 11. 12.  m  402,33  etc.  (6  mal);  mandeedon  Hl 
402, 20;  mare  U  282, 17.  K  m  203, 15;  marcen  H  282, 22;  more 
(vgl.  zu  non  oben)  111402,12;  masancumh  11118,24;  gerad 
n  252, 2.  289, 22  etc.  (7  mal);  geradigod  m  417,  5 ;  rad  (3.  s.  ini 
praet.)  Km  353,11;  rahsiede  11  206,36.  494,18;  radune  11 
243, 36;  randune  I  542,  24.  11  208, 11 ;  dras  (3.  s.  prt.)  m  520, 
11 ;  gerawan  (r  statt  s)  11  241, 26 ;  gcesawenra  11  282,  18 ;  sagel- 
nusre  K  HI  252, 33.  IV  27, 16 ;  sawle,  saule  I  541, 3.  11  583, 28 
(7  mal);  saulsceottas  II  163,3;  ascaden  HI  306,29;  slaMortveg 
m  632, 10;  snaäe  1  548, 19;  snadce  U  460,40;  stybhan  snade 
ni  273, 28 ;  snad  TL  296, 12 ;  slapem  (vgl.  aber  auch  slepem 
unten  §  12,  l)  H  262, 3 ;  stan  (häufig  akzentuiert)  1 47, 34.  542, 22 
etc.  etc. ;  composita :  stanburg  1 548, 1 ;  stanwei  U  206, 30 ;  stan- 
beorge  TL  358, 5. 6.  7 ;  stanceastla  TL  367, 21 ;  Stanford  TTL  227,23; 
stanmcerelTL Q2,2Q]  stangedelf TTL  1%^,1()\  stänUfeteTST ^hQjlO\ 
stanbricge  III  520, 4;  stantor  TL  77, 19;  stanmodrce  II  549,  36; 
Stanham  IV  97, 1 ;  Stanhcemstede  K  m  252, 23 ;  ma^genstan  TL 
94, 8.  549, 25 ;  Bregeswidestan  I  257, 9 ;  Jcicgestan  TV  93, 10 ; 
stanehtan  TL  297, 34 ;  stanihtne  TTL  227, 25.  Als  zweites  glied 
männlicher  eigennamen  ^Ifstan  II  73, 4;  JEÖelstan  TL  271  L  z.; 
Byrnstan  II  280, 14;  Ceolstan  TL  272,4;  Cynestan  TL  163,21; 
Dunstan  III  446  1.  z. ;  Ealhstan  TL  94, 30 ;  FriÖestan  II  74, 6 ; 
Helmstanus  1594,23;  Leofstan  KIII  216,20;  Mcegenstanes  I 
229,  3;  Wcerstan  III  356,  38;  Winstan  U  280,  22;  Wulf- 
stan  TL  252,  25 ;  papa(n)  IL  96,  33.  9.  14.  17 ;  tan  (ne.  Tone 
flussname)  II  169,  15;  tddn  TL  74,16;  tan  TL  76,28.  77,20; 
tanlea  HI  183,13;  tanhldw  III  650,  19;  Tantun  1228,6.  11 
73, 23  etc.;  taa  lande?  IV  233,12;  tacnce  TL  411,14;  getacne 
11163,8;  HakunLY  27,32.  34,28;  ^«;aw  H  241, 31.  412, 27  etc. 
(7  mal) ;  äam  passim  (öf tei^s  öan  geschrieben) ;  Öcem  s.  unter  de ; 
^ara  passim;  ^a5  II  410, 29. 32. 39. 36.  0  402,30.  IV  51,35; 
waddene  HL  292,  22;  waddcene  II  409,  31;  waddunce  K  III  252, 
26. 27 ;  wdtoran  II  296, 18 ;  watdoene  II 409, 31 ;  wat  (3.  s.)  K  DI 
363,28;  bewat  IV  51,28;  hamettan  (int)  11252,11;  Aamc^(ppt.) 
ebda. 

Anm.  1.     Hierhier  hatan  (hammas)  IL  495,  23;   (hamme) 
TL  529,  23. 


DIE  V0B:ALE  der  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIEKSIS^     481 

Anm.  2.  lieber  ham  in  hamtunsdre,  das  etymologisch 
hierher  gehört,  vgl.  §  1  anm.  16, 

Gruppe  2. 

Das  d  ist  natürlich  vollkommen  fest,  ich  brauche  daher 
wohl  keine  belegsteilen  anzuführen,  und  gebe  dementsprechend 
bloss  eine  aufzählung  der  vorkommenden  stamme:  lochwd^ 
swd  (öfters  akzentuiert,  nie  swce),  (n)d,  Öd,  Ödm  (Öan),  Odra, 
dn,  sdtcl,  crdwe,  gdt  (in  gataford  II  436,  42),  grdf,  hdlig,  brdd, 
stdn,  dd,  hdtte  (3.  s.),  Tdntun,  -gdr,  -Idf  in  eigennamen,  Haward 
(vgl.  ahd.  Haward,  Hawart,  an.  HdvarÖr),  (hdm  in  hdmtune 
IV  105, 14 ;  hamtune  lU  100, 4,  vgl.  aber  oben  anm.  2). 

§  12.    Aws.  c^. 

Der  Vertreter  des  aws.  ä  im  Cod.  ist  ce  oder  e,  gelegent- 
lich ea  (=  Schriftbild  für  c§),  a. 

Auch  hier  wieder  hebt  sich  der  Schreiber  X  von  den 
anderen  deutlich  ab,  denn  er  verfährt  ebenso  konsequent  bei 
der  anwendung  des  langen  wie  des  kurzen  ce,  während  der 
nicht  von  ihm  geschriebene  teil  des  Cod.  ein  sehr  starkes 
schwanken  zwischen  ce  und  e  aufweist.  Im  ganzen  finde  ich, 
dass  X  e  =  ce  <  wg.  ä  einige  14  mal  gebraucht,  ^)  und  bloss 
sieben  oder  acht  mal  =  ce  <  wg.  ai  +  i,  j.  Wo  die  ange- 
führten belege  für  e  von  ihm  herrühren,  deute  ich  dies,  wie 
auch  früher,  durch  ein  Sternchen  vor  der  Seitenzahl  an. 

Wie  beim  kurzen  as  stimmt  auch  hier  wieder  X  zu  gruppe  2, 
die  im  einklang  mit  dem  aws.  durchgängig  ck  aufweist,  ausser 
in  einmaligem  dem  und  del  Es  ist  zu  beachten,  dass  im  Cod. 
e  für  ce^  (=  wg.  d)  viel  häufiger  vorkommt  als  für  cb^  (=  wg. 
ai  +  j).  Im  ersten  fall  überwiegt  ce,  die  beispiele  aus  X  mit- 
einberechnet,  nur  wie  3  :  2,  dagegen  im  zweiten  fall  wie  3  : 1. 
Wenn  wir  nun  X,  dessen  anteil  am  Cod.  höchstens  auf  ein 
viertel  des  ganzen  Stoffes  angeschlagen  werden  konnte,  ausser 
acht  lassen,  so  muss  das  Verhältnis  des  e  zu  ce^  ungefähr  gleich, 
dagegen  von  e  zu.  ce^  im  günstigsten  fall  nur  wie  1 : 2  sein. 
Das  cB*  ist  in  keinem  häufig  belegten  stamm  durchgehends 
bewahrt,  dagegen  zeigen  ein  paar  Wörter  bloss  e ;  das  as^  aber 


')  Die  eigennamen  auf  red,  fled,  mcer  ausser  acht  gelassen,  sowie  der 
nachher  zu  behandelnde  stamm  mdkre. 


482  B.  A.  WILLIAMS, 

geht  zuweilen  durch  (sce,  ceht,  celc),  oder  überwiegt  bei  einigen 
Stämmen  im  Verhältnis  von  13  : 1  bezw.  10  : 1,  5:1  etc.  (man 
vgl.  die  belege  unten).  Diese  Verschiedenheit  der  behandlung 
kann  nicht  auf  zufall  beruhen.  Wir  müssen  vielmehr  an- 
nehmen, dass  hier  für  den  grössten  teil  des  Cod.  ein  lautlicher 
unterschied  gegolten  hat,  was  ja  durch  die  weitere  entwicke- 
lung  der  spräche  in  me.  zeit  nur  bekräftigt  werden  kann. 
Der  frühere  unterschied  zwischen  den  beiden  te,  obwohl  diese 
mit  dem  anfang  der  ne.  zeit  in  der  ausspräche  zusammen- 
gefallen sind,  findet  bekanntlich  seinen  ausdruck  noch  in  der 
ne.  Orthographie,  und  ist  noch  thatsächlich  auf  einer  jüngeren 
stufe  in  der  irischen  mundart  erhalten.  Ganz  ähnliche  Ver- 
hältnisse liegen  in  der  hs.  der  Soliloquien  Augustins  (gleicher- 
weise aus  dem  XII.  jahrh.)  vor,  man  vgl.  die  dissertation  von 
Hulme  s.  52. 

l,  ce  =  wg.  d.  Street  passim,  41  e,  38  ab,  daneben  5  ea: 
streut  III  116, 11.  K III  223,  31. 32.  302, 10;  streatford  ffl  5, 16 
(ea  =  Schriftbild  für  ce),  einmal  a  in  stradford  I  545,  16; 
composita:  strcetlea  11297,33.  298,5;  lesstrcet  III  227,23;  here- 
strcete  III  166, 33 ;  helistrete  III  356, 8 ;  portstret  HI  303,  28 ; 
eaststrete  II  262, 17 ;  suöstrete  ebda.  z.  18 ;  norffstroete  ebda.  z.  16 ; 
wudestret  IV  92, 37 ;  öcer  passim,  68  ce,  S8  e;  wcer  (=  hicter) 

III  273, 28 ;  mceran  II  252, 10 ;  als  zweites  glied  zusammenge- 
setzter eigennamen  hat  dieser  stamm  fast  immer  e  (hierzu 
Sievers  Gramm.  §  57  anm.  2) :  JElfmer  III  165,  2 ;  MÖehner 
111177,5;  Byrhtmer  IV  27, 29;  Sigemer  11360,1;  Wulfmer  I 
549, 10 ;  (B  in  ^Mmcer  III  447, 10.  K IH  *176, 37.  IV  *170,27. 
VI  122, 14.  207, 21 ;  ^Mmcere  IV  *170, 27 ;  JElmcer  IV  27, 26; 
Wulfmeer  II  *411,29.  *461,21;  Wulfmeeres  KIU  193,17;  Wul- 
meer  K III  203, 5 ;  m(ed(e)  II  74, 28.  IH  62, 26.  K  UI  229, 26  etc. 
(22  mal),  med(e)  III  145,31  etc.  (10  mal);  composita:  mcedham 

IV  92, 29 ;  meddic  III  296, 20 ;  medlund  HI  520, 12 ;  mcedceceras 

III  305,  29;  mcedwegas  II  74, 20;  gauolmcede  II  241, 28;  hodng- 
meeda  II 291, 1 ;  hreomeede  (=  hreod-)  IH  607, 16 ;  Beoccingmcede 

IV  34, 8. 15;  weeron  (plu.  praet.)  II  96, 6.  III 172, 12. 15;  wtere 
II  244, 12  etc.  (5  mal) ;  weerce  II  282, 2 ;  were,  -on,  -en  U  80, 9 
etc.  (7  mal) ;  uneemetta  II  290, 6 ;  reedde  K III  203, 12 ;  redan 
K III  203, 8.  364, 3 ;  gerednesse  IV  279, 26 ;  red  K III  363, 35 ; 
gebeddredenne  II  583, 18;  mannredden  IV  233,4;  mteredenne 
II 164, 7 ;  -red  ist  häufig  als  zweites  glied  zusammengesetzter 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     483 

eigennamen  und  hat  wie  -mer  fast  durchgehends  e:  ^Öelred 
1177,33;  ^Z/red  II  119,11;  Beomired  II  99, 28 ;  Cynred  1 
594, 10 ;  Coyreä U  381, 3 ;  Eadred  II 486, 1 ;  Ealdred  III 247, 18; 
Forgred  II  136,3;  Mlred  II  136,6;  Sigered  11342,19;  Torht- 
red  n  136,8;  i)eodred  II  494, 31 ;  J7A^red  II  380, 27 ;  Wigred 
U  163,21;  Wulfred  II  235,34;  cb  erscheint  in  JEdelrced  KUI 
224, 26.  *229, 3 ;  ^Ifrced  II  *94, 33.  *486, 13 ;  Äldrced  II 94, 38 
Deodrced  II  486,  5;  gatiolbcerer  (K.  liest  -leeres)  II  241,  27 
abedon,  (3.  pl.  ind.  pret.)  KIU  353,  13;  gecnewe  K  III  353, 19 
hUÖhorn  K  III  362,  22 ;  cwcedan  (3.  pl.  praet.)  IV  279,  32 
dedftö^e  11*411, 3;  mawdcpdow  III  402,20;  adrefde  HI  i02, 20 
JSlfflede  K  III  193,  13.  16.  17.  196,  16.  19.  20;  Wynfkde 
Km  362,  34;  gregan  II  441,  2;  gregean  II  504,  23.  IV  90, 
13. 14. 17  zweimal;  kein  grobg,  gced  (3.  s.  praes.)  K  III  189,8; 
ged  I  542,  26  etc.  (viermal) ;  Ices  lU  415,  22 ;  las  HI  8,  20 ; 
Icßse  I  544,  2.  3;  lesstr(Bt  III  227,  32  (hierher  feldles  IV 
96,  2?);  IcBtenne  II  289,  22;  l(BtaÖ  II  289,  20.  III  306,  21; 
forl(Bte  K III  361, 6;  tolost  ppt.  II  282, 8;  lewa  III  502, 5;  Lewu 
ebda,  anm.;  mcedlic  II  289,24;  motlceöu  IV  233,23;  mege  11 
252,11.  111*126,21.  *432, 21;  nceddran  beorge  1229,  S;  nced- 
dcerheall  IV  103, 8 ;  nedderheal  II  495, 21 ;  nedderheale  ebda., 
IV  103, 8 ;  neddwrheale  II  529, 33 ;  lilsostnce  I  355, 29 ;  Igscet- 
mearce  I  542,2;  igsetna  II  135,20;  Wrocensetna  III  355,23; 
Büsatena  K  III  215, 24 ;  ungesoeliglice  II 96, 32 ;  slepern,  II 262, 4; 
SiBda  II  241, 26;  spceca  III  501, 18;  spreca  K  m  361, 16;  fore- 
sprece  II  244, 10 ;  specon  (3.  pl.  ind.  praet.)  K  III  353, 4 ;  lege 
(3.  s.  conj.  praet.)  III  416, 10;  wcot  (subs.)  III  632, 22. 

Die  Vorsilbe  ce :  cewylle  I  542,  21.  37 ;  cewyllas  I  555,  3 ; 
cetcylm  II  379, 15  etc.  (15  ce) ;  ewillas  I  148, 36 ;  ewyllas  1 554, 3 ; 
ewylme  II  379, 15. 

Anm.  1.  Gewöhnlich  werden  die  mit  wcer-,  wer-  gebil- 
deten eigennamen  zu  dem  stamme  wder  f.  gezogen,  vgl.  Wolff 
s.  44,  Sweet  OET  s.  600.  Im  Cod.  belegt  sind:  Wcerstan  III 
356,38;  Vuasrstanum  II  277, 10;  Werferg  11 6i,  17.  71,14.  73,4. 
80, 17 ;  Wcerferd  II  77,  32 ;  Werulf  II  273, 41.  275, 37.  241, 19 
etc.;  Wcerulf  11  *289, 12. 

Anm.  2.  Wohl  mit  länge  anzusetzen  ist  bär  (nsf.)  II 
298, 6 ;  bcera  II  296, 6 ;  hnutleage  beere  II  379, 9,  vgl.  gauolbcerer 
oben.  Die  bedeutung  scheint  mir  zu  sein  =  holz:  man  ver- 
gleiche auch  dennbcere  bei  Sweet  StD  =  "swinepasture". 


484  B.  A.  WILLIAMS, 

IL  aws.  de  =  i-umlaut  von  d  <  wg.  ai. 

gemcere,  -u,  -o,  -a  (anglisch  hat  dieses  wort  dk  nicht  il) 
passim,  ich  habe  117  (f,  56  e  gezählt,  composita:  gemcBrhagfm 
1174,21;  gemcerdornan  II  288,15;  gemasrweige  11207,3;  gt- 
mcerwyl  E III 193, 9;  rihtgenicere  II  288,20;  landgemasre  passun, 
einmaliges  a  in  landgeniaro  I  47,  21 ;  <Br  l  542, 27.  555, 5.  11 
96,7.10  etc.  (über  30  mal);  er  KIH  361,29;  Her  10  501,21 
anm.;  her  II  568,36;  cerest  passim  (gegen  130  mal);  erestl 
47,21.  545,3  etc.  (11  mal);  Öcere  (gds.)  passim;  die  formen  mit 
ce  überwiegen  wie  5:1;  durch  Vermischung  mit  dem  gpL  ent- 
stehen formen  wie  äara  I  257,12.  II  456,32.  lU  808,3a  35; 
gare  III  227,1.  292,  25;  9ore  (dst)  H  80,5;  mit  dem  regel- 
rechten gpl.  äara  wechselt  dcera  durch  anlehnnng  an  die  übrigen 
formen  auf  ä,  hiervon  sind  mit  e  belegt:  ffera  II  208,13.  m 
416, 9.  IV  34, 6.  90, 4 ;  gere  K  lU  223, 23.  H  280, 10;  die  nm- 
gelautete  form  des  dspl.  von  se  habe  ich  gegen  40  mal  notiert^ 
darunter  28  äcem  (4  ffcen  II 262  mit  einbegriffen) ;  äem  1 545, 15. 
*548,  5  etc.  (10  mal) ;  sce  (öfters  akzentuiert)  I  229, 6. 13.  ffl 
171,23  etc.  etc.,  kein  se,  composita:  scBwcere  IV  96,  4;  wesl- 
und  osstsos  VI  122,3.7;  suö-  wxAnordsdk  1546,28.80;  SmwM 
IV  234,  7 ;  hl(Bw{e)  II  303, 22.  409, 25. 26.  K III  252, 25;  hHäor 
hlcewe  III  66, 10;  hlew{e)  (oft  akzentuiert)  I  257, 15.  11  808,17 
etc.  (17  mal);  lilatve  (vgl.  Siev.  Gramm.  §  288  anm.  1)  I47,2&. 

II  296. 16.28;  hldtve  III  650, 11;  tanhldw  ebda.  z.  19;  rtBweU 
412,  29.  IV  95,  28  zweimal;  hlingrcewe  II  460,  25.  I  548,  5; 
hlincroswce  II  485, 21 ;  hegercewe  II  413, 7. 8.  KIII  176,21;  gm- 
r(€we  KIII  199,32.33;  rewe  111227,22  etc.  (4  mal);  Tunern» 
11*485,21.  KIII*176,20  etc.  (4  mal);  AltncAreire  m  296,25; 
hornrewe  IV  108,23;  widigrewe  III  519,26;  gemwne  n20e^8a 

III  8,  20  etc.  (6  mal) ;  gemcenum,  -an,  -en  I  542, 25.  U  208^  12 
etc.  (4  mal);  gemene  K  III  364, 12.  IV  229,23.  IV  51, 17;  mmu- 
lege  111356,11;  mcenan  Icage  II  219,13.  444,21;  menainämt 
II  600, 10 ;  mencndene  III  204, 23 ;  wichcema  I  548, 9 ;  tridbMM 

II  460, 29 ;  micghcema  E III  193, 12.  196, 14 ;  uppinghmma  DI 
650,  15.17;  Middehcema  KIII  211,23;  PoUusnuUune ,  -imll 
491, 12.  402, 9. 16.  K III  203, 26 ;  Polhetnatun  IV  48, 20.  49,84; 
Volhenuitune  IV  48, 32;  t(;ea;^Aemm^a  II  *288, 22 ;  PoTJiamaimH 

III  163,  80.  164,  18;  Polehametune  UI  164,  6  (anlehnnng  u 
hdm?);  umgelautete  formen  in  der  flexion  von  oe:  cfe  1555,1. 
II  297,  35  etc.  (9  mal) ;    einmaliges  e  in  foxec  (ßB.)  IV  90^  9; 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      485 

{n)(Bfre  II  80,  4.  5.  96,  11.  12  etc.  (14  mal);  efre  IH  402, 18. 
403, 1.  K III  362, 28 ;  hceä  schwankt  stark  zwischen  zwischen 
(e  \mi  e:  cede  111356,10;  hceäfeld(a)  1543,4.  11301,22  etc. 
(6  mal) ;  hoeöheorh  II  77, 15 ;  lueÖburgedene  III  478, 12 ;  hceff- 
byrg(e)  11207,6.7;  dagegen A6^(e) 1 47, 34.  11381,25 etc. (5 mal); 
hegfeld  II  208, 30.  243, 37 ;  heöburge  III  655, 19 ;  bei  häöen  ist 
(B  dreimal  so  häufig  wie  e:  hceöenan  II  81,6.  568,27  etc.  etc.; 
cedenan  1194,19.  409,28  etc.;  heöenan  11298,4;  heöanan  IV 
108,31;  heöenum  1*548,5;  hedenes  11164,16;  ausschliesslich 
ce  hat  (Blc(e)  1196,5.  241,33.  252,5  etc.;  von  prominalformen 
mit  Vorsilbe  ceg  sind  belegt:  (Bgder{es)  II  244, 12.  III  306, 23 
etc.  (5  mal);  xigder  Kill  360,18;  ceghwer  III  501, 16;  ^gher 
ebda,  anm.;  ceghwelcum  \1  ilO,^%\  egf^er  III  6, 24;  eghwcelces 
III  163,  1;  cenne  (acsm.)  I  542  viermal,  II  208  dreimal,  etc. 
(14  mal),  enne  K  III 158, 29.  362, 6 ;  daneben  besteht  die  form 
ohne  Umlaut :  anne  I  542, 27.  II  208, 13. 22  etc.  (14  mal) ;  (m- 
lypigan  K III  336, 24;  osnigie)  II  96, 13.  III  402, 29.  IV  51, 34; 
wnigra  II  96, 15;  asnire  IV  279,22;  enig  K  III  353,6.  364, 11; 
Stornos  (=  stoßn{e)ne)  III  157, 14 ;  stcenne  II  262, 3 ;  stenenan  I 
47,26.  545,8  etc.  (5  mal);  stenihte  II  78,27  (staniht  s.  unter  a, 
es  handelt  sich  hier  um  suffixablaut,  vgl.  Sievers  Gr.  §  127); 
ceht  II  207,26.  244,11  etc.  etc.  (keine  formen  auf  e);  hkefdige 
111172,11.17;  hlcefdian  in  416,26;  hlefdi(g)e  111*172,7.  IV 
52,11.  229,25;  d(el{e)  11494,24.  IV  280,  2.  11252,5;  dcelcenne 
K III  361,  3;  twodcelanne  II  262, 10;  dcele  (3.  s.  opt.  praes.)  IV 
279,23;  deni80,l.  IV  279, 23.  280,2;  ördeZIV233,8.15.22.28 
gedeled  II  583,  28;  grcefan  II  368,  3;  Öorngrcefan  II  242,  7 
mearcgrefan  III  655, 40 ;  Iccwede  K III  364, 4 ;  laswedan  11  97, 1 
lewcde  IV  52, 18.  229, 16 ;  brcede  (subst.)  II 262, 4.  K  HI  172, 29 
Icefce  (1.  s.  ind.  praes.)  III  432,  24;  li^fde  (prt.)  II  207,  26 
cerendes  III  502, 9;  gecerendodön  II  252, 13;  flcescun  U  290,  4 
fl(jes{c)niangere  VI  135,17;  flcescmangara  ebda.  z.  18;  geredon 
K  III 363, 9 ;  geredan  IH  *432, 13;  hces  H  282, 23 ;  hcelo  U  262, 6; 
wceteleahe  (das  ich  zu  hwddte  ziehe)  K III  215, 26. 27 ;  Hwcetce- 
dunce  K  III  360, 12;  hwetes  U  241, 25;  arerad  II 290, 10;  cUena- 
/eWa  II  288, 27 ;  denanford  11147 8, 18]  ungeäwcernisse  Hl 417, 9; 
mest  Kni363,35;  Ices  (adv.)  KIII  175,34;  Icesse  111402,12; 
lesU  412,27;  lesse  Kill  20S,lb\  gfeie^/ (ppt.)  KIII  362,28; 
snede  H  529, 22 ;  stnede  ebda. ;  clceferdcene  11  460, 41 ;  clcefer- 
mcere  IH  127,22;  cleferdcene  1*547,35.  11*460,16;   lcena{i8.) 


486  S.  A.  WILLIAMS, 

n  280, 4;  Icenelendum  (zu  Icenland)  U  583, 27;  lamanne  11 286,6; 
(mlcenaö  11  280,3;  aZteneJ (ppt.)  Kill  360,36;  geUßneff^ft  U 
162,25;  äsenden 280, 5;  aZen(»d^ K HI  *360, 35;  lendieTL2S2,Z; 
tcecinge  UI  402, 21 ;  hcettecen  (inf.)  K  m  361, 1 ;  IhbUbcc  K  m 
361,22;  bet(BhteIYb2,6;  hef^dite  HI  4:02,3b;  feefeÄfe  111416,22. 
VI  207, 13 ;  betehtan  VI  207, 9;  getehte  K  DI  353, 3. 

Anhang.    Ueber  mcere. 

Ich  habe  schon  (s.  §  3  anm.  8)  angedeutet^  wie  schwierig 
es  ist,  im  einzelnen  zwischen  mere  m.  und  miire  n.  zu  unter- 
scheiden. Hier  mögen  die  fälle  erwähnt  werden,  die  meiner 
meinung  nach  die  ansetziing  von  tn(6re  (mit  langem  ^)  e^ 
fordern : 

mcerdic  III  356, 3,  n^es  ebda.  z.  4  und  mcerhagan  HL  106,9 
sind  durch  das  vorkommen  von  gemcerdic  und  gemcerhagan  ge- 
sichert, ebenso  merewege  HI  115, 34  durch  mearcweg  HL  117,2, 
sowie  merhroce  II 532, 16  durch  merc-  und  mearcbroc  in  derselben 
Urkunde.  Auch  hierher  gehört  merforö  JH  106, 11 ;  mmtford 
ebda.  z.  7,  um  nach  mearhforda  (mearh  =  mearc)  TU  105,29 
zu  urteilen,  ftigelniwre  II  368, 5  bin  ich  auch  geneigt  hierher 
zu  ziehen  wegen  fugelnierc  TU  632,  16  (es  ist  jedoch  za  be- 
achten, dass  in  gruppe  2,  in  welcher  e  und  te  fast  ohne  aus- 
nähme auseinander  gehalten  sind,  ein  fugelmere  yorkommt). 
ceattan  mcere  E  III  193,  12  wird  durch  ceattan  gemera  Em 
196,  15  ausser  zweifei  gesetzt.  Ein  sicherer  fall  ist  and 
Jwrninga  mcere  III  520, 5.  IV  92, 23  (vgl.  an  der  letztgenannten 
stelle  die  nächstfolgenden  ^andlang  des  gemoBres*^^  nnd  das- 
selbe gilt  wohl  auch  für  ceanninga  mcere  UI  171, 23.  Folgende 
Wörter  möchte  seh  ebenso  nach  analogie  im  nuerdie  nnd  «übt 
hagan  hierher  ziehen :  merpyll  III  142, 3 ;  mceredunm  TL  296^  2; 
mcereslade  K  HI  172, 32. 

Anm.  4.  Weitere  fälle  von  mcere,  mere  als  zweites  gKed 
von  composita,  also  an  nebentoniger  stelle,  welche  weniger 
Sicherheit  in  der  bestimmung  zulassen,  finden  anderswo  &- 
wähnung.    Siehe  anhang  n. 

Gruppe  2. 

I.  str(Bt(e)  III  3,  36.  99,  32;  strcetford  HI  3,  40;  äarU 
366,21.  448,3  etc.;  (fcerto  TTL  100,4.  IV  105,14;  Amm  11387, 
3. 14.   366,  21;    wwron  C.C.  X  17;    niedranbeorgt  11  436,35; 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8IS.     487 

W(Brulf  n  285, 25 ;  Wulfmeer  H  366, 6.  437,  22.  449, 3 ;  Äldred 
n365,3;  mred  11364,17;  CTÄ/red  H  365, 4  etc. ;  mit  meta- 
these  des  r,  die  auf  kürzung  deutet,  JElferd  II  366, 12 ;  Uhterd 
II  365,  7 ;  Cyred  =  Cynred  H  366,  7. 

n.  (Brest  n  284, 28  etc. ;  Ömm  11  284, 35. 37.  367, 10  etc. ; 
dem  II  364,  8;  Öcere  (dsf.)  11  284,  33.  38.  364,  1.  2. 8. 10  etc.; 
öxra  (dsf.)  C.  C.  X  17 ;  öare  (gsf.)  H.  C.  43  C  8;  dcera  (gpl.)  m 
298,21.  IV  106, 10;  d^üos  II  366,28;  dcB^ww  H  367, 10;  del 
C.  C.  X  17;  hceö  III  3, 39;  [}it\cewe  HI  3, 34;  grcefan  H  364, 8 
norörcewc  11  436, 42 ;  stanranve  U  448, 13 ;  sceU  436, 37.  437, 2 
(enne  (acs.)  II  367, 12 ;  nwfre  II 367,  1. 17 ;  celcum  (ds.)  11 366, 23 
celce  ebda.  z.  27 ;  wealthceminga  11  285, 2 ;  gentcenelice  U  366, 21 
clcenefelda  II 285, 3 ;  gemcere  H  284, 31. 36.  285, 3 ;  gemcerffoman 
n  284,38;  landgemcero,  -a  H  447,28.  HI  297,25.  IV  105,3; 
rihtgenuere  11  285, 1.  448, 3;  mcerwege  U  447, 29. 

§  13.     Aws.  e. 

Der  Vertreter  ist  meistens  e,  öfters  auch  ce,  wofür  die  be- 
lege sich  in  ungefähr  gleichem  masse  zwischen  X  auf  der 
einen  und  den  übrigen  Schreibern  auf  der  anderen  seite  ver- 
teilen. Durch  ce  wird  auch  gelegentlich  das  e  in  P.  C. ,  Sol. 
Aug.  und  den  kentischen  Evangelien  vertreten.  Hieraus  möchte 
Meyer  (§  14. 1)  auf  einen  offenen  laut  schliessen.  Ob  das  an- 
geht, scheint  mir  jedoch  zweifelhaft,  denn  ich  weiss  von  nichts 
in  der  späteren  entwickelung  der  spräche,  was  diese  theorie 
stützen  konnte.  Das  eine  beispiel  hcer  lässt  sich  leicht  durch 
angleichung  an  Öcer  erklären;  die  form  findet  sich  übrigens 
bei  Orrm  (vgl.  Sweet  HES  §  673). 

I.  e  =  wg.  e.  her  I  543, 37.  11  96, 1. 8.  163, 7  etc. ;  hcer 
II  289, 17.  m  306,  24;  hcerlufan  ebda.  z.  23 ;  hceron  11  *296,35. 
*411, 11.  IV  76, 19;  reduplicierte  praeterita :  Äe^  IH  416, 7. 8. 17. 
IV  34,  7.  K III  353,  24;  het  II 163, 26 ;  Ut  II  262,  7 ;  leton,  -an, 
1543,38.  n  251,34.  IV  76,6;  ^ofc^  KIH  361,  23;  toloet  Jl 
289,15;  l(Btan  IV  170,19;  fenge  01416,11;  onfeng  0  596,38. 
m8, 19.  116,13.  117,17;  onfengon,  -an  0  568, 36.  10  273,32; 
onfwnc  O  *485, 37.  lO  *62, 35;  ared  O  251, 35. 

Anm.  1.  Die  einsilbigen  pronominalformen  mit  auslau- 
tendem (gedehntem)  e  zeigen  schwanken  zwischen  e  und  cBj 
das  sich  nicht  allein  auf  X  beschränkt,  sondern  in  hohem  masse 


488  R.  A.  WILLIAKS, 

auch  bei  den  anderen  Schreibern  vorkommt.  Dies  beruht,  wie 
mir  scheint,  auf  dem  vorkommen  dieser  Wörter  im  satztiefton, 
nach  dem  muster  der  proklitischen  Partikeln  be,  de,  ge-.  Bei- 
spiele: he  I  544,4.  H  79,26  etc.;  he  II  252,11.  HI  306,30; 
hce  I  544, 4.  H  208, 6.  IH  432, 27.  K IH  *360, 26 ;  wd  U  568, 36 ; 
woe  TL  *282, 10;  me  äs.  U  96, 7. 10. 13.  HI  417, 2  etc.;  mce  U 
♦282, 2. 4. 5. 8.  *410, 37  etc. 

Anm.  2.  Gedehntes  e  erscheint  in  toel  n  96, 1 ;  geramode 
(ppt.)  K  in  361,  8. 

U.  e  =  i-umlaut  von  6:  Casus  obliqui  zu  böc:  bec  1196, 1. 
K  m  203, 12.  353. 4;  bcec  H  244, 13.  HI  106, 37 ;  bece  (acsf.)  TL 
118,29;  bechan  und  bcecan  (zu  b6ce)  TL  495,22;  stedan  (acs.) 
Kni362,35.  363,11;  /6^(plu.)n262,16.17.19,  (ds.) HI 273,27; 
fcet  ebda.  z.  28;  bremelöoman  TTL  476, 18;  bremeles  sceagan  TL 
368, 3 ;  brcembeMyfelan  TLl  *62,  26 ;  brether  (ds.)  TL  583, 22. 24. 25 
etc.  (9) ;  meder  (ds.)  11  96, 20 ;  gerefa  TL  96, 24 ;  gereflande  I 
544,1;  (bsUb TL *282,b;  grenanU 206,28,  413,5.  HI 303, 33  etc.; 
grenlege  IV  27, 10 ;  grcenan  TL  *296, 9.  K  HI  *176, 17.  IV  96, 1 ; 
grcmlcegoe  IV  *27, 10 ;  soeUst  11 163, 1 ;  twegen  TL  81, 8.  583, 21. 
111273,28;  twegea,  -ra  1544,1.  Km  360,18  etc.;  twegrcem 
{m  aus  dem  nächsten  wort  herübergezogen)  IH  416, 28;  twcegen 
1*548,15;  begra  KHI  361,24.  IV  279,20;  gecweme,  -re  HL 
416, 13.  417, 1 ;  behefre  (compar.)  11 208, 4;  gemedon  (zu  gemede) 
K  ni  353, 7 ;  stamm  ^könio-  in  eigennamen :  Cenwald  I  548, 39 ; 
Cenelmestune  HL  306, 21;  Chenewlf  11  73, 8;  ea  in  Ceantoald  H 
380,9;  JSreanwZ/" K  m  303, 30 ;  Cocenes  1 107,20;  verbalformen: 
deä  TL  96, 31.  IV  233, 31 ;  gebete  HL  417, 10  etc.  (5  mal);  geboBte 
TL  *411, 2.  3.  m  183,  20.  306, 30;  gefede  K  HI  362, 27 ;  afedde 
K  m  364, 10;  grett  (3.  s.  praes.)  IV  229, 15;  gecwemaÖ  11  96, 2; 
gescecen  K  IH  *361, 6. 

Anm.  3.  Zu  gerefa  begegnet  eine  gekürzte  form  reve  ds. 
I  514, 23. 

EH.  Langes  e  durch  kontraktion  (Bülbring  §  217)  hat  ece 
passim ;  ecnesse  TL  96, 25.  357, 14  etc. ;  ecelice  TTL  502, 4 ;  cece 
TL  243, 2  etc.  (4) ;  cecere  TL  529, 35 ;  cecelice  11  *410, 29 ;  cecelecum 
ebda.  z.  32. 

Gruppe  2. 

ece  in  298, 22.  IV 106, 11,  ohne  akzent  in  100,23;  ttoegefiy 
-ea  TL  366,23.  367,  6;  begea  IL  366,  20;  bremeles  sceagan  TL 
364,  7 ;  Cer^waJd  TL  365, 6;  Cer^ulf  Hl  297, 13. 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.     489 

§  14.     Aws.  /. 

Das  i  ist  im  dialekt  des  Cod.  gut  bewahrt.  Es  wird  je- 
doch mit  ziemlicher  häufigkeit  durch  y  vertreten.  Im  allge- 
meinen dürfte  das  eintreten  des  y  häufiger  in  der  nähe  von  w 
oder  liquiden  sein,  was  jedoch  nicht  ausschliesst ,  dass  im 
stamme  hid  y  15  mal  erscheint.  Zu  hriöer  begegnet  auch  neben 
zwei  y  je  einmal  u  und  ie\  beide  sind  wohl  als  Schriftbilder 
für  y  aufzufassen. 

L  i  nach  w  und  liquidien. 

a)  nach  w :  wiöig  IL  533, 29  etc. ;  widegas  HI  8, 16 ;  wigiöe 
(Schreibfehler)  IE  296, 19 ;  wiöiggrafas  I  257, 14 ;  wiöigsled  11 
171,32;  wiöigmor  I  229,4;  widigleagdte  ebda.  z.  3;  WidigUa  I 
228,  13  etc.;  widigcumh  II  76,  15;  widigdyfelum  H  358,  19; 
vnÖigmoßre  11  444, 17 ;  Wiöig ford  K  EH  252, 20;  widighamme  TU 
632,11;  Wide  H  410,3;  widan  II  207,4  etc.;  widancumb  II 
244, 2 ;  widancumb  II  440,  6.  504,  26 ;  wiöan  mced  II  74, 28 ; 
(Ä)M7itow  passim;  composita:  Hwitanleage  I2b8,l;  Hwitancyrice 
11294,1;  witleage  II  2^%,n\  Hwitcyrcan  TU  41h,20,  K  HI 
203,  23 ;  witfaldes  11  301, 19 ;  y  zeigen  wytleahe  HI  478,  13 ; 
wytan  wyröe  1115,4.  K  0  302,  2;  wie  11304,23;  mtWie  IV 
96,  3;  wiehomm  I  548,  9;  Wieham  K  III  360,  14;  wicleage  I 
542, 33 ;  wieherpad  IH  268, 29 ;  mehlyde  K III  338, 1.  IV  95, 34 ; 
toicehrycg in i:^22i\  ^örww;/cIII478,15;  staeginwicumU 485^32] 
hnuttwie  11413,4;  sihterwie  III  349,29;  y  in  Öornwyean  JH 
478,16;  wites  (gs.)  IV  51,26;  witedeowe,  -ne  II  251,16.  HI 
432,  30.  K  ni  360, 6 ;  witefcestne  K  IH  361, 15 ;  hellewite  HI 
417,9;  hwile  n441,6.  504,26  etc.  etc.;  wile  H  208,6;  wifUl 
432, 34.  IV  279, 32;  wife  II 162, 27  etc.;  wisie  (3.  s.  conj.  praes.) 
m  183,21;  swina  II  282,14;  swinesheafod  1  546,26;  swin- 
human  EL  304, 20;  swinhamman  IV  27, 18;  swynhamman  ebda.; 
swynhroe  II  549, 31;  swide  H  282, 24.  K  IH  353, 17;  swyde  II 
96,  24  zweimal,  282, 10.  K III 203, 9 ;  [swuöoe  EL  282, 5;  swudum 
ebda.  z.  6  sind  Schreibfehler  für  swilee,  swileum.  Der  Schreiber 
hat  seine  vorläge  falsch  gelesen] ;  in  eigennamen :  Swidhun  TL 
119,12;  Swithun  1179,14  etc.;  Suudune  IV  229, 19;  Swidulf 
TT  380,27;  ^Ifswidm  H  530, 28;  ^Iswiöe  H  531,9;  JElfsiöas 
TTT  432,  32 ;  Jilfswyd  K  EU  353, 12.  VI  134, 22 ;  lyrhtswyde  ITL 
305, 25 ;  häufig  als  erstes  und  zweites  glied  zusammengesetzter 
eigennamen  ist  wig:    Vihald  I  48,  12;    WigÖegnus  I  516,  8; 

AngUft.    K.F.    XIU.  32 


490  R.  A.  WILLIAMS, 

Wigferd  IL  600, 28 ;  Wigred  U  163, 21 ;  Wighelm  EL  276, 5 ;  Wig- 
stan  n  136, 1 ;  Wimtind  TL  262, 31 ;  Winod  TL  272, 1 ;  mggerdes 
m  356, 4 ;  Wiglaf  H  280, 15 ;  Wiglummes  I  554, 29 ;  wilames 
m  116,3.  117,5;  Wigea  {=Wigheahf)TL2h2,2^.2Q\  Oswig 
m  269, 10;  Eadwig  TTL  106,20;  ^scwig  111433,1;  JSÖelmg 
K  m  190, 4;  JElfwig  TU  143, 30;  Byrhtwy  IV  27, 28. 

Anm.  1.  Wighen  TL  262,  28  ist  sicher  stÄtt  -hdm  ver- 
schrieben. 

Anm.  2.  Wahrscheinlich  zu  swi^  gehört  hrceges  wyöce  stance 
TL  296, 26,  verschrieben  briö  suide  stan  TU  268, 32  (vgl.  Bregu- 
suld  OET,  s.  526).  Ebenso  cealcswyde  (statt  EaJhsujydef) 
dell  n  444, 11. 

b)  nach  liquiden :  riäe  TL  358, 22. 28. 29.  549, 31  etc.,  colriJfe 
n  301,  21;  bröcride  TL  358,  22;  cealcriäe  IV  49, 10  zweimal; 
[Rimtune  TL  442, 13.  LH  105, 29?  vgl.  K.  VI  register]  hriäru  TL 
282,  13;  rydcBres  heafod  EU  176,8;  rüderes  heafde  ebda.;  cet 
EryÖerafelda  K  m  362, 5 ;  hrieöeru  TL  290, 1 ;  gewritan  KpTT 
353,24;  odri/an  11 163, 27 ;  gewryöenne  int  Vf  hl^Z2\  geÖristlice 
111183,19;  ^n%a  in  432, 16;  ^nVcB^fwwK  111360, 21;  heofonan- 
rice  ni  417, 8 ;  hcefama  rice  TL  411, 1 ;  richide  TL  494, 22;  -ric 
ist  häufig  in  compositis:  Osric  TL  77,25;  Wulfric  11290,29; 
JElfric  II  304, 1 ;  Siric  II  486, 21 ;  Burgric  TL  410, 18 ;  Byrhtric 
n  342, 9;  ^äelric  K  HI  159, 14;  Eadric  I  549, 16;  Cynrices  I 
257,22;  Bymric  TLL  164,5;  Leofric  TTL  142,18;  FryÖerico  TTL 
26, 23 ;  JEgelric  IV  234, 3 ;  einmaliges  y  in  Wulfrycce  DI  145, 10 ; 
GrimkilluSy  -gillus  (an.  Grimkell)  IV  69, 15.  91,11  etc.;  FridcB 
Km363,31;  K/e5lI96,l.  IE  432, 27;  K/ein402,34.  501,24; 
lyfe  II  244,  12. 13 ;  licaman  K  m  360,  3 ;  lictune  II  262,  18 ; 
linford  TL  341,  20 ;  linforda  II  341,  18 ;  linlea  TL  368,  8  etc. ; 
linor  III  227, 29;  lyne  stede?  TTL  478, 16;  licode  TL  96, 24.  KUX 
203,8;  limbuman  11413,8;  Limburnan  Km  176, 21;  Lympol 
K  m  199, 34;  sliht  (3.  s.  praes.,  statt  sl0  zu  slidanT)  TTL  478, 7. 

Anm.  3.  drifh  TLL  501, 19  und  Brife,  Brifde  ebda.  anm. 
sind  mir  nicht  klar.  Sie  scheinen  auf  einem  missverständnis 
des  Schreibers  zu  beruhen. 

n.  Sonstige  belege  für  {. 

ic  (öfters  akzentuiert)  n  96, 8  zweimal,  262, 1. 5.  etc.  eta ; 
hid{e)  (ns.,  acs.)  IV  96, 3.  K III  203, 13  etc.;  hida  passim ;  hidm» 
n  504, 13;  Mdtm  XU  8,  21;   richide  U  494^  22;   y  kommt  in 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIEKSIS.     491 

diesem  wort  ziemlich  häufig  vor:  hydce,  -a,  -um  n  357,  13. 
381, 9.  439, 12  etc.  (15  mal) ;  die  (m.  oder  f.)  häufig  akzentuirt, 
passim;  dices  gs.  EL  206,30.  m  227,  22  etc.;  dicas  acpl.  HI 
356,1;  composita:  dicgeate  II  301,21;  dicwäle  HI  106,5.8; 
mor^c  n  442, 31 ;  mordtc  IIL  106,2;  hdmdic  1180,28;  igdic 
1181,2;  dundic  II  77,12;  hiwan  (npl.  öfters  akzentuiert)  n 
208,3.  296,29.  251,33  etc.;  higan  U  162,24.  163,5;  Mwum  U 
207, 27 ;  hina  III  240, 30. 32  etc. ;  einmal  y  in  hywan  (npl.)  11 
280,3;  hiwisce{s)  11208,6.  241,24.  442,34;  5c{r6(gs.) HI  176,11; 
scirdegenas  1 544, 8 ;  scirhiltce  1 548, 11.  II 460, 31 ;  Scirhurnensis 
K  m  303, 18 ;  Hamtunsdre  K  III  203, 6 ;  scyr^oegenas  IV  170, 25 ; 
{scirdel  11  303,  21  ist  zweifelhaft  wegen  scipdel  1  257, 15.  m 
66, 15) ;  fif  n  262, 4.  341, 27  etc.;  fiftyna  HI  432, 6;  fifta  HI 
145,31;  fiftig  H  282,14;  oet  Fifhidon  HI  651,5;  fifbeorgan 
ebda.  z.  25;  isenhyrstegate  III  632,  10;  isenhyrstengeat  ebda. 
z.  33;  isengrafas,  isengrafan  II  444, 19;  isanpyttan  TL  71, 11; 
ysanpyttan  ^MdL.;  i/?Ätow  II  412, 36. 37.  K  III  176,  8;  ibihttan 
11171,34;  ibihtan  ebda.;  timan  (dpi.)  IV  233,  2. 11;  tyma  Hl 
106, 37 ;  finie  (dsm.  oder  n.)  n  357, 28 ;  adfini  (ds.)  ebda.  z.  27 ; 
Cleran  finie  II  358,30;  ßnleage  II  301,17;  populfinige  KELI 
219, 8 ,  iw  (acs.)  K IH  218, 33 ;  iwe  (ds.)  K IH  219, 1 ;  iwiga^  TL 
456,28;  IwwcumbKITL  218,32;  Iwwacumbe  ebda.;  ywyrstce 
(=  iwhyrst?)  IV  27, 11 ;  tvisa  (nsm.)  K  HI  203, 11;  edmeltide  TL 
289,25;  /br^^^'^e III 402, 36.  403, 3 etc.;  5iceIII356,ll;  siceseMdi,; 
medwe  sice  K  III  215, 32 ;  sdda  felda  III  134, 19 ;  sddhrcece  II 
241,29;  sdddell  HI  268,  31;  min,  -e,  -es,  -ne,  -um  IL  96,13. 
282, 3.  410, 36  etc.  etc.;  mire (dsf.)  K HI  364, 9;  minra (gpl.)  IV 
51, 24;  mira  III  501,21  anm.;  y  begegnet  in  mynre,  -a  TV  51,23. 
229, 20. 21 ;  myra  HI  501, 21 ;  öinum  H  282, 12 ;  dinr(B  (ds.)  K  HI 
360, 5 ;  dyrce  (ds.)  ebda.  z.  1 ;  scrin  K  m  360, 8 ;  adilgade  ITL 
416,24;  idel  m8,15;  cet  Biggraf  an  K  HI  363, 18;  TidhelmTL 
410,  22;  Sideman  [vgl.  an.  Stöu-Hallr  und  StÖu-menn  (Vig- 
fusson,  Sturlinga-Saga,  Index  II)  =  "the  men  of  the  district 
Sida'']  III  623,  27.  649,  28;  Sydenian  TL  360,9.  m  520,34; 
Stigand  I  543,  37  etc. 

Gruppe  2. 

tmäig  n  447, 31;  wiöigmor  H  436, 36;  WiÖigUa  H  437, 30 
etc.;  wifes  H  367, 19;  Eadwig  11199,19.  100,6;  Wighelm  TL 
285, 15 ;  Wired  U  365, 16 ;  Wiferff  TL  366, 5 ;  mtan  (dpL  zu  wite) 

82* 


492  B.  A.  WILLIAMS, 

C.aX17;  SwiffulfU  86^,24:',  Wulfswyäe  HUI,  11.  449,9; 
linkage  11  S6S,b.  364,12;  Kc  subst.  H  366, 22.  367,15;  life, 
rice  C.  C.  X  17.  Namen  auf  ric  passim ;  die  (4  mal  akzentuiert) 
passim ;  hide  (ds.)  H.  C.  43  C  8  zweimal ;  hida  (gpl.)  n  367, 6. 
m  100,16;  ÄyGfam298,20.  IV  106, 10;  hid€bumingaU284t,36; 
min,  -6,  -es  etc.  II  366, 19. 22. 24. 26  etc.,  kein  y;  fifU  366, 22; 
Särbumensis  IV 105, 37.  RC.  43  C  8 ;  Tidehn  H  365, 12 ;  GHm- 
killus  IV 104, 35.  H.  C.  43  C  8 ;  ic  II  366, 19.  367, 2. 3. 5;  stigand 
C.  C.  X  17. 

§  15.     Aws.  y 

ist  fast  durchgehends  erhalten,  i  erscheint  sehr  selten  ausser 
im  stamm  lytel,  das  schon  aws.  von  micel  beeinflusst  schwanken 
aufweist.    Einmal  kommt  u  =  y  vor. 

Beispiele :  cyöe  (1.  s.  praes.)  K  in  203, 6.  353, 2  etc. ;  cyä 
(3.  s.  praes.)  II  207, 27.  244, 10  etc.;  cyffde  11  97, 2;  cydde  K IH 
363, 33 ;  belyc^  (3.  s.  praes.  zu  lücan)  III 306, 25 ;  syöeran  (acsm.) 
n  242, 19 ;  fyre  IH  403, 1.  IV  52, 9 ;  mmrfyr  H  243, 3 ;  ÖyfeU  0 
(ds.)  m  296, 23 ;  hyndesöyfel  ebda. ;  widigdyfelum  11  358, 19 
hr(BmbeMyfelan  III  62,  26;  rymette  (ds.)  IH  416,  7.  10.  11. 17 
rymet  ebda.  z.  9;  gerymen  ebda.  z.  17;  gauoUininga  11  241, 30 
äy  ni  416, 14.  502, 15  etc.  einmal  du  H  411, 9  und  ^f  H  209,9 
yferlea  III  305, 19  (vgl.  zu  yfre  unten  gruppe  2) ;  mchyöe  K  DI 
338,1.  IV 95, 34;  lytelll20%,12\  Zy^(Oian II 357, 30 etc. (13 mal); 
lytlilan  m520,8;  gelyttlie  H  96,30;  lit(t)el(ne)  I  542,24.  U 
596,34.  568,28;  «^(O^aw  I  543, 1.  547, 27  etc.  (10) ;  eigennamen 
auf  öfryö:  JElfÖryÖ  111502,32  etc.;  JEdelöryÖe  KIII  362,26 
etc.;  zweimaliges  i  in  JElfdrid K III  173, 8;  WulfHÖe  (Schreib- 
fehler) II  162,27;  eigennamen  auf  -gyd:  Fridogyda  1228,10; 
Frydogydw  1229, 17;  Frygegyäall  436,7  etc.;  Eadgy ff IV 96,13; 
Wulfgyd  K  HI  353, 11 ;  Byrngyde  K  HI  215, 29;  eangyOe  Mew 
m  204, 23;  einmaUges  i  in  Eadgiff  IV  109, 1.  229, 25.  ffierher 
brydbeorh  EI  145,26? 

Gruppe  2 

hat  blos:  yfre'^)  acsf.  II  364,6;  EadgyÖVf  105,23;  FrydegyÖa 
n  436,  7 ;  litlan  U.  437, 1. 

0  Ich  bin  Sweet  in  der  ansetzung  dieses  wortes  mit  länge  gefolgt, 
Tgl.  OET  639,  wo  synkopierte  formen  ans  den  alten  glossen  belegt  werden. 
<)  Leo  setzt  öfer  und  yfer  an  und  citiert  Hänyfre. 


DIE  VOKALE  DEB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      493 

§   16.      AWS.   0. 

Das  6  bietet  zu  keinen  besonderen  bemerkungen  anlass. 

Belege :  mor(e),  -es  I  229,  4.  m  355, 32  etc. ;  Mordune  U 
533,24;  mordic  HI  106,2;  mortun  II  207,7;  cyolingmor  11 
II  456, 32 ;  widigmor  I  229, 4 ;  hoc  passim ;  landboc  TL  459, 16 
etc. ;  bocungce  II  486, 26 ;  gebocian  IV  34, 7 ;  bociunnce  11 382, 5 ; 
{ge)bocode  I  539, 13.  II  378, 14  etc;  gebocodon  U  262, 12;  broc, 
-es,  -e  häufig  akzentuirt  passim;  composita:  brochangran  DI 
305, 20;  brochylle  H  532, 16;  bröcride  11  358, 22;  mylebroce  IV 
105,4;  segbrocelJlU%lQ\  Higbröc  TiU2,U\  blddmbröc  U 
76, 20 ;  headdingbroc  U  77, 21 ;  Beaddincbroc  U  76, 5 ;  befer- 
broces  U  532, 13 ;  swynbroc  11  549, 31 ;  mearcbroce  U  357, 22. 25 
hlyäe  broc  K  IH  215,  26;  stowe,  -on  U  96,  18.  252,  10  etc. 
bumstotv  II  412, 39;  cwedlmstowe  11  81,  7;  cötstowa  TU.  607,16 
holdingstowe  U  304, 26;  rode  (gs.)  I  540, 9.  II 135, 27  etc.;  rödce 

I  542,40;  rodes  (gs.)  II  163,8;  cocrodoe  TL  157,15;  /lode  (acs.) 
m  292, 27;  flöde  0  303,31;  flodan  H  358, 16. 17  etc.;  do  U 
411,6  etc.;  dö  HI  183,19;  gedon  TL  163,6  etc.;  bisceopstole  11 
207,  29  etc.;  broäor  II  208,  5  etc.;  modor  (acs.)  IH  432,  28. 
K 0  360,26';  fostermodorKTnS63,i;  mWormodörK  111364, 9; 
stod  (3.S.)  lil  416, 16;  stode  (3.  s.  conj.  praet.)  m  402, 18  etc.; 
stodes  (gs.)  K  m  363,  25 ;  stodpeÖ  III  204,  22 ;  stodleage  11 
242,1;  5^0^/aW  II 141, 31 ;  5?ö  H  358, 31  zweimal ;  foöera  TT 
241,  29;  fosUer  11  411,6;  fostorlande  ITL  402,  26;  gemot  IV 
233,28;  gemotbeorh  1546,25;  gemotleage  TL  77,11;  mofUeÖu 
IV  233,  23;  böte  (ds.)  K  HI  360, 37.  361,3;  böte  11252,4;  ded- 
böte  n  411,3;  woh  (acsn.)  IH  183,  19;  wogan,  11  80,  24.  25. 
81, 9. 10;  wohlincan  TL  444, 16;  (wot  treow  TTL  632, 13  hierher?); 
mote  (3.  s.  conj.)  K  IH  359, 32;  moste  (1.  s.  praet.)  K  IH  363,33; 
moston  K III 353, 14  etc. ;  brombuman  1 548, 14 ;  bromfceld  ebda, 
z.  15;  brömdcene  TL  379,5;  Brombrygce  TU  415, 17;  fon  (3.  pl. 
conj.)  II  290,  7 ;  for  (3.  s.  praet.)  11 96, 13 ;  fore  (1.  s.  praet.  conj.) 
ebda.  z.  11;  god  (acpln.)  rV51, 30;  godat^  111402,21;  sonaTL 
71,6;  fota  gpl.  111416,29;  gelogode  (praet.)  111402,21;  harn- 
socn  IV  233,7.22;  mondum  ebda.  z.  16,  24;  fröfre  HI  106,41; 
gesohte  II  96, 27;  brocton  (1.  pl.  praet.)  K  III  353, 17;  hyssapol 

II  243,33;  Polhcematune  TL  492,1.16;  Lympol  K  IH  200,1; 
hwon  (adv.)  II  358, 27.  568, 28.  596, 34;  hwon  TL  358, 22;  domes 
IV  229,  23;    fodan,  (dpi.)  ebda.  z.  20;    modigan  TTL  402,  19; 


494  B.  A.  WILLIAMS, 

hocedan  111292,28  zweimal;  how  acsn.  (zu  MhT)  1548,7.  11 
460, 27;  locscyldes  K  m  363, 14 ;  s&me  ds.  m  416, 21 ;  goosdcene 
n  296, 17 ;  gosleage  11  358, 29. 32 ;  gose  broc  K  HI  215,  20. 88; 
oslanwyrd  U  494, 23 ;  OseJbyrig  UI  412, 17 ;  offer  U  879, 4  etc. ; 
offre  I  542, 25.  11 208, 11 ;  odeme  I  542, 28  etc.  etc.;  os-  in  eigen- 
namen:  Oswig  JI  381,6;  Oslac  TU  498,37;  Osric  11  77,  25; 
OsulfU  271,S8]  Oswald  n  135, 37;  Osgar  HL  477,2;  Osmund 
n  77, 25;  Osweard  IH  269, 11 ;  Osmodi  H  207, 19;  Osferä  HI 
355, 14;  Osgod  IV  76, 3. 5. 22  (dazu  Asgod  IV  52, 82);  Osoytel 
Hl  66, 37 ;  eigeunamen  auf  nöö:  JEMnoä  II  394, 5 ;  JElfnoff 
m  649, 30;  Beorhtnod  H  163, 15;  EadnoÖ  IV  76, 14;  HeaknoÖ 
n  457, 22;  WinodU  272,1;  WulfnoÖ  I13h^,3\;  Ordnoä  IV 
279,17.30;  eigeunamen  auf -mod:  Beommod I5Qi,7;  Deormod 
n  172, 14;  Heremod  n  290, 33;  O^wodi  11  207, 19;  wodnes  I 
542,22;  Oda  1 549, 14  etc. ;  bocmeres  I&bi,  33.  HI  116, 6.  117,9; 
bohmeres  1 148, 31 ;  bosan  hangran  (Sw.  setzt  Bösa  an,  0  E  T 
s.  642)  n  492,20;  Hrodwardus  (Sw.  s.  641)  11  342,  6;  rod- 
mundes  (vgl.  ahd.  Hrodmund,  llruodmund  etc.)  IE  410, 1;  Johan 
n  275,36;  Toui  (vgl.  an.  Tofi)  IV  34,  34;  Touig  IV  49,  32; 
to  sehr  oft  akzentuiert  passim;  od  passim. 

Anm.  1.  Jedenfalls  mit  länge  anzusetzen:  toulfhoran  H 
301, 19 ;  Undhoran  II  504, 23. 24 ;  lindoran  U  441, 3  zweimal ; 
Bucgan  oran  1 148, 28.  554,28.  HI  117,4;  bocgan  ora  HL  116,2, 

Anm.  2.  Hierher  ziehe  ich  stroÖ  LH  106, 8 ;  strod  H  442, 84 ; 
strodes  ebda. ;  strode  ebda.  z.  35 ;  Wolff  s.  37  führt  dieses  wort 
unter  ö  an,  dass  es  jedoch  langen  vokal  hatte,  beweist  ahd. 
struot,  bei  Graff  VI,  751.  Man  vergleiche  auch  folgendes  citat: 
^At  ebb  (he  Ray  can  only  be  reached  from  the  old  Boman 
causeway  y  called  the  Strood"  Mehalah,  a  story  of  the  Salt 
Marches  (Essex).    Tauchnitz  Ausgabe,  bd.  1955,  s.  8. 

Anm.  3.  Vielleicht  mit  länge  anzusetzen  wegen  der  ein- 
silbigkeit  ist  don  instr.  zu  se.  Es  steht  adverbial :  11  410, 85, 
297,33;  öön  m6,23. 

Anm.  4.  Hierher  ziehe  ich  hodes  LH  476, 16 ;  Hodingatun 
IV  107, 33.  108, 17,  vgl.  ne.  eigeunamen  Hood. 

Gruppe  2. 

boc  H  285, 35 ;  gebocode  H  437, 28 ;  broc  m  8, 81 ;  brom- 
bricge  II  284,  28;  broder  C.  C.  X  17;  lochtoa  ebda.;  mor  H 
436,34;  ^MnoöH28b,33;  JVulfnod  H36Q,b;  ^Ifnoö  ebda. 


DIE  VOKALE  DES  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      495 

z.  9;  Byrhtnod  TU  298,17;  Eadnodus  IV  105,33;  OsferÖ  TL 
285, 21 ;  oswaldes  II  363, 37 ;  Oscytel  HL  100, 11 ;  Osulf  ebda. 
z.  12;  O^M^erd  IV  298, 20 ;  O^^od  IV  106, 2 ;  0^11364,1;  offeme 
n  367, 12 ;  rode  EL  284,  38 ;  stowe  U  366, 30 ;  stodleage  11 284, 31 ; 
to  passim ;  wodnesdic  n  447, 30. 

§  17.    Aws.  ü. 

Das  ü  bleibt  erhalten.  Merkwürdig  ist  jedoch  die  er- 
scheinung  von  y  in  süd  (7  mal) :  sporadisch  tritt  auch  o  statt 
ü  auf,  was  wohl  im  einzeln  auf  Schreibfehlern  beruht. 

Die  beispiele :  tunce,  es  KHL  360, 6.  HI  501, 20 ;  tunstedl 
K  in  193, 14 ;  tünweg  II 495, 24 ;  Beaddinctun  IL  281, 3 ;  Hundu- 
tune  II  304,  10;  Wudutune  IL  494,  11;  Hanitune  IV  27,  4; 
Buntun  147,7;  Niwantune  11538,25;  Westtune  K 111338, 5; 
Bisctun  Km  3b3, 10;  Mollintüne  KHL  362,15]  cyUatun  H 
207,3;  Afintun  III  292,7;  Eastune  III  183,8;  Ceorlatunoe  HL 
432, 5 ;  Ehincgtxmn  II  235, 6  etc.  etc. ;  zuweilen  erscheint  ab- 
schwächung  im  zweiten  gliede :  Tantonie  IL  270, 30 ;  Tantone 
n  75,3  zu  Tanttm  II  271, 13;  Overton  HL  26, 16  zu  Ofoertune 
ebda.  z.  24;  cet  Stätanvvlle  III  6,2  zu  cet  Suttunce  wylle  m 
5, 17 ;  dune  öfters  akzentuiert  I  47, 32.  11  504, 24  etc. ;  dundtc 
H  77,12;  dunsdihle  III  116,8  (==  dunstigele);  beorhdune  H 
358, 23;  ^scesdune  II  583, 23;  fedrndüne  II 304, 21;  Ellendune 

III  127, 3. 18 ;  Bleodune  in  141, 12  etc. ;  ein  paar  mal  kommt 
0  statt  u  vor:  done  (acsf.)  KIII  302, 11 ;  punges  done  H  532, 4; 
middeldone  HL  145,29;  Bunstan  KIII  176,26;  a-,  d-,  an-,  on- 
dun{e)  1229,10.  II  440,35  etc.;  su^  passim;  composita;  su^- 
seaa^na  IL  301, 18;  su^scb  LH6,26;  suöhMe  H  208, 16;  Suth- 
rian  II  300, 30 ;  sudleage  H  492, 23 ;  sudgeat  HL  62, 33 ;  suÖ- 
wealle  III  416,  27;  sudrichte  IL  262,  13;  suffwest  H  262,  14; 
suöweard  IL  357, 22  etc.  etc.;  die  belege  für  y  in  diesem  stamm 
sind  folgende:  5yd^I548,8.  11367,24.  in296,23.  KHI  176,15. 

IV  49,  7 ;  sydrichte  II  367,  21 ;  sydtuninga  HL  446,  28 ;  ut{t) 
(häufig  akzentuiert)  passim ;  uteweardne  H  379,  7 ;  geutode  (3.  s. 
conj.  praet.)  in  402, 14;  utan  H  456, 31. 32 ;  (a-,  on-)  hutan,  -on 
n  96, 30.  208, 3  etc.  etc. ;  beuten  I  542, 26 ;  beüton  H  208, 12 ; 
rüge  (acs.)  11304,32;  rugan  1545,14.  11118,25  etc.;  ruwan 
1542,34.  n  208,21  etc.;  ruganbeorh  11  77,9;  fulan  147,25. 
545, 5  etc. ;  surode  IV  93, 5 ;  nu  zuweilen  akzentuiert)  11 96, 7. 26. 
252, 12  etc.;  hu  II  583, 15;  hü  HL  416, 15  etc.;  aus  m  172, 10. 


496  B.  A.  WILLIAMS, 

415, 14.  E  m  203, 15;  hludebuman  m  176, 12;  JudOurnrnford 
m  655, 26;  ludan  beorh  U  600, 11.  HI  204, 24;  ludanalrum  U 
74,25;  hlydun  cewyhnas  1180,27;  5cmdan  (dpL)  IV  229, 20; 
Scrudfultume  H  583, 12. 18 ;  brucan(n(e)  (inf .)  11  282, 5.  K  IE 
353,14;  brucenne  11163,1;  bruce  (3.  s.  conj.)  HI  432,25.  IV 
76,  5;  bruccm  (3.  pl.  conj.)  K III 360, 33;  geuffe  (praet)  11 583, 11. 
96, 5. 16  etc. ;  geudan  (3.  pl.)  IV  279, 18 ;  duhte  K  HI  363, 35 ; 
aburod  (ppt.)  II  282,9;  burbcerde  II  252,16;  suran  I  229,10; 
hellesusle  LEI  502, 4 ;  Eadgylses  muöan  I  546, 27 ;  WylUs  mnnSa 
E  111200,1;  ulandelle  II  298,14;  Mandel  ebda.  z.  16;  «Icm- 
hyrste  III  649, 15 ;  ducelingdune  IV  92, 31 ;  trutoan  (aca)  DI 
432,23;  hluttorealoö  U  290,1;  us  111432,30.  IV51,21;  iw  11 
282,23;  ures  111416,18.  502,2.  IV  52, 3;  ure  n96,21;  urum 
n  282,24;  Cuthred  1 149, 15;  Cuömund  H  74,34;  Cudulfiu  I 
594,28;  Hunfridus  I  258,11;  Hunsige  H  135,6;  HunlafU 
381,6;  Hunes  1516,15  etc.;  Humbertus  1594,25;  Huberhts 
ebda.  z.  29;  Swidhun  II 119, 12;  Wulfhun  H  298,38;  ^Ißun 
E  III  189, 34 ;  Eadhun  1 594, 8 ;  ealdhunes  TL  296, 26 ;  TunbearU 
n  164,1;  Tunberö  II  16S,  18;  Gw*t«w  II  342,22  etc.;  Guä- 
mund  II 77, 24 ;  Dunstan  UI 241, 5  etc. ;  Wulfrun  K  UL  214, 27; 
Wulfrunce  E  III  216, 23 ;  Vhired  TL  380, 27 ;  Uihred  I  549, 13; 
Bruhham  I  257,  30  (Siv.  setzt  Örüh,  dagegen  Leo  Örüh  an); 
Bruhtham  I  257,  25;  Gxida  I  107,  12;  BruOgar  11  280,  19; 
Brudgar  11290,34;  Duduc{o)  (OET  s.  637)  IV  69, 14,  76,18; 
Cufa  (OET  s.  635)  II  272, 5;  Cnut  IV  26,18;  HarÖamut  IV 
68, 3 ;  Mucel (OET  s. 637)  II 136, 2. 8 ;  bruneshamme  11 242, la 
III  478,  14;  Bruningafelda  H  420,11.  Hierher  brunan  hyUe 
II  298, 79. 

Anm.  Das  lehnwort  Bured  (an.  Borär)  IV  27, 35.  91,22. 
94, 8 ;  Bured  IV  96, 37.  104, 10.  69,26,  dagegen  BareÖVf  27,86; 
Boro  IV  34, 35 ,  hat  ü  <  an.  6.  Ebenso  Bürig  IV  96, 19  n 
an.  Porir. 

Gruppe  2. 

brucenne  II  366, 25 ;  butan  II  364, 9 ;  HarÖacnvi  H.  C.  43 
C  8 ;  Budxico  IV  105,  34 ;  dune  TL  364,  5 ;  ddune  ebda.  z.  6; 
diinlandes  II  448,12;  Bunstan  lU  298,4;  GuÖrum  11365,9; 
Wulßiin  II  365,  10 ;  nw  C.  C.  X  17 ;  ruwan  11  364, 10 ;  «iiiie 
n  366,  27;  suran  II  486,42;  suä  H  363,29;  Uhtred  n  365,4; 
geuäe  II  367, 19. 


Dlfi  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8IS.     497 

Kapitel  lY.    Die  langen  diphthonge. 

§  18.    Aws.  ia. 

Aws.  ea  erhält  sich  in  der  allergrössten  zahl  der  belege, 
auch  vor  und  nach  g,  c,  sc  und  vor  h.  Es  unterliegt  jedoch 
kaum  einem  zweifei,  dass  das  ea  zur  zeit  der  entstehung  des 
Cod.  monophthongischen  lautwert  hatte.  Zuweilen  bringt  z.  b. 
die  Überschrift  einer  Urkunde  die  form  Ed-  (in  eigennamen), 
wogegen  im  text  der  Urkunde  Ead-  steht.  Wir  können  indes 
sicher  annehmen,  dass  die  Überschriften  späte  zusätze  sind,  die 
erst  entstanden  sind,  als  die  einzelnen  Urkunden  gesammelt 
und  abgeschrieben  wurden.  Die  Überschriften  sind  also  eigenes 
gut  der  jüngeren  Schreiber,  und  demgemäss  müssen  wir  an- 
nehmen, dass  Ed-  die  von  den  Schreibern  gesprochene,  -Bad- 
dagegen die  bloss  abgeschriebene  form  ist.  Wo  monoph- 
thongierung in  der  schrift  zum  Vorschein  kommt,  geht  das  ea 
weit  überwiegend  in  e  über,  ce  ist  viel  seltener.  Sieben  mal 
kommt  ea  vor,  beschränkt  sich  aber  fast  durchgehends  auf  X. 
Zweimal  ist  der  diphthong  als  ece  dargestellt,  und  einmal 
kommt  das  kentische  ia,  desgleichen  eo  vor.*)  Für  monoph- 
thongischen lautwert  spricht  auch  der  umstand,  dass  ea  einige 
mal  statt  des  alten  ce  erscheint,  s.  oben  §  12. 

Anm.  1.  Monophthongiert  war  das  ea  schon  spätws.  unter 
gewissen  umständen  (vgl.  Sievers  Gr.  §§  108,  2),  109),  und  sein 
lautwert  war,  wie  die  schrift  sowie  die  spätere  entwickelung 
zeigt  geschlossenes  e.  Später  zogen  sich  dann  die  übrigen  ea 
in  ce  zusammen.  Dass  für  dieses  ce  im  Cod.  meistens  e  ge- 
schrieben wird,  erklärt  sich  aus  der  tradition.  Den  Schreibern 
war  der  Wechsel  im  Schriftbild  ea  —  e  schon  von  alters  her 
in  gewissen  Wörtern  bekannt,  und  diese  Schriftbilder  behielten 
sie  bei,  auch  da,  wo  sie  der  neueren  ausspräche  entsprechend 
ein  0?  hätten  setzen  müssen. 

Anm.  2.  Durch  sein  cea  nähert  sich  X  dem  dialekt  der 
Sol.  Aug.,  worin  sehr  häufig  cea  erscheint,  vgl.  Huhne  s.  61  ffg. 
Der  P.  C.  ist  dieses  cea  unbekannt,  sonst  schwankt  die  be- 
zeichnung  zwischen  ea  (in  I,  II)  und  oe,  e. 

Anm.  3.  Leider  können  wir  wenig  belehrung  aus  einem 
vergleich  von  den  Verhältnissen   im  Coi  einerseits  und  in 

1)  Auch  zu  belegen  ist  kentisches  ie^  Tgl.  §  20  amn.  2. 


498  B.  A.  WILLUMS, 

gruppe  2  andererseits  gewinnen.  Gleichwohl  die  ans&tze  zur 
monophthongierung  in  die  spätws.  zeit  zurückreichen ,  wird 
uns  jedoch  das  bild  der  Vorgänge  verschleiert  durch  die  zfthig- 
keit,  womit  das  ea  sich  in  der  schrift  bis  in  das  XTTT.  jahrL 
hinein  erhält. 

Die  beispiele. 

I.  ea  <  wg.  au. 

a)  vor  c,  g,  h: 

1.  ea  erscheint  unversehrt  in :  ka  ^)  (leas,  leage,  leahe)  sehr 
häufig  akzentuiert  passim,  die  einsilbigen  formen  zeigm  fast 
ohne  ausnähme  Schwund  des  h,  composita:  leagdte  1229,3 
leasheal  H  295, 37;  WidigUa  HI  143, 8;  Faledlea  DI  415,27 
Crawanlea  IL  304,  8. 10;  sufflea  11  298,  2;  efslea  IV  45^  23 
^rawiea  III 655, 34 ;  strcetlea  HL  183,9;  Knfea  11368,8;  trm- 
dellea  HL  141, 34;  fyrsleage  II  504, 18  etc.  etc.;  heah  erscheint 
in  compositis  (die  abgeleiteten  formen  mit  Schwund  des  i 
nachher):  lieahdeorhunton  KIII  363,24;  JieaJikyUe  11444,15; 
häufig  in  eigennamen  z.  b.:  HeaJiferä  II  244,24;  HeahnoS  U 
457,22;  Heahmund  II  99,39;  ^delhedh  H  136,2;  Mlfheak  I 
548,36;  C^weAeaÄ  H  64,  4;  OrdÄeaÄ  H  505,  12;  Ceoleakll 
457,16;  EadheahLIL  227, 10;  6ea^a5  H  583, 21 ;  beages  KUl 
360, 21. 23;  swyrbeages  K  HI  360, 22;  beahhOcUB  11  94, 14;  heag- 
hüdce  n  549, 32;  eaca{n)  IV  51, 23.  TL  262, 11.  IV  76,  18;  o/«r- 
eaca  IV  279,25;  ofcereacan  Km  361,2;  toeacan  II  486,23; 
eac  (zweimal  akzentuiert)  II  96, 8  etc.  (7  mal);  hreace  11 241,28; 
Jreac  (praet.)  m  501, 23;  ^ea7in96,6.  KIII  353,20;  gtUA 
praet.  III  416, 23 ;  asmeagan  (infin.)  in  416, 8. 

Anm.  4.  Hierher  wohl  weac  (flussname  ?)  n  485, 27 ;  wiac 
ebda.  z.  29. 

2.  Es  erscheint  m  in:  Feamlceh  K  in  *229,8;  Wmdar- 
Iwhmced  K III  *229, 6 ;  cadinglcegce  K  m  *229, 27 ;  gramUBgm  IV 
*27,10;  ^Z/fe^e  III  *126, 21 ;  6öBÄtMe5toccc  IH  651, 22 ;  «W- 
hrcece  II  241, 29. 

3.  Es  erscheint  e:  leg  IL  206,  30;  Beonetleh  DI  409,  7; 
lege  II  494,17.   HI  292,24.   KEd  *252,35  etc.  (5);   fyrs-  wA 

^)  Genan  genommen  ist  diese  form  ein  faU  yon  kontnktioii.  Dft  du 
ia  jedoch  in  erster  instanz  anf  wg.  au  zurtLckgeht  (vgl.  ahd.  loh)^  habe 
ich  das  wort  hier  aufgenommen. 


DIE  VOKALE  DER  T0N8ILBEK  IM  CODEX  WINT0NIENSI8.     499 

forsUge  IV  90,7  etc.  (gegen  30  fälle);  leh  Em  361,28;  hehr 
hOdeshh  U  80, 25 ;  hehstrmte  U  356,  7. 8 ;  JElphego  H  419, 20. 
IV  134, 18;  Elfegce  ü  503, 31 ;  JElfegus  K  m  219, 18 ;  Behüäe- 
stocce  in  651, 22  anm. 

4.  Eeste:  Uce  147,22;  FcearnUeagiB  Em^29,32;  dun- 
IcBogegcet  IV  *27, 9 ;  bwagas  K  m  360, 18. 

b)  Nach  palatalen  konsonanten.  Yoraosgcliendes  c,  $c,  g 
scheinen  ausser  in  einem  fall  keinen  einflnss  auf  das  ^  zu 
haben.  Belege :  Tceafersceat  E  m  360, 25 ;  turdingsceatt  E  m 
252, 2;  hindsceata  11  291, 12 ;  alarsceatces  I  548, 16.  II  460, 36 ; 
acsceates  III 176, 9. 10.  655, 23  zweimal ;  crudan  sciate  U  301, 16; 
stedeles  sceate  III  176,9;  ceape  III  402,15;  geapan  11242^17. 
295, 32 ;  einmaliges  forescewian  IV  279, 29. 

Anm.  5.    Hierher  sceatte  (statt  sc4atan  ?)  leage  11 288, 24  ? 

c)  Sonstige  belege  ffir  ea  <  wg.  au:  heafod  (heafodsy 
heafde,  -a,  -um,  -an  häufig  auf  der  tonsilbe  akzentuiert)  passim, 
composita:  heafodstoccas  11  80,28;  heafoäbeorge  II  298,4;  and- 
heafdcm  11 163, 23  etc. ;  easi  (eastan,  eastenan,  easteman)  passim, 
composita :  east(e)tceard(e),  -ne,  eaststaÖcB  II  409, 24 ;  eaststocccd 
m  171, 21 ;  eastende  III  106, 4 ;  eastka  II 341, 24 ;  eastcUfe  ebda. 
z.  25 ;  easthealfe  II  357, 21 ;  eaststrete  11  262, 17 ;  eastseaama  11 
485,15;  Eastun  TU  182;  noröeast  11  358,12.28;  geastgeate 
n  486,25.  III  6,  22  (kentisch?);  ecesi  I  47,  35;  ^stuna  m 
415,16.  Ein  203,  17;  (estscB  VI  122,  7;  Aester  Jnghrum  I 
86, 20 ;  jEsir  Anglorum  I  87, 26;  es^  11  206, 32.  382, 26;  EsUAne 
II 162, 25 ;  stream,  -es,  -e  (öfters  akzentuiert)  passim;  igenstream 

II  74, 19 ;  stremes  II  94, 20.  III  292, 21 ;  beam  (beame)  passim, 
composita :  bedmkdge  II  298, 2 ;  beamford  11 172, 6 ;  beamtoctr 
n  242, 19 ;  beammeres  I  554, 33  (dazu  bealmmeres  I  148,  31) ; 
elebedme  U  357,  28;  helebedme  III  655,  34;  readan  11  74, 18. 
118,28  etc.;  reades  111416,25;  readgeat  11208,13;  readlefan 

III  478, 14 ;  hreadleafan  U  297, 35 ;  einmaliges  ia  in  riadgeat 
1  542, 26  (kentisch?);  eadmodiice  U  282, 10.  Em  353, 2;  ead- 
modnesse  EIII  363,  29;  eadigan  I  541,3.  IV  51,31;  eod  ist 
passim  belegt  als  erstes  glied  zusammengesetzter  eigennamen 
und  kommt  vor  in  Verbindung  mit  -tvcbrd,  stän,  tvold,  hiah, 
ulf  (=  Wulf),  ric,  hehn,  sinus,  sige,  bürge,  red,  fnund,  bertus, 
foine,  hün,  gar,  gyfu,  wig,  ausserdem  einmaliges  Eada  11 135,86; 
je  einmal  ^adgyfu  II  569,  6  und  Eodmiund  (schreibfehlfir  ?) 


500  B.  A.  WILLIAMS, 

II  262,29;  e  erscheint  in  Edwarde  U  270,31.  *281,1.  *293,26; 
Udwig  ni  115,16  etc.  (zusammen  14  mal);  ob  in  jEdmud  (= 
-mund)  III  292, 39 ;  jEdwig  ÜI  *170, 26 ;  Uaf(e)  II 262, 8.  K  HI 
364,5  etc;  leafan  111416,23;  haue  1196,19;  hreadleafan  TL 
297,35;  readüß/an  III  478, 14;  (^reaton  I  548, 11.  U  243, 34. 
290, 1  etc. ;  gret{t)an  I  545, 12.  III  355, 30 ;  grcetan  IV  103, 10 ; 
seaäe  II  304, 26 ;  igean  sead{e)  II 409, 29 ;  ceacgan  seaÖ  II  532,6 ; 
forseadas  II  295,  39;  grundleasan  IV  52,  8;  forgymeUask  II 
290, 5 ;  ierfelceas  II  *282,  8 ;  Eanwulf  II  73,  7  etc. ;  eangyÖe  III 
204,  23;  ednan  (vgl.  ahd.  Ona  f.)  leage  II  296,  10  (hierher 
eama  —  wohl  statt  eana  —  sol  und  eama  solce  IV  27,  5?); 
Ealnulf  (Schreibfehler)  II  64, 6 ;  eas[t\ran  II  241, 31.  34 ;  easter- 
tide  III  502, 15;  bead  (3.  s.  praet.)  II  80, 3.  III  402, 12. 15.  Kin 
353, 5 ;  dead  IV  233, 3 ;  bereafian  K  III  353, 24 ;  team  II 252, 17 ; 
beanstcede  II  288,  5 ;  beanleage  II  492,  23.  IV  49,  2  zweimal ; 
neade  K  III  353, 19;  ofneadian  ebda.  z.  18;  bereafian  ebda  z.  24; 
uneaöe  ebda.  z.  17 ;  beaddes  II 291, 10 ;  Beaddingbroc{es)  11  76,5. 
169, 16;  beaddingbricge  ebda.  z.  17;  Beaddinctun  II  281,3  etc.; 
Clearan  I  256, 27.  II  357, 13  etc.  (12),  gegen  10  maliges  e  in 
Cleran  III  65, 24.  II  302, 32  etc. 

Anm.  6.    lieber  ie  statt  ea  s.  weiter  unten  §  20,  anm.  2. 

IL  ea  durch  kontraktion. 

ea  häufig  akzentuiert  passim,  composita  eadenne  11  78, 24 ; 
earace  II 169, 16 ;  Eaforda  IV  233, 1 6 ;  heslea  II 164, 15 ;  risccean 
IV  *27, 15;  casus  obliqui  zu  hedh:  hean  11  298, 15.  341, 29  etc. ; 
Heantun{e)  K  III  336, 20.  IV  102, 22.  K  III  214, 30  etc.;  strea- 
wyllan  III  356, 8. 

Anm.  7.  gea  II  568, 31  hat  sein  g  vom  auslaut  des  vor- 
hergehenden andlang  bezogen. 

III.  ed  <  (B  nach  silbenanlautender  palataler  konsonanz. 

1.  Es  erscheint  ea :  geare  dreimal  akzentuiert  11  280,  6. 
289,25.  111502,15.17  etc.  (8  mal);  geara  (gpl.)  n80,9;  gear- 
hwamlice  KIII  362,28;  sceap  II  241,  31;  sceap  ebda.  z.  32; 
sceapan  ebda.;  sceapa  1  544,3.  II  600,10.  IV 93, 8;  sceapwican 
II  288, 20;  sceapwmcan  I  257, 10.  II  295, 24. 25  etc.;  gean  11 
304,29.  600,  10;  gean  II  304,  15;  geantalce  III  172,20;  ongean 
1197,1.  169,18.  208,29  etc.;  togeanes  VI  207, 14;  CeadtoaKla) 
1 106, 14.  III  398, 32. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      501 

2.  Es  erscheint  e\  gere  n*410,37.  411,9;  gera  1180,8. 
VI  207, 14;  ongen  III  416, 22;  ongen  ebda.  z.  16;  agefum  (3.  pliL 
praet.)  K III  353, 7. 

3.  ce  erscheint  zweimal  in  sccepwescan  III  66, 11  und  on- 
gaen  1  515, 31. 

Anm.  8.  Vielleicht  hierher  zu  ziehen  sind  folgende  formen 
der  3.  sing,  praes. :  uttsceat  II  295, 40 ;  uttsccet  I  539, 31 ;  utscet 
(Schreibfehler)  II  135,  17;  sccet  II  444,  15  zweimal;  scet  III 
268,27;  man  vergleiche  Bülbrings  erörterungen  zu  der  bei 
iElfric  belegten  form  tösöeat  Anglia  Beibl.  XI  s.  91.  Auch  zu 
scddan  gehören  dann  wohl  die  unumgelauteten  formen  scadet 
(3.  s.  praes.)  II  494, 21 ;  scaffeä  I  515, 32  und  scaäe  ebda.  z.  21. 

Anm.  9.  Zu  sceap  zu  stellen  ist  wohl  scipce  II  282, 15, 
vgl.  nordh.  scip, 

IV.  ea  <  c§  vor  Ä :  neah  III  305, 19. 

Gruppe  2. 

I.  leah  11364,2;  WiöigUa  11437,29;  liyrsUage  11284,32 
usw.,  es  erscheint  nur  ea  ausser  in  mappeldrelen  (Schreib- 
fehler?) II  448,12;  lieah  in  zusammengesetzten  eigennamen: 
Heahferd  II  285,  24;  jElfheah  II  437, 20;  Ordeah  II  449, 6  etc. 
(7  mal);  4  maliges  e  in  ^Ifheh  II  365,4.26  [^Ifheah  B],  U 
365, 33 ;  Ordeh  II  437, 23 ;  bednsiede  II  284, 29 ;  stream  II  436, 
40.41  etc.;  east  III  100,1.  IV  105,8  etc.;  heafde  II  436,32; 
heafod^toccum  II  284,  36  etc.;  readan  II  284,  38;  greatan  II 
364, 3;  eastron  (=  Ostern)  II  367, 15;  Beaddingtune  11  284, 10; 
durchgehendes  ea  in  Eadwig  III  99,19;  Eadric  III  4,23  usw. 

II.  ea  111100,3;  ea  IV  105, 11. 

III.  gearwcestma  II  366,  22 ;  sceapwican  11  284, 41 ;  gere 
II  366,  21  (geare  B). 

§  19.    Aws.  eo. 

Das  eo  bleibt  der  hauptsache  nach  im  Cod.  erhalten:  Es 
erscheinen  aber  auch  start  dessen  verhältnismässig  viele  io 
neben  drei  yo  (hierzu  vgl.  Sievers  Gr.  §  38  anm.  2).  Hierin 
unterscheidet  sich  der  Cod.  von  gruppe  2,  die  durchgehends  eo 
bringt,  io  statt  eo  ist  im  Kentischen  besonders  häufig,  man 
vgl.  Sievers  Gr.  §  150  anm.  3.  Aus  den  mk.  Evangelien  belegt 
Beimann  io  neben  ie,  yo,  ye  (Diss.  s.  29) ;  der  P.  C.  scheint  es 


502  B.  A.  WILLIA1C8, 

fremd  zn  sein  (Meyer  §  15),  und  ist  nur  sehr  spftrlich  in  den 
Sol.  Aug.  belegt  (Hulme  §  20).  Es  ist  also  diese  erscheinniig 
wohl  am  besten  durch  annäherung  an  das  Eentische  zu  er- 
klären. Andere  gelegentliche  Schreibungen  sind  y,  u  (&  anm.  1 
unten),  sowie  e  (ce),  o,  tu  und  einmaliges  obo. 

Belege. 

I.  eo  =  wg.  eu,  tu. 

leofian)  (zweimal  akzentuiert)  II  162,  25.  282,8  etc.  (7); 
leofost,  -ust,  -est  II  282,6.   289,  22  etc.  (5);  Leofa  III  520,86. 
623,30;  Leo  fing  111172,22;  Leouingus  IV  49,28;  LeofnclSL 
247,17;  Leofsige  111355,13;  Leofstan  Km  230, 16;  ico/ie?me 
111247,18;   WrytsleoflY  34,29;   deope,  -an  I  540,5.  n71,a 
ni  296, 24  etc. ;  diopan  II 206, 29 ;  fleot{es)  IH  241, 1  etc.  (4  mal); 
fliote{s)  II  164,3.   III  240,28;    stocfltot  ebda.  z.  27;    eattes  fiot 
(Schreibfehler?)  III  106,3;  hreodmede  111446,24;  hreoäbmmm 
11533,25.  111498,18;   Arcodiryci^e  lU  99,32.  100,4;   raMÜ^ 
III  183,14;  hriodeg  II  164,12;  hredbuman  IH  177,31;  deoß- 
ford  E III  158, 28 ;   Öeofammh  III  655, 38 ;    handfangenÖeof  IV 
233,  7.  15.  21.  28;    beoddcem  U  296,  33;    beoätBrn  H  262,13; 
heodland{um)  II  411,  4.  6;    heodlandte  II  410,  30;    beddamU 
207,28;  hceddmrn  11208,3;  leodscypes  11381,13;  greoÜmnM 
III 176, 15.  655,30;  beode  (1.  s.  praes.)  III  306,26;  bebeodm  H 
410, 34 ;    bebeodaö  II  290,  7 ;    bebeodad  II  290, 12.  296, 29;  fc- 
biodaöf  II  163,3;  spreotmere  I  554,30.  III  116,3.  117,5;  Wowi 

II  289, 26 ;  deodscype  II 96, 10. 27.  97, 1 ;  Beodred  1 548, 88  ett; 
deorgeat{e)  II  495,25.  529,26;  heahdeorhunton  Em  368^24; 
Beormod  II  235,25  etc.;  Deormund  II  289,16;  DearswUk  II 
244,  11;  Dormod  (Schreibfehler)  II  295,22;  neod  IV  51,20; 
Ceolberhtus  I  594, 27 ;  Ceolnmnd  II  298, 25;  Ceolstan  II  380,40; 
Ceolvf  I  48,  7 ;  Ceolnoö  I  594, 19 ;  ceoleages  HI  632, 30;  CedM 
K III  239, 14;  CeoUige  IV  49,  32;  Ceolbandingtune  n  406,22; 
Ceolboldinctun  II  409,  2;  Ceolwen  II  207,  14;  Ceolwm  ebdi. 
z.  27;  Ceolwenne  ebda.  z.  13;  ceol  in  Ortsnamen:  Ceolm9wyrda 

III  432, 9;  ceolsige  II  206, 27 ;  Ceolesig  ebda.  z.  22;  Ceolesigmuii 
K III  303, 36 ;  Ceoliglond  III  412, 18;  cyolingmar  n  456^  82. 
740, 32;  einmaliges  e  in  Cehnund  II  293, 7;  meosdene  U  568^  33i 
Hierher  ziehe  ich  das  lehnwort  Leo  II  96, 33;  Leone  ebdiL  i.  9; 
sdoteö  (ohne  umlaut!)  II  164,11. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      503 

IL  eo  durch  kontraktion. 

treo{w),  'We  (häufig  akzentuiert)  passim,  composita :  treow- 
stede  II  79,  4.  5 ;  cofringtreow  III  268,  28 ;  ceoferingtreow  11 
532, 12 ;  zw^eimaliges  o  in  trowe  1  47, 23.  545, 5 ;  deowan  (dpi.) 

III  402, 36.  K III  364,  7 ;  deow{e)dom{e)  II  410, 33.  IH  402, 31 ; 
deowherde  II  252, 16 ;  deowcemcen  II 282, 16;  witedeowe  II 252, 16; 
witedeowne  III  432, 30 ;  mtceöceownas  K III  *360, 6 ;  geöeowud 
(ppt.)  K III  360, 7 ;  Öywian  II  96, 22 ;  seo  (einmal  akzentuiert) 
11295,30.  298,6.  340,1  etc.;  ^ao  III  446,27;  se  IV  229, 25; 
(Öeo  =  seo  IV  234, 10);  heo  111106,6.  172,8.  432, 22. 25  etc. ; 
Jiio  n  207,27.  208,2;  hi  (=  heo)  U  207,26;  dreo  (zuweüen 
akzentuiert)  I  544, 1. 9.  II  241, 27.  252, 16  etc.;  driu  II 262, 20; 
eow  (dpi.)  KIII  203,6.  IV  229, 16;  Beohylle  III  227,2;  heoUlU 
ebda.  z.  21 ;  Beowyrde  III 408, 11 ;  Byohylle  III 227, 13 ;  freonda, 
-um,  'on  II  252,  15.  583,  28  etc.;  friond  II  162,  25;  frand 
(Schreibfehler)  II  289, 22 ;    deofles  III 183, 19.   402, 30.   502, 1. 

IV  51, 34 ;  diuflu  lU  183, 20 ;  Bleodune  III  141, 12. 27 ;  Bleo- 
done  ebda.  z.  19;  heon  (inf.  etc.)  II  96, 12.  III  416, 29  etc.  (7); 
beoö  (3.  s.)  II  208, 1.  III  432, 32 ;  beo  (3.  s.  conj.)  III  432, 25. 27 ; 
heo  (statt  beo  verschrieben)  II  208, 4 ;  freoh  (hierzu  vgl.  Chadw. 
SOE  s.  56ffg.)  II  163,1;  freogre  (comp.)  II  96,12;  freodomce 
II  410, 3.  411, 5;  gefreoge  (3.  s.  conj.)  K III  361, 15;  freoge  K III 
360, 5 ;  gefreogon  III  432, 30;  gefreode,  -on,  -an  III 402, 5. 11. 25. 
501,15.  KIII 203,14;  /Wflr  (ns.analogie des plurals?)  111306,24; 
IV  51, 16;  teoffan  II  80,  1.  III  502,  17;  teoöung  IV  233,  6; 
{ge)teodode  II  96, 19.  79, 26 ;  ateonne  II  244, 12 ;  freols  II  96, 8. 
15. 29.  III  402, 3. 28. 30  etc. ;  frioMome  II  530, 1 ;  freolsboc  III 
397, 31.  400, 6  etc. ;  fr[e]ulse  II 96, 3 ;  frylsas  IV  51, 29 ;  tweomn 
(dpi.)  II  96, 30. 

Hierher  ziehe  ich  preost  II  486, 25 ;  preostas ,  -es,  -a  III 
402, 19.  306, 23.  VI  135, 16 ;  messepreosie  K III  363,  7;  nKBSse- 
prestes  II 163, 2 ;  feower  II  80, 8.  282, 13  etc. ;  feor  II  290, 2 ; 
feorwer  II  583,22;  feortoefii  11  241,24;  feora  buman  KIII 
219,5  zweimal;  feorde  VI  207, 27;  feoröan  11494,24;  of-,  up-, 
eode,  -on  I  149, 2.  555, 6  etc.  (5). 

Anm.  1.  Merkwürdig  sind  folgende  fälle,  worin  u  statt 
eo  vorkommt:  nud  II  280,7;  dupan  III  632,30;  frunlice  Km 
203, 6 ;  hrudwylle  III  127, 24. 25.  Solche  Schreibungen  kommen 
auch  vereinzelt  vor  in  der  me.  Chronik  von  Robert  of  Glou- 
cester.    Pabst  (Diss.  §  37)  belegt  vul  =  ae.  feoUy  huld  =  Mold, 


504  R.  A.  WILLIAMS, 

hrust  =  breost  prustes  zu  preost  Sie  begegnen  auch  in  der 
hs.  E  des  Poema  Morale,  vgl.  Levin,  Einl.  s.  8,  nnd  dessen  be- 
merkungen  dazu.  Weitere  belege  finden  sich  auch  bei  Carstens 
in  seiner  diss.  über  das  me.  Sir  Firumbras,  s.  24. 

ni.  ^0  <  urspr.  ü  nach  palatal.    Bloss  geong  II  241, 31. 

IV.  (Vielleicht  z.  t.  gekürztes)  eo  <  i  durch  brechong  vor 
h  hat  letweoh  II  460, 36.  III  417, 5;  hcetweog  I  539, 32;  heUotax 
II  379, 19;  bcetweoncB  1  548, 15;  betuen  I  515, 16;  beiuonh  II 
135, 18.    Vgl.  Sievers  Gr.  §  84,  2)  und  anm.  1. 

Gruppe  2. 

I.  hreodbrycge  III  99, 32.  100,  4.  IV  105, 12. 13;  deopam  U 
284, 33;  meoshlinc  II  364, 6;  Beodred  II  437, 12;  Deomtund  U 
285,29;  Ceolmund  11285,16;  Ceolboldingtun  [1282,83;  CM- 
stanes  II  367,6;  leofwine,  Leofric,  n^  sige  H.  C.  43  C  8;  Leawtim 

II  364,  25. 

IL  treowe  Hl  297, 30  zweimal ;  äeowas  II  366,21.  367, 11. 15; 
Öeowum  II  366, 28 ;  beoivan  hammas  II  364, 6 ;  heo  (ns.)  11 366^ 
20. 27.  367, 14;  seo  (nsf.)  II  437, 28,  3.  s.  conj.  C.  C.  X  17;  dreo 
(acplm.)  III 3, 36;  feower  III 298, 21 ;  feordm  II 366, 28;  fl•«s^ 
preostes  II  366,  22 ;  fri  C.  C.  X  17. 

III.  geongum  II  367, 8. 

§  20.    Aws.  ie. 

I.  Vor  urg.  -j'y  'Wj'i  Hier  gilt  die  regel,  ie  >  C  Nur 
viermal  kommt  y  vor,  sporadisch  erscheint  e  (üb).    Die  beispide: 

Igford{a)  K III 229, 20  zweimal;  igtune  1 539, 32.  II 135, 18; 
iglandces  II  411,13;  Ceol(e)sig(e)  II  206,22.27.  568,85;  C^ 
lond  III 412, 18 ;  Ceolesigensis  K III 303, 36 ;  Maccanig  11 568^  5; 
cet  Macanice  III  5,17;   Maccanice  ebda.  z.  31;  tet  Weattanigge 

I  544, 1;  Wit{t)anige  III  519, 11.  IV  92, 15. 28;  Wyttanige  III 
519,8.25;  Heglingaig{e)  III  170,25.  171,10;  hmgUngaiggm  III 
171,21;  cet  lleilincigce  III  172,8;  gloranigeU  301,23;  mddaur 
ige II 568, 34;  hengestesigc III 520, 12 ;  RumnKBsigmKTJl 860, 12; 
Micelanigensis  K  III  303, 30 ;  higcu7nb  1 47, 34.  II 382, 24  etc.  (4); 
Mgbroc,  -e,  -es  II  442,14.29.   III  106,6;    higgeat(e)  n  801, 28. 

III  632, 24;  ig(ff)aä  II  296, 3.  IV  96, 4;  igö  II  357, 24;  igeod(e) 

II  409,  34.  35 ;  (liierher  ziehe  ich)  iwigaÖ  (=  iw  +  igalf)  U 
456, 28  zweimal ;  Mred,  -es,  -e  I  543, 38.  544, 1.  11 588^  2  et&; 


DIE  VOKALE  DER  TONSITiBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      505 

niwe,  -a  K  III  353,21.  IV  92, 32;  niwan  passim;  Niwanham 
K  m  360, 21 ;  Niwantune  II 583, 25 ;  Nigeanmynster  K  III  360, 9 ; 
edfnwawII381,9.  K  III  304, 32;  ge{eä)niwode ill ^02,^.  501,13; 
Km  203, 12;  stanhifete  (zu  hiewett)  III  355, 10. 

Abweichenden  vokalismus  zeigen  wilesyge  II 492, 18 ;  hyred 
IV  76, 2 ;  hyrde,  -as  VI  207, 12.  22 ;  egilande  II  358, 34 ;  gearnes 
egce  II  164,  12;  maccaneige  II  206,  31;  hriodeg  II  164,  12; 
cege  (gs.)  II  494, 12;  in  regione  SuÖreie  (zum  stamm  "^gawi  vgl. 
Ch.  SOE  s.  55)  I  593,33;  In  SuÖrian  ü  300,30. 

n.  An  anderer  stelle  wird  ie  meistens  durch  y  vertreten. 
Das  ie  bleibt  jedoch  ziemlich  oft  erhalten,  doch  erfährt  dieser 
satz  eine  zeitliche  einschränkung.  Ausser  einigen  sporadischen 
ausnahmen  (meistens  kontraktionsformen)  kommt  nämlich  das 
ie  gar  nicht  vor  in  Urkunden,  die  später  als  934  datiert  sind. 
Später  als  975  finde  ich  überhaupt  keine  ie  mehr.  Statt  ie 
erscheint  auch  zuweilen  /,  grösstenteils  im  auslaut  kontrahierter 
formen  wie  Me^  sie.  Einmal  begegnet  u  in  nebentoniger  silbe, 
ganz  sporadisch  kommt  e  vor. 

1.  y  zeigen :  onlysenne  IV  51, 33 ;  onlysednesse  IV  51,  24 ; 
(üysednessce  I  541,3;  n^nysse  K  III  361,13;  cyping  III  501,20 
anm.;  cypstrcete  VI  135, 17;  cypmanna  I  257, 14. 15.  II  303, 22. 
in  66, 16 ;  geyc(e)an  (inf .)  HI  501, 23  und  anm. ;  geyce  III  501, 23 ; 
gehyrsumnesse  III  417, 1 ;  inhyrnesse  VI  136, 14;  hyrÖ  11 298, 6. 
111166,30.  167,2;  %ra(?  II  304,  23 ;  scyMI241,39.  357,21. 
358, 12. 15.  23  etc.;  ut{t)scyt  III  116, 13.  117, 16.  K  III 175, 31 
(im  ganzen  15  y)\  gestrynden  VI  207,11;  tyn  I  544,2;  fiftyna 
111432,6.   IV  91,25;    eahtatyne  III  416,29;    bymera  I  47,  Sl. 

II  382, 21.  III  5, 10;  cysa  U  290, 3;  forgymeleasie  II  290,  5; 
getymcena  I  544, 2 ;  togelyfe  II  583, 19 ;  swealewan  hlypan  IV 
27, 13. 14;  swacan  hlypan  ebda.  z.  20,  21;  Dyrewine  (vgl.  Diori 
0  E  T  s.  618)  II  252, 26 ;  kontraktionsdiphthonge :  sy  (3.  s.  conj.) 

III  402, 32.  33.  502, 3  etc.  (8  mal) ;  syg  IV  52, 4 ;  syn  (3.  plur.) 
K  III  361,  7 ;  hy  I  543, 38.  II  96, 23  etc.  (5  mal) ;  äry  I  47, 31. 
VI  207, 22. 

2.  ie  zeigen:  seiet  II 295,  Sl,  296,4;  Äiero^ ebda.  z.  6 ;  hierä 
ebda.  z.  16 ;  ieece  (3.  s.  conj.)  II  411, 1 ;  gestriene  (3.  s.  conj.)  II 
290,4;  giengran  II  282,4;  ie  ds.  II  171,33.34;  giet  II  460,29; 
on  curigie  II  74, 17 ;  sie  (3.  s.  conj.)  II 163, 1.  252, 1  etc.  (9  mal); 
sie  II  290,5.  411,6;  sien  11410,39;  hie  (npl.)  H  282,4;  hie  U 
290,  8. 12.  410,37;  hioe  II  163,6;  örie  II  410,38.  492,24. 

AngUa.     N.F.    XIII.  33 


506  B.  A.  WILLIAMS, 

Anin.  1.    Schreibfehler:  alidsednesse  111402,22. 

Anm.  2.  Zu  beachten  sind  aclieh  (acs.)  II 164, 14;  stritUe 
ds.  III  183, 16;  sieran  I  515,  22.23;  hiene  siede  UL  134,  19; 
grundeliesan  II  242, 11.  Hier  handelts  sich  wohl  am  kentisches 
ie  statt  Ai, 

3.  i  ist  belegt  in  geice  III  501,23  annL;  to  gestrindiB  U 
282, 9;  giti  548, 9 ;  gincgran  (hierzu  Ch.  S  0  E  s.  173)  HI  432, 17; 
si  (3.  s.  conj.)  m  502,  3  anm.,  K III  361,  5;  sü  III  417,8;  sig 
IV 51, 16. 18. 20.  52,1.3;  Ät(acsf.)Km203,8;  Ät(npL)ni63,3. 
207, 31  etc.  (22  mal);  dri  III 600, 8;  gedihligean  (inf.)  HI  416, 7. 

4.  Reste:  ciyping  III  501,  10;  6can  (inf.)  II  411,  1;  se 
(3.  s.  conj.)  III  402, 31 ;  seo  (dass.)  III  306, 28 ;  fiftene  H  171, 30 ; 
sextunoB  II  439,11. 

Gruppe  2 

bringt  nur  sehr  wenige  belege :  higcwmb  in  3, 38 ;  higdeage  II 
285,3;  ft^wera  III  3, 36 ;  Äferede  11  366, 24.  367,16;  gehieraä 
II  367, 5. 7. 9;  niwan  II  366,  24;  ednywon  HI  4, 29;  Örie  (acpL) 
11366,21.  367,11,14;  Ate  (nplm.)  II  367,  5. 7 ;  Ät  (npl.)  C.  C. 
X  17 ;  hy  (usf.)  ebda. ;  fri  ebda. 

Schlnsswort. 

Von  einer  zusammenhängenden  erörterung  der  lautvorgänge 
auf  dem  gebiete  des  vokalismus  der  tonsilben  im  Cod.  Wint. 
sehe  ich  hier  ab,  denn  es  müsste  meines  erachtens  eine  solche 
durch  die  aufstellung  verschiedener  allgemeiner  prinzipien  mo- 
tiviert werden,  die,  wie  ich  meine,  bei  der  Verwertung  aller 
solcher  handschriften  für  sprachliche  zwecke  anzuwenden  sind, 
und  die  ich  zum  gegenständ  einer  weiteren  Untersuchung  machen 
möchte.  Diese  prinzipien  lassen  sich  erst  gewinnen,  wenn  alle 
(oder  mindestens  der  grösste  teil  aller)  kopierhandschriften  aus 
dem  12.  Jahrhundert  durchgearbeitet  worden  sind. 

Zum  schluss  möchte  ich  ein  paar  dissertationen  erwfthnen, 
die  leider  später  erschienen  sind,  als  dass  ich  sie  bei  der  aus- 
führung  dieser  arbeit  hätte  benutzen  können.    Diese  sind: 

Tachauer,  Die  Laute  und  Flexionen  der  „Winteney -Version" 
der  Regula  S.  Benedicti.    Wlirzburg  1900. 

Hecht,  Die  Sprache  der  ae.  Dialoge  Gregors  d.  Gr.    Berlin 
1900. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      507 

Görnemann,  Zur  Sprache  des  Textus  Roffensis.    Berlin  1901 

Wroblewski,  Ueber  die  ae.  Gesetze  des  Königs  Knut.    Berlin 
1901. 

Brüll,  Die  ae.  Latein-Grammatik  des  Aelfric.    Berlin  1900. 

Kar  aus,    Die  Sprache  der  Gesetze   des  Königs  Aethelred. 
Berlin  1901. 

Münch,  Die  Handschrift  H  (Textus  Eoffensis)  der  Gesetz- 
sammlung König  Alfreds  des  Grossen.    Halle  1902. 

Bei  der  korrektur  konnten  noch  einige  verweise  auf 
Bülbring,  Altenglisches  Elementarbuch,  sowie  Sie vers,  Zum 
angelsächsischen  Vocalismus,  Leipzig  1900  (Decanatsprogramm) 
aufnähme  finden. 

Anhang  I.    Die  akzente  im  Codex  Wintoniensis. 

[Zu  diesem  kapitel  erwähne  ich  im  anschluss  an  die  be- 
kannte litteratur  über  die  frage  der  quantitätsbezeichnung  im 
Ags.  einen  aufsatz  von  Hulme,  Modem  Language  Notes,  bd.  XI 
(1896)  s.  18  ff.  Derselbe  hat  in  seiner  dissertation  genaue 
statistische  angaben  über  die  akzente  in  der  hs.  der  Soli- 
loquien  Augustins  geliefert.] 

Akzente  finden  im  Codex  Wintoniensis  eine  häufige  Ver- 
wendung, und  kommen  sowohl  im  lateinischen,  obwohl  zwar 
in  geringerem  masse,  wie  im  ags.  text  vor.  Im  ags.  teil  des 
Codex  beschi^änken  sie  sich  meistens  auf  den  eigentlichen  text 
der  Urkunden:  Sie  sind  sehr  selten  in  den  Überschriften  und 
noch  seltener  in  den  listen  der  zeugen.  Im  folgenden  gebe 
ich  eine  genaue  Statistik  über  die  akzente  der  ersten  50  num- 
mern  (I  27  bis  II  622  im  Verzeichnis  oben,  Einl.  VI)  bei 
de  Gray-Birch  und  allen  Urkunden  in  gruppe  2.  Diese  Sta- 
tistik umfasst  auch  die  akzente  auf  lateinischen  Wörtern  in 
den  genannten  Urkunden. 

Anm.  Eine  Statistik  über  die  ganze  masse  der  akzente 
im  Codex  zu  liefern,  war  mir  schon  deswegen  unmöglich,  weil, 
wie  vorhin  Einl.  I  besagt,  Kemble  die  handschriftlichen  akzente 
durch  eigene  ersetzt.  Ausserdem  verlieren  wir  meines  erachtens 
nichts  durch  eine  einschränkung  des  betrachteten  gebietes. 
Durch  eine  allzugrosse  häufung  der  belege  wird  nur  sehr  oft 
der  überblick  erschwert    Hier  sei  bemerkt,  dass,  soweit  er- 

33* 


508  B.  A.  WILLUKS, 

sichtlich,  die  form  des  akzents  dorchgehends  der  akut  za  sein 
pflegt.  Ich  habe  nur  einmal  den  gravis  beobachtet,  n&mlich 
die  II  79, 1,  wenn  das  nicht  ein  drackfehler  sein  sollte. 

Betonte  silben. 

A.  Einsilbige  Wörter:  I.  Etymologische  längen. 

a)  Einfache  vokale :  stdn  I  542,  23. 27.  II  77, 17.  81, 4. 
208,10.13.14;  aw^ntenc  II 163,  7.  252, 8 ;  blddmbroe  117 Q,  20; 
md  I  229, 1.  II  163,5.27;  sude  I  515,21;  swe  II  163,27;  Säm 
1542,21.37.  1181,10  zweimal,  81,4;  an  11171,83;  agdn  U 
252, 9;  twö  II  241, 31 ;  tddn  II  74, 16  zweimal;  tdn  11  76, 5. 28. 
77,20.  169,17.  172, 4  zweimal;  ad  257, 12.  H  241, 39;  dte  I 
257, 13,  555, 1 ;  hdm  II  80, 28;  Walthdm  II  275, 3;  tycchdmstede 
1515,37;  ««§1229, 6.  546,27.28.30;  Ä?^  1257,15;  hit  Vi. 
163, 26 ;  dghwcelces  II  163, 6 ;  die  I  542, 24. 26. 31. 83. 38. 38. 39. 
543,2.  548,2.3,4.4.  1163,30.  71,6.  74,19.25.26.  80,25.28. 
81,2.  94,17.23.  135,17.  169,19.  171,35.35.  208,11.12.17.19. 
24.24.25.28.  241,39.  242,18;  danofic  II  77, 12 ;  die  179,1; 
tPic  1  548,9.  II  71, 10;  aberendlic  II  289,24;  Wlfric  I  544, 10; 
Swithun  II  72,10;  bröc  I  229,  8.  548,  16.  II  74, 16.  76,20. 
169,17;  »MoV  I  229, 4. 4.  11171,33;  Joe  I  515,22.  11134,29. 
243,1;  b^c  II  244,13;  for  II  96,13;  dö  II  289,23;  don  H 
241, 23.  290, 7. 12;  gedon  II  252, 7. 10 ;  tö  I  229, 1. 3.  515, 35. 
542,21.36.  545,3.13.  555,2.  1174,20.  162,28.  241,24.31.34. 
242,1.10.  251,34.  280,8.  288,5.21.  290,10;  nt«  II  252, 12. 
282,  3. 10. 12 ;  üt(t)  I  515,  27. 35.  542,  29.  546,  30.  H  63,  36. 
135,17.22.  163,23.24.25.26.  208,3.15.  242,2.4.6.18;  üs  U 
282, 23 ;  -tun  II  277, 14.  287, 3 ;  Swithun  II  73, 5.  Wohl  auch 
Uthagan  H  242, 6. 

ß)  Diphthonge:  edc  11241,30;  stream  1229,9.  11172,1; 
ongedn  1  543, 3;  scedp  II  241, 32;  lea  1  515,34;  led  U  242, 17; 
ed  I  548, 6;  ie  II  74, 17.  171,  33. 34;  leöf  II  282, 11;  treou  l 
515,13;  treow  1257,12;  dreo  11252,13.  280,6;  Me  (npl.)  H 
282,4;  hioe  II  163,6;  sie  II  163,1.  252,1.  282,12,  289,24. 
290, 4 ;  sio  (=  sie)  II 162, 28. 

n.  Etymologische  kürzen:  a)  Auf  vokal  oder  nicht-deh- 
nende  konsonanz  auslautend. 

a)  Einfache  vokale:  is  1542,24.  544,9.  n71,5.  162,27. 
208,10.  244,11.  251,35.  280,12.  282,12.15.  290,11;    Mm  n 


DIB  VOKALE  DEB  TOmULBEK  IH  CODEX  WIKTONIENSIS.     509 

163,1.  208,4.  282,22.  289,22.  290,15;  /«  II 280, 9;  MI 544, 4. 
II  288, 25.  289, 24.  21.  290, 3. 6. 10 ;  ic  II  252, 15.  283, 2 ;  Bis 
II  243, 1 ;  d»  I  515,  25.  26. 34.  542,  26.  544, 7.  547,  27. 28.  II 
163,4.  169,17.19.  171,32.33.34.38.  172,3.4.5.  207,27.  208,9. 
17.19.22.  242,5.  243,37.  288,17;  o/ 1228, 25.  229,6.9.10. 
542, 20.  546, 27.  II  71, 6.  74, 22. 22.  80, 25. 26. 26. 28.  81, 3. 4. 6. 
9.  9.  10.  11.  163,  21.  169,  17.  171,  31.  33.  35.  35.  36.  172, 1.  2. 
2.3.4.5.  208,18.25.29.  252,2;  ÄdZ  1542,24;  mdn  II  252,6; 
men  II  252,16;  Ödt  I  515,33;  lie  II  252,11.  289,24;  wes  H 
252,9;  280,5;  sUd  11242,19;  nwrsled  11171,33;  gyrdweg  I 
229, 6;  heamwder  II  242, 19;  hnmgpütt  II  94, 21 ;  üp{p)  1 229, 6. 
515,37.  547,27.  11118,26.  135,23.  169,18.  242,14. 

ß)  Diphthonge :  gedt  II  208, 13 ;  gedf  U  244, 13 ;  Funtgeall 
II  234, 27. 

b)  Auf  dehnende  konsonanz  auslautend: 

ä)  ringwoldes  II  76,16;  pünd  II  241,27;  Öom  I  547,30. 
1163,33.  208,17. 

ß)  fedrn  II  242, 3 ;  bedrn  II  252, 2. 

B.  Zwei-  oder  mehrsilbige  Wörter:  I.  Mehrsilbige  casus  ob- 
liqui  zu  einsilbigen  nominativis. 

a)  Längen :  a)  Einfache  Tokale :  dnan  II 162, 28 ;  hrddan 
II  288,9;  hrocrewe  II  169,20;  dinum  II  282,12;  dice  II  80,24 
wtte  II  208,6;  hröce  I  548,12.  II  74,28.  288,6;  hote  II  252,4 
roda:  I  542,40;  Hünes  I  547,7;  dune  I  542,32.38.  II  74,22 
adünc  1229,10;  heor[g]d6ne  1515,28;  -ftJMe  11  135, 18.  162,27. 
171,  30. 

ß)  Diphthonge:  ieaflrc  I  542,40.35.  1174,21.  76,26.30. 
208, 19. 21. 26,  242, 3.  288, 9. 23. 24 ;  hedme  I  515, 17 ;  stredme  I 
229, 9 ;  gedre  II  280, 6.  289, 25 ;  hofan  II  162, 26 ;  edstan- 1 515, 
37;  scedtes  ebda.  z.  20;  treowe  II  242,9;  heöras  H  289,26; 
Meöne  I  515, 34.  548, 4;  dweöres  I  515, 28;  Öreöres  I  515, 29. 35. 

b)  Ursprüngliche  kürzen.   1.  Bei  nichtdehnender  konsonanz. 

rt)  Einfache  vokale :  Merchdtntne  II  238, 15 ;  wtdigleagdte 
1229,3;  de^rc  II  207, 29 ;  6ece  II  118,30;  jrcwnfe  II  207, 26 ; 
st6<ic)e  II  241, 1.  242, 16. 

ß)  gedte  11  74, 18. 

2.  Bei  dehnender  konsonanz :  M/eu;e'«rdc  1 542, 40.  11208,26; 
medrce  II  288, 7. 11 ;  mearce  I  540, 8 ;  beörge  II  74, 27.  288, 21. 


510     .  R.  A.  WILLIAMS, 

n.  Zwei-  und  mehrsilbige  Wörter,  a)  ürsprfingliche  längen: 

a)  dgenre  U  241,  30;  hdte  II  241,  33;  gehäte  I  542,21; 
stcenne  II  262,3;  genienan  II  74,24;  weron  11280,11;  igsäna 
II  135,20;  smitan  stream  II  81,2;  hiwan  11208,8.  252,14.17; 
hiwum  II  207, 29 ;  hywan  II  280, 3 ;  b(e)utan^  on  1  229,  9.  II 
208, 12. 

ß)  hedfod  I  515,25;  hedfode  I  228,  25. 

b)  Kürzen.    1.  Bei  nicht  dehnender  konsonanz: 

a)  wttenalI280jlO;  umbeflitanll 280,9;  gcwriten lI2il,2Z; 
Hunsige  II  63, 27 ;  scrippan  I  542, 40 ;  äönan  I  554, 35 ;  done  I 
515, 36 ;  cuna  I  544, 2. 

ß)  ea7a^II241,35;  cea^^rß  II  207, 29.  280,3;  niodeweardwm 
1542,32;  Öreora  11289,21;  weodu  I  515,36;  seöfan  1229,9 
zweimal. 

2.  Bei  dehnender  konsonanz:  Wintanceasire  II  289,  23; 
hydiburnan  II  71, 13. 

Unbetonte  silben. 

I.  Vorsilbenvokale:  ddunc  1229,8.10;  geerian  1X241,25; 
on  gerillte  II  169,19;  gMhta  I  515,34;  gewelde  II  163,5;  je- 
irfad  II  289, 21;  gedon  II  252, 10;  genuere  I  229, 4.  II  135,26; 
genicßne  1543,4;  gemund  11290,11;  gSnemned  11290,18;  ge- 
unne  I  544, 4. 

II.  Mittelsilbenvokale:  a^ceras  1229,9;  «ci^an  II  288, 17; 
brucenne  II  163,1;  ^t  Wordige  II  70,18;  gebyHge  11  290,3; 
willnie  II  282, 22;  firmdtge  II  282, 11;  umnien  II  252, 15;  eki- 
cean  II  282,  21 ;  WilUte  II  76,  39 ;  gearüwe  II  280, 8. 

III.  Endsilbenvokale:  dayiön  1  515,34.  II  135,18.  169,19; 
Öandn  II  242,14;  gecerendodön  II  252,13;  weron  II  252,16; 
wanndn  II 81, 6;  coppeddn  II 241, 39 ;  inndn  H  80, 25;  be  suddm 
II  242, 13;  wenndn  stan  II  77, 17 ;  Bisceop{e)  II 162, 25.  289,2a 

Zur  vergleichung  füge  ich  folgende  fälle  Ton  der  akxen- 

tuierung  lateinischer  Wörter  hinzu: 

Einsilbige  Wörter :  d  (praep.)  I  228, 14.  514,  26.  546,  16l 
1173,22.24.  75,14.16.  76,13.25.  119,4.  164,5.6.6,  169,  Sa 
171,6.7.10.  238,33.  243,22.  276,18.  281,4.  287,14.80.  288,26; 
(Z«a  II  238,33;  hoc  II  U,2.  135,8.  239,1.  277,22.  287,84; 
rm  I  544,  25.   554,  18.   II  70, 28.  74, 12.   76,  4.   171, 15;    ri  D 


DIB  VOKALE  DBB  TOBSILBEEr  DI  CODEX  WIHTONIBirSIB.     £11 

170,1;  h{8  ni71,28;  äc  1540,18;  n^ni71,5;  tdU281,U; 
mi  n  281, 4;  e  (=  he)  H  288, 1;  hie  (pron.)  H  135, 11;  nie 
n  272,9;  ]us  H  273,2;  principumvi  I  544,29;  inferiorfsvi  U 
93, 32 ;  qudmvis  11  270  letzte  z. 

Im  Hiat:  c6apostoU,'0  1171,9.  74,9.  75,31.  286,13;  mdd 
n62,28.  99,4.  118,13;  w^  II  72,2;  Äeun93,31.  169,27. 
171, 6;  epicarmdi  H  244, 8;  ceu  H  171, 14. 14;  redtu  I  554, 22; 
unidnimes  II  72, 12. 

Sonstige  fäUe:  arclsve  I  544, 27.  554, 19.  H  93, 29.  171, 20; 
pantis  II  70,  29;  inferiorisvi  II  93,  32;  dgeOuli,  -os  I  542,  3. 
543,10;  dmovereU  238,28;  dpicOms  11171,8.  286,2;  dcam- 
modata  II  287,8;  dstipulatione  U  286,6;  dstu  II  70,26;  frdxi- 
num  II  76, 6. 6;  fraxinum  U  76, 33;  econami  I  257, 20;  veridieis 
II  271, 25;  ttxe  n  170, 28;  sinodum  H  276, 20;  inäko  U  281, 2; 
grönne  II  77, 18;  hacönes  II  281, 17. 

Gruppe  2. 

a  II  364, 2 ;  5M;a  H  284, 33. 35. 36. 37. 38.  285, 3. 5.  IV  105, 
5. 7. 8. 10;  Mmtune  IV  105, 14;  ice  HI  298,  22.  IV  106, 11; 
die  11364,1.  m3,32.  100,2.  297,32;  cweahnstöwe  U  284, 33; 
boc  III  100,22;  Ceolboldingtün  U  284,24;  üt  IV  105,12;  üp 
11284,36.39.  448,10.15;  geude  C.C.X  17;  J^^ra  lU  3,36; 
dtvyres  ebenda;  bednstede  II  284,  29;  led  IV  105,  9;  ea'  IV 
105,  11;  6n  U  363,  24.  24.  28.  364,  1.  3.5;  ddune  II  364,  6; 
Ättser  H.  C.  43  C  8 ;  dönan  TV  105, 9. 

Im  lateinischen  text:  d  II  364, 21 ;  si  III 99, 28.  297, 17. 22; 
re  II  363, 10;  rex  III  297, 17;  hie  m  99, 23. 29;  (W  IE  297, 14; 
düx  III  298, 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 

Aus  dieser  übersieht  geht  klar  hervor,  dass  den  akzenten 
im  Cod.  Wint.  wenig  bedeutung  zuzuschreiben  ist  Ein  klares 
prinzip  für  ihre  anwendung  lässt  sich  nicht  gewinnen.  Es  ist 
vielmehr  anzunehmen,  dass  verschiedene  prinzipien  sich  ge- 
kreuzt haben.  Diese  prinzipien  in  ihrem  ganzen  umfang  auf- 
zudecken, wird  man  vor  der  hand  wohl  schwerlich  im  stände 
sein.  Bezeichnend  in  dieser  hinsieht  für  die  Verhältnisse  im 
Cod.  ist  die  thatsache,  dass  von  den  394  aus  gruppe  1  ange- 
führten belegen  138  oder  mehr  als  ein  drittel  von  allen 
sich  auf  nur  fünf  Wörter  (die  39,  6f  37,  ön  25,  tö  20,  üU  17) 
verteilen. 


512 


R.  A.  WILLIAMS, 


Anhang  II.    Glossar. 

Im  Cod.  Wint.  kommen  eine  masse  Wörter,  meistens  eigen- 
oder  Ortsnamen,  vor,  deren  etymologie  mir  nicht  durchsichtig 
war.  Da  die  aufnähme  solcher  in  die  lautlehre  eine  blosse 
Sache  der  konjektur  gewesen  wäre,  habe  ich  vorgezogen,  sie 
in  einem  anhang  und  in  lexikalischer  anordnnng  zu  verzeichnen. 
Meistens  führe  ich  wort  und  belege  ohne  bemerkung  an.  Zu- 
weilen, wo  ich  einen  anhaltspunkt  gefunden  zu  haben  glaubte, 
stelle  ich  bezüglich  des  Ursprungs  Vermutungen  aul  Zu 
gleicher  zeit  habe  ich  gelegenheit  genommen,  ein  paar  formen, 
die  ich  bei  der  lautlehre  übersehen  hatte,  hinzuzufügen.  Die 
Wörter  sind  nach  denselben  prinzipien  angeordnet,  welche 
Sweet  in  seinem  OET  zuerst  anwandte.  Dies  geschah  na- 
türlich ohne  berücksichtigung  der  quantität,  was  dazu  führte, 
dass  ich  von  der  Sweetschen  reihenfolge  der  vokale  absehen 
musste.  Dieselbe  ist  also  einfach  a,  ce,  e,  i,  y,  o,  u,  ea^  eo,  ie. 
Zahlen  mit  vorgesetztem  tp  beziehen  sich  auf  gruppe  2. 


a 

bares  amtigon  IT  367, 23.  v  363,  29. 

marge  wei  11 206, 29. 

alberhtes  11494,21  lelmwort. 

snawan  K III  215, 27  zweimal. 

naf(B  n  296, 9. 

gafcerbcece  11  596,  35,  gaferlice  II 
568, 29.  —  Vielleicht  zum  altkel- 
tischen  stamm  Gavero{n\  bei  Hol- 
der 1991,  4  belegt. 

(Bt  Acon  IV  233, 12. 

swacan  IV  27, 20. 21. 

tuicum  n  243, 36. 

Taia  H  262,  31.  274,  1.  275,  38. 
280,  13.  290,  14  -  vgl.  OET 
s.  592. 

cadan  hangran  EU  305,  24. 

Had{(l)  II  359,  24.  i/^  365, 14,  wohl 
Schreibfehler  statt  Hadda. 

lahorüei  H  163,  5. 

(B 

mccre  vgl.  §  3  anm.  8,  §  12,  Anh., 
cadidfes  mcrre  II  207,  4,  ÜHicaldcs 
merc  II  118,  29.30,  wifcules  mcere 
III  632,  31 ,    Wifeles  mere  K  HI 


172,  28,  Iwdes  mcere  TU  476, 16, 
Ulan  mere  H  118,  26,  tiOan  mare 
n 242, 13,  plutanmere  10  655,18; 
oo  mcere  ebda.  z.  19,  syndhädetmen 
1 515,  27,  wendan  mcere  11 442, 31, 
wcßndan  mceres  laee  TU  106,  1, 
cedlihan  mere  TR  520,  7,  wUtUm 
mcere  H  207,  5.  6,  sUmmcert  m 
62,  26.  n  94, 19.  549, 36,  lamman 
m  305,  34,  lammeres  I  148,  da 
554,32,  spreo^mere  111116, 3. 117,6, 
drocmere  U  118, 26. 31,  saydmeat 
Km  252,33.  IV  27, 16,  ciir^ 
mcereJI74ttl7f  2>^rcffU8re  111240,30, 
ilmere  m  240,28,  ceaifa  man  I 
542,  39.  U  208,  25,  cet  MerdafM 
Km  361,20,  grenmeres  sUgeU  l 
554,  32.  m  116,  6,  gremmenes  ^  I 
148,30,  gremmores  m  117, 9j  he- 
ammeres  geaie  I  554,  38,  bedlm 
meres  oo  1 148, 30^  bocw^ere»  stigtk 
1 148,31.  554,33.  m  116,7.  117,10 
zweimal,  ai8emere9wierdeJ12Sß,'\b, 
hidem<Bres  dorn  HI  476,  17,  kor- 
magres  wudu  H  291, 4, 
hamme  H  291, 5. 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      513 


Dcerentan  K III 199, 31. 32. 

bcpran  lege  IT  298,  14,  oo  forda  IT 
301,20  (bera?). 

fcers  scagan  K  III  229, 29. 

cemincgweg  11  568,  33,  (Bniincge^ 
ebda.,  zu  oernan? 

f(Brm  II  282, 18,  wohl  zu  feorm. 

stcerfinghyrste  II  485, 19. 

hcelnes  dorn  III  127, 22. 

rcdingbeorgas  IV  103,  14,  reling- 
beorgan  ebda.  z.  15  —  vgl.  zu 
trcefesing, 

bcelbricge  HI  356,  7  zweimal 

fcBlethamtne  11 171, 36,  fylet  <^  nächste 
zeile  zweimal. 

mceketibuma  1176,29,  mcdeburnan 
ebda.  z.  31,  mcelan  beorge  II 444, 12. 
ni  305, 19,  melanbeorh  U  444, 11. 
<^  beorge  in  305, 32,  meolanbeörge 
n  288,21,  meolce^ibeorge  11  xp28b,2 
—  trotz  dem  (e  ist  tnelan  oo  nach 
ausweis  der  6o-formen  als  das  ur- 
sprüngliche anzusehen. 

CBslices  ford  HE  355, 33  zweimal. 

tcesan  1  543, 4,  tesan  II  208, 30. 

trcefesingmudan  III  241, 1  —  wegen 
des  Suffixes  interessant,  man  vgl. 
Kluge  Stammb.  §  100  d,  vgl.  auch 
rccling-,  cUHinc,  meUinCy  tcopbitic. 

slutw  m  520, 2 ,   hocslew  IV  92, 32. 

scewwelea  IV  49, 12. 

scetigetdorn  U  304, 22. 

r(Bne  und  rctre  F.  III  356,3  —  K. 
liest  in  beiden  fällen  rceue. 

Hcemstedes  K  III  173, 1 ,  Hemstedes 
K  m  172,  37,  Stanhcemstede  K  IE 
252, 23. 

ceceles  beorge  HI  62, 31  —  die  häufig- 
keit  der  endung  -des  ist  zu  be- 
merken, man  vergleiche  droegeles, 
sa'di'leSf  wereles,  hweÖeles. 

(pcenes  feld{a)  IV  93  dreimal.  Kemble 
nimmt  wegen  ceceres  in  derselben 
Urkunde  Schreibfehler  an.  Dies  ist 
aber  zu  verwerfen :  ceccres  ist  wohl 
Schreibfehler,  nicht  umgekehrt, 
man  vgl.  hecenes. 

droegeles  boece  11  207, 2  zweimal. 


dcetinc  Hl  296, 32  —  vgl.  zu  trosfesing 
sceddes  sceate  lU  176,  9,    «v,  strcet 
655, 21,  oo  steorte  ebda.  z.  22. 


Jierde  IV  108,  25. 
helfceres  U  171,  32. 
wer(Ele8  (tceUce)  U  295,  37. 
weredan  hylle  1  47, 2.  545, 4.  U  382, 

12.  mv'3,29.  Km 301, 35,  mere- 

dan  hUnc  III  520,  6. 
mere  vgl.  zu  mcere. 
meresbyrig  U  532,  8. 
gersumen  Hl  172,  14  —  nordisches 

lehnwort. 
terstan  H  164,  12.  242,  18.  295, 31. 

K  m  189, 5  etc.,  tarstan  IV  tp  105, 4. 
Wenupforda  m  172, 24. 
CeH  1 106, 18. 
tcdetce  1  47,  25.   545,  7.   H  382,  15. 

mi;;3,31.  5,5.  KIH 302,2. 
weligie)  K  UI  233,  23. 24. 
Celcesora  K  m  179,  3. 24- 
meldanige  II  568, 34. 
hwedel(e)8  hecd  IH  176, 11.    655,  25, 

hicceöels  c^  m  176, 11. 
dredecumb  s.  zu  EtdreÖecumb. 
tresel  K  m  215,  32 ,  Tresdcotum  K 

m  214, 31. 
Besingahearh  I  107,  1    —    Holder, 

Sprachschatz  407,  35   belegt  ein 

altkeltisches  Besingus,    Ortsname 

in  Gallien.   Vielleicht  hierzu  wäre 

unser  wort  zu  stellen. 
Plesc  m  355,  24.  356,  6,    ~««  m 

355,15. 
resteslea  1  515,  34 
besüesfordid)  H  206,  34 ,  BasBtUs  o. 

n  206,  24. 
Rewes  1 107, 20. 

wrefet  K  UI  252, 22,  ~  e«  ebda. 
'defer  s.  Efw^  Cenoj,  MyceU^    Wohl 

zu  *dofer  zu  stellen,  vgL  ne.  An- 

dover,  und  zu  doferian  unten. 
wen  in  Zusammensetzungen:  c^risc 

in  519,  26,   verschr.  oo  ric  ebda. 

z.  15,  o.  ric  rV  93,  2. 13,  wcenric 

ebda.  z.  2,  Wenbeorgan  H  78,28. 


514 


R.  A.  WILLIAMS, 


80,23,    wamhyrste  KUX  218,  83, 

Wwndofron  IH  432, 10,  K  lU  127, 16 
-genes  Öom  IQ  141, 35 
Frena  K  m  304,  12,   Frcena  K  m 

177,  9. 
wennan  stän  U  77, 17. 
benn(i(n)cumb  IT  440, 35. 37,  e^es  U 

504,  16.  17. 18,    rivtdum  hcennan- 

cumb  IT  76,  24,    binnacumbes  IV 

90,  5. 26. 
lentan  IX  78,  24.  26,    lamtan  ebda. 

z.  25  anm. 
gente  K  m  219, 2. 
brenttngie)  XU  273,  27. 31 ,    brettng- 

nicede  ebda.  z.  26. 
Endefer  m  415, 24.  K  m  203, 27. 
wendan  mcere  U  442,  31,   <v»  beorges 

III  106,2,  wcendan  mceres  ebda.  z.  1. 
Cendefer  1 148, 26.  149, 1. 2. 
Emhasinga  K  m  253, 1. 

hecenes  hangran  IV  49,  11   —   vgl. 

(Ecenes. 
ecelesburna  11 357, 21  —  vgl.  ceceles. 
Wecetforda  m  404, 16. 
feccesumdu  11  492,  19.  20.   IV  49,  5 

zweimal. 
lege  Ul  476,  20  —  zu  Uah? 
wegela  byrig  IV  90, 13,  wcegela  oo  ebda. 
wegean  IV  92,  32. 
Bregeswidestan  1  257,  9.    11  303, 18, 

breges  stipestan  IH  G6j  11,  brceges- 

wiöcestane  11 296, 20,  bridswidestan 

m  268,  27.   Vgl.  Bregumid  0  E  T, 

8.526. 
fl^cges  garan  U  207, 3,  flegges  «v,  IQ 

446,21.   007,12. 
EtdreÖecumb  III  398, 38  —  wohl  = 

(Kt  Dredecumbj  vgl.  ne.  Dredcomb 

bei  K  VI,  8.  280. 
wic/s/M^in519,34,  c^es  ebda.,  metseg 

IV  93, 12 ,   mcütseg  ebda.  —  wohl 
flnssname,  man  vgl.  zu  trwfesing 

icettesford  II  76,  36. 

Brett onesj  belege  oben  §  4, 1.  Hierzu 
ist  berichtigend  zu  bemerken,  da88 
die  verschiedenen  ableitnngen  zu 
diesem  stamm  als  lateinische  lehn- 
wörter  anzusehen  sind.     Die  ur- 


sprüngliche agi.  form  hat  sweiftli- 
ohne  e  <  t.  Das  woit  gebOrt  also 
nicht  unter  t  sondern  e.  Die  aas 
stamm  Bret(t)on^  abgeleiteten  lrQ^ 
ter  sind  wohl  von  haus  ans  aosMr- 
W8.,  führen  daher  m  formen  ait 
a/o-umlaut,  man  vgL  die  angaboi 
von  Miller,  Place  Namea  1. 17- 1& 
Dieses  eo  geht  dann  spater  analog 
der  entwickelnng  Bearkt  >  BifM 
in  y  über:  es  entstehen  somit li«- 
men  wie  Brytenland,  Bryffaset& 

neddatOeage  U  412, 31.  K  m  176, 1, 
nceddan  es»  II 412, 31,  greddtmts»([i 
K  m  176, 2. 

medestran  U  484, 14  —  flnsmame. 

Cedenan  IV  233, 12,  32. 

spedige  (Öom)  HL  176,  5. 

Bedewinde  I  452, 23. 

Cedde  I  106, 17. 

Sedru?  11276,2  vgL  iS^anfn274^4. 

repple  IV  49, 14  vgl.  ripie. 

Ebbleshume  I  47,  22.  m  14K,  9.  K 
ni233, 23.30,  EhUdmmeJi^lM 
252,12.  287,20.  ni208,17ele. 
YbhUsbume  1 47, 33. 


hüe  m  240,  31  iweimal,  241,2  — 
flussname. 

itcwara  hagan  n  412,  86.  38.  K  m 
176,  8,  ywwara  ebda.  b.  7. 

Hiwerc  W  234,  9 

ijoifan  stocccB  U  295, 34. 

'Sinus  in  ^Ifr^  lU  62, 87  ete.,  Wiif 
oo  IV  96, 16  etc.,  JBUraebda.a.i 
^deZ  «^  K  m  337,  5,  JElf^iim 
m  178,6,  TTu^csiIV  96,8& 

rican  ford  E  Ul  888,  5. 6. 

tV/ett  stream  U  74^  19,  igemu  teäB  U 
409,  29  zweimaL 

lithagan  U  242,  6. 

smitan  stream  U  81,  2. 

riple  U  296,  23. 


hyrsleage  11  \p  447, 80  —  woU 
fehler  statt  fyn  t^ 


DIE  VOKALE  DER  TONSILBEN  IM  CODEX  WINTONIENSIS.      515 


hyrpes  hamme  TL  298, 12. 

cyrogafum  III  417,  6. 

dyrebroc  lü  t/;  3,  31.  I  47,  25.  545, 7. 
n  382, 15.  in  5, 4,  ötre  K  m  302, 2 
—  8.  B.-T.  8.  V.  Dyra  wudu  und 
Miller,  Place  Names  s.  42. 

cyrringe  H  456,  30. 

tyrtcenes  sledes  U  242,  5. 

fyrdinges  lea  Hl  ip  3,  29.  I  47,  22. 
n  382, 12.  m  5, 2.  K  m  301, 35, 
syrdinges  1  545,  4. 

cyrdan  hedle  II  379,  19. 

dyman  geat  II  ip  364, 12. 

ylting,  Hefes  oo  III  412, 18. 

Hyldingbroc  K  HI  179,  26. 

Cylfhongran  II  206,  37. 

Cylmestuna  m  415, 17.  K IH  203, 19. 

cylda  tun  11  207,  3. 

hwyÖian  pyt  11  296, 18. 

mydy  HI  520,  7,   gemyÖon  ebda. 

hrysan  beorh  IH  127,  25. 

pysere  Ul  xpS,  30.  I  47,  23.  545,  5, 
msere  U  382, 13.  K  UI  301, 36  — 
vgl.  Einl.  IV. 

Gyssic  K  m  360, 17. 

Jüywan  K  HI  229, 28. 29.  338, 7.  IV 
108,  27. 

slywhyrst  HL  349,  30. 31. 

Tywinham  K  III  363,  15  —  vgl.  tyr- 
wertes. 

Lyfing,  -e,  -us  IV  34,  7.  26.  35,  6. 
76,  13  etc.,  Lufinc  IV  33,  11,  Lu- 
toincg  K  HI  303,  28,  Lufingus  IV 
96,20. 

öryfes  den  III  305, 25. 

pryuet  IV  108, 29. 

Cyma  H  64,  8.  75, 2. 

tycan  pyt  Hl  520,  6. 

cycgan  Hl  519,  32,  ktcgestan(e)  IV 
93,  10  zweimal.  Binz  a.  a.  o.  be- 
legt ein  cocgan,  das  vielleicht  hier- 
mit zusammengehört.  Es  handelt 
sich  meines  erachtens  um  einen 
eigennamen. 

Ytingstoce  III  273,  14. 

Cytelinggraf  K  III  252, 30  —  aus  dem 
nordischen  entlehnt. 

scyihangran  II  i/»  448, 1. 


pytonioyrde m t^ 8, 31,  toytanwyr9e 

ms,  4. 

brydan  ford  HL  632,  21. 

brydelades  forda  11  301, 19. 

yddeles  H  492, 18. 

tryddingUage  H  118,  30. 

pyddes  geate  H  tp  363,  27. 

wyddan  beorg  HL  143,  3  —  dies  ist 
dasselbe  wie  poddan  beorge  HL 
297,  27:  Die  beiden  nrkimden  be- 
schreiben die  grenzen  derselben 
länderei  in  umgekehrter  reihen- 
folge,  wyddan  ist  also  statt  pyd- 
dan  verschrieben.  Ein  seitenstttck 
zn  dem  Vokalwechsel  in  podda- 
pydda  ist  vielleicht  das  oben  be- 
sprochene cocga-cycga. 

hyblea  1 515,  29. 


CoyreÖ  H  381,  3. 

Hormceres  IT  291 , 3,  hormes  Hl  302, 20. 

wores  8ol  EU  478,  8,    worres  sol  H 

379, 14  zweimal— vgl.  OET  8.574. 
gloranige  H  301,  23. 
Scora  die  IV  90,  15,    Soredich  VI 

122,6. 
landscore  hlinc  H  243,  35,     score 

hiinces  ebda.,    landsceorgeate  HL 

204, 24.   Vgl.  scorian,  vb.  bei  B.-T. 
dorcan  11  81, 1  —  flussname,  man 

vergleiche  Dorceceaster  und  hierzn 

Holder  1308,  27,    Miller,   Place 

Names  s.  65. 
lörtan  Mcewe  H  409,  25. 
wortan  beorge  HL  240, 30. 
mortan  cumbce  11  81,  9. 
hole  8.  dodholcan, 
Solentan  K  m  179,  24. 
Higsolon  K  m  219, 4. 
Dolemannes  K  lU  223,  6  —  vgl.  ahd. 

DcUman. 
foslace  n  533,26.  m  177, 31.  498, 19. 
dosabuman  HL  655,  22. 
costices  mylne  HL  303,  30. 
Howel  n  342, 1.   xp  364,  38.  380,  3, 

Huwcd  H  410,  8.  411, 15. 
trowingsceaddas  HL  649, 18. 


516 


B.  A.  WILLIAMS, 


doferlan  U  494, 19  zweimal,   Wem- 

dofron  TU  432,  10.    K  HI  127, 16 

—   Zweifelsohne  zum  keltischen 

stamm  dub-ro-n  =  wasser,   man 

vgl.  Holder  1362,  la 
bofan  hangran  H  v;364, 4. 
oflingcecer  HL  519, 13. 
bronces  ford  in  145,  24. 
Monnede(8)  1 543, 31.  545, 20.  547, 6. 
romes  leg  11  206,  30. 
FromcB  U  411,  8. 
Oc(e)a  n  235,  30.  244,  33,    ocan  lea 

n  301, 16,  occan  sldbw  III 520, 2. 
ocerbuma  11  412,  25.   K  m  175,  30, 

ocebuman  II 412,  25,  Occerbuman 

K  m  175,  31. 
ocetme  wyUas  III 62,  24. 
hocsleto  IV  92,  32,     hocingmceda  TL 

296,1. 
rocisfald  HL  649, 19. 
tocanstance  K  m  193, 11.  196, 13. 
wrocene  HL  650, 14  zweimal,  Wrocen- 

setna  UL  355,  23. 
toestsnocan  HL  141,  34  —  B.-T.  setzt 

nach  dieser  stelle  ein  snöca  = 

bay,  bend  an. 
hoge  bura  mearce  LH  649, 16  —  Wohl 

aus  höh  +  gebür  entstanden. 
lotnes  gs.  n  532,  9. 
G^oda II 136, 5,  GodemanKHISSßjlO. 

338,23. 
dodholcan  LY  27,  9. 
dophangran  H  118,  27. 
scropes  pyt  LI  ip  448,  5. 

u 

wures  byrgdse  111651,20,  Wurgeat 
H  342,  3,  man  vgl.  wores. 

Durum  TL  359,  21. 

gebur  s.  hoge  bura  unter  o. 

xdires  denu  LH  349,  25. 

müles  hamstede  II  206,  36,  muledich 
VI  122, 4—  vgl.  Muul  OET  s.634. 

Scuie  H  359,  25.   380, 24.   tp  365, 15. 

guldces  geate  H  74, 18. 

Juöwal  H  342,  2.  380,  4,  luöual  H 
V  364,  40. 

lusan  dorne  H  71,  7. 


umsan  m  27, 6  —  flnssname? 

Cusanweoh  1 106, 19  —  Ortsname. 

huw  in  wudu  huto  LH  655, 16. 

HutocU  s.  Howd, 

umfincgfcUd  LH  349,  dS. 

dufan  doppe  TV  92,  35. 

hrunigfeaMes  wcet  HL  632,  22  —  vgL 
ahd.  (H)Buntng. 

ctinaI544,2,  Ounan  11 380,9,  Cunan 
H  xp  365, 3  —  Sweet  setst  kfiize 
an,  OET  8.  559.  Vielleicht  ISast 
sich  dieses  sowie  das  nächstfol- 
gende wort  zum  kelt  stamm  dhuh 
(Holder  1194,  6)  ziehen. 

cunecan  forda  H  172, 2. 

Brunan  H  75, 19  —  Ortsname. 

hrumwyü  IV  45, 23  —  Zu  ahd.  Hramf 
Hruam,  Buomo  etc.,  oder  ags. 
hrütn  =  rauch? 

ucing(c)ford  11  V  436,  32.  36.  m 
297, 25.  1 229, 5,  ÜÖingr^  1 228,25. 

stucan  wisc  H  412,28.  Eini75^35. 

Luhan  H  252, 13. 

luhhes  geat  H  495, 19,  luhesrsje  U 
529,  27,  «V,  forda  TH  176,  5,  Mh 
harn  beorh  TH  227, 22. 

unthinglandcBS  H  413,  5,  Wuhmg  o» 
K  m  176,  la 

Hugon  1 107, 9  —  vgl  ahd.  Hugo  etc. 

Tugelea  mor  IV  90,  8,  tuhhdesmar 
II 504, 18,  tuchdea  <x>  11440,  Sa 

utdanbricge  H  412,  27.  K  lU  175,33 
—  vgl.  Utd  OET  s.  563,  Üid 
OET  s.  637. 

Lutegares  K  TH  363,  20. 

butinga  scylf  IV  49, 14. 

tutan  mcere  H  242, 18. 

wnUe  8ole  TV  108,  25. 26. 

er  Ute  brece  ledge  H  879,  12,  cruU 
braceleage  LH  ^7S,  9 f  cruUebrcuxa 
I  515,  36  —  vgl.  §  1  anm.  14. 

plutan  tnere  LH  655,  la 

stuteres  1 257, 13. 1 1303,20.  lU  66, 14. 

hudecumes  TV  45,  24. 

rudan  ortnga  TH  8, 14. 

DudigHieSyll.  244, 31  —  vgL ahd. 
Duodicho  etc. 

crudan  sceate  H  301, 16. 


DIE  VOKALE  DBB  TONSILBEN  IM  CODEX  WINT0NIEN8I8.      517 


ea 

wecUacan  U  74,  25. 

beas  broces  U  442,  36. 

weasctng  I  542,  32  —  vgl.  oben  §  8 

anm.  9. 
beastman  lea  II  304,  22. 
weawan  dorn  HL  478,  8  zweimal. 
Tceafersceat  K  m  360, 15,   wohl  zu 

iiafor  (StD). 
e(ic€8  sUde  U  379,  5. 
Peacesdde  K  m  362,  23. 
smeagelhyr8t{e)  lU  349,  28  zweimal. 
streatan  K  lU  229,  28. 
sceaddes  I  515,  20. 
seade  K  ÜI  223,  30. 

eo 

weoUage  IV  103, 12. 

beoredes  11 382, 13.  m  5, 3,  BeoreÖes 
K  m  301,  37,  beredes  1 47,  23,  be- 
frei (!)  1 545, 5,  beoredes  m  t/;  3, 31. 

Sweores  holte  11  240,  24. 

meolanbiorge  8.  zu  mcelceti'. 

geoUsbuma  HL  273,  30. 

leoUescumb  U  77, 17. 

sceoües  wiüe  I  515,  33. 

heowbasc  UI  176,  16,  ~  bic  m  655, 
32.33. 

hemrwah  HI  127,  24. 


diuumcea  m  355,  29,  dioumces  HL 
356,5. 

Eofeshametisis  K  m  303,  37. 

heofes  brycce  111655,24.  176, 11. 

reofnes  beorg  1 515,  32. 

Meone  I  514,  22  etc. ,  Meone  1 515, 
30.34.  548,4.  H  379, 14. 

Beoncet  II  300,  30,  BeoneÜeah  JH 
409,  7.  632,  25,  BeonyÜege  TR 
415,  24. 

ceomman  bricge  K  m  219,  5. 6. 

(vocc(;men  1194,20,  c^ocopn  11 549,36. 

ocenne  m  62, 24  —  ne.  Ock  in  Berk- 
shire. 

beocera  gente  K  HE  219, 5. 6. 

deocca  (berena)  JH  632,  30. 

deohholes  m  157, 16. 

eotanford  HL  355,  30  zweimal. 

ceotan  II 357, 23,  cceotan  ebda. 

scriotes  dune  II  304,  22. 

Teodan  I  107,  21. 

Creodantreow  I  540,  17,  Criodan- 
treow  1 543,  7. 

Ceodre  m  501, 6.9,  ceodre  HL  502, 13. 

(Et  Weopungutn  K  m  360, 15. 


te 


Tiesberd  n  380,  25 


Berichtigung. 

Auf  s.  418,  vierte  zeile  von  oben,  muss  es  „südlichen'^  statt  „nörd- 
lichen*' heissen. 


Halle  a.  d.  S. 


R.  A.  Williams. 


EINE  SAMMLUNG  VON  SHAKESPEARE- 
QUARTOS  IN  DEUTSCHLAND. 


Vor  einigen  wochen  erhielt  ich  einen  brief  des  grafen 
Goertz-Wrisberg,  majoratsherren  auf  schloss  Wrisbergholzen 
in  der  provinz  Hannover,  mit  der  mitteilong,  dass  sich  in  seiner 
bibliothek  ein  band  befinde,  enthaltend  eine  alte  Shakespeare- 
ausgabe aus  den  jähren  1600—1619,  die  allerdings  nicht  voll- 
ständig sei. 

Der  brief  enthielt  eine  kurze  Inhaltsangabe  des  bandes, 
auf  grund  deren  ich  vermuten  konnte,  dass  zwar  nicht  eine 
Shakespeare-ausgabe  —  eine  solche,  auch  eine  unvollständige^ 
hat  in  dem  angegebenen  Zeiträume  nicht  existiert  —  wohl 
aber  eine  Sammlung  wichtiger  alter  einzelausgaben  elisa^ 
bethanischer  dramen  vorliege. 

Meine  bitte,  mir  das  buch  auf  kurze  zeit  zu  näherer 
einsieht  und  genauerer  bestimmung  des  Inhalts  zur  verffigung 
zu  stellen,  wurde  mit  dankenswerter  bereitwilligkeit  nnd 
liebenswürdigkeit  von  dem  besitzer  gewährt.  Meine  vermatimg 
bestätigte  sich  vollauf,  und  ich  bin  nun  in  der  angenehmen 
läge,  den  fachgenossen  an  dieser  stelle  auskonft  Aber  den 
seltenen  fund  zu  geben. 

Der  mir  vorliegende  band  enthält  eine  Sammlung  von 
nicht  weniger  als  neun  quartausgaben  shakespearischer  nnd 
pseudoshakespearischer  dramen  aus  den  jähren  1600 — 1619^ 
darunter  seltene  erste  und  zweite  quartos. 

Wie  kostbar  die  mehrzahl  dieser  alten  ausgaben  ist,  mQge 
man  daraus  ersehen,  dass  von  den  neun  hier  yorliegenden 
quartos  nicht  weniger  als  fünf  in  den  in  den  achtziger  jähren 
des  vorigen  Jahrhunderts  unter  Fumivalls  leitnng  von  Prae- 
torius  und  Griggs  herausgegebenen  Skakespeare-Qoarto  Fao- 
similes  photolithographiert  worden  sind. 


A.  WAGNER,  SAMMLUNa  VON  8HAKESPBARE-QUABT08.        519 

Die  stücke,  um  die  es  sich  handelt,  sind  The  Whole 
Contention  between  the  Two  Famous  Houses  Lancaster  and 
York,  A  Midsummer  Night's  Dream,  Sir  John  Oldcastle,  The 
Merchant  of  Venice,  Henry  V.,  King  Lear,  Pericles,  The  M erry 
Wives  of  Windsor  und  A  Yorkshire  Tragedy. 

Eine  solche  Sammlung  dürfte  in  Deutschland  ein  unicum 
sein,  wenigstens  ist  mir  weder  eine  öffentliche,  noch  eine  privat- 
bibliothek  bekannt,  die  sich  eines  derartigen  Schatzes  r&hmen 
könnte.  Aber  auch  in  England  wird  eine  solche  collection 
wichtiger  alter  Shakespeare-Quartos  eine  grosse  Seltenheit  sein. 

Ich  gebe  nun  im  folgendem  jedes  mal  diplomatisch  getreu 
den  titel,  anfang  und  schluss  der  betreffenden  quarto  und 
werde  versuchen,  auf  grund  der  mir  zu  geböte  stehenden 
hülfsmittel  die  ausgaben  als  die  erste,  zweite,  dritte  usw.  genau 
zu  bestimmen. 

1.  The  I  Whole  Contention  |  betweene  the  two  Famous  |  Houses, 
LANCASTER  and  |  YOEKE.  |  With  the  Tragicall  ends 
of  the  good  Duke  \  Humfrey,  Richard  Duke  of  Yorke  |  and 
King  Henrie  the  \  sixt,  \  Diuided  into  two  Parts:  And 
newly  corrected  and  |  enlarged.  Written  by  William 
Shake-  \  speare,  Gent.  [Titelvignette  mit  der  Umschrift 
HEB .  DDIM .  HEB .  DDIEV.]  Printed  at  London,  for 
T.  P.  Quarto.  0.  J.  Q  4  Blätter,  d.  L  64. 

Anfang  auf  Bl.  A  2  a  : 

The  first  part  of  the  Conten-  |  tion  of  the  ttco  Famous  Houses 
of  Yorke  \  and  Lancaster,  with  the  death  of  |  the  good 
Duke  Humfrey: 

Enter  at  one  doore,  King  Henry  the  sixt,  and  Humfrey  Duke 
of  Glocester,  the  Duke  of  Somerset,  the  Duke  of  Buckingham, 

Cardinall  Bewford,  and  others. 

Enter  at  the  other  doore,  the  Duke  of  Yorke,  and  the  Marques 
of  Suffolke,  and  Queen  Margaret,  and  the  Earle  of  Saiisbury 

and  Warwicke, 

Suffolke. 
As  by  your  high  Imperiall  Maiesties  command, 
I  had  in  Charge  at  my  depart  for  France, 
As  Procurator  for  your  Excellence, 
To  marry  Princes  Margaret  for  your  Grace; 


520  ALBBECHT  WAGNER, 

So  in  the  ancient  famous  Citty  Towers, 

In  presence  of  the  Kings  of  France  and  Cyssile, 

The  Dukes  of  Orhance,  Calabar,  Britaine  and  Ähnsan. 

Schluss  auf  S.  Q4b: 

Queene.    Thankes  noble  Clarence,  worthy  brother  thankes. 

Glo.   And  that  I  loue  the  fruite  from  whence  thou  sprangst^ 

Witnesse  the  louing  kisse  I  giue  the  childe. 

To  say  the  truth,  so  ludas  kist  his  master, 

And  so  he  cride  all  haile,  and  meant  all  härme. 

Edw,    Now  am  I  seated  as  my  soule  delights, 

Cla.    What  will  your  grace  haue  done  with  Margaret? 

Reynard  her  father,  to  the  King  of  France 

Hath  pawnd  the  Cicels  and  lerusalem, 

And  hither  haue  they  sent  it  for  a  ransome. 

Edw,   Away  with  her,  and  waft  her  hence  to  France, 

And  now  what  rests,  but  that  we  spend  the  time, 

With  stately  triumphs  and  mirthfull  comicke  shewes, 

Such  as  beflts  the  pleasures  of  the  Court 

Sound  Drums  and  Trumpets,  farwell  to  sowre  annoy^ 

For  beere  I  hope  begins  our  lasting  ioy. 

Exeunt  omnes. 
FINIS. 

Dies  ist  die  erste  quarto  von  The  Whole  Contention 
between  the  Two  Famous  Houses  Lancaster  and  York,  er- 
schienen 1619.  Titel,  anfang  und  schluss  entsprechen  buch- 
stäblich und  typographisch  genau  dem  1886  von  Charles 
Praetorius  besorgten  und  von  Fumivall  eingeleiteten  facsimile 
in  den  Shakespeare-Quarto  Facsimiles.  Die  beiden  stücke,  auf 
denen  Skakespeares  Henry  VI,  teil  2  und  3  beruhen,  wurden 
zuerst  einzeln  1594  (The  First  Part  of  the  Contention  betwixt 
the  Two  Famous  Houses  etc.)  und  1595  (The  True  Tragedy 
of  Richard  Duke  of  York  etc.)  von  Thomas  Millington  und 
von  demselben  nochmals  1600  gedruckt.  1619  erschien  zum 
ersten  male  eine  Vereinigung  der  beiden  dramen  unter  dem 
obigen  titel.  Hier  wird  zuerst  Shakespeare  als  Verfasser  ge- 
nannt. Die  buchstaben  T.  P.  auf  dem  titel  bezeichnen  den 
bekannten  Verleger  Thomas  Pavier. 

2.  A  I  Midsommer  nights  |  dreame.  |  As  it  hath  beene  sundry 
times  pub- 1  likely  acted,  hy  the  Right  Hanowror  \  ble,  the 


SAMMLUNG  VON  SHAKESPEARE-QUABTOS  IN  DEUTSCHLAND.      521 

Lord  Chamberlaine  bis  |  seruants.  \  Written  hy  William 
Shakespeare.  \  [Titelvignette  mit  der  Umschrift:  POST 
TENEBRAS  LVX]  Fnnted  hy  lames  Roberts,  1600. 
Quarto.  H  4  Blätter  (32). 

Anfang  auf  bl.  A  2  a : 
A  I  MIDSOMMER  NIGHTS  |  DREAME. 

Enter  TJieseus^  Hippolita^  toith  others. 

Theseus. 

NOw  faire  Hippolita,  our  nuptiall  houre 
Drawes  on  apace:  foure  happy  daies  bring  in 
Another  Moone:  but  oh,  me-thinks,  how  slow 
This  old  Moone  wanes:  She  lingers  my  desires 
Like  to  a  Step-dam,  or  a  Dowager, 
Long  witbering  out  a  young  mans  reuenew. 
Hip,  Foure  daies  will  quickly  steepe  themselues  in  nights 
Foure  daies  will  quickly  dreame  away  the  time: 
And  then  the  Moone,  like  to  a  siluer  bow, 
Now  beut  in  heauen,  shall  behold  the  night 
Of  our  solemnities. 

Schluss  auf  bl.  H4a  und  b: 

Robin,    If  we  shadowes  haue  offended, 

Thinke  but  this  (and  all  is  mended) 

That  you  haue  but  slumbred  beere, 

Whüe  this  visions  did  appeare. 

And  this  weake  and  idle  theame, 

No  more  yeelding  but  a  dreame, 

Gentles,  do  not  reprehend. 

If  you  pardon,  we  will  mend. 

And  as  I  am  an  honest  Rucke, 

If  we  haue  vneamed  lucke, 

Now  to  scape  the  Serpents  tongue, 

We  will  make  amends  ere  long: 

Else  the  Rucke  a  lyar  call. 

So  good  night  vnto  you  alL 

Giue  me  your  hands,  if  we  be  friends, 

And  Robin  shall  restore  amends. 

FINIS. 

AagU»     N.  F.    ZIU.  84 


522  ALBRECHT  WAGNER, 

Wir  haben  hier  die  zweite  (Roberts'sche)  qnarto  des 
Sommernachtstraumes  vom  jähre  1600.  Sie  ist  1880  von 
William  Griggs  in  den  Shakespeare-Quarto  Facsimiles  photo- 
lithographiert, mit  einer  einleitung  von  J.  W.  Ebsworth.  Titel, 
anfang  und  schluss  der  Originalausgabe  sind  von  mir  mit  der 
nachbildung  verglichen.  Die  erste  qnarto  erschien  gleichfalls 
1600  und  ist  von  Fisher  gedruckt.  Eine  photolithographierte 
nachbildung  derselben  von  Griggs  mit  einleitung  von  Ebsworth 
ist  gleichfalls  1880  a.  a.  o.  erschienen.  Die  Fisher'sche  qnarto 
ist  in  die  buchhändlerregister  eingetragen  und  licensiert,  die 
Roberts'sche  nicht.  Die  Roberts'sche  qnarto  beruht  auf  der  von 
Fischer  (vgl.  Ebsworth  a.  a.  0.  §  5).  Unsere  zweite  qnarto 
ist  dadurch  wichtig,  dass  auf  sie  der  text  der  ersten  folio  ge- 
gründet ist  (Ebsworth  §  4).  Ich  bemerke  noch,  dass  Halliwell- 
Phillipps  die  Roberts'sche  quarto  für  die  erste,  die  Fishersche 
für  die  zweite  hält  (Memoranda  on  The  Midsummer  Nighfb 
Dream,  privately  printed  1879,  S.  34). 

3.  The  first  part  |  Of  the  true  &  hono-  |  rable  history,  of  the 
Life  of  I  Sir  lohn  Old-castle,  the  good  \  Lord  Cobham.  | 
Äs  it  hath  hene  lately  acted  hy  the  Bight  \  honorabU  the 
Earle  ofNotingham  \  Lord  High  Ädmirail  of  England,  \ 
Ms  Seniants.  \  Written  by  William  Sliakespeare.  [Titel- 
vignette wie  1]    London,  printed  for  T.  P.  1600. 

Quarto.  K  4  Blätter  (40). 

Auf  bl.  A2a  der  prolog.    Anfang  auf  bL  A3a: 

The  true  and  honorable  Historie,  of 

the  life  of  Sir  lohn  Old-Castle,  the 

good  Lord  Cobham. 

/n  the  fight,  Enter  the  Sheriffe,  and  two  of  his 

Sheriffe. 

My  Lords,  I  Charge  ye  in  his  Highnesse  name^ 
To  keepe  the  peace,  you,  and  your  followers. 

Her      Good  M.  Sheriffe,  look  vnto  your  seif. 

Pow,     Do  so,  for  we  haue  other  businesse. 

Proffer  to  fight  againe, 

Sher,     ^\i\\  ye  disturb  the  ludges,  and  the  Assize? 
Heare  the  Kings  proclamation,  ye  were  best 


SAMMLUNG  VON  SHAKE8PEARE-QÜABT0B  IN  DEUTSCHLAND.      523 

Pow.     Hold  then,  let's  heare  it. 
Her,      But  be  breefe,  ye  were  best. 
Bayl.    0  yes. 

Schluss  auf  bl.  E4a: 
Potvis,    But  Powis  still  must  stay, 

There  yet  remaines  a  part  of  that  true  loue 
He  owes  bis  noble  friend  vnsatisfied 
And  vnperform'd,  which  first  of  all  doth  binde  me 
To  gratulate  your  Lordships  safe  deliuery: 
And  then  intreate,  that  since  vnlookt  for  thus 
We  beere  are  met,  your  honour  would  vouchsafe 
To  ride  with  me  to  Wales,  where  though  my  power, 
(Though  not  to  quittance  those  great  benefits 
I  haue  receiu'd  of  you)  yet  both  my  house, 
My  purse,  my  seruants,  and  what  eise  I  haue 
Are  all  at  your  command.    Deny  me  not, 
I  know  the  Byshops  hate  pursues  ye  so, 
As  there's  no  safety  in  abiding  beere. 
Cob,       Tis  true  my  Lord,  and  God  forgiue  him  for  it. 
Pow,      Then  let  vs  hence,  you  shall  be  straight  prouided 
Of  lusty  geldings:  and  once  entred  Wales, 
Well  may  the  Byshop  bunt,  but  spight  bis  face. 
He  neuer  more  shall  haue  the  game  in  chace.      Eoceunt 

FINIS. 
Dies  ist  die  erste  quarto  des  auf  dem  titel  fälschlich 
Shakespeare  zugeschriebenen  Sir  John  Oldcastle,  1600  bei 
T.  P.  (Thomas  Pavier)  erschienen.  Dass  der  berühmte  name 
Shakespeares  in  dieser  zeit  vielfach  von  gewissenlosen  und 
auf  ihren  vorteil  bedachten  buchhändlem  herangezogen  wurde, 
um  die  kauflust  des  publikums  anzulocken,  darüber  vergleiche 
man  Sidney  Lee  in  seinem  A  Life  of  William  Shakespeare*, 
179  ff.  Der  gleiche  fall  wird  uns  später  bei  der  Yorkshire 
Tragedy  begegnen.  Der  text  dieser  quarto  wurde  wieder- 
abgedruckt in  der  dritten  folio  der  werke  Shakespeares.  Im 
gleichen  jähre  (1600)  erschien  eine  zweite  quarto  des  Stückes 
ohne  den  namen  Shakespeares,  gedruckt  von  V[alentine]  S[ims] 
für  T[homas]  P[avier].  Diese  zweite  ausgäbe  soll  besser  sein 
als  die  erste,  vgl.  P.  A.  Daniel  in  seiner  einleitung  zu  der  von 
Praetorius  (1885)  besorgten  facsimilierten  ausgäbe  der  ersten 
quarto  des  King  Lear  s.  V  anm.  1. 

Angu«.  N.  F.  xm.  35 


524  ALBRECHT  WAGNER, 

4.  THE  I  EXCELLENT  |  History  of  the  Mer- 1  chant  of  Venice.  \ 
With  the  extreme  cruelty  of  Shylocke  \  the  lew  towards 
the  Saide  Merchant,  in  cut-  |  ting  a  itist  pound  of  his 
flesh.  And  the  oUaining  \  of  Portia,  by  the  choyse 
of  I  three  Caskets,  \  Written  by  W.  Shakespeare.  |  [Titel- 
vignette wie  1].    Printed  by  J.  Boberis,  1600.  | 

Quarto.   K  4  blätter  (40). 

Anfang  auf  bl.  A  2  a : 
The  Comical  History  of  the  |  Merchant  of  Venice.  \ 

Enter  Anthonio,  Salaryno,  and  Sdlanio. 

ANthonio.  Insooth  I  know  not  why  I  am  so  sad, 
It  wearies  me,  you  say  it  wearies  you; 
But  how  I  caught  it,  found  it,  or  came  by  it, 
What  stuffe  tis  made  off,  whereof  it  is  bome, 
I  am  to  learne ;  &  such  a  want-wit  sadnes  makes  of  me, 
That  I  haue  much  adoe  to  know  my  seife. 

Schluss  auf  bl.  E  4  a : 

Por.    It  is  almost  morning, 

And  yet  Ime  [sie]  sure  you  are  not  satisfled 
Of  these  euents  at  füll.    Let's  go  in, 
And  Charge  vs  there  vpon  intergotories. 
And  we  will  answer  all  things  faithfully. 

Gra.    Let  it  be  so,  the  first  intergotory 

That  my  Nerrissa  shall  be  swome  on,  is, 
Whether  tili  the  next  night  she  had  rather  stay, 
Or  go  to  bed  now,  being  two  houres  to  day: 
But  were  the  day  come,  I  should  wish  it  darke, 
That  I  were  couching  with  the  Clarke. 
Well,  while  I  liue,  ile  feare  no  other  thing 
So  sore,  as  keeping  safe  Nerrissas  Ring.        Exeunt 

FINJS. 

Dies  ist  die  Editio  Princeps  des  Merchant  of  Venice,  ge- 
druckt von  J.  Roberts  im  jähre  1600.  Die  zweite  quarto 
stammt  aus  dem  gleichen  jähre  (Printed  by  I.  R.  for  Thomas 
Heyes).  Beide  liegen  in  photolithogi*apliischeu  nachbildnngen 
vor,  die  erste  ist  besorgt  von  Griggs  (nach  dem  exemplar  des 
Herzogs  von  Devonshire),  die  zweite  von  Praetorius,  beide 
sind   von   Furnivall   mit   einleitungen  versehen.     Nach   der 


SAMMLUNG  VON  SHAKESPEARE-QUARTOS  IN  DEUTSCHLAND.      525 

ansieht  des  zuletzt  genannten  gelehrten  steht  die  Roberts'sche 
quarto,  obwohl  sie  die  ältere  ist,  der  von  Heyes  an  gute  nach. 
Titel,  anfang  und  schluss  unseres  Originals  sind  von  mir  mit 
der  facsimilierten  nachbildung  verglichen. 

5.  The  I  Chronicle  History  |  of  Henry  the  fift,  with  his  |  batteil 
fought  at  Ägin  Court  in  |  France.  Together  ^ith  an- 1 
cient  Pistoll  |  Äs  it  hath  bene  sundry  times  playd  hy  the 
Right  Honou-  \  rdbU  the  Lord  Chamberlaine  his  \  Seruants,  | 
[Titelvignette  wie  1].    Printed  for  T.  P.  1608.  | 

Quarto.   G3blätter  (27). 

Anfang  auf  bl.  A  2  a : 

The  Chronicle  Historie  |  of  Henry  the  fift:  with  his  batteil 
fought  I  at  Agifi  Court  in  France.  Togither  with  |  An- 
cient  Pistoll  \ 

Enter  King  Henry,  Exeter,  two  Bishops,  Clarencs, 

and  other  Ättendants, 

Exeter, 

SHall  I  call  in  th'Ambassadors  my  Liege? 

King.    Not  yet  my  cousin,  tili  we  be  resolu'd 

Of  some  serious  matters  touching  vs  and  France, 

Bysh.    God  and  his  Angels  guard  your  sacred  throne. 
And  make  you  long  become  it. 

King.    Sure  we  thank  you:  and  good  my  Lord  proceed 

Why  the  Law  Saliquc  which  they  haue  in  France, 
Or  should  or  should  not  stop  in  vs  our  claime: 
And  God  forbid  my  wise  and  leamed  Lord, 
That  you  should  fashion,  frame,  or  wrest  the  same. 

Schluss  auf  bl.  G  3  b : 

Harry.  Why  then  let  this  among  the  rest 

Haue  his  füll  course:  And  withall, 

Your  daughter  Katherine  in  marriage. 
Fran.     This  and  what  eise 

your  Maiesty  shall  craue: 

God  that  disposeth  all,  giue  you  much  ioy. 
Har.      Why  then  faire  Katherine, 

Come  giue  me  thy  band: 

Our  matriage  [sie]  will  be  present  solemnize, 


526  ALBBBCHT  WAOKBB, 

And  end  our  hatred  by  a  bond  of  lone. 
Then  will  I  sweare  to  Kate,  and  Kate  to  me, 
And  may  our  vowes  once  made,  vnbroken  be. 

FINJS. 

Dies  ist  die  dritte  quarto  von  Shakespeares  Henry  Y^  ge- 
druckt für  T.  P.  (Thomas  Pavier)  1608.  Eine  photolitho- 
graphische nachbildung  derselben  ist  1886  von  Charles  Praetorius 
besorgt  und  mit  einer  einleitung  von  Arthur  Symons  versehen. 
Die  erste  quarto  erschien  1600  (ebenfalls  facsimiliert  von 
Praetorius).  Die  zweite,  gedruckt  1602,  ist  ein  fast  genauer 
abdruck  der  ersten  quarto.  Unsere  dritte  ist  gleichfalls  ein 
abdruck  der  ersten,  aber  mit  einer  reihe  von  änderungen. 
S}nnons  hält  sie  im  ganzen  für  'decidedly  superior  to  the 
flrst',  vgl.  s.  IV  der  einleitung. 

6.  M.  William  Shake-speare ,  |  EIS  \  True  Chronicle  History 
of  the  life  |  and  death  of  King  Lear,  and  his  |  three 
Daughters.  \  With  the  vnfortunate  life  of  EDGAE,  |  sonne 
and  heire  to  the  Earle  of  Olocester,  and  |  his  suUen  and 
assumed  humour  of  TOM  |  of  Bedlam.  |  Äs  it  was  plaid 
before  the  Kings  Maiesty  at  White-IfaU,  vp-  \  pon  S. 
Stephens  night,  in  Chrismas  HoUidaies.  \  By  his  Maiesties 
Seruants,  playing  vsually  at  the  |  Globe  on  the  Banck- 
side.  I  [Titelvignette  wie  1].  Printed  for  Nathaniel 
Butter.  I  1608. 

Quarto.  L  4  blätter  (44). 

Anfang  auf  A2a: 
M.    William  Shake-speare  |  UIS  \  History,   of   King  Lear. 

Enter  Kent,  Glocester,  and  Bastard, 

Kent 

I  Thought  the  King  had  more  affected  the  Duke  of 
Älbeney  then  Cornewall. 

Glast  It  did  alwaies  seeme  so  to  vs,  but  now  in  the  diuision 
of  the  Kingdomes,  it  appeares  not  which  of  the  Dukes 
he  values  most,  for  equalities  are  so  weighed,  that 
curiosity  in  neitheri  can  make  choise  of  eithers  moytie. 


SAMMLUNG  VON  SHAKESPEARE-QUARTOS  IN  DEUTSCHLAND.      527 

Kent.    Is  not  this  your  sonne,  my  Lord? 

Glost    His  breeding  sir  hath  beene  at  my  Charge.    I  haue 

so  often  blusht  to  acknowledge  him,  that  now  I  am 

braz'd  to  it. 
Kent    I  cannot  conceiue  you. 

Schluss  auf  bl.  L  4  a : 

Duke:  Beare  them  ftom  [sie]  hence,  our  present  businesse 
Is  to  generali  woe:  friends  of  my  soule,  you  twaine 
Rule  in  this  kingdome,  and  the  good  State  sustaine. 

Kent:    I  haue  a  journey  sir,  shortly  to  go, 

My  master  cals,  and  I  must  not  say  no. 

Duke    The  waight  of  this  sad  time  we  must  obay, 

Speake  what  we  feele,  not  what  we  ought  to  say: 
The  oldest  haue  bome  most,  we  that  are  yong, 
Shall  neuer  see  so  much,  nor  liue  so  long. 

FINIS. 

Es  liegt  die  zweite  quarto  von  King  Lear  vor,  aus  dem 
jähre  1608.  Sie  ist  1885  von  Charles  Praetorius  facsimiliert. 
Sie  wurde  von  den  Cambridge -herausgebem  in  der  alten 
aufläge  in  den  Varianten  durchweg  als  die  erste  quarto  be- 
zeichnet, aber  bereits  in  der  einleitung  zu  dem  stück  kamen 
die  herausgeber  zu  der  Überzeugung,  dass  sie  sich  geirrt 
hatten,  und  dass  es  die  zweite  quarto  sei.  Auch  Fumess 
(A  New  Variorum  Edition  bd.  V  s.  355)  ist  dieser  ansieht. 
Die  erste  quarto  erschien  gleichfalls  1608.  Auch  sie  ist  von 
Praetorius  photolithographiert,  und  die  nachbildung  wurde  von 
P.  A.  Daniel  mit  einer  einleitung  versehen. 


7.  THE  LATE,  |  And  much  admired  Play,  |  CALLED, 
Pericles,  Prince  of  |  Tyre.  |  Wiih  the  true  Relation  of  the 
whole  Hl-  I  Story,  aduentures,  and  fortunes  of  |  the  saide 
Prince.  |  Written  by  W.  Shakespeare.  |  [Titelvignette 
wie  1].    Printed  for  T.  P.   1619.  | 

Quarto.  Die  blattzählung  ist  sehr  eigentümlich.  Das 
titelblatt  ist  nicht  mitgezählt,  dann  folgt  R  1 — 4,  S  1 — 4, 
T  1—4,  V  1—4,  X  1—4,  Y  1—4,  Z  1—4,  dann  Aa  1— 4  und 
als  letztes  blatt  B  b  1.  Im  ganzen  also  mit  dem  titelblatt 
34  blätter. 


528  ALBRECHT  WAGNER, 

Anfang  auf  bl.  R 1  a : 
THE  HISTORY  OF  |  Pericles,  Prince  of  Tyre.  | 

Unter  Gower, 
TO  sing  a  song  that  old  was  sung, 
From  ashes,  ancient  Gower  is  come, 
Assuming  mans  infirmities, 
To  glad  your  eare,  and  please  your  eies; 
It  hath  beene  sung  at  Festiuals, 
On  Ember  eues,  and  holy-daies 
And  Lords  and  Ladies  in  their  liues, 
Haue  read  it  for  restoratiues : 
The  purchase  is  to  make  men  glorious. 
Et  bonum  quo  Antiquius  eo  melius: 

Schluss  auf  bl.  B  b  1 : 

For  wicked  Cleon  and  bis  wife,  when  Farne 
Had  spread  their  cursed  deed,  the  honord  name 

Of  Pericles,  to  rage  the  Citty  turne, 

That  him  and  his,  they  in  his  Pallace  bume: 

The  gods  for  murder  seemed  so  content, 

To  punish,  although  not  done,  but  meant. 

So,  on  your  patience  euermore  attending, 
New  ioy  waite  on  you,  beere  our  play  hath  ending. 

FINIS. 

Dies  ist  die  vierte  quarto  des  Pericles.    Die  beiden  ersten 
erschienen  1609,  die  dritte  1611. 

8.  A  I  Most  pleasant  and  ex  |  cellent  conceited  Comedy,  |  of 
Sir  lohn  Falstaffe,  and  the  \  merry  Wiues  of  Windsor.  \ 
With  the  swaggering  vaine  of  An  |  cient  Pistoll,  aüd 
Corporal  Nym.  |  Written  by  W.  Shakespeare.  |  [Titel- 
vignette wie  1].  Printed  for  Arthur  Johnson,  1619.  | 
Quarto.   G  4  blätter  (20). 

Anfang  auf  A2a: 

A  I  Pleasant  conceited  Come-  |  die  of  Sir  JOHN  FALSTAFFE, 
and  the  merry  wiues  of  Windsor, 

Enter  Justice  Shallow,  Sir  Hugh,  Master  Page, 

and  Slender, 

SHal.    Nere  talke  to  me.  He  make  a  star-chamber  matter  of  it. 
The  Councell  shall  know  it. 


SAMMLUNQ  VON  SHAKBSPEARE-QUARTOS  IN  DEUTSCHLAND.      529 

Tage.  Nay  good  M,  Shallow  be  perswaded  by  me. 

Sien.  Nay  surely  my  Vnckle  shall  not  put  it  vp  so. 

Sir  Hugk    Will  you  not  heare  reasons,  M.  Slender? 

You  should  heare  reasons. 

Shal  Though  he  be  a  Knight,  he  shall  not  thinke  to 

carry  it  so  away. 

Master  Page  I  will  not  be  wronged.    For  you 
Sir,  I  loue  you,  and  for  my  cousin. 
He  comes  to  looke  vpon  your  daughter. 

Schluss  auf  bl.  G  4  b : 

For:   All  parties  pleased,  now  let's  in  to  feast, 

And  laugh  at  Slender,  and  the  Doctors  ieast. 
He  hath  got  the  maiden,  each  of  you  a  boy 
To  waite  vpon  you,  so  God  giue  you  ioy, 
And  sir  lohn  Falstaffe  now  you  shall  keep  your  word, 
For  Brooke  thLs  night  shall  lye  with  Mistris  Ford. 

Exit  omnea. 
FINIS. 

Es  liegt  die  zweite  quarto  der  Merry  Wives  of  Windsor 
vor  (1619).  Die  erete  erschien  im  jähre  1602.  Unsere  aus- 
gäbe ist  ein  reiner  abdruck  von  quarto  1,  aber  mit  erheblich 
geändertem  titel,  vgl.  P.  A.  Daniel,  einleitung  zur  facsimilierten 
ausgäbe  der  ersten  quarto  (Griggs  1888)  s.  V. 

9.  A  I  YORKSHIKE  TRAGEDIE.  |  Not  so  New,  as  Lamen- 
table I  and  True.  |  Written  by  W.  Shakespeare.  |  [Titel- 
vignette wie  1].    Printed  for  T.  P.  1619.  | 

Quarto.  D  2  blätter,  das  titelblatt  ist  nicht  mitgezählt, 
also  im  ganzen  15. 

Anfang  auf  bl.  A  1  a : 

ALL'S  ONE,  I  OR,  |  One  of  the  foure  Plaies  in  one,  called  a  \ 
Yorkshire  Tragedy.  As  it  was  plaid  by  |  the  Swings 
Maiesties  Players.  | 

Enter  Oliuer  and  Raphe,  two  seruingmen. 

OLiuer.  Sirrah  Raphe,  my  young  Mistris  is  in  such  a  pittifull 
passionate  humour  for  the  long  absence  of  her  loue. 

Raphe.  Why  can  you  blame  her,  why,  Apples  hanging  longer 
on  the  tree  then  when  they  are  ripe,  makes  so 


530  ALBRECHT  WAONEB, 

many  fallings,  viz.  Mad  wenches  because  they  are 
not  gatliered  in  time,  are  faine  to  drop  of  themselaes, 
and  then  tis  common  you  know  for  euery  man  to 
take  them  vp. 

Schluss  auf  bl.  D  2  b : 

Mr.  Was  it  in  man  to  wound  so  kinde  a  creature? 
He  euer  praise  a  woman  for  thy  sake. 
I  must  retume  with  grief,  my  answer's  set, 
I  shall  bring  newes  weighes  heauier  then  the  debt. 
Two  brothers;  one  in  bond  lies  ouerthrowne, 
This,  on  a  deadlier  execution. 

FINIS. 

Dies  ist  zweite  quarto  der  Yorkshire  Tragedy  (1619),  die 
erste  erschien  1608,  vgl.  \\\  Garew  Hazlitt,  Handbook  to  the 
Populär,  Poetical  and  Dramatic  Literature  of  Great  Britain, 
S.  471  b.  Auch  dieses  stück  wird  auf  dem  titelblatt  in  beiden 
ausgaben  fälschlich  Shakespeare  zugeschrieben. 

Überblicken  wir  nun  die  ganze  Sammlung,  so  ergiebt  sich, 
dass  alle  quartos  mit  einer  einzigen  ausnähme  —  Henry  V.,  bei 
dem  sich  der  autor  von  selbst  verstand  —  den  namen  Shake- 
speares auf  dem  titelblatt  aufAveisen.  Der  sammler  wollte 
also  eine  reihe  von  einzelausgaben  Shakespeare'scher  dramen 
in  dem  bände  vereinigen.  Dass  darunter  sich  einige  befinden, 
die  wir  heute  als  pseudo-shakespearisch  erkannt  haben,  focht 
ihn  natürlich  nicht  an. 

Der  einband  dürfte  aus  dem  18.  (vielleicht  noch  aus  dem 
17.)  Jahrhundert  stammen.  Der  damalige  besitzer  hat  auch 
die  liebenswürdigkeit  gehabt,  uns  seinen  namen  anzugeben. 
Auf  dem  vorderen  einbanddeckel  ist  in  goldenen  majuskeln 
der  name  Edward  Gwynn  eingepresst.  Auf  dem  rücken  des 
einbandes  steht  in  gleichen  typen:  Plays  and  Pamphlets  [$ic\ 
of  W.  Shakespeare. 

Die  namen  des  druckers  und  Verlegers  erscheinen  auf 
keinem  der  titelblätter,  wie  es  sonst  wohl  geschieht,  (printed 

by for )  vereinigt,  sondern  stets  findet  sich  nur  der 

name  des  einen  oder  des  andern.  Als  verlegemame  begegnet  am 
häufigsten  T.  P.  (Thomas  Pavier),  nämlich  in  1,  3, 5, 7, 9;  ausser- 
dem  einmal  Nathaniel  Butter  (6)   und  Arthur  Johnson  (8). 


SAMMLUNG  VON  SKAKESPEARE-QUARTOS  IN  DEUTSCHLAND.      581 

Als  drucker  erscheint  zweimal  James  Roberts  (2  und  4),  also 
nur  in  zwei  fällen  von  neun  finden  wir  den  namen  des  druckers 
auf  dem  titel. 

Es  fällt  auf,  dass  in  allen  in  unserem  bände  vereinigten 
quartos  dieselbe  titelvignette  erscheint,  mit  einer  einzigen  aus- 
nähme. Diese  ausnähme  bildet  die  zweite  quarto  des  Sommer- 
nachtstraumes, gedruckt  von  James  Roberts  (vgl.  unsere  Nr.  2). 
Hier  begegnet  eine  Vignette  mit  der  Umschrift  Post  tenebras  lux. 

Aber  schon  im  gleichen  jähre  (1600)  erscheint  aus  der 
Offizin  von  J.  Roberts  die  erste  quarto  des  Merchant  of  Venice 
mit  einer  anderen  Vignette  (vgl.  nr.  4),  und  dieselbe  wieder- 
holt sich  in  der  ersten  quarto  des  Sir  John  Oldcastle  (1600), 
in  der  dritten  von  Henry  V.,  in  der  zweiten  des  King  Lear 
(beide  1608),  in  der  ersten  der  Whole  Contention,  der  vierten 
des  Pericles,  der  zweiten  der  Merry  Wives  und  in  der  zweiten 
quarto  der  Yorkshire  Tragedy  (die  letzten  vier  sämtlich  aus 
dem  jähre  1619). 

Über  diese  Vignette  sagt  P.  A.  Daniel  in  der  einleitung 
zu  King  Lear,  The  First  Quarto,  s.  IV  f . : 

The  device  on  the  Title  of  Q  2  is  that  of  Richard  Johnes, 
Jhones  or  Jones  whose  initials  it  bears  (See  Johnson's  Typo- 
graphia.  Vol.  I  p.  585).  Jones  appears  to  have  been  at  work 
between  1571  and  1597.  The  Cambridge  Editors  say  the  device 
is  that  of  J.  Roberts;  it  probably  became  his  by  succession, 
for  we  find  it  on  the  title  of  the  1600  ed.  of  The  Merchant 
of  Venice  printed  by  him.  Whether  it  was  still  in  his 
possession  in  1608  may  be  doubted ;  the  Brit.  Mus.  Catalogue 
gives  no  later  date  than  1606  for  any  book  printed  by  him. 
I  suppose  we  must  attribute  to  J.  Roberts's  press  the  Ist 
1600  edit.  of  Sir  John  Oldcastle  which  has  Shakespeare's  name 
on  the  title  page  and  which  was  printed  for  T.  P[avier],  for 
it  has  this  same  device.  The  same  device  appears  later  on 
the  title  of  the  1619  ed.  of  The  Merry  Wives  of  Windsor, 
printed  for  Arthur  Johnson 

Wir  fügen  auf  grund  des  oben  gesagten  hinzu:  dieselbe 
Vignette  findet  sich  auch  in  der  dritten  quarto  von  Henry  V. 
von  1608  und  in  den  quartos  der  Whole  Contention,  des  Pericles 
und  der  Yorkshire  Tragedy,  sämtlich  von  1619. 

Es  kann  zunächst  nicht  zweifelhaft  erscheinen,  dass  der 
block  der  alten  Jones'schen  Vignette  im  jähre  1600  in  den 


582       A.  WAGNBfi,  SAMMLUNG  VON  SHAKESPBABB-QUABT08. 

besitz  von  James  Roberts  übergegangen  war.  Dies  zeigt  die 
erste  quarto  des  Merchant  of  Venice,  die  unter  der  Vignette 
den  namen  von  Roberts  als  dmcker  aufweist,  und  dies  haben 
die  Cambridge-herausgeber  mit  recht  konstatiert 

Wenn  nun  P.  A.  Daniel  a.  a.  0.  bezweifelt,  dass  die  Vignette 
noch  nach  1606  von  Roberts  benutzt  wurde,  weil  nach  diesem 
jähre  im  katalog  des  Brit  museums  Roberts'sche  drucke  nicht 
mehr  verzeichnet  werden,  so  erscheint  mir  das  nicht  stichhaltig, 
weil  in  einer  ganzen  reihe  von  fällen  (in  unserer  Sammlung  in 
sieben  von  neun)  der  dmcker  überhaupt  nicht  angegeben  wird. 

Ich  halte  es  vielmehr  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die 
sämtlichen  in  unserer  Sammlung  vereinigten  quartos  aus  der 
offizin  von  James  Roberts  hervorgegangen  sind,  weil  sie  alle 
entweder  den  namen  dieses  druckers  oder  seine  titelvignette 
aufweisen. 

Wenn  dies  aber  richtig  ist,  so  fällt  auf  die  entstehung 
unserer  Sammlung  ein  neues  licht.  Dann  ist  nicht  nur  der 
name  Shakespeares  für  die  Vereinigung  dieser  seltenen  und 
kostbaren  quartos  in  einem  bände  massgebend  gewesen,  sondern 
es  kommt  als  zweiter  faktor  die  gemeinsame  herkunft  aus 
der  offizin  von  James  Roberts  hinzu.  Dass  die  Sammlung 
von  England  nach  Hannover  kam,  lässt  sich  aus  den  alten 
zwischen  den  beiden  ländem  bestehenden  beziehungen  leicht 
erklären. 

Ich  bin  im  begriff,  auf  dem  wege  nach  England  einer 
einladung  des  grafen  Groertz-Wrisberg  zur  besichtigung  seiner 
bibliothek  folge  zu  leisten,  und  ich  bin  vielleicht  in  der  läge, 
den  fachgenossen  von  neuen  funden  mitteilung  zu  machen, 
wenn  sie  auch  dem  vorliegenden  an  Wichtigkeit  schwerlich 
gleichkommen  dürften. 

Halle,  1.  August  1902.  Albbbcht  Wagnbb. 


UaUe,  Drvok  von  Ehrhardt  Karrat. 


*  9 


Ausgegeben  den  24.  November  10Ö2. 


A  N  G  L  I A. 


ZEITSCHRIFT 


FÜR 


EN&LISGHE  PHILOLO&IE. 


UNTER   MITWIRKUNG   VON   EWALD   FLÜGEL 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

EUGEN   EINENKEL. 


NEUST   EINEM    BEIBLATT    HERAUSGEGEBEN    VON    MAX    FR.  MANN. 


BAND  XXV.    NEUE  FOLGE  BAND  XIIL 

VIERTES  HEFT. 


HALLE  A.  S.  f 


MAX    N^IEMEYEB. 

1902 

Die  Zeitschrift  erscheint  in  Bänden  (von  4  Heften)  zu  24  Mi 

Diesem    Hefte    ist   ein   Prospekt   der   Firma  Gi 
Berlin,  beigelegrt. 


4f 


INHALT. 


Seite 

R.  A.  Williams,  Die  vokale  der  tonsilben  im  Codex  Wintoniensis  .    393 

AI  brecht  Wagner.   Eine  sanmilung  von  Shakespeare -Quartos  in 

Deutschland 518 


Abgüschloäseu    ende    Oktober    1902. 


Das  nächste  lieft  erscheint  Januar  1IK)3. 

Manuscrii)te  tiii-  «las  ülx'i-nächstc  lieft  werden  bis  spat^estens  ende 
März  VM\  crh<'tcn .  ciitwoh^r  an  Prof.  Dr.  Ellgen  Einenkel,  Halle- 
(liebichenstein,  Scydlitzstrasse  U).  oder  an  Prof.  Dr.  Ewald  Fliigrel,  Stanford 

rniversitv.  Pah»  Alto.  California.  V.  S. 

« 

Die  für  die  •Aniilia'  hcstininiten  rezensionsexemplare  neu  er- 
xliienencr  druckscliriftcn  sind  zu  senden  an:  Dr.  Max  Mann^  Herausgeber 

des  'Ik'iblattes*.  Frankfurt  a  M.- Bockenheim,  Königstrasse  36. 


Georg  Reimer 


BERLIN  W  35 


VERLAGSBÜCHHANDLUNC 

LCTZOWSTR.  107-8. 


PROSPECT. 


SHAKESPEAKE-LEXICON 


VOLLSTÄNDIGER  ExXGLISCHKR 
SPRACHSCHATZ 

MIT  ALLEN  WOUTEllX,  WENDI  X(iEX  IND 
SATZBILDUNCEX 

IN  DEN  AVKRKEN  DES  DICHTERS 

VON 

ALEXANDER  SCHMIDT 

MMTTK  AUFLAGE 

DURCHGESEHEN  UND  EKWEITEUT 
VON 
GREGOR  SARRAZIN 

ZWKr  IJÄNDK 

THEIS    nUOSl  liniT    M.    -'4.— 
GLB.    IN    l'KIN    IIALUFUANZ    M.    .;<».— 


A  COMPLETE  DICTIONARY 


OF  ALL  TUE  EXCiLISH  WORDS,  PHRASES  AX 

CONSTRICTIOSS 

IN  THE  WOKKS  OF  THE  POET 

BY 

ALEXANDER  SCHMIDT,  LL«  D. 

TiUKi)  p:L)rnoN 

REVI8ED  AND  ENLARGED 
BY 

GREGOR  SARRAZIN 

'J  VoLlMKS 

ROYAL  8'^ 

TRK  E    IN    BOARDS   M.    -Jl.— 
HALF    (ALF    M.    ;U). — 


Sliakespearo's  Sprache,  schon  seinen 
Zeitgenossen  gewiss  oft  schwer  verständ- 
lich, ist  Jetzt  zum  grcjssen  Teil  als  veraltet 
zu  bezeichneiL  Viele  Wörter  und  Wen- 
(Unmen  sind  nicht  mehr  iihlich,  viele  andere 
hal)en  ihre  l>edeutnnir  verändert.  Für  alle 
diejenigen,  welche  Shakespeare's  Poesie  in 
ihrer  ursprünglichen  (lestalt  verstehen  und 
geniessen  wollen,  auch  Tür  dit»  Landsleute 
<les  grossen  J)ichters,  ist  ein  Special-\V«irter- 
huch  notwendig  geworden. 

I)ie  NOrzÜLiO  von  Alexander  Schmidt's 
Shakespeare- Lexicon  sind  von  berufenen 
Kritikern  einstimmig  anerkannt  worden  und 
haben  ihm  einen  Weltruf  verschalVt:  Gründ- 


Shakespeare's  language,  whichmusthav 
r)lfered  considerable  difliculties  eveu  to  hi 
contemporaries,  has  now  to  a  great  exter 
become  obsolete.  Many  words  and  phrasc 
nvi)  110  longer  in  use,  many  others  hav 
chan^ed  their  meanings.  For  all  readci 
who  want  to  understand  and  enjoy  Shakc 
speare's  poetrv  in  its  original  form,  evo 
for  tht?  countrvmen  of  the  great  Poet, 
Lrlossarv  has  become  a  necessitv. 

The  high  »jualitiesof  AlexanderSchmidt' 
Shakespeare-Lexicon,  unanimously  acknow 
ledged  by  competent  critics,  have  secure 
to  it  a  world-wide  reputation:  A  thoroug 
knowledge   of  Shakespeare''  ^